Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsenabzug bei Darlehen für die Anschaffung eines teilweise vermieteten und teilweise selbstgenutzten Gebäudes
Leitsatz (amtlich)
1. Finanziert der Steuerpflichtige die Anschaffung eines Gebäudes, das nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch der (nichtsteuerbaren) Selbstnutzung dient, mit Eigenmitteln und Darlehen, kann er die Darlehenszinsen insoweit als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abziehen, als er das Darlehen tatsächlich zur Anschaffung des der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteils verwendet (Anschluss an BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676; gegen BMF-Schreiben vom 10. Dezember 1999, BStBl I 1999, 1130).
2. Der Werbungskostenabzug setzt voraus, dass der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten im Rahmen seiner Finanzierungsentscheidung dem ein eigenständiges Wirtschaftsgut bildenden Gebäudeteil gesondert zuordnet und die so zugeordneten Anschaffungskosten mit Geldbeträgen aus dem dafür aufgenommenen Darlehen zahlt.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 Sätze 1, 3 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb 1993 ein mit einem Zweifamilienhaus bebautes Grundstück. Nach § 2 des notariellen Kaufvertrags betrug der Kaufpreis 268 000 DM. Davon entfiel gemäß Satz 2 des § 2 auf die Obergeschosswohnung mit einer Größe von 64,04 qm ein Kaufpreisanteil von 115 480,56 DM und auf die Erdgeschosswohung mit einer Grundfläche von 84,58 qm ein Kaufpreisanteil von 152 519,44 DM. Die Zahlung sollte nach Satz 3 des § 2 des Kaufvertrages auf das bei der Sparkasse noch zu benennende Notaranderkonto erfolgen.
Der Kläger schloss zur Finanzierung des Objekts mit seiner Bank drei Darlehensverträge mit den Nummern 4099974/00 (im Folgenden: 00), 4099974/01 (im Folgenden: 01) und 4099974/02 (im Folgenden: 02) ab. Das Darlehen 00 ordnete er der Wohnung im Obergeschoss zu, die er vermieten wollte und ab Mai 1993 auch tatsächlich vermietete. Die Darlehenssumme betrug 115 480 DM bei einer Laufzeit von zehn Jahren, einem Zinssatz von 7,25 v.H. und einem Auszahlungskurs von 100 v.H.
Die Verträge 01 und 02 ordnete der Kläger der Wohnung im Erdgeschoss zu, die er selbst zu nutzen beabsichtigte. Der Vertrag 01 betraf ein Darlehen in Höhe von 74 520 DM mit einer Laufzeit von zehn Jahren, einem Zinssatz von 6,03 v.H. und einem Auszahlungskurs von 91,5 v.H. Die Darlehenssummme des Vertrages 02 betrug 78 000 DM bei einem Auszahlungskurs von 100 v.H. Es handelte sich dabei um einen sogenannten Vorschaltkredit mit einer variablen Laufzeit und einem Zinssatz von 9,23 v.H.
Auf dem Notaranderkonto des amtierenden Notars gingen am 3. Mai 1993 drei Zahlungen der Bank in Höhe von 115 184,74 DM, 67 588 DM und 68 151,32 DM ein. Neben einer weiteren Zahlung durch die Bank zahlte der Kläger selbst im April und Mai 1993 kleinere Beträge auf das Notaranderkonto ein. Am 11. Mai 1993 kehrte der Notar den Gesamtkaufpreis von 268 000 DM in einer Summe aus.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1994) machte der Kläger die für das Darlehen 00 gezahlten Schuldzinsen in Höhe von 7 815 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für die vermietete Obergeschosswohnung geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte diesen Betrag nicht an, sondern berücksichtigte lediglich Schuldzinsen in Höhe von 5 275 DM. Diese Summe entspricht mit 43,09 v.H. der gesamten Schuldzinsen dem Anteil der vermieteten Wohnung an der gesamten Wohnfläche. Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt. Zur Begründung führte es in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2000, 1064 veröffentlichten Urteil aus, die Schuldzinsen, um die es hier gehe, seien nach den Grundsätzen aufzuteilen, die der Bundesfinanzhof (BFH) für die Zuordnung von Schuldzinsen zur Finanzierung der Herstellungskosten bei gemischt genutzten Gebäuden aufgestellt habe (BFH-Urteile vom 27. Oktober 1998 IX R 44/95, BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, und IX R 19/96, BFHE 187, 281, BStBl II 1999, 678).
