Entscheidungsstichwort (Thema)
Vermietung von möblierten Zimmern an Prostituierte
Leitsatz (NV)
1. Die Vermietung von Gebäudeteilen stellt im allgemeinen keine gewerbliche Tätigkeit dar. Um die Tätigkeit eines Vermieters zu einer gewerblichen werden zu lassen, müssen vielmehr zu der bloßen Vermietung noch besondere Umstände hinzutreten.
2. Eine gewerbliche Tätigkeit ist gegeben, wenn Unterkünfte an Prostituierte vermietet werden und der Vermieter den Kontakt mit den Prostituierten durch organisatorische Maßnahmen erleichtert und fördert.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1 S. 1; GewStDV § 1 Abs. 1 a.F.; EStG § 15 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GdbR), die aus den Gesellschaftern A mit 50 v.H. Gewinnanteil und B mit 50 v.H. Gewinnanteil bis einschließlich 16. Dezember 1976, ab 17. Dezember 1976 aus dessen Sohn X und dessen Tochter Y mit jeweils 25 v.H. Gewinnanteilen als Gesellschafter besteht.
Zum Gesellschaftsvermögen gehört das im Jahr 1957 wieder aufgebaute Haus C- Straße 1, das im Bereich der geduldeten Prostitution in Z liegt. Das Haus besteht aus dem Kellergeschoß mit drei Wohnräumen, der Heizung, der Waschküche und Abstellräumen, dem Erdgeschoß mit sechs Wohnräumen, einem besonderen Aufenthaltsraum, zwei WC und einem Bad und dem Obergeschoß mit acht Wohnräumen, zwei WC und einem Bad.
In ihren Gewerbesteuererklärungen 1974 bis 1976 ging die Klägerin davon aus, daß die Mieterträge aus dem Anwesen gewerbliche Einnahmen seien. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte daraufhin Gewerbesteuermeßbeträge für 1974 bis 1976 fest. Nach einer Betriebsprüfung, bei der ebenfalls gewerbliche Einnahmen angenommen wurden, hob das FA die bis dahin bestehenden Vorbehalte der Nachprüfung auf.
Gegen die Gewerbesteuermeßbescheide in Form der Aufhebungsbescheide bezüglich der Nachprüfungsvorbehalte legte die Klägerin Einspruch ein. Sie begehrte, die Vermietung der Zimmer nicht mehr der Gewerbesteuer zu unterwerfen, sondern von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auszugehen.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führt aus, die Vermietung von möblierten Zimmern an Prostituierte stelle zwar nicht in jedem Fall eine gewerbliche Tätigkeit dar. Die entgeltliche Überlassung von Zimmern an solche Personen liege aber dann nicht mehr im Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung und damit der Vermietung und Verpachtung, wenn die wesentliche vertragliche Leistung des Vermieters darin besteht, Gelegenheit zur Ausübung der Prostitution zu geben, um sich selber durch hohe Mieten an den dadurch erzielten Einkünften wirtschaftlich zu beteiligen.
Diese Voraussetzungen seien im Streitfall gegeben. Die Wohnräume des Hauses würden ausschließlich an Prostituierte vermietet. Das Haus befinde sich in einem Bezirk, in dem auch in den Nachbarhäusern der Prostitution nachgegangen werde. Daß von Vermögensverwaltung nicht mehr gesprochen werden könne, komme in dem Mietpreis für jedes der dürftig möblierten Zimmer von 22 DM für den Tag zum Ausdruck. Dieser Mietpreis entgelte nicht nur die Nutzungsmöglichkeit des Zimmers, sondern sei auch Entgelt für die Verschaffung von Gelegenheit zur Ausübung der Prostitution. Die Ausstattung jedes einzelnen Zimmers mit einer Alarmeinrichtung, die dazu dienen solle, alle Bewohnerinnen des Hauses zur Unterstützung der alarmauslösenden Bewohnerin zusammenzurufen, gehe über eine Vermietung und Verpachtung im Rahmen einer Vermögensverwaltung hinaus. Schließlich spreche für eine gewerbliche Tätigkeit auch die beim Vermieten von Zimmern und Wohnungen atypische tägliche Kündigungsmöglichkeit und das tägliche Kassieren der Miete durch eigens dafür bestellte Kräfte.
