Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung des privaten Nutzungsanteils für einen Pkw
Leitsatz (NV)
1. Der BFH kann Schätzungen grds. nur daraufhin prüfen, ob das FG zu den geschätzten Werten kommen konnte.
2. Das FG braucht das Aufteilungsverhältnis zwischen betrieblicher und privater Nutzung nicht selbst zu ermitteln, sondern kann die Schätzung des FA als eigene übernehmen.
3. Die den privaten Nutzungsanteil betreffende Regelung in Abschn. 118 Abs. 2 S. 3 EStR läßt die Möglichkeit offen, einen höheren als den dort bestimmten Privatanteil festzusetzen.
4. Nach den Regeln der Lebenserfahrung läßt sich aus den in den Vorjahren bestehenden tatsächlichen Verhältnissen auch auf den privaten Nutzungsanteil in den Folgejahren schließen.
5. Ein Fahrtenbuch kann als geeigneter Nachweis für den betrieblichen Nutzungsanteil angesehen werden. Es ist aber möglich, einen Zeitraum von zusammengenommen weniger als drei Monaten als nicht repräsentativ anzusehen.
6. Zur Verletzung rechtlichen Gehörs, wenn zu einer Schätzungsgrundlage keine Äußerung erfolgt ist.
Normenkette
AO 1977 § 162; FGO § 96 Abs. 1 S. 1, Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Einzelhandel mit Tabakwaren und eine Annahmestelle für Lotto und Toto.
Abweichend von ihren Steuererklärungen veranschlagte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Einkommensteuerveranlagung für die Streitjahre 1977 bis 1981 den Privatanteil an den Kfz-Kosten mit 55 v. H. und berücksichtigte diesen umsatzsteuerlich als Eigenverbrauch.
Mit ihrer nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage machte die Klägerin geltend, der Privatanteil an den Kfz-Kosten sei mit 0 v. H. anzusetzen. Da sie über keinen Führerschein verfüge, könne ein Privatanteil allenfalls für die Fahrten berücksichtigt werden, die ihr Enkel, Herr M, mit dem Wagen durchführe. Auch die Kosten für diese Fahrten seien jedoch nicht als Privatanteil, sondern allenfalls als Sachzuwendung an den Angestellten M zu berücksichtigen.
Die Klage blieb ohne Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, aufgrund der besonderen Umstände des Streitfalls habe das FA bei seiner Schätzung über den in Abschn. 118 der Einkommensteuer-Richtlinien (EStR) bestimmten privaten Nutzungsanteil von 20 bis 25 v. H. hinausgehen können. Dabei habe es berücksichtigen dürfen, daß die Feststellungen der Betriebsprüfung für die Jahre 1973 und 1974 einen privaten Nutzungsanteil von 55 v. H. und mehr ergeben hätten und die Klägerin in dem Verfahren gegen die betreffenden Steuerbescheide substantiierte Einwendungen hiergegen nicht erhoben habe. Auch für die - späteren - Streitjahre habe das FA auf diese Feststellungen deshalb zurückgreifen können, weil die Klägerin entgegen der Aufforderung des FA keine Angaben dazu gemacht habe, in welchem Umfang das betriebliche Kfz in den jeweiligen Jahren insgesamt genutzt worden sei und wieviele Kilometer Herr M davon für berufliche Zwecke gefahren sei. Der Klägerin hätte es oblegen, für die Streitjahre eine Änderung der Verhältnisse im Vergleich zu den Prüfungsjahren 1973 und 1974 genau darzutun. Die Angaben des Zeugen M in der mündlichen Verhandlung hätten es dem FG nicht ermöglicht, den privaten Nutzungsanteil genau zu errechnen. Denn jedenfalls habe der Zeuge den Umfang der gesamten Nutzung des Kfz in den jeweiligen Jahren nicht angeben können. Auch die vom Zeugen vorgelegten Fahrtenbücher rechtfertigten keine - von der des FA - abweichende Beurteilung, weil sie nur für sehr geringfügige Zeiträume geführt worden seien und diese Zeiträume außerdem nicht in den hier streitigen Jahren lägen. Keinen Rückschluß auf die Gesamtfahrleistung erlaube aus dem gleichen Grund der Kilometerstand des auf dem Parkplatz des FG befindlichen Fahrzeugs. Für die Behandlung der auf die Nutzung durch ihren Enkel entfallenden Aufwendungen als Sachzuwendung im Rahmen des Angestelltenverhältnisses mit diesem fehle es sowohl an den erforderlichen eindeutigen und klaren Vereinbarungen als auch an deren tatsächlicher Durchführung.