Leitsatz (amtlich)
Die einheitliche und gesonderte Feststellung des Gewinns der Gesellschafter einer Personengesellschaft erstreckt sich auch darauf, ob Gewinne aus einer ausländischen Beteiligung der Personengesellschaft einkommensteuerpflichtig und Verluste aus dieser Beteiligung ausgleichs- und abzugsfähig sind.
Normenkette
AO § 215 Abs. 2 Nr. 2, § 218 Abs. 2; EStG § 3 Nr. 41
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist Komplementärin der S-KG (Inland). Diese Gesellschaft erlitt im Veranlagungszeitraum 1961 (Streitjahr) einen Verlust, den der Revisionsbeklagte (FA) im Bescheid über die einheitliche Feststellung des Gewinns vom 7. Mai 1963 unter Nr. I auf insgesamt 16 169 DM, davon auf die Steuerpflichtige entfallend 8 697 DM, feststellte.
Zum Betriebsvermögen der S-KG gehört auch eine Beteiligung an der B-KG (Österreich), die ebenfalls im Veranlagungszeitraum 1961 einen Verlust erlitt. Dieser Verlust wurde im Feststellungsbescheid des FA unter Nr. II als in Höhe von 23 459 DM anteilmäßig auf die Steuerpflichtige entfallend ausgewiesen. Der dazugehörige Text des Feststellungsbescheides lautet: "Ausländische Einkünfte zur Berücksichtigung des Progressionsvorbehalts im Sinne Art. 15 Abs. 3 des DBA zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich."
Bei der Einkommensteuer-Veranlagung der Steuerpflichtigen berücksichtigte das FA diesen Verlustanteil nicht, da nach Art. 4 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern vom 4. Oktober 1954 - DBA-Österreich - (BStBl I 1955, 370) das Besteuerungsrecht für Gewerbebetriebe dem Staat Österreich zustehe. Auch eine Steuerermäßigung gemäß Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich kam nach Auffassung des FA nicht in Betracht, weil das Einkommen der Steuerpflichtigen im Streitjahr mehr als 220 079 DM (Grenze für das Eingreifen des Spitzensteuersatzes) betragen habe.
Die von der Steuerpflichtigen gegen den Einkommensteuerbescheid 1961 erhobene Sprungberufung (alten Rechts) hatte zum Teil Erfolg. Das FG lehnte die Berücksichtigung des ausländischen Verlustanteils bei der Höhe der Gewinne aus Gewerbebetrieb ab, setzte jedoch entsprechend einem Hilfsantrag der Steuerpflichtigen die verbleibende Einkommensteuerschuld auf 367 144 DM herab. Diese Ermäßigung ergab sich durch die Anwendung des Art. 15 Abs. 3 DBA-Österreich (negativer Progressionsvorbehalt).
Mit der gemäß § 184 FGO als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde begehrte die Steuerpflichtige - nach einem ursprünglich weitergehenden Revisionsantrag -, die Einkommensteuer auf 363 862 DM festzusetzen.
Zur Begründung trägt sie vor, daß eine Bindung des Veranlagungsfinanzamts an den Feststellungsbescheid insoweit, als die österreichischen Verluste nur zur Anwendung des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen seien, nicht bestehe. Der hier gegebene Sachverhalt sei kein klassischer Anwendungsfall des § 215 Abs. 2 AO. Zweifellos befasse sich diese Gesetzesvorschrift ihrem Sinne nach mit der einheitlichen Feststellung von Vorgängen im Hoheitsbereich der BRD. Dazu könne aber die Feststellung österreichischer Verluste oder Gewinne nicht gehören. Soweit solche für die deutsche Besteuerung von Bedeutung seien, gehörten sie ausschließlich in den Bereich der persönlichen Einkommensteuer-Veranlagung. Die Notwendigkeit der einheitlichen Feststellung sei keineswegs gegeben, weil deren wesentlicher Teil sich ohnedies im Ausland abspiele. Das für den Sitz der Gesellschaft zuständige FA könne demnach keine bessere Kenntnis der für die deutsche Besteuerung maßgeblichen Sachverhalte besitzen als das Veranlagungsfinanzamt des Gesellschafters.
Das Veranlagungsfinanzamt habe zu Unrecht die in Österreich entstandenen Verluste unberücksichtigt gelassen. Zwar sei vom RFH und überwiegend auch im Schrifttum die Auffassung vertreten worden, daß bei Bestehen eines Doppelbesteuerungsabkommens Einkünfte aus ausländischen Quellen unabhängig davon, ob sie positiv oder negativ sind, außer Ansatz zu lassen seien. Diese Auffassung sei indes nicht richtig.
Die Einschränkung ihres Revisionsantrags begründet die Steuerpflichtige damit, daß nach dem Bescheid vom 19. Dezember 1966 über die einheitliche Feststellung von Einkünften aufgrund der Wiederaufnahme des Verfahrens durch das für die Besteuerung der B-KG zuständige österreichische FA der auf sie entfallende Verlustanteil sich nur mehr auf umgerechnet 7 553 DM belaufe. Nur um diesen Betrag müsse ihr in der BRD zu versteuerndes Einkommen gemindert werden.
