Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Bildung einer steuerfreien Rücklage nach § 6 Abs. 1 FöGbG
Leitsatz (NV)
Der Antrag auf Baugenehmigung stellte nicht das einzige und allein entscheidende Kriterium dar, anhand dessen der Steuerpflichtige den (definitiven) Beginn von genehmigungspflichtigen Bauinvestitionen i.S. von § 6 Abs. 1 FöGbG nachweisen konnte. Vielmehr konnte sich der für die Rücklagenbildung nach § 6 Abs. 1 FöGbG erforderliche Beginn der zumindest in ihren wesentlichen Umrissen konkretisierten Bauinvestition auch in anderen ‐ der Stellung des Bauantrages vorgelagerten ‐ Maßnahmen dokumentieren, mit denen der Steuerpflichtige seine Entscheidung zur Herstellung des Immobilienprojekts "für sich bindend" nach außen manifestierte.
Normenkette
FördG §§ 3, 6 Abs. 1
Verfahrensgang
FG des Landes Brandenburg (EFG 2000, 873) |
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1991 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden.
Der Kläger ist Vertragshändler eines Kfz-Herstellers (A-AG). Er ermittelt seinen Gewinn durch Bestandsvergleich. Im April 1990 wandte sich der Kläger an den damaligen Rat der Stadt X (Brandenburg) mit dem Antrag, ihm im Zuge der Vergabe von Gewerbegrundstücken am Stadtrand von X ein unbebautes Grundstück zum Zweck der Bebauung für seinen Gewerbebetrieb zu verkaufen. Für die geplanten Investitionen beantragte der Kläger im Juni 1990 bei der Y-Bank einen ERP-Kredit. Im August 1990 teilte ihm die Stadtverwaltung X ―Amt für Wirtschaftsförderung― mit, dass sein Antrag auf Vergabe einer Gewerbefläche von 6 000 qm in die Planung und Erschließung des Gewerbegebiets X-Süd einbezogen werde. Nachdem der Kläger entsprechende weitere Verhandlungen mit der Stadtverwaltung X geführt und in Zusammenarbeit mit der A-AG ein Konzept zur Errichtung eines "Autohauses" in X erarbeitet hatte, beschloss die Stadtverordnetenversammlung von X am 29. November 1991, dem Kläger ein Grundstück im Gewerbegebiet X-Süd zu verkaufen. Dies teilte die Stadtverwaltung X dem Kläger am 5. Dezember 1991 schriftlich mit. Am 10. Dezember 1991 beauftragte der Kläger einen Architekten mit der Ausarbeitung der Baupläne, der konstruktiven Bearbeitung der Bauunterlagen sowie der technischen und künstlerischen Oberleitung des Bauvorhabens. Am 17. Dezember 1991 erteilte die Stadtverwaltung X dem Kläger einen Bauvorbescheid für das geplante Projekt. Am 8. Dezember 1992 stellte der Kläger den Bauantrag; am 10. Dezember 1992 schloss er den Bauvertrag. Am 11. Dezember 1992 kaufte er das Grundstück. Im Jahr 1993 wurde das Autohaus fertig gestellt.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1991 erklärten die Kläger einen Gewinn des Ehemannes aus Gewerbebetrieb in Höhe von 101 386 DM. Dieser Gewinn war um eine ―der Höhe nach unstreitige― steuerfreie Rücklage nach § 6 Abs. 1 des Fördergebietsgesetzes (FördG) in Höhe von 208 760 DM, die der Kläger im Hinblick auf das Bauvorhaben gebildet hatte, gemindert worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) erkannte die Rücklage im Anschluss an eine Außenprüfung nicht (mehr) an mit der Begründung, mit der Investition sei nicht rechtzeitig ―vor 1992― begonnen worden, und erhöhte den Gewinn in dem angefochtenen Einkommensteueränderungsbescheid 1991 entsprechend.