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die fehlende Lohnversteuerung im Zusammenhang mit der privaten Nutzung des PKW durch Herrn M könne nicht zur Versagung des Betriebsausgabenabzugs führen. Davon abgesehen habe eine solche Nutzung nicht vorgelegen. Das FG habe die Beweislage völlig auf den Kopf gestellt. Die Berechnungen des Betriebsprüfers, die im übrigen auch völlig andere Jahre beträfen, seien in früheren Verfahren energisch bestritten worden und nachweislich falsch. Für die Klägerin sei nicht erkennbar gewesen, daß diese angezweifelten Feststellungen im Urteil erneut eine Rolle spielen könnten. Andernfalls hätte sie beantragt, den Betriebsprüfer als Zeugen zu vernehmen. Insoweit sei ihr das rechtliche Gehör versagt worden. Ein Sachverhalt könne durch ein Dokument oder eine Zeugenaussage bewiesen werden. Das insoweit herangezogene Material des Betriebsprüfers sei seitens des FG nicht überprüft bzw. zur Überprüfung auch nur bekanntgegeben worden. Demgegenüber habe das von der Klägerin vorgelegte Fahrtenbuch ihre Angaben bestätigt. Auf jeden Fall sei aber der sich unmittelbar auf die Streitjahre beziehenden Zeugenaussage die entscheidende Bedeutung beizumessen. Daß der Zeuge die Kilometerleistung zurückliegender Jahre nicht angeben könne, verstehe sich von selbst. Die durchschnittliche Kilometerleistung wäre - abgesehen von der Augenscheinseinnahme durch das FG und dem vorangegangenen Betriebsprüfungsbericht - anhand von Belegen sicherlich nachweisbar gewesen. Die seitens des Zeugen geschilderten - betrieblich gefahrenen - Kilometer ergäben die danach feststellbare Gesamtfahrleistung. Im übrigen sei der Prokurist der Klägerin im Hinblick auf seine Arbeitsbelastung zur jahrelangen Führung eines Fahrtenbuchs nicht in der Lage.
Die Klägerin beantragt, das FA zu verpflichten, die Einkommensteuerveranlagungen sowie die Umsatzsteuerveranlagungen für die Streitjahre neu durchzuführen und den Anteil für die private PKW-Nutzung mit 0 DM zu berücksichtigen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat die Schätzung des FA zu Recht bestätigt.
1. Die Feststellungen über die Höhe des privaten Nutzungsanteils für den PKW liegen auf tatsächlichem Gebiet. Derartige Feststellungen trifft das FG - unabhängig von festen Beweisregeln - nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Sie sind für den Bundesfinanzhof (BFH) als Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Zu diesen tatsächlichen Feststellungen gehören auch Schätzungen der Besteuerungsgrundlagen, die dann zulässig sind, wenn die genaue Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen nicht möglich ist (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i. V. m. § 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der BFH kann derartige Schätzungen, soweit keine zulässigen und begründeten Verfahrensrügen erhoben sind, nur daraufhin prüfen, ob das FG zu den geschätzten Werten kommen konnte, insbesondere, ob die Schätzung frei von Rechtsirrtümern ist und keinen Verstoß gegen die Denkgesetze enthält (vgl. Urteil vom 1. Februar 1962 IV 418/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1963, 19).
2. Im Streitfall war eine Schätzung zulässig. Diese ist für den erkennenden Senat bindend.
a) Ein Fahrtenbuch, das als ein geeigneter Nachweis für den behaupteten betrieblichen Nutzungsanteil angesehen werden könnte, hat die Klägerin nicht geführt (vgl. dazu BFH-Urteile vom 5. Juli 1962 IV 332/60, HFR 1963, 11, und vom 31. Januar 1963 IV 297/60, HFR 1963, 330). Entgegen ihrer Auffassung war die Führung eines Fahrtenbuchs, die keine ins Gewicht fallende Mehrbelastung bedeutet, zumutbar.
b) Bei der danach zulässigen Schätzung brauchte das FG das Aufteilungsverhältnis nicht selbst zu ermitteln, sondern konnte die Schätzung des FA als eigene übernehmen. Die vom FG bestätigte Schätzung des FA ist nicht zu beanstanden; sie ist möglich.
