Leitsatz (amtlich)
Der Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil VII C 29/60 vom 24. März 1961, Der Betrieb 1961 S. 796), daß § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG nicht im Widerspruch zum GG stehe, wird beigetreten.
Normenkette
GG Art. 2-3, 11-12, 14, 28 Abs. 2, Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3; GewStG §§ 16, 17 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits war die Frage, ob die Erhebung der Zweigstellensteuer verfassungsrechtlich zulässig sei.
Der Senat hat dem Bundesminister der Finanzen Gelegenheit zum Beitritt zum Verfahren gegeben. Der Bundesminister der Finanzen hat im wesentlichen wie folgt Stellung genommen:
Das Aufkommen an Gewerbesteuer stehe nach Art. 106 Abs. 6 des Grundgesetzes (GG) den Gemeinden zu. Aus der Vorschrift des Art. 105 Abs. 1 Ziff. 3 GG, nach der der Bundesgesetzgeber die Hebesätze der Gewerbesteuer nicht festsetzen dürfe, könne entnommen werden, daß eine Gleichmäßigkeit in der Gewerbebesteuerung nur insoweit erreicht werden solle, wie es mit der in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten Selbstverwaltung der Gemeinden vereinbar sei. Die Festsetzung der Hebesätze müsse als Selbstverwaltungsangelegenheit von den Gemeinden vorgenommen werden (vgl. Einführungsgesetz zu den Realsteuergesetzen -- EGRealStG -- vom 1. Dezember 1936 in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 1951, BGBl I S. 996; Bühler in Staatslexikon, 6. Aufl., Bd. 3 Sp. 916). Die institutionelle Garantie der Selbstverwaltung gewährleiste auch eine hinlängliche Finanzautonomie (Peters, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I S. 107, Bd. 3 S. 3 ff.). Ohne finanzielle Eigenverantwortung sei keine wirkliche Selbstverwaltung denkbar (Werner Weber, Staats- und Selbstverwaltung, S. 45; Köttgen, Die Selbstverwaltung, 1951 S. 348, und Peters, a. a. O., Bd. I S. 149). Durch Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 GG sollte den Gemeinden die Möglichkeit zur Verwirklichung einer eigenverantwortlichen Selbstverwaltung durch Anpassung der Hebesätze an die jeweiligen örtlichen Bedürfnisse gegeben werden. Hierdurch sei in Übereinstimmung mit Art. 28 Abs. 2 GG die verfassungsrechtliche Voraussetzung für örtlich differenzierte Realsteuerbelastungen geschaffen.
Mit der Regelung der §§ 16, 17 GewStG habe der Gesetzgeber den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung nicht verletzt (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12. Juli 1960, Bd. 11 S. 266). Die Selbstverwaltungsangelegenheiten würden durch die Selbstverwaltungskörperschaften in Satzungen geregelt, die Gesetze im materiellen Sinne seien. Die Hebesätze der einzelnen Gemeinden würden durch die Haushaltssatzung festgesetzt.
Die Vorschriften der §§ 16, 17 GewStG stellten keinen Verstoß gegen Art. 3 GG dar. Eine gesetzliche Vorschrift könne wegen Unvereinbarkeit mit dem Gleichheitssatz nur dann für nichtig erklärt werden, wenn für die vom Gesetzgeber angeordnete Differenzierung sachlich einleuchtende Gründe schlechterdings nicht mehr erkennbar seien (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Juni 1958, Bd. 8 S. 174 [183]).
Die §§ 16, 17 GewStG sollten es den Gemeinden ermöglichen, entsprechend ihrem Finanzbedarf die Hebesätze der wichtigsten Kommunalsteuer selbst zu bestimmen. Das entspreche dem Prinzip der Selbstverwaltung. Die Möglichkeit, einen unterschiedlichen Gewerbesteuerhebesatz für Zweigstellen der Bank-, Kredit- und Wareneinzelhandelsunternehmen festzusetzen, rechtfertige sich ebenfalls aus dem Wesen der Gewerbesteuer als einer Kommunalsteuer. Jede Steuer entziehe dem Steuerpflichtigen Mittel, mit denen er wirtschaften könnte. Durch Abgabengesetze könnten ferner wirtschaftspolitische Ziele verfolgt werden (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 4, S. 7 ff., Bd. 6, S. 55 [81]). Wirtschaftslenkende Gesetze verletzten nicht schon deshalb den Gleichheitsgrundsatz, weil sie die Wettbewerbslage änderten. Ihre Rechtsunwirksamkeit könne nur mit der Behauptung willkürlichen Handelns begründet werden (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 4, S. 7 [24]).
