Entscheidungsstichwort (Thema)
Architektenähnliche Tätigkeit eines Hochbautechnikers als Bauleiter
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Hochbautechniker durch langjährige praktische Tätigkeit auf dem Gebiet der Planung von Bauwerken einem Architekten vergleichbare theoretische Kenntnisse erworben, so übt er auch in den Veranlagungszeiträumen eine architektenähnliche Tätigkeit aus, in denen er lediglich als Bauleiter tätig wird.
Orientierungssatz
1. Die Berufstätigkeit eines Architekten kann nur derjenige ausüben, der selbst Architekt ist. Zur Auslegung des Begriffs Architekt können die Architektengesetze der Länder herangezogen werden (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Ein Beruf ist einem der Katalogberufe i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 25.4.1978 VIII R 149/74). Dazu gehört die Vergleichbarkeit der Ausbildung und der beruflichen Tätigkeit.
3. Ein Beruf ist dem Berufsbild des beratenden Betriebswirts nur dann ähnlich, wenn --abgesehen von der notwendigen Vorbildung-- die Beratungstätigkeit die erforderliche fachliche Breite aufweist. Das ist dann zu bejahen, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war in den Streitjahren (1974 und 1975) als Bauleiter bei einem Wohnbauunternehmen, der Firma X beschäftigt. Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob er selbständig und, wenn dies zutrifft, ob er freiberuflich oder gewerblich tätig war.
Der Kläger ist gelernter Maurer. In der Zeit vom 16.Juli 1962 bis Ende 1963 besuchte er die Schule für Bautechnik in Hamburg und erwarb dort am 13.Dezember 1963 den Abschluß als Hochbautechniker.
In der Zeit vom 1.Januar 1964 bis zum 31.März 1971 war er bei einem Architekten in A und in der Zeit danach bis zum 31.Mai 1973 bei einem Architekten in B beschäftigt. In diesem neuneinhalbjährigen Zeitraum war er insbesondere mit der gutachterlichen, technischen und wirtschaftlichen Planung von Bauwerken, darüber hinaus nach seinen Angaben auch mit Bauleiteraufgaben befaßt. Ab dem Juni 1973 war er für die Firma X tätig. Einen Antrag, aufgrund zehnjähriger praktischer Tätigkeit nach § 3 Abs.2 des Architektengesetzes Schleswig-Holstein --ArchG/SH-- (Gesetz- und Verordnungsblatt für Schleswig-Holstein --GVBl SH-- 1971, 15), nunmehr § 5 Abs.2 des Architekten- und Ingenieurkammergesetzes --ArchingKG-- vom 1.Dezember 1980 (GVBl SH 1980, 342) in die Architektenliste eingetragen zu werden, hat er nicht gestellt.
Der Kläger schloß mit der Firma X zunächst mündlich und im Oktober 1974 schriftlich einen sog. Bauleiter-Adjutantenvertrag ab, der u.a. wie folgt lautete:
"1. Der Bauleiter-Adjutant ist als freier Mitarbeiter mit der Bauleitung von X-Häusern beauftragt. Die einzelnen Bauvorhaben werden ihm jeweils gesondert vom Generalbauleiter zur Bearbeitung übertragen. Als Bauleiter-Adjutant hat er das Aufgabengebiet eines Architekten zu erledigen.
2. Der Bauleiter-Adjutant hat dafür zu sorgen, daß die Bauvorhaben entsprechend den genehmigten Bauvorlagen und anerkannten Regeln der Baukunst ausgeführt werden. Das Aufgabengebiet erstreckt sich auf die gesamte Baudurchführung, auch wenn diese nicht in vollem Umfang des Hausauftrags enthalten ist. Die Erschließung, Be- und Entwässerung, Außenanlagen führt der Bauleiter-Adjutant in beratender Funktion aus.
Die ausführenden Unternehmer werden gemäß Leitplan vom Bauleiter-Adjutanten vorgeschlagen, soweit dieses nicht dem Generalbauleiter obliegt.
3. Die Einzelheiten der Bauleitung und der organisatorischen Abwicklung sind aus dem Leitplan ersichtlich, der Vertragsgrundlage ist und in jedem Fall einzuhalten ist.
4. Der Bauleiter-Adjutant erhält für die vertragsgemäße Tätigkeit ein Honorar, das sich nach dem Rohgewinn bemißt.
Bei Zahlung der 15 %-Rate seitens der Bauherren beträgt der Anteil des Bauleiter-Adjutanten 1 % der Auftragssumme, abzüglich eines Anteils für den Generalbauleiter.
