Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzausgleichsteuer bei Marktordnungswaren nicht auf die Abschöpfung anrechenbar
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Umsatzausgleichsteuer kann neben den Abschöpfungsbeträgen nach dem AbG erhoben werden.
2. Auch die Gerichte dürfen die Abschöpfungsbeträge nicht entgegen der allgemeinen Praxis der Zollstellen in die Bemessungsgrundlage der Umsatzausgleichsteuer einbeziehen.
3. Das Abschöpfungserhebungsgesetz ist mit dem Grundgesetz vereinbar
Normenkette
EWGV 1962/19 Art. 1 Buchst. d; AbG §§ 1, 3; GG Art. 3 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Ein Importeur führte in der Zeit zwischen dem 31. Oktober und 10. November 1962 aus der Tschechoslowakei Kartoffelstärkemehl ein. Das Zollamt forderte neben der Abschöpfung Ausgleichsteuer, berechnet zu einem Steuersatz von 4 %, wobei es die Abschöpfungsbeträge außer Betracht ließ. Der Einspruch, mit dem der Importeur geltend machte, daß die Erhebung der Umsatzausgleichsteuer neben der Abschöpfung gegen den EWG-Vertrag und gegen die Verordnung (VO) Nr. 19 des Rats der EWG vom 4. 4. 1962 verstoße, hatte keinen Erfolg. Die Berufung war ebenfalls erfolglos. Das Finanzgericht Nürnberg vertrat im Urteil vom 23. 4. 1963 die Auffassung, daß die Abschöpfungsbeträge in die Bemessungsgrundlage der Umsatzausgleichsteuer einzubeziehen seien.
Entscheidungsgründe
Durch Art. 1 Buchst. d (Anlage) der Verordnung Nr. 19 der Rats der EWG über die schrittweise Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Getreide vom 4. 4. 1962 (ABlEG 1962 S. 933, BZBI. 1962 S. 618) in Verbindung mit §§ 1 und 3 des Abschöpfungserhebungsgesetzes (AbG) vom 25. 7. 1962 (BGBl. I S. 453, BZBl. 1962 S. 650), § 6 des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung Nr. 19 (Getreide) des Rats der EWG vom 26. 7. 1962 (BGBl. I S. 455, BZBI. 1962 S. 643) wird bestimmt, daß bei der Einfuhr von Kartoffelstärke eine Abschöpfung zu erheben ist.
1. Der erkennende Senat hält das Abschöpfungserhebungsgesetz für mit dem Grundgesetz vereinbar.
2. Der Senat vermag auch nicht zu erkennen, daß das Gesetz zur Durchführung der VO Nr. 19 gegen das Grundgesetz verstieße, weil es die rechtsstaatliche Forderung außer acht lasse, daß Abgabengesetze selbst dem Bürger darüber Aufschluß geben müßten, in welchen Fällen und in welcher Höhe er mit der Abgabe zu rechnen habe. Bei der Abschöpfungserhebung auf Kartoffelstärke ist von dem Abschöpfungssatz für Mais auszugehen.
Nach Art. 10 Abs. 2 der VO Nr. 19 entspricht der Abschöpfungsbetrag für Mais gegenüber dritten Ländern dem Unterschied zwischen dem cif-Preis und dem Schwellenpreis. Die cif-Preise für Mais werden durch Entscheidung der EWG-Kommission gemäß Art. 189 EWG-Vertrag festgesetzt. Die Tabellen zu den Entscheidungen werden in der Landwirtschaftsbeilage zum Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften verkündet. Die Entscheidung wird der Bundesrepublik Deutschland (BRD) bekanntgegeben (Art. 191 Abs. 2 EWG-Vertrag). Der Schwellenpreis wird nach § 5 des Durchführungsgesetzes zur VO Nr. 19 durch den Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wirtschaft durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats bestimmt. Dies ist durch die Zweite Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 (Getreide) des Rats der EWG (Schwellenpreise) vom 30. Juli 1962 (BGBl. 1 473) geschehen. Die Ermittlung der Abschöpfungssätze kann daher – wie dies Götz, Juristenzeitung 1963 S. 265/266 tut – als ein mathematischer Vollzug des europäischen Rechts bezeichnet werden, da alle Faktoren für die Bestimmung des Abschöpfungsbetrages bekannt sind. Unter diesen Umständen ist die Höhe des Abschöpfungssatzes als hinreichend durch Gesetz oder gesetzesgleiche Norm bestimmt anzusehen.
3. Die Ansicht der Klägerin, die Festsetzung der Schwellenpreise sei nicht rechtswirksam, geht fehl. Da sich der Inhalt der Ermächtigung zur Bestimmung des Schwellenpreises (siehe oben) aus Art. 4 bzw. 8 der VO Nr. 19 ergibt, kann der Einwand der Klägerin, daß die Ermächtigungsvorschrift des § 5 des Gesetzes zur Durchführung der VO Nr. 19 nicht den Erfordernissen des Art. 80 GG entspreche, nicht durchgreifen.