Der BdF ist dem Verfahren gemäß § 122 FGO beigetreten. Er hält die Revision für unbegründet und führt im wesentlichen aus:
"Die Frage, ob die inländische Personengesellschaft, deren Komplementärin die Stpfl. ist, aus einem österreichischen Kommanditanteil einen bei der deutschen Besteuerung zu berücksichtigenden Verlust erlitt, war im Feststellungsverfahren zu entscheiden. Ebenso war im Feststellungsverfahren darüber zu befinden, wie hoch ein bei der Anwendung des Progressionsvorbehalts anzusetzender Verlust der österreichischen Betriebstätte war. Im Streitfall hat das zuständige Finanzamt mit Bindung für die Einkommensteuer-Veranlagung der Revisionsklägerin festgestellt, welcher Verlust bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu berücksichtigen und welcher Verlust lediglich für die Ausübung des Progressionsvorbehalts von Bedeutung ist."
"Das Rechtsmittel der Stpfl. könnte aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn man der Ansicht wäre, die Frage des Verlustausgleichs sei in dem streitgegenständlichen Festsetzungsbescheid zu entscheiden. Denn nach materiellem Recht kann der Verlust aus der österreichischen Betriebstätte mit inländischen Einkünften nicht ausgeglichen werden."
Das FA beantragt unter Bezugnahme auf seine bisherigen Ausführungen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet. Die Steuerpflichtige kann sich im Rechtsbehelfsverfahren gegen ihren Einkommensteuerbescheid nicht mit Erfolg dagegen wenden, daß der auf sie entfallende anteilige Verlust aus der B-KG nicht zum Ausgleich ihrer inländischen Einkünfte herangezogen wurde; denn dieser ausländische Verlust wurde im Feststellungsbescheid vom 7. Mai 1963 nicht festgestellt (§ 218 Abs. 2 AO).
Gemäß § 215 Abs. 2 Nr. 2 AO werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an diesen Einkünften mehrere beteiligt sind. Ob und inwieweit Einkünfte, an denen mehrere beteiligt sind, einkommensteuerpflichtig sind, muß somit im Feststellungsverfahren entschieden werden. Die Höhe der einheitlich festzustellenden einkommensteuerpflichtigen Einkünfte eines von einer Personengesellschaft unterhaltenen Gewerbebetriebs wird grundsätzlich mitbestimmt durch Gewinne und Verluste aus Beteiligungen an anderen Unternehmen, soweit diese Beteiligungen zum Betriebsvermögen des Gewerbebetriebs gehören.
Diese Regelung erfährt auch keine Einschränkung, wenn es sich um die Beteiligung an einem ausländischen Unternehmen handelt. Denn gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 EStG erstreckt sich die deutsche unbeschränkte Einkommensteuerpflicht auf sämtliche Einkünfte, d. h. auch auf Gewinne und Verluste aus Beteiligungen im Ausland. In den Fällen, in denen die deutsche Einkommensteuerpflicht gemäß § 3 Nr. 41 EStG in Verbindung mit den Vorschriften eines Doppelbesteuerungsabkommens eingeschränkt oder ausgeschlossen ist, muß der Feststellungsbescheid über die Besteuerung oder Nichtbesteuerung der Einkünfte aus Beteiligungen im Ausland eine Aussage enthalten. Denn in dem Feststellungsbescheid sind die "einkommensteuerpflichtigen" Einkünfte ... festzustellen (§ 215 Abs. 2 AO). Eine solche Feststellung ist aber nur möglich, wenn zuvor die der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte und die kraft der Bestimmung des § 3 Nr. 41 EStG von ihr freigestellten Einkünfte voneinander getrennt werden.
Im Streitfall hat das FA im Feststellungsbescheid unter Nr. I den Verlust der S-KG mit 16 169 DM festgestellt. Diese Feststellung enthält den Ausspruch, daß über diesen Betrag hinaus ein einkommensteuerrechtlich nach § 2 Abs. 2 Satz 1 oder § 10d EStG (Urteil des BFH VI 67/60 U vom 17. März 1961, BFH 73, 441, BStBl III 1961, 427) zu berücksichtigender Verlust nicht entstanden ist. Hieran war das FA bei der Veranlagung der Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer gebunden (§ 218 Abs. 2 AO) mit der Folge, daß der Verlust aus der Beteiligung an der B-KG - abgesehen von der Bemessung des Steuersatzes - nicht berücksichtigt werden konnte.
Die unter Nr. II des Feststellungsbescheids aufgeführten Auslandsverluste sollten nur die Anwendung des Progressionsvorbehalts durch das Veranlagungsfinanzamt sicherstellen. Ob die insoweit festgehaltenen Beträge als - auf die Anwendung des Progressionsvorbehalts eingeschränkte - einheitliche Feststellung anzusehen sind und ob eine solche Feststellung zulässig ist und damit eine Bindungswirkung im Sinne § 218 Abs. 2 AO entfalten kann, kann dahinstehen. Denn die Berücksichtigung der unter Nr. II des Feststellungsbescheids genannten Auslandsverluste bei der Bemessung des inländischen Steuersatzes (negativer Progressionsvorbehalt) ist zwischen den Beteiligten der Höhe nach nicht streitig (§§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 69050 |
BStBl II 1970, 588 |
BFHE 1970, 169 |