Mit der Revision, die lediglich für die Erhebungszeiträume 1974 und 1975 eingelegt wurde, rügt die Klägerin unrichtige Anwendung von § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV). Sie erziele keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern im Rahmen der Verwaltung ihres Vermögens Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Die tägliche Zahlung des Mietpreises und die tägliche Kündigungsmöglichkeit widersprächen nicht dem Charakter eines Mietvertrages. Die Höhe der Miete allein berechtige nicht, Mieteinkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren. Gegenüber den vom Bundesfinanzhof (BFH) in den Urteilen vom 3. August 1961 IV 79/60 U (BFHE 73, 692, BStBl III 1961, 518), vom 10. August 1961 V 95/60 U (BFHE 73, 714, BStBl III 1961, 525) und vom 10. August 1961 V 111/60 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1962, 145) entschiedenen Sachverhalten sei zu berücksichtigen, daß im Streitfall weder ein Hausmeister noch Beschließerinnen vorhanden seien, die ständig für Ruhe und Ordnung sorgten. Die Klägerin unterhalte in dem Haus keinen Ausschank von Getränken und verkaufe weder Gummiwaren noch sonstige Artikel an die Bewohnerinnen.
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung, soweit sie die Erhebungszeiträume 1974 und 1975 betreffen, und die einheitlichen Gewerbesteuermeßbescheide 1974 und 1975 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA hält daran fest, daß die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 Satz 1 GewStG). Voraussetzung für die Annahme eines Gewerbebetriebs ist eine selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (§ 1 Abs. 1 GewStDV i.d.F. der Streitjahre, jetzt § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
Die Vermietung von Gebäudeteilen stellt im allgemeinen keine gewerbliche Tätigkeit dar. Um die Tätigkeit eines Vermieters zu einer gewerblichen werden zu lassen, müssen vielmehr zu der bloßen Vermietung noch besondere Umstände hinzutreten. Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile in BFHE 73, 692, BStBl III 1961, 518; vom 22. März 1963 III 173/60 U, BFHE 77, 15, BStBl III 1963, 322) ist eine gewerbliche Tätigkeit dann gegeben, wenn Unterkünfte an Prostituierte vermietet werden und der Vermieter durch organisatorische Maßnahmen den Kontakt mit den Prostituierten erleichtert und fördert. In diesem Fall stellt die Überlassung von Zimmern kein übliches Mietverhältnis dar; es handelt sich dabei vielmehr um eine besondere Art der Raumgewährung, die von der kommerziellen Ausnutzung der Räume durch gewerbliche Unzucht gekennzeichnet ist.
Das FG hat mit Recht entschieden, daß die Klägerin nicht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, sondern Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Die von ihm festgestellten Tatsachen reichen aus, um das Vorliegen eines Gewerbebetriebs zu bejahen. Die Art und Weise, in der die Klägerin den Prostituierten Räume überlassen hat, geht über das hinaus, was aufgrund eines üblichen Mietverhältnisses gewährt wird. Von besonderer Bedeutung sind dabei, daß die Klägerin das Anwesen ausschließlich für Prostituierte zur Verfügung gehalten und damit die Interessen der Prostituierten gefördert hat, daß das Haus in einem Bezirk liegt, in dem auch in den Nachbarhäusern der Prostitution nachgegangen wird, und schließlich die Gestaltung des Hauses. Daß die Raumüberlassung an die Prostituierten anders als ein gewöhnliches Mietverhältnis ausgestaltet war, kommt auch in der besonderen Art der Entgeltvereinnahmung (durch tägliches Kassieren) und in der Möglichkeit der täglichen Kündigung zum Ausdruck. Daß einzelne Umstände, die in vom BFH früher entschiedenen Fällen gegeben waren - wie Vorhandensein eines Hausmeisters oder von Beschließerinnen, Ausschank von Getränken, Verkauf von Verhütungsmitteln, Abschließen des Sperrbezirks durch Tore -, im Streitfall nicht vorliegen, ändert an dem Gesamtbild nichts. Schon die vorhandenen Merkmale erfordern, die Einkünfte der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren.
Fundstellen
Haufe-Index 415722 |
BFH/NV 1989, 44 |