Die Regelung in § 17 GewStG diene insbesondere dem Ziel, den gewerblichen Mittelstand gegenüber den kapitalkräftigeren Großunternehmen zu fördern. Das sei ein erklärtes Ziel der staatlichen Wirtschaftspolitik. Es entspreche dem Wesen dieser Maßnahme, sie von der Haushaltssatzung der Gemeinde abhängig zu machen; denn die einzelne Gemeinde könnte durch ihre Ortsnähe am besten beurteilen, ob und in welchem Ausmaß eine Regelung nach § 17 GewStG erforderlich sei.
Die Beschränkung der Zweigstellensteuer nach § 17 GewStG auf die Bank-, Kredit- und Wareneinzelhandelsunternehmen durch den Gesetzgeber sei deshalb begründet, weil diese drei Gewerbezweige in den einzelnen Gemeinden am schwersten unter den Wettbewerbsvorteilen der Großunternehmen zu leiden haben (Oberverwaltungsgericht Münster vom 25. November 1959 III A 577/59, Kommunale Steuerzeitschrift 1960 S. 53).
Durch die Vorschriften der §§ 16, 17 GewStG würde das Grundrecht der Freizügigkeit nach Art. 11 GG ebenfalls nicht verletzt; denn die Bfin. sei in ihrer Freizügigkeit nicht beschränkt, eine Zweigniederlassung zu gründen.
Es könne zweifelhaft sein, ob das Grundrecht des Art. 12 GG seinem Wesen nach überhaupt auf die Bfin. anwendbar sei. Aber selbst wenn man mit dem Bundesverwaltungsgericht (Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Mai 1956, Bd. 3 S. 304 [306]) annehme, daß das Grundrecht nach Art. 12 GG auch auf juristische Personen anwendbar sei, so liege doch keine Verletzung dieses Grundrechtes vor. Auch von einer Verletzung des Rechtes, den Arbeitsplatz frei zu wählen, könne nicht gesprochen werden. Die Vorschrift des § 17 GewStG enthalte schließlich auch keine Regelung der Berufsausübung. Die Gewerbesteuer werde seit 1936 gleichbleibend erhoben und die Filialbetriebe hätten die Steuer bisher ohne Schwierigkeiten aufgebracht. Die Zweigstellensteuer reiche nach einer Bilanzanalyse nicht einmal aus, eine gleiche Wettbewerbslage für den Durchschnitt der Einzelhandelsunternehmen zu schaffen.
Da Art. 12 Abs. 1 GG für das Gebiet des Berufsrechts Spezialvorschrift gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG sei, brauche auf die Frage, ob durch die Regelung der §§ 16, 17 GewStG auch Art. 2 Abs. 1 GG verletzt sei, nicht eingegangen zu werden.
Entscheidungsgründe
Der Senat nahm wie folgt Stellung:
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG -- wie das Bundesverwaltungsgericht im Urteil VII C 29/60 vom 24. März 1961, Der Betrieb 1961 S. 796, angenommen hat -- für den Streitfall, der das Jahr 1957 betrifft, als nachkonstitutionelles Recht anzusehen ist, weil der Bundesgesetzgeber diese Vorschrift in seinen Willen aufgenommen habe. Diese Frage wäre nur dann von Bedeutung, wenn der Senat die Vorschrift für verfassungswidrig hielte und zu prüfen hätte, ob die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG einzuholen ist. Der Begriff der "Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers" ist vom Bundesverfassungsgericht nur für die Frage seiner Verwerfungskompetenz im Verfahren der konkreten Normenkontrolle entwickelt worden (vgl. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Mai 1960 und 5. Juli 1960, Bd. 11 S. 126 [129 ff.], 255 [259 f.]).
2. In Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen und dem vom Finanzamt vorgelegten, für eine Stadt erstatteten Rechtsgutachten des Prof. Dr. ..... wird der Vorinstanz darin beigetreten, daß § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG nicht gegen das GG verstößt (ebenso Urteil des Bundesverwaltungsgerichts VII C 29/60, a. a. O., des Oberverwaltungsgerichts Münster III A 577/59 vom 25. November 1959, Kommunale Steuerzeitschrift 1960 S. 53; des Landesverwaltungsgerichts Gelsenkirchen III K 4/59 vom 24. März 1959, Der Betriebs-Berater 1959 S. 1022). Es besteht daher kein Anlaß, entsprechend der Anregung der Bfin. gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Der Senat sieht auch keinen Grund, der es rechtfertigen könnte, das Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über eine zur gleichen Frage anhängige Verfassungsbeschwerde auszusetzen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 147/58 U vom 20. Februar 1959, BStBl 1959 III S. 172, Slg. Bd. 68 S. 451; Urteil des Bundesverwaltungsgerichts VII C 29/60, a. a. O.).
