Leitsatz (amtlich)
Die Versagung von Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG für die von einer Brauerei in ihren verpachteten Gaststätten vorgenommenen Investitionen ist nicht ermessensfehlerhaft.
Orientierungssatz
1. Innerhalb des durch § 3 ZRFG gezogenen Ermessensrahmens können die Finanzbehörden zur Regelung bestimmter Gruppen gleichgelagerter Fälle Ermessensrichtlinien aufstellen und hierbei die Gewährung von Sonderabschreibungen von Voraussetzungen abhängig machen, die im Gesetz selbst nicht genannt sind, sofern diese zusätzlichen Voraussetzungen einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 21.4.1983 IV R 217/82). Um derartige Ermessensrichtlinien handelt es sich bei den Zonenrandförderungsrichtlinien vom 18.8.1971 (BStBl I 1971, 386 und vom 10.11.1978 (BStBl I 1978, 451).
2. Die Verpachtung von Brauereigaststätten ist nicht mit einer Betriebsaufspaltung vergleichbar.
3. Lediglich vermietete oder verpachtete Gebäude oder Gebäudeteile begründen keine Betriebsstätte (vgl. BFH-Urteil vom 28.8.1986 V R 20/79).
Normenkette
ZRFG § 3; AO 1977 § 5; FGO § 102; ZonenrandFöGErl Abschn. 1 Nr. 2 Abs. 1; AO 1977 § 12
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt im Zonenrandgebiet eine Brauerei und verpachtet eigene Gaststätten an selbständige Gastwirte, die nach den Pachtverträgen verpflichtet sind, sämtliche Getränke ausschließlich von der Klägerin abzunehmen.
Die Klägerin beantragte die Zulassung von Sonderabschreibungen gemäß § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) für folgende Investitionen in den Gaststätten:
1972 A Toilettenumbau DM 6 000 (= 30 %)
1974 B Abluftgerät DM 1 105 (= 50 %)
1975 C Hofbefestigung DM 1 470 (= 30 %)
Heizungsanlage DM 2 127 (= 30 %)
D Garage DM 951 (= 30 %)
Büffet DM 1 440 (= 50 %).
Mit Verwaltungsakten vom 16.Juli 1982 versagte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) die Sonderabschreibungen, weil die Voraussetzung des Verbleibens in der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen oder der eigenbetrieblichen Verwendung gemäß Abschn.I Nr.2 Abs.1 der Zonenrandförderungs-Richtlinien (ZRFR) vom 18.August 1971 (BStBl I 1971, 386) und vom 10.November 1978 (BStBl I 1978, 451) nicht erfüllt sei.
Das Beschwerdeverfahren blieb erfolglos.
Der hierauf erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es hob die Ablehnungsentscheidungen des FA vom 16.Juli 1982 und die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 20.Januar 1983 auf und verpflichtete das FA, die aufgeführten Sonderabschreibungen zu bewilligen.
Mit seiner hiergegen eingelegten Revision rügt das FA eine fehlerhafte Anwendung des § 3 ZRFG.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet; die Klage auf Bewilligung der Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG für die von der Klägerin in ihren verpachteten Gaststätten vorgenommenen Investitionen ist unter Aufhebung des angefochtenen Urteils des FG abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die Klage ist zulässig, da wegen der in einem besonderen Verfahren ergangenen Ablehnungsbescheide gemäß § 3 ZRFG das Vorverfahren in Form der Beschwerde durchgeführt wurde (§ 44 FGO, § 349 der Abgabenordnung --AO 1977--).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Versagung der Sonderabschreibungen durch das FA und die OFD ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach § 3 Abs.1 ZRFG kann bei Steuerpflichtigen, die in einer gewerblichen Betriebsstätte im Zonenrandgebiet Investitionen vornehmen, im Hinblick auf wirtschaftliche Nachteile, die sich aus den besonderen Verhältnissen dieses Gebietes ergeben, auf Antrag zugelassen werden, daß bei den Steuern vom Einkommen einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuern mindern, schon zu einer früheren Zeit berücksichtigt werden. Insbesondere dürfen unter bestimmten Voraussetzungen bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Sonderabschreibungen gewährt werden (§ 3 Abs.2 ZRFG).
