Leitsatz (amtlich)
Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 KoG sind "Anzahlungen auf Anschaffungskosten" und "Teilherstellungskosten", nicht aber "Anzahlungen auf Teilherstellungskosten" begünstigt.
Normenkette
KoG § 32 Abs. 4 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war im Streitjahr alleiniger Kommanditist der O-KG (KG). Nach dem Tod der alleinigen Komplementärin im Jahr 1975 erbte er deren Geschäftsanteil und führte das Unternehmen als Einzelunternehmer fort.
Ende 1971 hatte die KG mit dem Bau eines neuen Betriebsgebäudes in A begonnen. In den Erklärungen zur einheitlichen Gewinnfeststellung 1971 und 1972 beantragte der Kläger, ihm für die Investitionssummen von 1 159 774,53 DM (1971) bzw. 1 215 452,66 DM (1972) die Prämie nach § 32 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der Steinkohlenbergbaugebiete (KoG) zu gewähren.
Nachdem bei einer Betriebsprüfung festgestellt worden war, daß in der Investitionssumme für 1971 "Anzahlungen auf Teilherstellungskosten" in Höhe von 600 000 DM enthalten waren, kürzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Bemessungsgrundlage der Kohleprämie für 1971 - neben hier nicht streitigen Beträgen - um 600 000 DM und setzte die Prämie auf 54 927 DM fest. Für das Jahr 1972 gewährte das FA im Hinblick auf die Begrenzungsvorschrift des § 32 Abs. 1 Satz 2 KoG die Prämie in der gleichen Höhe.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) muß § 32 Abs. 4 Satz 2 KoG so ausgelegt werden, daß Anzahlungen auf Teilherstellungskosten nicht prämienbegünstigt sind.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Er rügt Verletzung des § 32 KoG.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und ihm für jedes Streitjahr eine Investitionsprämie in Höhe von 115 977 DM zu gewähren.
Das Fa beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
1. Das FG ging zu Recht davon aus, daß Anzahlungen auf Teilherstellungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage für die Investitionsprämie nach dem KoG einzubeziehen sind.
a) Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KoG (i. d. F. des Art. 9 des Steueränderungsgesetzes vom 18. August 1969 - StÄndG 1969 -, BGBl I, 1211, BStBl I, 477) können Steuerpflichtige, die den Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung nach § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln und nach dem 30. April 1967 in einem Steinkohlenbergbaugebiet eine Betriebstätte errichten oder erweitern, auf Antrag für die nach dem 30. April 1967 und vor dem 1. Januar 1972 (Begünstigungszeitraum) im Zusammenhang mit der Errichtung oder Erweiterung der Betriebstätte angeschafften oder hergestellten abnutzbaren Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens einen Abzug von der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer für den Veranlagungszeitraum der Anschaffung oder Herstellung bis zu 10 v. H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vornehmen. Der Abzug bemißt sich nach § 32 Abs. 4 Satz 2 KoG nach dem Gesamtbetrag der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der in diesem Wirtschaftsjahr geliefeten oder fertiggestellten Wirtschaftsgüter i. S. des Abs. 3 "zuzüglich der Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Teilherstellungskosten", die der Steuerpflichtige für Wirtschaftsgüter i. S. des Abs. 3 in diesem Wirtschaftsjahr aufgewendet hat.
b) Nach Auffassung des erkennenden Senats ist die Wortverbindung in § 32 Abs. 4 Satz 2 KoG "zuzüglich der Anzahlungen auf Anschaffungskosten und Teilherstellungskosten" so auszulegen, daß sich das Wort "Anzahlungen" lediglich auf Anschaffungskosten, nicht dagegen auch auf Teilherstellungskosten, bezieht.
Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers maßgebend, wie er sich aus dem Wortlaut der Bestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt (vgl. Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 15. Dezember 1959 1 BvL 10/55, BVerfGE 10, 234, 244, und vom 17. Mai 1960 2 BvL 11/59, 11/60, BVerfGE 11, 126, 130f.). Die Auslegung eines Textes beginnt mit der Ermittlung des Wortsinns, d. h., der Suche nach der Bedeutung eines Ausdrucks oder einer Wortverbindung im allgemeinen Sprachgebrauch oder - falls ein solcher feststellbar ist - im besonderen Sprachgebrauch des Gesetzes (vgl. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 4. Aufl., 1979, S. 307).
Dem Kläger ist zuzugeben, daß nach dem allgemeinen Sprachgebrauch die oben genannte Wortverbindung auch so verstanden werden kann, daß neben den Anzahlungen auf Anschaffungskosten auch Anzahlungen auf Teilherstellungskosten in die Bemessungsgrundlage für die Investitionsprämie einzubeziehen sind. Jedoch läßt der einkommensteuerrechtliche Sprachgebrauch diese Deutung nicht zu.