Das Finanzgericht (FG) gab der dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage statt (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2000, 873).
Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 6 Abs. 1 FördG). Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens, am 7. November 2000, hat das FA einen auf § 165 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) gestützten und die hier streitige steuerfreie Rücklage nicht berührenden Einkommensteueränderungsbescheid 1991 erlassen. Dieser Bescheid enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, in der zunächst auf die Möglichkeit hingewiesen wird, Einspruch einzulegen. In einer dieser Rechtsbehelfsbelehrung angefügten Ergänzung heißt es sodann:
"Sie können innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe dieses Bescheids beim Bundesfinanzhof beantragen (…), diesen Bescheid zum Gegenstand des anhängigen Revisionsverfahrens zu machen, ein Einspruch erübrigt sich dann. Wird weder Einspruch eingelegt noch der Antrag nach § 68 der Finanzgerichtsordnung gestellt, wird mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist Ihre Revision (Hervorhebung durch den erkennenden Senat) unzulässig."
Mit beim Bundesfinanzhof (BFH) am 15. Dezember 2000 eingegangenem Schriftsatz vom 14. Dezember 2000 haben die Kläger beantragt, den Einkommensteueränderungsbescheid vom 7. November 2000 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen. Die Überschreitung der Monatsfrist des § 68 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung in der vor dem 1. Januar 2001 geltenden Fassung (FGO a.F.) sei unbeachtlich, weil die dem Änderungsbescheid beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung irreführend und unzutreffend sei (s. BFH-Urteil vom 19. September 1997 VI R 273/94, BFH/NV 1998, 592).
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet (§ 126 Abs. 2 FGO). Zutreffend hat das FG entschieden, dass der Kläger berechtigt war, die der Höhe nach unstreitige steuerfreie Rücklage nach § 6 Abs. 1 FördG in seiner Bilanz zum 31. Dezember des Streitjahres 1991 zu bilden.
1. Der Einkommensteueränderungsbescheid 1991 vom 7. November 2000 ist auf Antrag der Kläger gemäß § 68 FGO a.F. Gegenstand des Verfahrens geworden. Zwar ist der entsprechende Antrag der Kläger erst nach Ablauf der Monatsfrist des § 68 Satz 2 FGO a.F. gestellt worden. Dies ist jedoch unschädlich, weil die dem Änderungsbescheid vom 7. November 2000 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung irreführend war mit der Folge, dass der Antrag nach § 68 FGO a.F. ―wie im Streitfall geschehen― auch noch nach Ablauf der in Satz 2 dieser Vorschrift vorgesehenen Monatsfrist innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Änderungsbescheids wirksam gestellt werden konnte. Zur näheren Begründung verweist der erkennende Senat zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Erwägungen in dem einen vergleichbaren Sachverhalt betreffenden BFH-Urteil in BFH/NV 1998, 592 (unter 1. der Gründe, m.w.N.).
2. Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 FördG können Steuerpflichtige, die ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 oder § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermitteln, eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage für Investitionen i.S. der §§ 2 und 3 FördG bilden, "mit denen vor dem 1. Januar 1992 begonnen worden ist". Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 2 FördG kann die Rücklage bis zu der Höhe gebildet werden, in der voraussichtlich Sonderabschreibungen nach § 4 Abs. 1 FördG in Anspruch genommen werden können, höchstens jedoch im Wirtschaftsjahr in Höhe von jeweils 20 Mio. DM.
Der Kläger ermittelte seinen Gewinn für das Streitjahr 1991 durch Betriebsvermögensvergleich (§ 5 EStG). Er nahm eine nach § 3 FördG begünstigte Investition vor, indem er auf einem von der Stadt X in Brandenburg erworbenen unbebauten Grundstück ein im Jahr 1993 fertig gestelltes "Autohaus" mit Kfz-Reparaturwerkstatt errichtete.
