Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebäudeumbau als Entnahme
Leitsatz (NV)
Der Umbau eines bisher betrieblich genutzten Gebäudeteils führt mangels Entnahmeerklärung nicht zur Entnahme, solange eine weitere betriebliche Nutzung, auch als gewillkürtes Betriebsvermögen, in Betracht kommt.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Architekt, die durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt werden. Die berufliche Tätigkeit wurde bis Mitte 1977 in dem dem Kläger gehörenden Grundstück (M-Straße 1) ausgeübt, in dem sich auch die Privatwohnung des Klägers befand. Nach den Feststellungen im Rahmen einer früheren Betriebsprüfung beim Kläger wurde das Gebäude zu 16 v.H. zu betrieblichen und zu 84 v.H. zu anderen Zwecken genutzt. Entsprechend diesem Nutzungsverhältnis wurden Gebäude und Grund und Boden mit den für sie ermittelten Werten in das vom Kläger geführte Verzeichnis des betrieblichen Anlagevermögens aufgenommen.
Im Juni 1977 verlegte der Kläger das Architekturbüro in das ihm ebenfalls gehörende Haus M-Straße 5. Die bisherigen Büroräume im Hause M-Straße 1 wurden bis 1983 zu Wohnzwecken vermietet und danach vom Januar 1983 bis Dezember 1984 unentgeltlich der Tochter des Klägers zu Wohnzwecken überlassen. Im Dezember 1984 wurde mit einem Um- und Ausbau des Hauses M-Straße 1 begonnen. Die Baumaßnahmen wurden 1987 abgeschlossen; die Aufwendungen beliefen sich auf insgesamt etwa . . . DM. Zu den Baumaßnahmen stellte das Finanzgericht (FG) fest: Die Maßnahmen waren u.a. die Entfernung von Skelettwänden zur Verbindung zweier bisher bestehender Appartements und der Auf- und Ausbau eines Dachgeschosses mit Schlafräumen, einem aufwendigen Badezimmer und einer Dachterrasse, die über eine Wendeltreppe aus den bisherigen Räumen erreichbar waren.
Bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1987 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sich auf den Standpunkt, mit dem Beginn der Baumaßnahme im Dezember 1984 habe der Kläger den bisher zum Betriebsvermögen gehörenden Gebäudeteil und den anteiligen Grund und Boden entnommen. Die Entnahmegewinne wurden mit . . . DM für das Gebäude und mit . . . DM für den Grund und Boden ermittelt. Der Einkommensteuerbescheid 1984 wurde durch Bescheid vom 11.Mai 1988 entsprechend geändert. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Festsetzung der Einkommensteuer nach einem um . . . DM verrringerten zu versteuernden Einkommen.
1. Entnahmen sind nach § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG alle Wirtschaftsgüter, die der Steuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke im Laufe des Wirtschaftsjahres entnommen hat. Der Wert solcher Entnahmen ist dem durch Betriebsvermögensvergleich oder durch Überschußrechnung ermittelten Gewinn hinzuzurechnen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Eine Entnahme in diesem Sinne liegt auch ohne eine Entnahmeerklärung vor, wenn der Steuerpflichtige die bisherige betriebliche Nutzung eines Wirtschaftsguts auf Dauer so ändert, daß es seine Beziehung zum Betrieb verliert und dadurch zu notwendigem Privatvermögen wird. Dagegen führt eine Nutzungsänderung, durch die das Wirtschaftsgut zwar seinen Charakter als notwendiges Betriebsvermögen verliert, andererseits aber auch nicht zu notwendigem Privatvermögen wird, ohne eindeutige Entnahmeerklärung des Steuerpflichtigen nicht zur Entnahme des Wirtschaftsguts. Dies gilt, wie sich aus § 4 Abs. 1 Satz 4 EStG ergibt, auch bei der Gewinnermittlung durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG. Das FG hat dies verkannt und eine Entnahme angenommen, weil die früher für Praxiszwecke genutzten Räume durch den Umbau die Eigenschaft als notwendiges Betriebsvermögen verloren hätten. In folgerichtiger Anwendung seines - wie dargelegt unzutreffenden - Satzes hätte das FG allerdings eine Entnahme im Streitjahr 1984 mit der Begründung verneinen müssen, bereits durch die Vermietung zu Wohnzwecken im Jahre 1977 sei es zur Entnahme gekommen. Denn auch die Vermietung eines bisher eigenbetrieblich genutzten Grundstücksteils zu Wohnzwecken an Dritte hat regelmäßig zur Folge, daß dieser Grundstücksteil nicht mehr notwendiges, sondern allenfalls gewillkürtes Betriebsvermögen ist.