Im einzelnen ist zu den gegen § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG erhobenen verfassungsrechtlichen Einwendungen noch zu bemerken:
a) Die Bedenken, die unter dem Gesichtspunkt der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung dagegen gerichtet werden, daß der Gesetzgeber die Erhebung der Zweigstellensteuer -- richtig: die Erhöhung des in § 16 GewStG allgemein vorgesehenen Hebesatzes gemäß §§ 17 Abs. 1 Satz 1 bzw. 25 Abs. 4 GewStG -- dem Ermessen der Verwaltung überlassen habe, sind nicht begründet.
Nach §§ 16, 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG wird der erhöhte Hebesatz für Bank-, Kredit- und Wareneinzelhandelsunternehmen, die in einer Gemeinde eine Betriebstätte unterhalten, ohne in dieser ihre Geschäftsleitung zu haben, durch die hebeberechtigte Gemeinde festgesetzt. Da der Hebesatz Grundlage für die Steuererhebung ist, die durch den Gewerbesteuerbescheid als belastenden Verwaltungsakt erfolgt, muß er durch Gesetz im materiellen Sinne festgesetzt werden (§ 1 Abs. 1 Satz 1 AO). Diese Festsetzung wird durch die genannten Vorschriften des GewStG den Gemeinden übertragen. Die beiden Bestimmungen, die schon im GewStG 1936 enthalten waren, sind gemäß Art. 123, 125 GG Bundesrecht geworden. Dem Bund ist die Gesetzgebungskompetenz für die Festsetzung der Hebesätze durch Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 GG entzogen. Diese Verfassungsvorschrift beläßt jedoch dem Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung die Bestimmung darüber, wer die Hebesätze festzusetzen hat.
Hinsichtlich der Stadt A. sind für die Festsetzung des Hebesatzes die §§ 84 ff. der Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen vom 28. Oktober 1952 (GemO -- Sammlung des bereinigten Landesrechts Nordrhein-Westfalen -- GS.NW. -- S. 167) maßgebend. Nach § 85 Ziff. 2 GemO enthält die Haushaltssatzung, die vom Rat der Gemeinde beschlossen wird (§ 86 Abs. 4 GemO), der Genehmigung der Aufsichtsbehörde bedarf und nach Genehmigung öffentlich bekanntzumachen ist (§ 88 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 GemO), die Steuersätze für die Gemeindesteuern, die für jedes Jahr festzusetzen sind; aus § 2 des EGRealStG vom 1. Dezember 1936 in der Fassung des Gesetzes vom 27. Dezember 1951 (BGBl I S. 996) ergibt sich, daß die Gewerbesteuer zu diesen Steuern zählt. Satzungen der Gemeinde im Sinne des § 4 GemO sind Gesetze im materiellen Sinne (vgl. Kottenberg, Gemeindeordnung für Nordrhein-Westfalen, 6. Aufl., § 4, Erl. I; Peters, Handbuch der kommunalen Wissenschaft und Praxis, Bd. I S. 157 ff.).
In der Freien und Hansestadt Hamburg, die nach Art. 1 ihrer Verfassung vom 6. Juni 1952 (Hamburgisches GVBl I S. 117) ein Land der Bundesrepublik Deutschland ist, werden nach Art. 4 Abs. 1 der Verfassung staatliche und gemeindliche Aufgaben nicht getrennt. Demzufolge wurden die Hebesätze für 1957 durch Gesetz über die Festsetzung der Hebesätze für die Realsteuern für das Rechnungsjahr 1957 vom 25. April 1957 (BStBl 1957 II S. 82) entsprechend der Regelung im Gesetz vom 6. April 1956 (BStBl 1956 II S. 57), also durch Gesetz im formellen und materiellen Sinne, festgesetzt.
