Entscheidungsstichwort (Thema)
Fortsetzungsfeststellungsklage in Zolltarifsache; Einheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine
Leitsatz (NV)
1. Ist eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) durch Tarifrechtsänderung außer Kraft getreten, so kann ein berechtigtes Interesse i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO anerkannt werden, wenn die Klägerin eine neue vZTA zur tariflich gleichen Ware beantragen will und eindeutig feststeht, daß eine materielle Rechtsänderung nicht eingetreten ist.
2. Ein off-line arbeitender Graphik-Schreiber kann nicht als eine Einheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine i. S. der Vorschrift 3 B zu Kap. 84 GZT angesehen werden.
Normenkette
FGO § 100 Abs. 1 S. 4; GZT Vorschrift 3 B zu Kap. 84; Tarifnr. 84.53; Tarifst. 90.16 A
Tatbestand
Auf Antrag der Klägerin erteilte die Beklagte (Oberfinanzdirektion - OFD -) am 14. April 1987 die verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) 112/1987 für eine als . . . bezeichnete Ware. Die Ware ist ein batteriebetriebener, off-line arbeitender Graphik-Schreiber, der nach Tastatureingabe graphische Darstellungen mit alphanumerischen Beschriftungen mittels Schreibstiften auf Papier zeichnet. Die Ware verfügt über ein Rechenwerk mit den vier Grundrechenarten und eine Schnittstelle zum Anschluß an Personal-Computer. Die Ware hat verschiedene Programme für Diagramme, die jeweils in bis zu 12 Werten in drei unterschiedlichen Größen und in vier Farben auf allen gängigen Papiersorten dargestellt werden können. Das Zeichnen wird durch eingegebene Code-Angaben gesteuert. Darüber hinaus können einfache Rechenvorgänge durchgeführt und alphanumerische Texte aufgezeichnet werden.
Die OFD wies die Ware als ,,durch Code-Angaben gesteuerte Zeichenmaschine" der Tarifst. 90.16 A des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Zur Begründung führte sie aus: Das Gerät sei eine zusammengesetzte Ware, das aus einer Zeichenmaschine der Tarifnr. 90.16 und einem nichtdruckenden elektronischen Rechner der Tarifnr. 84.52 bestehe. Es sei nach der Allgemeinen Tarifierungs-Vorschrift (ATV) 3 b nach ihrem charakterbestimmenden Bestandteil zu tarifieren. Nach dem Hauptverwendungszweck sei das die Zeichenmaschine. Obwohl die Ware über die eingebaute Schnittstelle an einem Personal-Computer angeschlossen werden könne, scheide eine Tarifierung als ,,Einheit für automatische Datenverarbeitungsmaschinen" i. S. der Tarifnr. 84.53 GZT u. a. wegen der Off-line-Betriebsfähigkeit aus (vgl. Vorschrift 3 B b zu Kap. 84 GZT und Erläuterungen zum Zolltarif - ErlZT - zur Tarifnr. 84.53 Teil I Rdnr. 8). Der Einspruch der Klägerin, mit dem diese die Einordnung der Ware in die Tarifnr. 84.53 GZT beantragte, hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin weiterhin, die Ware der Tarifnr. 84.53 GZT zuzuweisen. Zur Begründung führt sie u. a. aus: Die zu tarifierende Ware sei als Ausgabeeinheit für eine automatische Datenverarbeitungsmaschine anzusehen. Sie erfülle die Voraussetzungen der Vorschrift 3 B zu Kap. 84 GZT. Die Ware sei insbesondere auch in der Lage, Daten in Form von Codes oder als Signale zu empfangen, die vom System als solches verwendet werden könnten, da sie serienmäßig über eine parallele steckerkompatible Schnittstelle zum Anschluß an eine Zentraleinheit verfüge. Der zu begutachtende ,,Schreibzeichner . . ." weise einerseits zwar die typischen Merkmale eines Zeichengeräts der Tarifnr. 90.16 GZT auf, erfülle jedoch auf der anderen Seite zugleich funktionsnotwendige Teilaufgaben einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine i. S. der Vorschrift 3 zu Kap. 84 GZT. Nach den ErlZT gehörten zwar Maschinen mit eigener Funktion nicht zur Tarifnr. 84.53 GZT, auch wenn sie während ihrer Arbeit an eine automatische Datenverarbeitungsmaschine angeschlossen würden. Voraussetzung sei also immer, daß eine solche Datenverarbeitungsmaschine vorliege. Die streitige Ware sei als Ausgabeeinheit ein funktionsnotwendiges Teil einer automatischen Datenverarbeitungsanlage. Ohne dieses Gerät läge gar keine solche Anlage vor. Erst durch den Printer werde die Maschine zu einer solchen Anlage.
Die OFD erwidert: Die Klägerin wende sich letztlich gegen die Verordnung (EWG) Nr. 551/81 (VO Nr. 551/81) der Kommission vom 25. Februar 1981 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 56/20). Danach gehörten Maschinen mit eigener (anderer) Funktion nicht zur Tarifnr. 84.53.
Nach Außerkraftreten der vZTA infolge der Zolltarifrechtsänderungen zum 1. Januar 1988 hat die OFD die Hauptsache für erledigt erklärt. Die Klägerin ist zur Fortsetzungsfeststellungsklage übergegangen. Sie begründet ihr Feststellungsinteresse damit, daß die Tarifauffassung der OFD für sie eine erhebliche Mehrbelastung mit Einfuhrabgaben bedeute; mit Steueränderungsbescheid vom 20. Februar 1987, gegen den sie Einspruch eingelegt habe, seien bereits Nachforderungen geltend gemacht worden. Auf den Einwand der OFD, daß der Klägerin offenstehe, etwaige Steuerbescheide anzufechten, erwiderte die Klägerin, ihr Feststellungsinteresse werde vor allem durch die Wiederholungsgefahr indiziert. Diese liege darin, daß die hier streitigen Waren ständig eingeführt und somit immer die gleichen Sachverhalte der Besteuerung zugrunde lägen und anzunehmen sei, daß die OFD ihre ursprüngliche, für sie ungünstige Rechtsauffassung beibehalten werde.