Bei Abrechnung und Fertigstellung des Bauvorhabens erhält der Bauleiter-Adjutant 30 % des Rohgewinnes abzüglich des Gewinnanteils für den Generalbauleiter. Wird das Bauvorhaben mit Verlust abgerechnet, haftet der Bauleiter-Adjutant mit demselben Anteil. Die jeweiligen %-Anteile der Zweigstellen-Gruppen für Generalbauleiter und Bauleiter-Adjutant sind im Leitplan veröffentlicht. Bei der Gewinnermittlung werden vom Bruttogewinn 5,5 % Vorsumme, Betriebssteuern und Rückstellung mit 11 % abgezogen. In dem Honorar sind 11 % Mehrwertsteuer enthalten. Der Bauleiter-Adjutant bestätigt, daß er nach den allgemeinen Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes von 1967 die Mehrwertsteuer mit z.Zt. 11 % an das Finanzamt abführt.
5. Bei der Abrechnung des Honorars aus den einzelnen Bauvorhaben, die bis zum 15. des folgenden Monats erfolgt, werden die vom Bauleiter-Adjutanten zu tragenden Kosten für Telefon und Architekten-Haftpflicht-Versicherung abgerechnet, soweit sie von der Firma X verauslagt sind. Ein von der Firma X gezahlter Vorschuß wird verrechnet. ...
6. Der Bauleiter-Adjutant ist aufgrund des umfangreichen Aufgabengebiets ausschließlich für die Firma X tätig. Nebenberufliche Tätigkeiten sind unzulässig. Die Weitergabe von betriebsbezogenen Informationen an Außenstehende, auch nach Ausscheiden, ist strengstens untersagt. ...
7. Bei nicht vertragsgerechter Ausübung können dem Bauleiter- Adjutanten nach Androhung des Entzugs sowohl einzelne als auch sämtliche Bauleitungen entzogen werden.
Im übrigen ist eine Beendigung der Geschäftsbeziehung durch Kündigung mit einer Frist von 3 Monaten zum Quartalsende vereinbart. ..."
Im Jahre 1975 schloß der Kläger mit der Firma X einen sog. Bauleiter-Vertrag ab. Dieser Vertrag entspricht inhaltlich dem oben wiedergegebenen Bauleiter-Adjutantenvertrag mit der Abweichung, daß der Kläger als Bauleiter die Bauvorhaben jeweils von einem Oberbauleiter übertragen erhielt und er berechtigt war, die ausführenden Unternehmen gemäß Leitplan einzusetzen. Darüber hinaus errechnete sich das Tätigkeitshonorar nach einem anderen Vomhundertsatz als im Bauleiter-Adjutanten- Vertrag.
Der in Nr.3 des Bauleiter-Adjutanten-Vertrages erwähnte Leitplan bestimmt die internen Richtlinien der Firma X. In ihm ist bestimmt, daß die freien Mitarbeiter ("Teilhaber"), zu denen auch der Kläger gehörte, ihre Arbeitszeit selbst bestimmen konnten. Es mußte jedoch sichergestellt sein, daß die übertragenen Arbeiten kurzfristig erledigt wurden. Um zu gewährleisten, daß nötigenfalls alle Mitarbeiter schnellstens erreichbar seien, mußte ein Terminkalender geführt werden, der im Zweigstellenbüro zu hinterlegen war. Bei Arbeitsausfall hatten die "Teilhaber" ihren Terminkalender richtigzustellen und für den Ablauf ihres Bereichs Sorge zu tragen. Gegebenenfalls konnte eine Ersatzkraft auf Kosten des "Teilhabers" eingesetzt werden. Die "Teilhaber" hatten nach dem Leitplan aus ihren Gewinnanteilen Umsatzsteuer und Sozialversicherungsbeiträge einschließlich des Arbeitgeberanteils zu tragen. Einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall hatten sie nicht.
Die Tätigkeit der Bauleiter ist im Leitplan wie folgt beschrieben:
"Der Bauleiter hat alle ihm zugeteilten Bauvorhaben in eigener Regie durchzuführen. Das übernommene Bauvorhaben muß nach der genehmigten Zeichnung, Statik und dem Auftrag zugrundeliegenden Leistungsverzeichnis erstellt werden. Die Baudurchführung ist nach den anerkannten Regeln der Baukunst in Verbindung mit der VOB unverzüglich fertigzustellen. ... Der Bauleiter führt nach Übernahme der Bauunterlagen mit dem Bauherrn die Baubesprechung mit Hilfe eines Baubesprechungsprotokolls aus dem Bauschein- Beschaffungs-Ordner durch und trägt möglichst auf der Rückseite der Bauzeichnung alle Punkte ein. Das Baubesprechungsprotokoll ist nach Durchsprache mit dem Bauherrn von ihm zu unterzeichnen. Nach Klärung aller Punkte sind evtl. die erforderlichen Ergänzungsaufträge anzufertigen und vom Bauherrn zu unterschreiben. Der Bauleiter fertigt die vorbereiteten Ausschreibungen und läßt diese von seinen Firmen bestätigen. Seitens der Firma X zeichnet der Bauleiter die Verträge ab. Alle während der Bau- und Gewährleistungszeit in sein Ressort fallende Post sowie Beschwerden, sind von ihm sofort zu bearbeiten und zu beantworten. ... Die Bauberichte sind an die Baustelle, mindestens einmal wöchentlich oder bei jeder Baustufe zu schreiben und dem Sachbearbeiter zu übergeben. ... Nach Fertigstellung des Bauvorhabens rechnet der Bauleiter das Bauvorhaben mit dem Bauherrn ab. ... Weiterhin hat der Bauleiter die Gewährleistungsarbeit zu prüfen und die Handwerker zur Behebung aufzufordern. ... Der Bauleiter ist verpflichtet, eine ordnungsgemäße Buchhaltung über seine Einkünfte zu unterhalten und die Provision ordnungsgemäß nach den Steuergesetzen zu versteuern. Für die Bauvorhaben ist ein Baustellenordner mit entsprechenden Bauablauf-Deckblättern zu führen. ..."