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Unter Berufung auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 10. Dezember 1999 (BStBl I 1999, 1130) hält es die Grundsätze der Schuldzinsenaufteilung in Anschaffungsfällen nicht für anwendbar. Im Streitfall habe der Kläger durch einen einheitlichen Vertrag ein Zweifamilienhaus zu einem Festpreis erworben. Die Vertragsparteien hätten den Gesamtkaufpreis in diesem Vertrag rein rechnerisch aufgeteilt. Die daran orientierten Darlehensverträge seien den Gebäudeteilen nicht objektiv nachvollziehbar zuzuordnen. Überdies seien die Eigen- und Fremdmittel auf ein Notaranderkonto gezahlt worden, von dem dann der Gesamtkaufpreis einheitlich abgerechnet worden sei. In einem derartigen Fall sei der gesamte Darlehensbetrag nach dem BFH-Urteil vom 27. Oktober 1998 IX R 29/96 (BFHE 187, 284, BStBl II 1999, 680) im Verhältnis der Wohn- und Nutzflächen aufzuteilen.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der nicht vertretene Kläger hat sich zur Revision nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat zutreffend die Schuldzinsen aus dem Darlehensvertrag 00 der vermieteten Wohnung zugeordnet und sie als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung berücksichtigt.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Schuldzinsen (und sonstige Kreditkosten) als Werbungskosten abziehbar, soweit sie mit einer bestimmten Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Ein solcher wirtschaftlicher Zusammenhang ist dann gegeben, wenn die Schuldzinsen für eine Verbindlichkeit geleistet worden sind, die durch die Einkünfteerzielung veranlasst ist. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn und soweit das Darlehen tatsächlich zum Erzielen von Einkünften ―im vorliegenden Falle von solchen aus Vermietung und Verpachtung― verwendet worden ist (z.B. Beschlüsse des Großen Senats des BFH vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 2., und vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193, unter B. I. 1. und 2.; BFH-Urteil in BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, m.w.N.).
2. Dient ein Gebäude ―wie hier― nicht nur dem Erzielen von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, sondern auch der Selbstnutzung und werden die Darlehensmittel lediglich teilweise zur Einkünfteerzielung verwandt, so sind die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig als Werbungskosten abziehbar (z.B. BFH-Beschluss in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 3. d, m.w.N.). In vollem Umfang sind sie nur dann zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige ein Darlehen mit steuerrechtlicher Wirkung gezielt einem bestimmten, der Einkünfteerzielung dienenden Gebäudeteil zuordnet, indem er mit den als Darlehen empfangenen Mitteln tatsächlich die Aufwendungen begleicht, die der Anschaffung oder Herstellung dieses Gebäudeteils konkret zuzurechnen sind (vgl. i.E. BFH-Urteile in BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676; in BFHE 187, 281, BStBl II 1999, 678; in BFHE 187, 284, BStBl II 1999, 680).
a) Der Werbungskostenabzug setzt bei einem vom Steuerpflichtigen errichteten Gebäude voraus, dass die Herstellungskosten den eigenständige Wirtschaftsgüter bildenden Gebäudeteilen zugeordnet werden und dass diese gesondert zugeordneten Herstellungskosten (Entgelte für Lieferungen und Leistungen) auch tatsächlich mit Darlehensmitteln gezahlt werden (BFH-Urteil in BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, unter 4. und 5. der Gründe).
b) Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn der Steuerpflichtige ein Grundstück erwirbt (so auch Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 21. Aufl., § 9 Rz. 9, m.w.N.; Tiedtke/ Wälzholz, Finanz-Rundschau ―FR― 2001, 225 ff., m.w.N.; a.A. BMF in BStBl I 1999, 1130; Risthaus, Der Betrieb ―DB― 2000, 293, 294, re.Sp.); denn maßgebend für den Schuldzinsenabzug ist der Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsgut und der Darlehensaufnahme (so BFH-Beschluss in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, unter C. II. 3. a für den Fall des Erwerbs) und nicht, ob das Wirtschaftsgut angeschafft oder hergestellt wurde. Dementsprechend knüpft die Besteuerung auch im Falle des Erwerbs an die Finanzierungsentscheidung des Steuerpflichtigen an, wenn dieser eine objektiv erkennbare Zuordnung trifft und sein Auszahlungsverhalten damit übereinstimmt.
aa) Ein Werbungskostenabzug setzt deshalb zunächst voraus, dass die Anschaffungskosten den eigenständige Wirtschaftgüter bildenden Gebäudeteilen (z.B. der selbstgenutzte und der vermietete Gebäudeteil) zugeordnet werden. So verhält es sich, wenn der Steuerpflichtige den zivilrechtlich einheitlichen Kaufpreis sowie die Anschaffungsnebenkosten auf den selbstgenutzten und den vermieteten Gebäudeteil aufteilt. Soweit der Steuerpflichtige keine nach außen hin erkennbare Zuordnungsentscheidung trifft, sind die Anschaffungskosten anteilig zuzuordnen. Maßstab hierfür ist das Verhältnis der selbstgenutzten Wohn-/Nutzflächen des Gebäudes zu denen, die der Einkünfteerzielungsabsicht dienen (vgl. i.E. BFH-Urteil in BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, unter 4. der Gründe).