Bei den hiernach von der Finanzverwaltung zu treffenden Entscheidungen handelt es sich um Ermessensausübung (§ 5 AO 1977). Dies folgt insbesondere aus dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 3 ZRFG sowie seiner Anlehnung an die Regelung des Billigkeitserlasses in § 163 AO 1977 bzw. § 131 der Reichsabgabenordnung --AO-- (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 28.Oktober 1981 I R 156/78, BFHE 134, 335, BStBl II 1982, 88).
Innerhalb des durch § 3 ZRFG gezogenen Ermessensrahmens können die Finanzbehörden zur Regelung bestimmter Gruppen gleichgelagerter Fälle Ermessensrichtlinien aufstellen und hierbei die Gewährung von Sonderabschreibungen von Voraussetzungen abhängig machen, die im Gesetz selbst nicht genannt sind, sofern diese zusätzlichen Voraussetzungen einer sachgerechten Ermessensausübung entsprechen (BFH-Urteil vom 21.April 1983 IV R 217/82, BFHE 138, 292, BStBl II 1983, 532, m.w.N.). Um derartige Ermessensrichtlinien handelt es sich bei den ZRFR.
2. Die Ermessensausübung der Finanzverwaltung in Form der Richtlinien und der danach getroffenen Einzelentscheidungen ist durch die Finanzgerichte gemäß § 102 FGO daraufhin zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Im Streitfall liegt kein derartiger Ermessensfehler der Finanzverwaltung vor; eine Bewilligung der Sonderabschreibungen war nicht etwa unter dem Aspekt einer Ermessenseinengung als allein sachgemäße Entscheidung geboten.
3. Nach Abschn.I Nr.2 Abs.1 ZRFR kommen Sonderabschreibungen in Betracht für die in der Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleibenden abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgüter und die von ihm zur eigenbetrieblichen Verwendung (zum eigenbetrieblichen Gebrauch) angeschafften oder hergestellten abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgüter. Diese Regelung läßt keinen Ermessensfehlgebrauch erkennen, wie der BFH bereits mehrfach entschieden hat (Urteile vom 21.April 1983 IV R 60/80, BFHE 138, 396, BStBl II 1983, 529; vom 10.April 1984 VIII R 218/79, BFHE 141, 395, BStBl II 1984, 734).
4. Die in den ZRFR aufgestellte Voraussetzung des Verbleibs in der Betriebsstätte des Steuerpflichtigen oder der eigenbetrieblichen Verwendung knüpft an die steuerliche Definition der eigenen Betriebsstätte in § 12 AO 1977 (bzw. vorher § 16 des Steueranpassungsgesetzes --StAnpG--) an.
Betriebsstätte im Sinne der gesetzlichen Definition ist jede feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit eines Unternehmens dient. Nach ständiger Rechtsprechung müssen die Einrichtungen und Anlagen dem Gewerbebetrieb unmittelbar dienen. Der Betriebsinhaber muß die tatsächliche Verfügungsgewalt über die betrieblichen Anlagen oder Einrichtungen haben. Der Besitz von Grundstücken oder Gebäuden (Gebäudeteilen) allein reicht hiernach nicht. Hinzukommen muß, daß dort eine eigene gewerbliche Tätigkeit ausgeübt wird. Lediglich vermietete oder verpachtete Gebäude oder Gebäudeteile begründen keine Betriebsstätte (BFH-Urteil vom 28.August 1986 V R 20/79, BFHE 148, 194, BStBl II 1987, 162, m.w.N.).
Insbesondere reichen die üblichen mit der Pachtzinsvereinnahmung und mit der Erhaltung der Pachtobjekte verbundenen Verwaltungsarbeiten für die Annahme einer Betriebsstätte am Ort des Pachtobjekts nicht aus, da sie von der Betriebsstätte des Verwaltungs*sitzes aus durch die Verpächterseite vorgenommen werden (BFH-Beschluß vom 30.August 1960 I B 148/59 U, BFHE 71, 585, BStBl III 1960, 468). Gleiches gilt, soweit sich der Verpächter ein Recht zum Betreten der Pachträume zur Prüfung von Geschäftsvorfällen oder sogar eine Kontrolle des gesamten Betriebsablaufs vorbehalten hat.
Selbst der Einsatz eigener Mitarbeiter des Verpächters im Pachtobjekt --etwa im Rahmen der vorgetragenen Mitwirkung der Klägerin bei der Organisation von Veranstaltungen in ihren verpachteten Gaststätten-- begründet dort mangels Dauerhaftigkeit des Personaleinsatzes und mangels rechtlich gesicherter räumlicher Verfügungsgewalt keine eigene Betriebsstätte.