§ 6 Abs. 1 Satz 1 FördG enthält keine ausdrückliche Aussage darüber, was unter "Beginn der Investition" zu verstehen ist. Welche Voraussetzungen hierfür bei genehmigungspflichtigen Baumaßnahmen erfüllt sein müssen, kann daher in Ermangelung weiterer einschlägiger Vorschriften des FördG und sonstiger Fördergesetze (nachfolgend 3.) nur aufgrund einer Auslegung dieser Vorschrift entschieden werden (nachfolgend 4.).
3. Nach § 8 Abs. 1 Satz 4 FördG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I 1991, 1322) ―FördG a.F.― und nach § 8 Abs. 1 a Satz 4 FördG n.F. "gilt als Beginn der Herstellung bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich ist, der Zeitpunkt, in dem der Bauantrag gestellt wird". Mit zutreffenden Erwägungen hat es das FG abgelehnt, diese Regelungen über den Beginn von genehmigungspflichtigen Bauinvestitionen auf den vorliegenden Streitfall anzuwenden.
a) Dem steht zum einen schon entgegen, dass der im vorliegenden Streitfall (noch) einschlägige § 8 FördG a.F. in seinen drei Absätzen eine genaue Differenzierung hinsichtlich der Anwendung der ihm vorausgehenden Regelungen des FördG a.F. vornimmt. So bezieht sich § 8 Abs. 1 FördG a.F. und damit auch dessen Satz 4 nach seinem Wortlaut lediglich auf die §§ 1 bis 5 FördG a.F., wohingegen sich § 8 Abs. 2 FördG a.F. mit der Anwendung des hier in Rede stehenden § 6 Abs. 1 FördG a.F. und § 8 Abs. 3 FördG a.F. mit der Anwendung des § 7 FördG a.F. befasst.
b) Vor allem aber beschränkte sich die Regelung des § 8 Abs. 1 Satz 4 FördG a.F. auf solche Baumaßnahmen, die im ehemaligen Berlin-West verwirklicht wurden. Dies ergibt sich sowohl aus dem Kontext dieser Regelung zu den beiden vorausgehenden Sätzen 2 und 3 des § 8 Abs. 1 FördG a.F. als auch ―worauf schon die Vorinstanz zutreffend hingewiesen hat― aus deren Sinn und Zweck: Gemäß § 31 Abs. 4 Satz 1 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) war § 14 BerlinFG nur noch anzuwenden, wenn der Steuerpflichtige die begünstigten Wirtschaftsgüter vor dem 1. Juli 1991 bestellt oder vor diesem Stichtag mit ihrer Herstellung oder mit den nachträglichen Herstellungsarbeiten begonnen hatte. Da § 31 Abs. 4 Satz 2 BerlinFG bei Baumaßnahmen, für die eine Baugenehmigung erforderlich war, als "Beginn der Herstellung" den Zeitpunkt fingierte, in dem der Bauantrag gestellt wurde, bedurfte es im Zuge der Umstellung der Investitionsförderung in Berlin-West ab 1. Juli 1991 zur Vermeidung von Überschneidungen und Lücken der im BerlinFG und im FördG enthaltenen Fördertatbestände einer korrespondierenden Regelung in § 8 Abs. 1 Satz 4 FördG a.F. Dass sich die in § 8 Abs. 1 Satz 4 FördG a.F. getroffene Regelung über den "Beginn der Herstellung" bei genehmigungspflichtigen Baumaßnahmen nur mehr auf Berlin-West bezieht, wird zudem ―wie das FG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat― durch die nachfolgenden Änderungen des FördG belegt: § 8 Abs. 1 a FördG n.F. regelt allein die Anwendung des FördG in Berlin-West. Demgemäß beschränkt sich auch die den "Beginn der Herstellung" bei genehmigungspflichtigen Baumaßnahmen regelnde Bestimmung des § 8 Abs. 1 a Satz 4 FördG n.F. auf diesen örtlichen Bereich, zumal diese Vorschrift ausdrücklich auf § 8 Abs. 1 a Satz 1 und Satz 3 Nr. 5 FördG n.F. Bezug nimmt.
