Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein früher zum notwendigen Betriebsvermögen gehörendes Wirtschaftsgut scheidet nicht dadurch ohne eine Entnahmehandlung der Steuerpflichtigen aus dem Betriebsvermögen aus, daß sich die tatsächlichen Beziehungen des Wirtschaftsgutes zum Betrieb so verändern, daß das Wirtschaftsgut nach dieser Veränderung nicht mehr zum gewillkürten Betriebsvermögen gemacht werden könnte.
Normenkette
EStG §§ 4-5, 6/1/4
Tatbestand
Streitig ist, ob der Bf. am 1. Januar 1958 ein Betriebsgrundstück mit der Folge ins Privatvermögen überführte, daß der Unterschied zwischen dem Buchwert und dem Teilwert den Gewinn erhöhte (ß 6 Abs. 1 Ziff. 4 EStG).
Der Bf. betrieb bis zur Ausbombung seines Unternehmens im Jahr 1944 auf einem ihm gehörenden Grundstück eine Elektrogroßhandlung. Nach der Ausbombung verlegte er den Betrieb in andere Gebäude, die er mietete. Das in seinen Bilanzen auch nach der Ausbombung fortgeführte Grundstück übernahm er in die DM-Eröffnungsbilanz mit dem unstreitig zulässigen Ansatz von 11 580 DM und wies diesen Wert auch in den folgenden DM-Bilanzen aus.
Am 1. Januar 1958 erklärte der Bf., dieses Grundstück ins Privatvermögen übernehmen zu wollen. Er war zunächst in seinem gegen die Einkommensteuerveranlagung 1958 eingelegten Einspruch mit der vom Finanzamt durchgeführten Versteuerung des Unterschieds zwischen dem Buchwert und dem Teilwert des Grundstücks einverstanden. Im Laufe des Einspruchsverfahrens vertrat der Bf. die Auffassung, daß das Grundstück nach der Ausbombung im Jahr 1944 am 1. Januar 1948 oder am 20. Juni 1948 notwendiges Privatvermögen geworden sei und deshalb die Ausbuchung des Grundstücks Anfang 1958 nur eine Bilanzberichtigung darstelle. Die im Jahr 1948 verhängte Bausperre, die bis 1954 fortbestanden habe, habe jede Beziehung des Grundstücks zum Betrieb gelöst und es für betriebliche Zwecke ungeeignet erscheinen lassen. Selbst wenn man aber eine zur Versteuerung der stillen Reserven führende Entnahme annehmen wolle, so hätte das Finanzamt eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung zulassen müssen.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos. Das Finanzgericht begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Das bis zur Ausbombung im Jahr 1944 unmittelbar betrieblichen Zwecken dienende Betriebsgrundstück sei durch die Ausbombung gewillkürtes Betriebsvermögen geworden, das der Bf. in seine DM-Eröffnungsbilanz und in die folgenden Bilanzen als Betriebsvermögen aufgenommen habe (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 305/59 U vom 1. Dezember 1960, BStBl 1961 III S. 154, Slg. Bd. 72 S. 419). Der Sachverhalt biete keinen Anhalt für die Annahme, daß das Grundstück vor dem 1. Januar 1958 dem Betrieb des Bf. vollkommen wesensfremd geworden sei. Daran habe auch die Bausperre nichts geändert. Zur Zeit der übernahme des Grundstücks in die DM-Eröffnungsbilanz hätten sich die spätere Entwicklung und die betriebliche Verwertungsmöglichkeit noch nicht übersehen lassen. Das somit in zulässiger Weise in die DM-Eröffnungsbilanz übernommene Grundstück habe nur durch einen Entnahmeakt aus dem Betriebsvermögen ausscheiden können. Ein solcher Akt liege vor dem 1. Januar 1958 nicht vor. Die Einwendungen gegen die Ermittlung des Teilwerts auf 35 000 DM seien unbegründet, weil sich der Bf. zunächst selbst mit diesem Wert einverstanden und zudem die Stadt bestätigt habe, daß sie für das Grundstück 37 500 DM gezahlt hätte. Eine steuerfreie Rücklage für Ersatzbeschaffung sei nicht möglich, weil das Grundstück weder durch höhere Gewalt noch durch eine erzwungene Veräußerung aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden sei (Urteil des Bundesfinanzhofs I 51/59 U vom 22. September 1959, BStBl 1961 III S. 1, Slg. Bd. 72 S. 1).