Die Begriffe "Anschaffungskosten", "Herstellungskosten" und "Teilherstellungskosten" eines Wirtschaftsguts in § 32 Abs. 4 KoG sind dem Einkommensteuerrecht entnommen. Da sich aus dem erkennbaren Zweck des KoG und seiner Entstehungsgeschichte nichts Gegenteiliges folgern läßt, müssen diese Begriffe auch im einkommensteuerrechtlichen Sinn verstanden werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Januar 1980 I R 27/77, BFHE 130, 24, BStBl II 1980, 365, und vom 20. Februar 1975 IV R 79/74, BFHE 115, 335, BStBl II 1975, 510).
Im Einkommensteuerrecht sind Herstellungskosten i. S. des § 6 EStG die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Wirtschaftsguts entstehen. Als Teilherstellungskosten wird die Summe dieser Aufwendunen bezeichnet, die bis zum Ende eines Wirtschaftsjahres, das vor der Fertigstellung des Wirtschaftsguts liegt, bereits entstanden sind (vgl. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 6 EStG Anm. 459 und 461).
Anzahlungen, also Vorleistungen eines Vertragsteils im Rahmen eines schwebenden Geschäfts (BFH-Urteil vom 17. Januar 1973 I R 17/70, BFHE 108, 329, BStBl II 1973, 487), sind im Zusammenhang mit Herstellungskosten dann begrifflich nicht möglich, wenn der Steuerpflichtige ein Wirtschaftsgut im eigenen Betrieb herstellt. Läßt der Steuerpflichtige ein Wirtschaftsgut von einem fremden Unternehmer in dessen Betrieb herstellen, entstehen ihm in der Regel keine Herstellungskosten, sondern Anschaffungskosten. Dagegen erwachsen einem Steuerpflichtigen dann Herstellungskosten, wenn er auf eigenem Grund und Boden ein Gebäude oder eine Anlage durch einen fremden Unternehmer errichten läßt. In diesem Fall sind Vorleistungen für Aufwendungen, die auf die Herstellung des Wirtschaftsguts "Gebäude" oder "Anlage" gerichtet sind (z. B. Vorschußzahlungen an Bauhandwerker oder Architekten), Anzahlungen auf Herstellungskosten (zur Bilanzierung solcher Anzahlungen auf Herstellungskosten vgl. Husemann, Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung für Anlagegegenstände, Düsseldorf 1970, S. 208; Herrmann/Heuer, a. a. 0., § 5 EStG Anm. 49 z [3]).
Anzahlungen auf Teilherstellungskosten sind dagegen begrifflich nicht denkbar (vgl. auch Herrmann/Heuer, a. a. O., § 6 EStG Anm. 461; Lademann/Söffing/Brockhoff, Investitionszulagengesetz, § 1 Anm. 27). Denn im Zeitpunkt der Vorleistung läßt sich zwar bestimmen, ob die Aufwendungen der Herstellung eines Wirtschaftsguts dienen werden; hingegen kann erst nach dem tatsächlichen Verbrauch von Gütern bzw. nach dem Erbringen von Dienstleistungen - also rückschauend - ermittelt werden, in welchem Umfang die Aufwendungen einem bestimmten Wirtschaftsjahr zuzurechnen sind.
Kennt aber das Einkommensteuerrecht das Begriffspaar "Anzahlungen auf Teilherstellungskosten" nicht, kann auch der Wortsinn des § 32 Abs. 4 Satz 2 KoG nicht dahin gehend verstanden werden, daß in die Bemessungsgrundlage für die Investitionsprämie auch Anzahlungen auf Teilherstellungskosten einzubeziehen sind.
Dieses Auslegungsergebnis wird dadurch unterstützt, daß bei gegenteiliger Auffassung zwar Anzahlungen auf Teilherstellungskosten, nicht aber Anzahlungen auf Herstellungskosten oder Teilherstellungskosten selbst nach dem KoG begünstigt wären. Schließlich stimmt auch nur bei dieser Auslegung der Regelungsinhalt des § 32 Abs. 4 Satz 2 KoG mit dem der vergleichbaren Vorschriften des § 1 Abs. 6 und des § 2 Abs. 3 des Investitionszulagengesetzes 1969 und des § 19 Abs. 3 des Berlinförderungsgesetzes 1970, die eine Investitionszulage "für im Kalenderjahr (Wirtschaftsjahr) aufgewendete Anzahlungen auf Anschaffungskosten und für Teilherstellungskosten" gewähren, überein.
2. Die Vorentscheidung ist jedoch aufzuheben, weil der erkennende Senat mangels ausreichender tatsächlicher Feststellungen nicht prüfen kann, ob der Klage nicht wenigstens teilweise hätte stattgegeben werden müssen.
Das FG spricht in diesem Urteil lediglich davon, daß in der Investitionssumme für 1971 "Anzahlungen auf Teilherstellungskosten" enthalten gewesen seien. Es hat hingegen nicht festgestellt, wann und wofür Zahlungen erbracht worden sind und ob nicht ein Teil der Güter oder Dienstleistungen, für die Anzahlungen geleistet worden sind, schon im Jahr 1971 in die Teilherstellungskosten eingegangen ist.
Fundstellen
BStBl II 1982, 426 |
BFHE 1982, 383 |