c) Diese Erwägungen sprechen zugleich gegen die vom FA vertretene These, dass die in § 8 FördG unterlassene Erstreckung der Fiktion des § 8 Abs. 1 Satz 4 FördG a.F. auf die Regelung des § 6 Abs. 1 FördG auf einem Redaktionsversehen des Gesetzgebers beruhe. Dies erscheint überdies auch deswegen umso unwahrscheinlicher, als das FördG i.d.F. des StÄndG 1991 vom 24. Juni 1991 nach seinem In-Kraft-Treten mehrfach geändert wurde, ohne dass der Gesetzgeber ein vermeintliches Redaktionsversehen beseitigt hätte.
d) Eine § 8 Abs. 1 Satz 4 FördG a.F. und § 8 Abs. 1 a Satz 4 FördG n.F. wortgleich entsprechende Regelung trifft auch § 3 Abs. 2 Satz 6 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG). Der erkennende Senat pflichtet dem FG darin bei, dass auch diese Regelung zur Beantwortung der hier streitigen Frage des Beginns der Investition nicht (analog oder sinngemäß) herangezogen werden kann. Mit Recht hat das FG in diesem Zusammenhang betont, dass es "in den neuen Bundesländern … im Gegensatz zu den alten Bundesländern im Hinblick auf die vielfältigen administrativen Schwierigkeiten, …, vermögensrechtlichen Streitigkeiten, Überlastung der Grundbuchämter oder aber Unerfahrenheit der neu errichteten Behörden in der unmittelbaren Übergangszeit nach dem 3. Oktober 1990 regelmäßig zu Verzögerungen bei der Durchführung von Investitionen (kam)" und dass die "Möglichkeit der Rücklagenbildung nach § 6 FördG … einen Anreiz zur schnellen Durchführung von Investitionen in den neuen Bundesländern schaffen (sollte), ohne dabei Steuerpflichtige zu benachteiligen, bei denen administrative Hindernisse den Abschluss der Investition verzögerten" (vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags zum StÄndG 1991, BTDrucks 12/562, S. 72; ferner auch Erlass des Finanzministeriums ―FinMin― Niedersachsen vom 3. März 1992 S 1988 b-1-35 2, Der Betrieb ―DB― 1992, 658).
e) Aus denselben Gründen verbietet sich auch die sinngemäße Heranziehung der Regelungen in § 31 Abs. 4 Satz 2 BerlinFG und in § 4b Abs. 2 Satz 5 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1975.
4. Zu Recht hat das FG entschieden, dass der Kläger mit der Investition bereits vor dem 1. Januar 1992 begonnen hat. Dies folgt aus dem Wortlaut des Gesetzes unter besonderer Berücksichtigung seines durch die Gesetzesmaterialien belegten Förderzweckes. Hierbei ist auch von Bedeutung, dass § 6 Abs. 1 FördG zwar von "Investitionen i.S. der §§ 2 und 3 FördG" spricht, welche sind u.a. die Anschaffung und die Herstellung von abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens (§ 2 FördG) und die in § 3 FördG genannten "Baumaßnahmen". Gleichwohl knüpft die Vorschrift bezogen auf den Streitfall nicht an den "Beginn der Herstellung" oder gar an die Stellung eines Bauantrags, sondern an den ―zeitlich früheren― "Beginn der Investition" an, der als Rechtsbegriff einer eigenständigen Auslegung bedarf.
