Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht, Abgabenordnung Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der örtlichen Zuständigkeit eines inländischen Finanzamts für die Umsatzbesteuerung beim einmaligen Tätigwerden eines ausländischen Unternehmers (Berufsboxers) im Inland.
Normenkette
AO § 73 Abs. 4, § 72/2, § 78; StAnpG § 16; UStG § 1 Ziff. 1, § 1/2; UStDB § 1 Abs. 2
Tatbestand
Der Bg. ist Berufsboxer. Er besitzt die niederländische Staatsangehörigkeit und wohnt in den Niederlanden. Im Jahre 1956 nahm er einmal als Boxer an einer Boxveranstaltung in Hamburg teil. Seine Kampfbörse wurde vom Finanzamt Hamburg-Nord zur Umsatzsteuer herangezogen. Nach erfolglos gebliebenem Einspruch hob die Vorinstanz den Umsatzsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung wegen örtlicher Unzuständigkeit des Finanzamts ersatzlos auf.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.
Nach § 73 Abs. 4 AO ist für die Besteuerung nach dem Umsatz, soweit es sich um Lieferungen, sonstige Leistungen oder um Eigenverbrauch handelt, das Finanzamt zuständig, von dessen Bezirk aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Geschieht dies vom Ausland aus, so ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bezirk der Unternehmer sein Unternehmen im Inland betreibt, und, wenn dies in den Bezirken mehrerer Finanzämter geschieht, das Finanzamt, in dessen Bezirk der Unternehmer sein Unternehmen im Inland vorwiegend betreibt.
Die Vorentscheidung geht zutreffend davon aus, daß der Bg. sein Unternehmen als Berufsboxer von seinem Wohnsitz in den Niederlanden, also vom Ausland aus, betreibt, weil er von dort aus seine Kampfabschlüsse und Kampfvorbereitungen tätigt. Rechtsirrig ist jedoch die Ansicht der Vorinstanz, daß beim Betreiben eines Unternehmens vom Ausland aus ein deutsches Finanzamt nur dann örtlich zuständig sei, wenn der Unternehmer im Inland eine Betriebstätte gemäß § 16 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) unterhält. Zwar wird bei Gewerbetreibenden für die Umsatzbesteuerung in der Regel das Betriebsfinanzamt im Sinne des § 72 Ziff. 2 AO örtlich zuständig sein. Nichts deutet aber darauf hin, daß das Betreiben eines Unternehmens stets das Vorhandensein einer Betriebstätte nach § 16 StAnpG, das heißt einer festen örtlichen Anlage oder Einrichtung, die der Ausübung des Betriebs eines stehenden Gewerbes dient, voraussetzt. In § 73 Abs. 4 AO ist der Ausdruck "Betriebstätte" nicht gebraucht. Wenn der Gesetzgeber das "Betreiben eines Unternehmens" dem Unterhalten einer "Betriebstätte" im gesetzestechnischen Sinne des § 16 StAnpG hätte gleichsetzen wollen, so hätte er zweifellos - wie in anderen Vorschriften (zum Beispiel in § 72 Ziff. 2 Buchst. b AO, § 49 Abs. 1 Ziff. 2 EStG) - das Wort "Betriebstätte" verwendet.
Daß der Gesetzgeber unter dem Betreiben eines Unternehmens nicht das Unterhalten einer Betriebstätte versteht, ergibt sich aus den Schlußworten des § 73 Abs. 4 Satz 2 AO, wo von dem "vorwiegenden" Betreiben eines Unternehmens die Rede ist. "Vorwiegende" Betriebstätten gibt es nicht, sondern nur mehr oder weniger "bedeutende" Betriebstätten (vgl. § 72 Ziff. 2 Buchst. b AO). "Vorwiegend" kann ein Gewerbetreibender nur tatsächlich tätig werden.