Das FA - und mit ihm das FG - haben die Feststellungen der Außenprüfung als Grundlage für die Aufteilung auch der späteren Streitjahre verwertet. Für die Beurteilung der Schätzung kommt es somit zunächst darauf an, ob diese Feststellungen ihrerseits frei von Rechtsfehlern sind. Dies ist der Fall.
Durch die Bezugnahme des FG auf diese Feststellungen, die nicht ausdrücklich erfolgen mußte, sind sie zum Inhalt des finanzgerichtlichen Urteils geworden und können deshalb im Revisionsverfahren überprüft werden (BFH-Beschluß vom 17. Juli 1967 GrS 3/66, BFHE 92, 213, BStBl II 1968, 285). Bei seiner Aufteilung hat das FA von der Anwendung eines festen Prozentsatzes für die Ermittlung des privaten Nutzungsanteils abgesehen und stattdessen die gesamte Fahrleistung des PKW den im Schätzungswege ermittelten beruflich gefahrenen Kilometern gegenübergestellt. Dies ist nicht zu beanstanden. Mit seiner Schätzung ist das FA zwar zuungunsten der Klägerin von dem in Abschn. 118 Abs. 1 Satz 3 EStR bestimmten Nutzungsanteil von grundsätzlich 20 bis 25 v. H. abgewichen. Da die Richtlinien aber einen privaten Nutzungsanteil mindestens in diesem Umfang vorsehen (Abschn. 118 Abs. 2 Satz 3 EStR), ist ausdrücklich die Möglichkeit offengelassen, einen höheren Privatanteil festzusetzen (BFH-Urteil in HFR 1963, 19). Davon abgesehen ist in der Regelung des für den Prüfungszeitraum anzuwendenden Abschn. 118 Abs. 2 Satz 6 EStR 1972 ausdrücklich die Ausnahme für den - vom Prüfer festgestellten - Fall eines größeren oder teureren Kraftwagens zugelassen. In dem Verfahren gegen die auf dieses Ergebnis der Betriebsprüfung gestützten Steuerbescheide hat die Klägerin nach den Feststellungen des FG keine ,,substantiierten" Einwendungen vorgebracht und damit keine dieser Aufteilung entgegenstehenden Tatsachen angeführt. Auch im Verfahren gegen die streitigen Bescheide ist dies nicht geschehen.
Die in diesem Zusammenhang erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch das FG greift nicht durch. Die Pflicht, rechtliches Gehör zu gewähren, bedeutet einmal (§ 96 Abs. 2 FGO), daß das FG nur solche Tatsachen und Beweismittel seiner Entscheidung zugrunde legen darf, zu denen Stellung zu nehmen den Beteiligten Gelegenheit gegeben war. Zum anderen ist das rechtliche Gehör - insbesondere im Sinne des Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) - auch dann verletzt, wenn - darauf zielt das klägerische Vorbringen im Streitfall ab - die Beteiligten von einer Entscheidung überrascht werden, weil das Urteil auf rechtliche oder tatsächliche Gesichtspunkte gegründet ist, zu denen sich die Beteiligten nicht geäußert haben und nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens zu einer Äußerung auch keine Veranlassung bestanden hat (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 22. Oktober 1986 I R 107/82, BFHE 148, 507, BStBl II 1987, 293 unter A.).
Für die Klägerin war offensichtlich, daß es auf die - bestrittenen - Feststellungen der Außenprüfung auch im Streitfall ankommen mußte. Denn diese hatte das FA gerade als Grundlage für seine Schätzung herangezogen und im Klageverfahren unverändert daran festgehalten. Dementsprechend hat die Klägerin von ihrem rechtlichen Gehör auch Gebrauch gemacht und schon in ihrer Klageschrift auf die ,,Falschauslegung im Rahmen der Betriebsprüfung" hingewiesen.
c) Nach den Regeln der Lebenserfahrung läßt sich aus den - danach nicht zu beanstandenden - Feststellungen der Außenprüfung über die in den Prüfungsjahren 1973 und 1974 bestehenden tatsächlichen Verhältnisse auch der Rückschluß ziehen, daß die Klägerin auch in den Folgejahren ihren PKW in gleichem Umfang für private Zwecke nutzte wie im Prüfungszeitraum (vgl. dazu das Urteil des erkennenden Senats vom 28. August 1987 III R 189/84, BFHE 150, 506). Der Klägerin war es unbenommen, im einzelnen darzutun und nachzuweisen, daß und ggf. aus welchen Gründen diese Schlußfolgerungen des FA auf die in den Streitjahren gegebenen tatsächlichen Verhältnisse der Sache nach unzutreffend waren. Einen solchen Nachweis hat sie indes nicht geführt.