Ebensowenig kann eine --wie die Klägerin formuliert-- "funktional übergreifende Betriebsstätte" des Verpächters aufgrund der absatzmäßigen Verflechtung mit dem Pachtbetrieb (als "verlängerter Arm") am dortigen Ort angenommen werden. Es handelt sich nicht um Verkaufsstellen der Klägerin im Sinne von § 12 Satz 2 Nr.6 AO 1977 (bzw. § 16 Abs.2 Nr.2 StAnpG). Die Klägerin verwendete die renovierten Gaststättenräume nicht selbst zur Ausführung von Bierumsätzen; diese Verwendung erfolgte durch den Pächter (vgl. BFH-Urteil vom 31.Juli 1987 V R 148/78, BFHE 150, 473, BStBl II 1987, 754, 755 zu § 15 Abs.2 und 4 Nr.2 des Umsatzsteuergesetzes 1967 --UStG--).
5. Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf Gleichbehandlung mit Besitzunternehmen im Falle der Betriebsaufspaltung (vgl. Abschn.I Nr.2 Abs.6 ZRFR 1971 bzw. Abs.7 ZRFR 1978) besteht nicht.
a) Die Verpachtung von Brauereigaststätten ist schon deswegen nicht mit einer Betriebsaufspaltung vergleichbar, weil bei letzterer zur sachlichen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen --auch nach der von der Klägerin angeführten Rechtsprechung-- noch die personelle Verflechtung hinzukommen muß. Nur aufgrund beider Voraussetzungen kann von einem einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen beider Unternehmen ausgegangen werden.
Letzterer liegt bei der Brauerei-Gaststättenverpachtung nicht vor, weil ein fremder Pächter selbständig und eigenverantwortlich unternehmerisch tätig ist.
b) Im übrigen wird sowohl bei der Gewerbesteuerpflicht wie auch bei der hier erörterten Abschreibungsbegünstigung darauf abgestellt, daß das Besitzunternehmen sich "über das Betriebsunternehmen weiterhin am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt".
Die Brauerei dagegen beteiligt sich unmittelbar selbst am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, ihre Gaststättenverpachtung hält sich im Rahmen ihres Gesamtbetriebs. Die Gewerbesteuerpflicht der Gaststättenverpachtung gründet sich auf den wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem der Brauerei verbleibenden Betrieb (Urteil vom 5.Oktober 1976 VIII R 62/72, BFHE 120, 257, BStBl II 1977, 42). Nur diese Folgerung ist aus den Ausführungen des BFH über die betriebliche Verflechtung und wechselseitige Abhängigkeit, über den Einfluß der Brauerei auf die Geschäftsführung der Gastwirtschaften sowie über die Ausnutzung der Eigeninitiative der Pächter durch die Brauerei zu ziehen.
6. Entgegen den Auffassungen des FG und der Klägerin zwingt demnach auch die Gewerbesteuerbelastung des Verpächters in diesen oder vergleichbaren Fällen (vgl. z.B. Abschn.15 Abs.2 Satz 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien --GewStR-- 1984 i.V.m. Abschn.137 Abs.4 Satz 3 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR-- 1984) nicht --im Sinne einer Ermessenseinengung-- zu einer Abschreibungsbegünstigung im Rahmen der Ermessensentscheidung der Verwaltung nach § 3 ZRFG (vgl. BFH-Urteil vom 28.Oktober 1977 III R 77/75, BFHE 123, 542, 545, BStBl II 1978, 116, zur Frage der Betriebsstätte des gewerblichen Verpächters gemäß § 1 des Investitionszulagengesetzes --InvZulG-- 1969).
Fundstellen
Haufe-Index 62006 |
BStBl II 1988, 653 |
BFHE 153, 188 |
BFHE 1989, 188 |
BB 1988, 1319-1319 (T) |
DB 1988, 1475-1476 (ST) |
DStR 1988, 462 (ST1) |
HFR 1988, 471 (LT1) |
WPg 1988, 591-591 |
StRK, ZRFG § 3 R.18 (LT1) |
FR 1988, 398 (ST1) |
NWB, Fach 3 6901 (34/1988) (T) |