Entgegen Forsthoff, Die Verfassungswidrigkeit der Zweigstellensteuer, S. 20, bestehen keine Bedenken dagegen, daß es den Gemeinden überlassen bleibt, ob und in welcher Höhe -- innerhalb der Grenzen des § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG -- sie den allgemeinen Hebesatz nach § 16 GewStG erhöhen. Diese Befugnis ist eine Folgewirkung des den Gemeinden übertragenen Rechts, die Gewerbesteuer zur Deckung ihrer finanzwirtschaftlichen Bedürfnisse zu erheben. Ermächtigt der Gesetzgeber, dem durch Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 GG die Kompetenz zur Festsetzung der Hebesätze entzogen ist, die Gemeinden durch § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG den allgemeinen Hebesatz zu erhöhen, muß es den Gemeinden auch gestattet sein, von der gesetzlich möglichen Erhöhung abzusehen. Andererseits liegt es im Wesen der durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten gemeindlichen Selbstverwaltung, daß den Gemeinden innerhalb gesetzlich bestimmter Grenzen entsprechend dem Zweck des § 17 GewStG unter Berücksichtigung der ihnen durch Zweigstellenbetriebe entstehenden zusätzlichen Lasten und ihres Finanzbedarfs ein Spielraum für die Bemessung des Hebesatzes gewährt wird. Wesentlich ist hierbei, daß die Bemessung der Hebesätze der Kommunalaufsicht unterliegt und im Falle der Stadt Hamburg durch das Parlament erfolgt.
b) Art. 3 Abs. 1 GG ist dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt, d. h. wenn die Regelung als willkürlich bezeichnet werden muß (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Oktober 1951, Bd. 1 S. 14, 52). Bei der Regelung eines bestimmten Gebietes muß der Gesetzgeber nicht alle tatsächlichen Verschiedenheiten berücksichtigen; entscheidend ist, ob für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die tatsächlichen Ungleichheiten in dem in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind. daß der Gesetzgeber sie bei seiner Regelung beachten muß (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 30. April 1952, 30. Januar 1953 und 22. Januar 1959, Bd. 1 S. 264 [276], Bd. 2 S. 118 [119], Bd. 9 S. 124 [130]). Die unterschiedliche Behandlung ist also gerechtfertigt, wenn tatsächliche Verschiedenheiten aus Erwägungen der Gerechtigkeit und Zweckmäßigkeit wesentliche Bedeutung haben.
Gegen Art. 3 GG wird nicht dadurch verstoßen, daß die allgemeinen Hebesätze nach § 16 GewStG und die Erhöhung der Hebesätze auf Grund des § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG in den verschiedenen Gemeinden unterschiedlich sind. Aus Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 GG ergibt sich, daß das GG von der Möglichkeit ausging, daß die Hebesätze nach §§ 16, 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG in verschiedenen Gemeinden verschieden hoch sein können. Dies folgt schon daraus, daß die Festsetzung der Hebesätze durch Art. 105 Abs. 2 Ziff. 3 GG aus dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung ausgeschieden wurde. Die Übertragung der Befugnis, die Hebesätze -- auch deren Erhöhung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG -- zu bestimmen, ist im Zusammenhang mit dem durch Art. 28 Abs. 2 GG gewährleisteten Recht der Gemeinden auf Selbstverwaltung zu sehen. Die Autonomie der Gemeinden wird allerdings für die Festsetzung der Hebesätze insoweit beschränkt, als diese für alle in der Gemeinde vorhandenen Unternehmen gleich sein müssen (vgl. §§ 16 Satz 2, 17 Abs. 3 GewStG und § 3 EGRealStG vom 1. Dezember 1936).
Ein Verstoß gegen Art. 3 GG ist auch nicht darin zu sehen, daß Unternehmer, die Zweigstellen unterhalten, in den Zweigstellengemeinden im Verhältnis zu ortsansässigen Unternehmern infolge § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG mit einer höheren Steuer belastet werden können. Diese zusätzliche Belastung entspricht sozial- und wirtschaftspolitischen Erwägungen; sie soll die ortsansässigne Unternehmer im Wettbewerb mit ortsfremden, meist kapitalstarken Großbetrieben schützen (vgl. im übrigen Bundesverwaltungsgericht, a. a. O., Nr. 3). Derartige Maßnahmen sind verfassungsrechtlich zulässig. Das GG garantiert nicht die wirtschaftspolitische Neutralität der Regierungs- und Gesetzgebungsgewalt (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 1954 und 11. Juni 1958, Bd. 4 S. 7 [17], Bd. 7 S. 377 [400]).