In seiner Rb. betont der Bf. erneut, daß bei Kriegsende kein Grundstückseigentümer in dem Gebiet, in dem das Grundstück liege, mit einem Wiederaufbau der Betriebsgebäude habe rechnen können und daß deshalb jeder objektive Zusammenhang mit dem Betrieb jedenfalls am 20. Juni 1948 gelöst gewesen sei. Das Grundstück hätte deshalb als notwendiges Privatvermögen nicht mehr in die DM-Eröffnungsbilanz übernommen werden dürfen. Spätestens 1954 habe die Enteignung des Grundstücks zugunsten der Stadt durch die Verhängung der Bausperre und die Beseitigung jeder Nutzungsmöglichkeit festgestanden. Die zu diesem Zeitpunkt feststehende endgültige Nichtbenutzbarkeit des Grundstücks stehe einer Enteignung gleich und berechtige ihn deshalb zur Bildung einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Den Ausführungen des Finanzgerichts ist zuzustimmen. Unstreitig gehörte das Grundstück bis zur Ausbombung der Gebäude im Jahre 1944 in vollem Umfang zum notwendigen Betriebsvermögen des Bf. Selbst wenn es zutreffend sein sollte, daß auf dem Grundstück jedenfalls bis Anfang 1958 keine Betriebsgebäude mehr errichtet werden durften und der Bf. zu irgendeinem Zeitpunkt zwischen der Ausbombung und Anfang 1958 damit rechnen mußte, das Grundstück für seine betrieblichen Zwecke nicht mehr nutzen zu können und der Stadt überlassen zu müssen, so genügt diese tatsächliche Entwicklung nicht, um das Betriebsgrundstück zum notwendigen Privatvermögen zu machen und auf Grund der Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse zu irgendeinem Zeitpunkt als aus dem Betrieb ausgeschieden anzusehen. Dabei ist es gleichgültig, ob das Grundstück, wäre es erst nach der Verhängung der Bausperre und der Beseitigung der Nutzungsmöglichkeit erworben worden, nach der neueren, mit dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 10/60 S vom 15. Juli 1960, BStBl 1960 III S. 484, Slg. Bd. 71 S. 625, eingeleiteten Rechtsprechung zum gewillkürten Betriebsvermögen hätte gemacht werden dürfen oder notwendiges Privatvermögen gebildet hätte, weil es weder bestimmt noch geeignet war, dem Betrieb zu dienen und ihn zu fördern. Denn ein zu irgendeinem Zeitpunkt zum Betriebsvermögen gehörendes Wirtschaftsgut kann im allgemeinen bei Fortbestehen des Betriebes nur durch eine eindeutige Entnahmehandlung zum Privatvermögen werden (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 305/59 U vom 1. Dezember 1960, a. a. O.; I 15/61 vom 7. November 1961, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 5, Rechtsspruch 287). Ohne im einzelnen zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen abweichend von dem bezeichneten Grundsatz die zur Abgrenzung des gewillkürten Betriebsvermögens vom notwendigen Privatvermögen ergangene neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs den Anlaß zu einer Bilanzberichtigung ohne Gewinnrealisierung (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs IV 403/55 U vom 10. Oktober 1957, BStBl 1958 III S. 1, Slg. Bd. 66 S. 1) bilden kann, muß doch jedenfalls der bezeichnete Grundsatz dann maßgebend sein, wenn notwendiges Betriebsvermögen vorlag, das nur durch eine änderung der tatsächlichen Verhältnisse ohne eine Willensäußerung des Steuerpflichtigen zu einem Vermögen wurde, das nach der neueren Rechtsprechung jetzt nicht mehr zum gewillkürten Betriebsvermögen gemacht werden könnte.
Das Finanzgericht lehnte es auch unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung mit Recht ab, die aufgelöste stille Reserve einer steuerfreien Rücklage für Ersatzbeschaffung zuzuführen. Eine solche Rücklage hat die Rechtsprechung grundsätzlich nur bei erzwungenem Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus dem Betriebsvermögen zugelassen und Verkäufe dem erzwungenen Ausscheiden nur dann gleichgestellt, wenn sie zur Abwendung einer sonst drohenden Enteignung abgeschlossen wurden. Auf freiwillige Entnahmen, die zu einer Auflösung der im Buchwert steckenden stillen Reserven führen, kann diese Rechtsprechung nicht ausgedehnt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 411090 |
BStBl III 1964, 97 |
BFHE 1964, 243 |
BFHE 78, 243 |
BB 1964, 248 |
DB 1964, 284 |