Nach den Feststellungen des FG hat die Klägerin keine Änderung der für die Aufteilung maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse im Vergleich zu den Prüfungsjahren dargelegt. Daß das FG insoweit die für die Zeit vom 9. bis 30. Mai 1983 und vom 1. November bis 31. Dezember 1983 geführten Fahrtenbücher nicht berücksichtigt hat, ist nicht zu beanstanden. Es ist möglich, einen Zeitraum von zusammengenommen weniger als drei Monaten als nicht repräsentativ anzusehen. Da dieser Gesichtspunkt dem FG für seine Würdigung bereits genügt hat, kann es dahingestellt bleiben, ob der weitere vom FG herangezogene Hinweis auf die nicht in den Streitjahren liegenden Zeiträume für sich genommen seine Würdigung rechtfertigen könnte. Es begegnet auch keinen Bedenken, wenn dem FG zum Nachweis der klägerischen Behauptung die Zeugenaussage nicht ausgereicht hat, weil dadurch Aufschluß allenfalls über die betrieblich gefahrenen Kilometer zu erhalten gewesen sei. Für die Bestimmung des betrieblichen Nutzungsanteils ist dagegen die Kenntnis der Gesamtfahrleistung unerläßlich. Auch den in Augenschein genommenen Kilometerstand des Fahrzeugs durfte das FG hierzu für ungeeignet halten. Mit seiner Verweisung auf die Begründung für die Ablehnung der Fahrtenbücher als Grundlage für die Aufteilung hat das FG dafür offensichtlich auf die kurze Betriebsdauer des Kfz abstellen wollen. Wenn es im Hinblick darauf anhand der Kilometerleistung des auf dem Parkplatz des FG abgestellten Fahrzeugs einen Schluß auf die Gesamtfahrleistung in den Streitjahren nicht gezogen hat, so ist dies - nicht anders als bei der Würdigung des für einen unbedeutend kurzen Zeitraum geführten Fahrtenbuchs - nicht zu beanstanden. Unbedenklich ist es auch, wenn das FG - entgegen dem Einwand der Revision - für die klärungsbedürftige Frage der Gesamtfahrleistung nicht auf den Prüfungsbericht und die darin enthaltenen Feststellungen zurückgegriffen hat. Ebenso wie sich nach der Aussage des Zeugen im Vergleich zu den Feststellungen der Außenprüfung für die Streitjahre eine Zunahme der betrieblich gefahrenen Kilometer ergibt, erscheint auch die entsprechende Zunahme der Fahrleistung insgesamt denkbar und muß sich damit auch das bisherige Aufteilungsverhältnis nicht geändert haben. Das Vorbringen der Klägerin, die Kilometerleistung sei anhand von Belegen sicherlich nachweisbar gewesen, kann im Revisionsverfahren nicht berücksichtigt werden. Selbst wenn darin die Rüge mangelnder Sachaufklärung zu sehen wäre, könnte die Klägerin damit nur Erfolg haben, wenn ihr Prozeßbevollmächtigter insoweit einen Beweisantrag gestellt hätte (vgl. Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, Kommentar, 2. Aufl., § 76 Rdnr. 25, m. w. N.).
3. Zutreffend hat das FG die Aufwendungen der Klägerin auch nicht als betrieblich veranlaßte Sachzuwendungen anerkannt. Leistungen an nahe Angehörige sind steuerlich u. a. nur dann als Betriebsausgaben abzugsfähig, wenn die zugrundeliegende Verpflichtung ernstlich gewollt und eindeutig vereinbart ist (vgl. BFH-Urteil vom 7. September 1972 IV R 197/68, BFHE 107, 35, BStBl II 1972, 944). Diese Voraussetzungen haben im Streitfall nicht vorgelegen. Entgegen der Auffassung der Revision kann im übrigen auch die unterbliebene Einbehaltung der Lohnsteuer einen Schluß auf die fehlende Ernsthaftigkeit der Vereinbarung zulassen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Juli 1983 IV R 103/82, BFHE 139, 376, BStBl II 1984, 60, betreffend die sozialversicherungsrechtliche Behandlung).
Fundstellen
Haufe-Index 61677 |
BFH/NV 1989, 300 |