4. Der Einwand der Klägerin, die Abschöpfung hätte um den Betrag der Umsatzausgleichsteuer vermindert werden müssen, ist ebenfalls nicht begründet. Bei der hier in Rede stehenden Abschöpfung handelt es sich um eine Abgabe, deren Satz auf der Grundlage von Rechtsvorschriften einheitlich festgelegt ist und daher nicht im Einzelfall geändert werden kann. Ferner aber ist den einschlägigen Vorschriften zu entnehmen, daß Abschöpfung und Umsatzausgleichsteuer nebeneinander erhoben werden. Denn sowohl die VO Nr. 19 (in ihren Art. 18 und 20) als auch Verordnungen, die die Abschöpfung auf andere Waren regeln, verbieten nur, daß neben der Abschöpfung Zölle und Abgaben gleicher Wirkung erhoben werden. Die Umsatzausgleichsteuer aber ist keine Abgabe zollgleicher Wirkung, wie der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 4. 4. 1968 – Rs 20/67 (BZBl. 1968 S. 346) – entschieden hat und wie es der herrschenden Meinung entspricht. Ihre Erhebung neben der Abschöpfung ist daher zulässig.
Das Durchführungsgesetz zur VO Nr. 19 vom 26. 7. 1962 enthält keine Bestimmung darüber, wie die Schwellenpreise im einzelnen festzusetzen sind, und besagt auch nichts darüber, ob etwaige Umsatzausgleichsteuer-Beträge im Schwellenpreis enthalten sein dürfen oder nicht, wie das z. B. andere Verordnungen tun. Mangels eines ausdrücklichen Verbots der Einbeziehung der Umsatzausgleichsteuer bei den in der VO Nr. 19 genannten Erzeugnissen kann es aber dahingestellt bleiben, ob im Schwellenpreis für Mais irgendwelche Umsatzausgleichsteuer-Beträge berücksichtigt waren, da dies insoweit nicht unzulässig gewesen wäre. Es gibt aber auch keinen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der es verböte, daß in der Bemessungsgrundlage für eine Abgabe auf eine andere Abgabe zu entrichtende Beträge enthalten sind.
Außerdem bleibt zu beachten, daß nach Art. 4 Abs. 2 und Art. 8 Abs. 2 der VO Nr. 19 die Schwellenpreise für die in dieser Vorschrift genannten Erzeugnisse einer „Revision” (Art. 26 der VO Nr. 19) unterzogen werden, wenn sie unter Verstoß gegen zwingendes EWG-Recht festgesetzt worden sind. Aus der VO Nr. 122 der EWG-Kommission vom 6. 8.1962 (ABlEG 1962 S. 2024) ist ersichtlich, daß die EWG-Kommission die in der VO vom 30. Juli 1962 festgesetzten Schwellenpreise für Braugerste, Saatweizen, Saatroggen und Saatgerste revidiert hat. Es kann nicht angenommen werden, daß die EWG-Kommission nicht auch die übrigen in der Schwellenpreis-VO vom 30. 7. 1962 festgelegten Schwellenpreise überprüft und für den Vorschriften entsprechend befunden hat, zumal, da sie in der genannten VO Nr. 122 die Schwellenpreise für Gerste außer Braugerste, für Weichweizen und Mengkorn sowie für Roggen ausdrücklich anerkannt hat. Wenn die EWG-Kommission die Bundesregierung aufgefordert haben sollte, den Schwellenpreis um den Betrag der Umsatzausgleichsteuer zu senken (vgl. Kuhn im Außenwirtschaftsdienst des Betriebs-Beraters 1964 S. 34 35), so ging sie nach Angabe dieses Verfassers davon aus, daß die Umsatzausgleichsteuer nicht neben der Abschöpfung erhoben werden könne.
5. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Abschöpfung vor der ausdrücklichen Regelung im Umsatzsteuergesetz in der Fassung des 16. Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes vom 26. 3. 1965 (BGBl. I 5. 156) in die Bemessungsgrundlage für die Umsatzausgleichsteuer einzubeziehen war. Da der Bundesminister der Finanzen die Zollstellen durch Erlaß vom 17.7. 1962 (BZBl. 1962 5.653) angewiesen hatte, die Abschöpfung nicht in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen, und davon auszugehen ist, daß diese entsprechend verfahren sind, wäre der Gleichheitssatz des Art. 3 GG verletzt, wenn entgegen der Praxis der Zollstellen im Streitfalle die Abschöpfung in die Bemessungsgrundlage einbezogen würde. Das aber muß auch das Gericht beachten.
Fundstellen