a) Wie sich aus der amtlichen Begründung zu § 6 Abs. 1 FördG (vgl. BTDrucks 12/562, S. 72) ergibt, sollte mit der Einführung der steuerfreien Rücklage ein Anreiz zur schnellen Durchführung von Investitionen im Fördergebiet geschaffen werden. Potentielle Investoren sollten veranlasst werden, ihre zögerliche Haltung bei Investitionen im Fördergebiet aufzugeben und geplante Projekte schnellstmöglich in Angriff zu nehmen (vgl. z.B. Lademann/Kaligin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 6 FördG Rz. 6). Die vom Gesetzgeber intendierte rasche Verwirklichung von Investitionsvorhaben im Fördergebiet kommt deutlich auch in der von ihm statuierten kurzen Frist zum Ausdruck, innerhalb derer mit den Investitionen begonnen werden musste, um in den Genuss einer steuerfreien Rücklage i.S. von § 6 Abs. 1 FördG zu gelangen: Obwohl erst durch Art. 6 des StÄndG 1991 vom 24. Juni 1991 geschaffen, setzte die Bildung der in Rede stehenden Rücklage voraus, dass mit den nach § 2 und 3 FördG begünstigten Investitionen bereits vor dem 1. Januar 1992 begonnen wurde. Diese vom Gesetzgeber bestimmte Frist erweist sich gerade in den Fällen als äußerst knapp bemessen, in welchen ―wie im Streitfall― größere Bauvorhaben zumal auf Grundstücken verwirklicht werden sollten, die sich der Steuerpflichtige erst beschaffen musste. Die Realisierung solcher Projekte bedarf naturgemäß ―noch bevor mit der eigentlichen Herstellung (ggf. in Gestalt des "ersten Spatenstiches"; zur unterschiedlichen Auslegung des Begriffs "Beginn der Herstellung eines Gebäudes" je nach dem spezifischen Zweck der einschlägigen Vorschrift vgl. auch Senatsurteil vom 16. Dezember 1998 X R 153/95, BFH/NV 1999, 782) begonnen werden kann― eines nicht unbeträchtlichen zeitlichen Vorlaufs. Dies gilt ―wie der Streitfall anschaulich dokumentiert― umso mehr unter Verhältnissen, wie sie sich im hier zu beurteilenden Zeitraum unmittelbar nach der "Wende" darstellten.
Daraus erhellt ohne weiteres, dass strenge Anforderungen an den "Beginn der Investition" gerade bei genehmigungspflichtigen Bauvorhaben zur häufigen Nichteinhaltbarkeit der in § 6 Abs. 1 FördG vorgesehenen Frist geführt und damit letztlich bewirkt hätten, dass die Vorschrift entgegen der Intension des Gesetzgebers, Investitionsanreize auch hinsichtlich der Investition in unbewegliche Wirtschaftsgüter zu schaffen (vgl. § 3 FördG), insoweit weitgehend leergelaufen wären (vgl. auch FG Nürnberg, Urteil vom 24. April 2001 II 44/98, EFG 2001, 1158).
b) Vor diesem Hintergrund ist der Vorinstanz darin zu folgen, dass der Beginn der Investition genehmigungspflichtiger Bauprojekte i.S. von § 6 Abs. 1 FördG nicht zwingend erst in dem Moment vollzogen wurde, in welchem der Steuerpflichtige den eigentlichen Antrag auf Baugenehmigung stellte (ebenso z.B. Hessisches FG, Beschluss vom 10. Oktober 1995 11 V 2088/95, EFG 1996, 26; FG Nürnberg in EFG 2001, 1158; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 14. Aufl., Anhang 1, FördG Rz. 15; vgl. ferner auch Lademann/Kaligin, a.a.O., § 6 FördG Rz. 7; a.A. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF― vom 29. März 1993 IV B 3 -S 1988- 28/93, BStBl I 1993, 279, 283, Tz. 18, a.E., und die herrschende Meinung im Schrifttum: vgl. z.B. Blümich/Stuhrmann, Einkommensteuergesetz, § 6 FördG Rz. 4; Bordewin/Masuch in Bordewin/Brandt, Einkommensteuergesetz, § 6 FördG Rz. 9; Wewers, DB 1991, 1539, 1543, re. Spalte; Sproß, Deutsche Steuer-Zeitung ―DStZ― 1993, 193, 197, re. Spalte oben). Dabei verkennt der Senat nicht, dass sich das Stellen des Bauantrages als ein durchaus gewichtiges und zugleich einfach und praktikabel feststellbares Indiz für den Beginn der Bauinvestitionen erweisen kann. Nach Auffassung des Senats stellte es indessen nicht das einzige und allein entscheidende Kriterium dar, anhand dessen der Steuerpflichtige den (definitiven) Beginn der Bauinvestitionen i.S. von § 6 Abs. 1 FördG nachzuweisen vermochte (ebenso auch Beschluss des Hessischen FG in EFG 1996, 26, und Urteil des FG Nürnberg in EFG 2001, 1158). Vielmehr konnte sich der für die Rücklagenbildung nach § 6 Abs. 1 FördG erforderliche Beginn der zumindest in ihren wesentlichen Umrissen konkretisierten Bauinvestition auch in anderen ―der Stellung des Bauantrages vorgelagerten― Maßnahmen dokumentieren, mit denen der Steuerpflichtige seine Entscheidung zur Herstellung des Immobilienprojekts "für sich bindend" nach außen manifestierte.
c) Die in diesem Zusammenhang vom FA gehegte Befürchtung, ein Zurückgreifen auf dem Bauantrag vorgelagerte Investitionsmaßnahmen habe zur Bildung von steuerfreien Rücklagen führen können, ohne dass die betreffenden Bauprojekte in der Folgezeit tatsächlich verwirklicht wurden, hält der Senat unter den gegebenen Umständen für unbegründet. Dies gilt umso mehr, als der Steuerpflichtige auch nach Stellen eines Antrags auf Baugenehmigung nicht daran gehindert war, diesen Antrag zurückzunehmen oder von einer bereits erteilten Bauerlaubnis keinen Gebrauch zu machen. Im Übrigen ist der Gesetzgeber diesem Problem dadurch begegnet, dass er für solche Fälle in § 6 Abs. 3 FördG ―ähnlich den Regelungen des § 6b Abs. 7 und § 7g Abs. 5 EStG― einen "Gewinnzuschlag" in Höhe von 6 v.H. des gewinnerhöhend aufzulösenden Rücklagenbetrages angeordnet hat.
d) Ob eine im oben beschriebenen Sinne bindende Investitionsentscheidung vorlag, zu deren Realisierung der Steuerpflichtige fest entschlossen war und deren Verwirklichung er bei regelmäßigem Geschehensablauf berechtigterweise erwarten konnte, hängt von der Beurteilung der konkreten Umstände des Einzelfalles ab. Das Vorliegen solcher nach außen gerichteter Handlungen des Klägers, die seinen endgültig und aus ökonomischen Gründen für sich bindend gefassten Entschluss zur Verwirklichung des "Autohaus-Projektes" dokumentierten, hat das FG in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bejaht.