Der Verstoß gegen den Gleichheitssatz kann auch nicht damit begründet werden, daß die Befugnis zur Auferlegung einer höheren Steuerlast durch § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG auf Bank-, Kredit- und Wareneinzelhandelsunternehmen beschränkt wurde. Es ist nicht erkennbar, daß sich der Gesetzgeber des GewStG 1936 bei dieser Abgrenzung von unsachlichen Erwägungen leiten ließ und daß die maßgebenden Erwägungen am 7. September 1949, dem Tag, an dem das GewStG 1936 auf Grund Art. 123, 125 GG Bundesrecht wurde, nicht mehr sachgerecht gewesen seien. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß sich die für den Erlaß der Vorschrift bestimmenden Verhältnisse grundlegend gewandelt hätten und somit für die heutige Zeit ein evidenter Verstoß gegen den Gleichheitssatz vorliege. Es trifft ferner nicht zu, daß die Einbeziehung der Warenhäuser in § 17 GewStG 1936 durch nationalsozialistisches Gedankengut beeinflußt sei. Versicherungs-, Bank-, Kredit- und Wareneinzelhandelsunternehmen wurden schon nach § 43 der Verordnungen über die vorläufige Neuregelung der Gewerbesteuer -- Gew-StVO -- (Preußische Gesetzsammlung -- GS -- 1923 S. 519 und 1927 S. 21; vgl. auch Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen vom 1. Dezember 1930, Dritter Teil, Kapitel III, § 23 Abs. 2, RGBl I S. 517, 541) zur Zweigstellensteuer herangezogen.
c) Auch Art. 11, 12 und 14 GG sind durch die Erhebung der Zweigstellensteuer nicht verletzt.
Art. 11 GG gewährt jedem Deutschen das Recht, sich an jedem Ort der Bundesrepublik niederzulassen (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Mai 1953, Bd. 2 S. 266 [273]). Dieses Recht wird durch die Auferlegung der erhöhten Gewerbesteuer in den Grenzen des § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG nicht beeinträchtigt. Es ist nicht ersichtlich, daß die Erhebung der Zweigstellensteuer unter § 17 GewStG fallende Unternehmer davon abgehalten hätte, Zweigstellen zu begründen.
Es kann unentschieden bleiben, ob und in welchem Umfange das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG auch juristischen Personen zusteht (vgl. dazu Bachof in "Die Grundrechte", herausgegeben von Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Bd. III/1 S. 178 ff.). Unterstellt man, der Bfin. stehe der Schutz des Art. 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG zu, so kann nicht anerkannt werden, daß die Anwendung der §§ 16 und 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG in ihrem Falle gegen die Verfassungsvorschrift verstoße. Das GG geht davon aus, daß die Erhebung der Gewerbesteuer zulässig ist (vgl. Art. 105 Abs. 2 Nr. 3, 106 Abs. 6 GG). Die nach § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG zulässige Erhöhung des allgemeinen Hebesatzes stellt, wie auch Forsthoff, a. a. O., S. 27, anerkennt, nur eine verhältnismäßig geringe zusätzliche Belastung dar.
Art. 14 Abs. 1 GG ist schon deswegen nicht verletzt, weil diese Vorschrift das Vermögen nicht gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten schützt (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 1954, Bd. 4 S. 7 [17]).
d) Schließlich wird durch die Erhebung der Zweigstellensteuer auch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen. Diese Bestimmung garantiert, unabhängig von dem Schutz, den das GG der Freiheit menschlicher Betätigung für bestimmte Lebensbereiche durch besondere Grundrechte zukommen läßt, die allgemeine Handlungsfreiheit, zu der auch die Freiheit im wirtschaftlichen Verkehr zählt (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Januar 1957 und 12. November 1958, Bd. 6 S. 32 [41 f.], Bd. 8 S. 274 [328]). In der Auferlegung von Steuern kann ein Eingriff in die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen liegen (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. Dezember 1958, Bd. 9 S. 3 [11]). Die Auferlegung einer Abgabe verstößt jedoch nicht gegen Art. 2 Abs. 1 GG, wenn dem Betroffenen ein angemessener Spielraum verbleibt, sich als verantwortlicher Unternehmer wirtschaftlich frei zu entfalten (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 1954, Bd. 4 S. 7 [16]; vgl. auch Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 16. Januar 1957 und 12. November 1958, Bd. 6 S. 32 [36 ff., 41], Bd. 8 S. 274 [328 f.]). Die hinsichtlich der Zweigstellen erhöhte Gewerbesteuer ist für die betroffenen Unternehmer ein Kostenfaktor neben vielen anderen Kostenfaktoren. Es ist jedoch nicht erkennbar, daß die zusätzliche Belastung die unter § 17 Abs. 1 Satz 1 GewStG fallenden Unternehmer bisher gehindert habe, sich wirtschaftlich frei zu entfalten oder daß dies in Zukunft der Fall sein werde.
Fundstellen
Haufe-Index 410148 |
BStBl III 1961, 407 |
BFHE 1962, 387 |
NJW 1961, 2135 |