Entscheidungsgründe
1. Die Klage ist zulässig. Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, daß die ursprünglich angefochtene vZTA rechtswidrig gewesen ist (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dieses kann allerdings nicht damit begründet werden, wie das die Klägerin zunächst getan hat, daß in einem anhängigen Rechtsbehelfsverfahren über die Nachforderung von Eingangsabgaben dieselbe Tarifierungsfrage streitig ist (vgl. Senatsurteil vom 19. April 1988 VII K 7/86, BFHE 153, 206). Nach der neueren Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 29. April 1980 VII K 5/77, BFHE 130, 568, 570, BStBl II 1980, 593; vgl. auch Urteil vom 17. Januar 1978 VII K 7/76, BFHE 124, 150, 152) kann ein berechtigtes Interesse i. S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO jedoch auch anerkannt werden, wenn die Klägerin eine neue vZTA zur (tariflich) gleichen Ware beantragen will und eindeutig feststeht, daß eine materielle Rechtsänderung nicht eingetreten und daher mit Sicherheit anzunehmen ist, daß die OFD an der von ihr in dem erledigten Verfahren nachdrücklich vertretenen Auffassung bei der Erteilung einer neuen vZTA festhalten wird.
Im vorliegenden Fall kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Zolltarifrechtslage wesentlich verändert hat. Die Tarifnrn. 84.53 und 90.16 entsprechen den Positionen 84.71 und 90.17 der neuen Kombinierten Nomenklatur (KN). Die für die Entscheidung über die Klage im wesentlichen maßgebende Vorschrift 3 B zu Kap. 84 GZT ist fast wörtlich eingegangen in die Anmerkung 5 B zu Kap. 84 KN. Zwar hat die Klägerin nicht ausdrücklich erklärt, sie wolle eine neue vZTA für die streitbefangene Ware beantragen, aber glaubhaft gemacht, daß sie die zu tarifierenden Waren ständig weiter einzuführen beabsichtigt und davon auszugehen ist, daß die OFD an ihrer bisherigen Rechtsauffassung festhalten werde. Damit hat die Klägerin hinreichend dargetan, daß sie ein berechtigtes Interesse am Übergang zur Fortsetzungsfeststellungsklage hat.
2. Die Klage ist aber nicht begründet. Die OFD hat die zu tarifierende Ware zu Recht der Tarifst. 90.16 A GZT zugewiesen. Der Tarifnr. 84.53 GZT könnte sie nur zugeordnet werden, wenn sie als eine Einheit einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine i. S. der Vorschrift 3 B zu Kap. 84 GZT angesehen werden könnte. Das aber ist nicht der Fall.
Einheiten automatischer Datenverarbeitungsmaschinen in Form von Systemen müssen als Teile des Systems den Anforderungen der Vorschrift 3 B zu Kap. 84 GZT genügen (vgl. auch Senatsurteil vom 26. November 1985 VII K 19/84, BFHE 145, 280, 283). Zu diesen Anforderungen gehört, daß die Ware ,,ihrer Beschaffenheit nach als Teil für ein solches System bestimmt ist" (vgl. Vorschrift 3 B b zu Kap. 84 GZT). Dafür müssen spezifische Beschaffenheitsmerkmale vorhanden sein, die erkennen lassen, daß die Einheit, die Teil des Systems sein soll, zu dem System in seiner Eigenschaft als Datenverarbeitungsmaschine gehört (vgl. Senatsurteil vom 10. November 1987 VII K 10/84, BFHE 151, 276, 279). Maschinen oder Geräte mit eigener (anderer) Funktion, die in eine automatische Datenverarbeitungsmaschine eingebaut sind oder mit einer solchen zusammenarbeiten, erfüllen diese Voraussetzung nicht (ErlZT, a.a.O.; nunmehr gleichlautend als Rechtsvorschrift Anm. 5 B Satz 4 zu Kap. 84 KN, vgl. auch VO Nr. 551/81, die von einer gleichen Tarifauslegung ausgeht).
Nach Ansicht des Senats fehlen der zu tarifierenden Ware die spezifischen Beschaffenheitsmerkmale einer ,,Einheit" in diesem Sinne. Die Ware ist ein eigenständiges Zeichengerät, hat also eine eigene (andere) Funktion, die sich von der einer automatischen Datenverarbeitungsmaschine unterscheidet, und ist dazu bestimmt, in erster Linie off-line zu arbeiten. So heißt es in dem Prospekt, den die Klägerin ihrem Antrag auf Erteilung der vZTA beigefügt hatte, daß das Gerät eine ,,completely self-contained unit" ist und das eingebaute . . . Interface die Umwandlung des EB 50 in einen graphischen Ausgabe-Plotter erlaube (,,allows to transform"), wenn man ihn an einen Personalcomputer anschließe.
Da danach eine Tarifierung nach der Tarifnr. 84.53 GZT ausscheidet, hat die OFD die Ware in Anwendung der ATV 3 b zu Recht der Tarifnr. 90.16 und dort der Stelle A zugeordnet. Insoweit hat die Klägerin auch keine Einwendungen erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 415881 |
BFH/NV 1989, 337 |