aa) Die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung des vom Kläger betriebenen Unternehmens nach der "Wende" hing entscheidend davon ab, dass es ihm gelang, Vertragshändler der A-Werke zu werden. Dies setzte aber voraus, dass er den vertraglichen Vorgaben der A-Werke, insbesondere in Bezug auf die Neuerrichtung eines repräsentativen, den von der A-AG festgelegten Standards genügenden "Autohauses", entsprach. Deswegen setzte der Kläger schon frühzeitig nach der "Wende" ohne jedes Zögern "alle Hebel in Bewegung", das zur Realisierung dieses Projekts unerlässliche Grundstück, das er unter den gegebenen Umständen nur von der Kommune erwerben konnte, zu beschaffen, und das Bauvorhaben schnellstmöglich zu verwirklichen. So trat er bereits im April 1990 an den damaligen Rat der Stadt X mit dem Anliegen heran, ihm im Zuge der geplanten Vergabe von Gewerbegrundstücken am Stadtrand von X ein unbebautes Grundstück zu verkaufen. Schon im Juni 1990 beantragte er bei der Y-Bank, ihm für die ins Auge gefassten Investitionen einen ERP-Kredit zu gewähren. Im August 1990 teilte ihm die Stadtverwaltung X mit, dass sein Antrag auf Vergabe einer Gewerbefläche von 6 000 qm in die Planung und Erschließung des Gewerbegebiets X-Süd einbezogen werde. Nach weiteren Verhandlungen mit der Stadt X und der Erstellung eines zusammen mit den A-Werken erarbeiteten Betriebskonzepts beschloss die Stadtverordnetenversammlung von X am 29. November 1991, dem Kläger ein Grundstück im Gewerbegebiet X-Süd zu verkaufen. Am 10. Dezember 1991 beauftragte der Kläger einen Architekten mit der Ausarbeitung der Baupläne, der konstruktiven Bearbeitung der Bauunterlagen sowie der technischen und künstlerischen Oberleitung zur Realisierung des Bauprojekts. Am 17. Dezember 1991 erteilte die Stadtverwaltung X dem Kläger einen Bauvorbescheid für das geplante "Autohaus".
bb) Mit Recht hat das FG aus diesem Bündel der vom Kläger bis zum Ende des Streitjahres 1991 ergriffenen Maßnahmen gefolgert, dass der Kläger ―wie es für die Bildung der Rücklage nach § 6 Abs. 1 FördG geboten war― bis zum maßgeblichen Bilanzstichtag (31. Dezember 1991) mit der begünstigten Investition begonnen hatte. Denn in dieser Gesamtheit von unverzüglich und zielstrebig auf die rasche Verwirklichung des Bauvorhabens gerichteten Maßnahmen offenbart sich in unzweideutiger Weise, dass der Kläger seinen dahin gehenden Investitionsentschluss endgültig und für sich bindend gefasst hatte. Es kommt hinzu, dass der Kläger aufgrund der von ihm bis zum Bilanzstichtag erzielten Teilerfolge (Beschluss des Stadtrats über den Verkauf eines bestimmten adäquaten Grundstücks an den Kläger vom 29. November 1991 und entsprechende Benachrichtigung des Klägers vom 5. Dezember 1991; Erteilung eines positiven Bauvorbescheids für das geplante Autohaus am 17. Dezember 1991) auch die berechtigte und dann auch durch den späteren Verlauf der Ereignisse bestätigte Erwartung hegen durfte, das geplante Projekt verwirklichen zu können.
Das FG hat es zu Recht für unschädlich gehalten, dass der notarielle Grundstückskaufvertrag und der Bauvertrag mit dem Generalunternehmer erst nach Ablauf des Streitjahres geschlossen und auch der eigentliche Antrag auf Baugenehmigung erst nach dem maßgebenden Bilanzstichtag gestellt wurden. Diese Umstände können dem Kläger indessen schon deswegen nicht zum Nachteil gereichen, weil sie nicht auf ein von ihm zu vertretendes zögerliches Verhalten, sondern auf die seinerzeit im Beitrittsgebiet bestehenden administrativen Hindernisse und sonstigen Besonderheiten zurückzuführen sind, welche ―wie bereits dargelegt (vgl. oben II. 3. d)― nach dem vom Gesetzgeber mit der Regelung des § 6 Abs. 1 FördG intendierten Zweck der Gewährung der dort vorgesehenen steuerfreien Rücklage gerade nicht entgegenstehen sollen.
e) Die Sache ist spruchreif. Bedenken gegen die Höhe der vom Kläger zum 31. Dezember 1991 gebildeten Rücklage sind von der Revision nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.
Fundstellen
Haufe-Index 939111 |
BFH/NV 2003, 912 |
HFR 2003, 792 |
BBK 2003, 632 |
StuB 2003, 801 |
ZfIR 2004, 309 |