2. a) Der Beginn der Umbaumaßnahme im Dezember des Streitjahres könnte hiernach nur dann als Entnahme gewertet werden, wenn er - bei unterstelltem Fortbestand der Betriebsvermögenseigenschaft bis zu diesem Zeitpunkt - den fraglichen Grundstücksteil (Räume und anteiligen Grund und Boden) zu Wirtschaftsgütern des notwendigen Privatvermögens gemacht hätte. Das ist jedoch nicht der Fall. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG bestand die Umbaumaßnahme im wesentlichen aus dem Auf- und Ausbau eines für eigene Wohnzwecke des Klägers bestimmten Dachgeschosses und aus der Entfernung von Trennwänden in den früheren Praxisräumen. Diese Maßnahme schlossen indes eine spätere erneute eigenbetriebliche Nutzung der früheren Praxisräume jedenfalls nicht aus. Dem stand auch nicht entgegen, daß die früheren Praxisräume mit dem Obergeschoß durch eine zu einer offenen Galerie führende Wendeltreppe verbunden sein sollten. Ob ein Gebäude aus mehreren Wirtschaftsgütern besteht, bestimmt sich vornehmlich nach der Funktion der einzelnen Gebäudeteile (vgl. Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. November 1973 GrS 5/71, BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132). Eine Büroetage kann auch dann geeignet sein, eigenbetrieblichen Zwecken zu dienen, wenn sie mit den darüberliegenden Privaträumen des Betriebsinhabers nicht wie üblich über Flur und Treppe, sondern über eine offene Treppe und eine Galerie verbunden ist. Wird dieser Gebäudeteil betrieblich genutzt, auch von Arbeitnehmern, so entspräche es auch nicht den tatsächlichen Gegebenheiten, ihn als vom privaten Wohnbereich nicht trennbares häusliches Arbeitszimmer des Betriebsinhabers (vgl. hierzu Senatsurteil vom 6. Februar 1992 IV R 85/90, BFHE 167, 114, BStBl II 1992, 528) anzusehen.
b) Der Kläger hat nach Abschluß der Umbaumaßnahme im Jahre 1987 möglicherweise - die Feststellungen des FG hierzu sind unklar - auch die früheren Praxisräume zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Der Beginn einer Wohnnutzung im Jahre 1987 kann aber nicht zu einer anderen Beurteilung der Vorgänge im Streitjahr 1984 führen. Bei der Errichtung eines Gebäudes, das nach den objektiven Gegebenheiten sowohl Betriebs- als auch Privatvermögen sein kann, auf einem zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstück kann bei Fehlen einer Entnahmeerklärung nach der Rechtsprechung des BFH eine Entnahme erst für den Zeitpunkt angenommen werden, in dem feststeht, daß das Gebäude auf Dauer im außerbetrieblichen Bereich genutzt werden soll (vgl. BFH-Urteile vom 11.März 1980 VIII R 151/76, BFHE 131, 290, BStBl II 1980, 740, und vom 29. April 1970 IV R 192/67, BFHE 99, 523, BStBl II 1970, 754). Entsprechendes gilt beim Umbau eines zum Betriebsvermögen gehörenden Grundstücksteils, wenn dieser auch nach dem Umbau eine betriebliche Nutzung zuläßt, sei es auch nur als Wirtschaftsgut des gewillkürten Betriebsvermögens. Ob der Beginn der Wohnnutzung im Jahre 1987 zur Entnahme geführt hat oder ob es sich, wie der Kläger dem FG vorgetragen hat, hinsichtlich der früheren Praxisräume nur um eine vorübergehende und deshalb nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 99, 523, BStBl II 1970, 754 nicht zur Entnahme führende Wohnnutzung handeln sollte, weil diese Räume wegen des erwarteten Großauftrags für eine jederzeit mögliche betriebliche Nutzung bereitgehalten werden sollten, kann dahinstehen. Im Streitfall kommt es auf Vorgänge im Jahre 1984 an. Der Umbaubeginn im Streitjahr kann, wie unter a) dargelegt, nicht als Entnahme angesehen werden.
c) Das FG und die Beteiligten haben nicht erörtert, ob unter dem Gesichtspunkt der Entnahme die im Jahre 1977 erfolgte Vermietung und die im Jahre 1983 erfolgte vorübergehende unentgeltliche Überlassung der früheren Praxisräume an die Tochter bedeutsam waren. Auch für die Entscheidung über die Revision des Klägers kann dies offenbleiben. Wäre es schon in einem der Vorjahre zur Entnahme gekommen, eine solche aber im Entnahmejahr nicht erfaßt worden, käme eine nachträgliche Erfassung dieser Entnahme im Streitjahr nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 1976 IV R 222/72, BFHE 120, 369, BStBl II 1977, 148, m.w.N.) nicht in Betracht.
Das FG-Urteil ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Es mußte deshalb, ohne daß es noch auf die Verfahrensrüge ankäme, aufgehoben werden.
Die Sache ist spruchreif.
Die Einkommensteuer für das Streitjahr wird unter Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides wie folgt festgesetzt:. . .
Fundstellen
Haufe-Index 64066 |
BFH/NV 1993, 405 |