Unter dem Betreiben eines Unternehmens im Sinne des § 73 Abs. 4 AO ist also nicht das Unterhalten einer Betriebstätte in dem gesetzestechnischen Sinne des § 16 StAnpG zu verstehen, sondern die Tätigkeit des Unternehmers im Rahmen seines Unternehmens, das heißt das Bewirken von Lieferungen und sonstigen Leistungen sowie der Eigenverbrauch. Daß der Ort, von dem aus der Unternehmer umsatzsteuerlich tätig wird, bei Gewerbetreibenden in der Regel mit einer von ihm unterhaltenen Betriebstätte zusammenfällt, ändert daran nichts. Jedenfalls ist zur Begründung der örtlichen Zuständigkeit eines Finanzamts für die Umsatzbesteuerung die Unterhaltung einer Betriebstätte durch den Unternehmer nicht erforderlich. Sonst würden zahlreiche steuerbare und steuerpflichtige Umsätze nicht zur Umsatzsteuer herangezogen werden können, weil es an einer Betriebstätte im Inland und damit an einem für die Umsatzbesteuerung örtlich zuständigen Finanzamt fehlt. Man denke zum Beispiel an die Umsätze der Wandergewerbetreibenden, der Straßenhändler (vgl. Erlaß des Reichsministers der Finanzen S 4223 - 35 III vom 3. Oktober 1936, RStBl 1936 S. 977) und die Umsätze, die in einem Unterlassen oder im Dulden einer Handlung oder eines Zustandes bestehen (ß 7 Abs. 1 Satz 2 UStDB), wie die Lizenzgewährung oder die überlassung von Rechten und dergleichen mehr. Vor allem würden nicht bloß - wie im Streitfalle - zahlreiche sonstige Leistungen, sondern auch viele Lieferungen von Ausländern im Inland (zum Beispiel beim Verbringen von Waren im eigenen Fahrzeugen über die Grenze) in Ermangelung eines örtlichen zuständigen Finanzamts für die Umsatzbesteuerung ausfallen. Dieses Ergebnis würde den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung verletzen. Daß es vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, folgt auch aus § 1 Abs. 2 UStDB. Danach kommt es bei Ausführung eines Umsatzes im Inland für die Umsatzbesteuerung nicht darauf an, ob der Unternehmer deutscher Staatsangehöriger ist, seinen Wohnsitz oder seinen Sitz im Inland hat, im Inland eine Betriebstätte unterhält, die Rechnung erteilt oder die Zahlung empfängt.
Auch im Verhältnis zu den anderen Hamburger Finanzämtern bestehen gegen die örtliche Zuständigkeit des Finanzamts Hamburg-Nord keine Bedenken, weil diesem Finanzamt durch Verfügung des damaligen Präsidenten des Landesfinanzamts Hamburg S 1130 - 19 - I/a vom 10. November 1934 in Anwendung des § 78 AO die Veranlagung in derartigen Fällen übertragen worden ist.
Da die Vorinstanz die Rechtslage verkannt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.
Die Sache ist entscheidungsreif. Der Bg. unterliegt der Umsatzsteuer, weil alle Voraussetzungen des § 1 Ziff. 1 UStG erfüllt sind. Er ist bei der Boxveranstaltung in Hamburg selbständig aufgetreten, weil er zum Veranstalter in keinem Anstellungsverhältnis stand. Er wird als Berufsboxer nachhaltig tätig. Daß sich seine Berufstätigkeit sonst im Ausland abspielt, ändert nichts daran. Seine Eigenschaft als Unternehmer ist mithin gegeben. Sein Umsatz ist auch umsatzsteuerpflichtig. Eine Befreiungsvorschrift, insbesondere § 4 Ziff. 17 UStG, kommt für Berufsboxer nicht in Betracht.
Die Berufung des Bg. gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1960, 376 |
BFHE 1961, 341 |
BFHE 71, 341 |
StRK, UStG:1/1 R 134 |