bb) Ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Schuldzinsen und den gesondert zugeordneten Anschaffungskosten besteht ferner nur dann, wenn dieser Teil der Anschaffungskosten tatsächlich mit den dafür aufgenommenen Darlehensmitteln gezahlt worden ist (vgl. i.E. BFH-Urteil in BFHE 187, 276, BStBl II 1999, 676, unter 5. der Gründe).
3. Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht den Schuldzinsenabzug im begehrten Umfang gewährt.
a) Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die den BFH nach § 118 Abs. 2 FGO binden, hatte der Kläger den Kaufpreis bereits im notariellen Kaufvertrag entsprechend dem Verhältnis der Nutzflächen auf die beiden Wirtschaftsgüter, nämlich auf die zu vermietende Obergeschosswohnung sowie auf die eigengenutzte Erdgeschosswohnung aufgeteilt. Zwar bleibt der Kaufvertrag zivilrechtlich ein einheitlicher Vertrag über eine Sache. Die in ihm vorgenommene Aufteilung des Kaufpreises hat aber nicht nur ―wie das FA vorträgt― rein rechnerische Bedeutung, sondern dokumentiert die Zuordnung der Anschaffungskosten zu unterschiedlichen Wirtschaftsgütern, der das Steuerrecht folgt.
b) Der Kläger hat den Teil der Anschaffungskosten, die er der vermieteten Obergeschosswohnung zugeordnet hat, auch tatsächlich mit den aus dem Darlehen 00 herrührenden Mitteln bezahlt. Er hat nach der revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Würdigung des FG zur Finanzierung der auf die vermietete Wohnung entfallenden Anschaffungskosten ein eigenständiges Darlehen aufgenommen. Die Darlehenssumme stimmt mit den der vermieteten Wohnung gesondert zugeordneten Anschaffungskosten überein und wurde von der Bank getrennt, d.h. nicht zusammen mit den anderen Darlehen auf das Notaranderkonto überwiesen.
c) Gegen den Zusammenhang von Anschaffungskosten und Kreditaufnahme spricht entgegen der Auffassung des FA nicht, dass der Notar den gesamten Kaufpreis von dem Notaranderkonto ausgekehrt hat. Zwar sind entsprechend dem BFH-Urteil in BFHE 187, 284, BStBl II 1999, 680 Schuldzinsen nur anteilig nach dem Verhältnis der selbstgenutzten Wohn-/Nutzflächen des Gebäudes zu denen, die der Einkünfteerzielung dienen, aufzuteilen, wenn der Steuerpflichtige die Anschaffungskosten einheitlich abrechnet. Davon ist im Streitfall aber nicht auszugehen; denn anders als in dem Fall des BFH-Urteils in BFHE 187, 284, BStBl II 1999, 680, wo es an einer Zuordnung der Herstellungskosten fehlte, hat der Kläger die Anschaffungskosten der vermieteten Wohnung gesondert ausgewiesen und getrennt finanziert. Diese vom Kläger in seinem Bereich vorgenommene Zuordnung wurde mittels Überweisung der Darlehenssummme auf das Notaranderkonto durchgeführt. Die Überweisung des gesamten Kaufpreises durch den Notar vermag diese Zuordnungsentscheidung nicht mehr in Frage zu stellen, und zwar unabhängig davon, ob mit der Überweisung der Darlehenssumme aus dem Darlehen 00 durch die Bank bereits Erfüllung eintrat (vgl. dazu die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 25. März 1983 V ZR 168/81, BGHZ 87, 156, und vom 25. Oktober 2001 IX ZR 427/98, Neue Juristische Wochenschrift 2002, 1346 ff.; Staudinger/Olzen, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch mit Einführungsgesetz und Nebengesetzen, 13. Bearbeitung, Bearbeitung 2000, § 362 Rdnr. 44, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 845727 |
BFH/NV 2002, 1646 |
BStBl II 2003, 389 |
BFHE 199, 430 |
BFHE 2002, 430 |
BB 2002, 2535 |
DB 2002, 2413 |
DStR 2002, 1897 |
DStRE 2002, 1363 |
DStZ 2002, 835 |
HFR 2003, 23 |