Die Firma X erteilte dem Kläger Provisionsabrechnungen. Aus ihnen ergibt sich, daß dem Kläger bei Zahlung der ersten Baurate 0,7 v.H. der Auftragssumme und bei Fertigstellung 22 v.H. des Reingewinns zuflossen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah den Kläger als Gewerbetreibenden an. Er veranlagte ihn dementsprechend für die Streitjahre zur Einkommensteuer, ohne einen Freibetrag für freie Berufe (§ 18 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes --EStG-- in der in den Streitjahren geltenden Fassung) zu berücksichtigen. Außerdem erließ er Gewerbesteuermeßbescheide.
Die hiergegen gerichteten Klagen hatten Erfolg.
Aufgrund eines Sachverständigengutachtens des Geschäftsführers der zuständigen Architektenkammer kam das Finanzgericht (FG) zu der Überzeugung, daß der Kläger in die Architektenliste eingetragen worden wäre, wenn er einen entsprechenden Antrag gestellt hätte. Die in den Streitjahren ausgeübte Bauleitung stelle zudem --wie der Sachverständige bestätigt habe-- eine dem Berufsbild des Architekten entsprechende Tätigkeit dar. Selbst wenn man dem nicht folgen wolle, so habe der Kläger in den Streitjahren doch eine architektenähnliche Tätigkeit ausgeübt.
Mit den vom FG zugelassenen Revisionen rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Zu Unrecht habe das FG angenommen, daß der Kläger die Tätigkeit eines Architekten ausgeübt habe. Mangels Eintragung in die Architektenliste könne er allenfalls einem Architekten ähnlich tätig geworden sein (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18.Juni 1980 I R 109/77, BFHE 132, 16, BStBl II 1981, 118). Auch das sei jedoch nicht der Fall. Gehe man mit der bisherigen höchstrichterlichen Rechtsprechung davon aus, daß Schwerpunkt der Architektentätigkeit gerade die gestalterische, technische und wirtschaftliche Planung von Bauwerken sei, so müsse in diesem Tätigkeitsbereich auch der Schwerpunkt des "ähnlichen" Berufs liegen. Allein durch die Bauleitertätigkeit habe der Kläger diese klassischen Architektenleistungen nicht erbracht.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Urteile die Klagen abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen.
Der Senat hat die Verfahren IV R 118/87 und IV R 119/87 zur gemeinsamen Entscheidung miteinander verbunden (§ 73 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Entscheidungsgründe
II. Die Revisionen sind nicht begründet.
Das FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, daß dem Kläger der Freibetrag i.S. des § 18 Abs.4 EStG zu gewähren ist, und daß er nicht nach § 2 Abs.1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung --GewStDV-- (entspricht seit 1983 § 15 Abs.2 EStG) der Gewerbesteuer unterliegt. Denn der Kläger übte in den Streitjahren einen freien Beruf i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG aus.
1. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß der Kläger selbständig, nachhaltig und unter Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sowie mit Gewinnerzielungsabsicht tätig geworden ist.
Nach den vom FG für den Senat bindend (§ 118 Abs.2 FGO) festgestellten vertraglichen Vereinbarungen hat der Kläger seine Tätigkeit als Bauleiter insbesondere selbständig und nicht in unselbständiger Stellung --als Arbeitnehmer der Firma X-- ausgeübt. Selbständig ist, wer auf eigene Rechnung und Gefahr tätig wird (vgl. BFH-Urteil vom 13.Februar 1980 I R 17/78, BFHE 129, 565, BStBl II 1980, 303). Unselbständig ist, wer in der Betätigung des geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist (§ 1 Abs.2 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung --LStDV--). Maßgeblich für die Beurteilung ist das Gesamtbild der Verhältnisse (ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteil vom 14.Juni 1985 VI R 150-152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661, m.w.N.). Betrachtet man die im Urteil in BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661 zusammengestellten Kriterien, so ist festzustellen, daß diejenigen, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen, der Zahl, vor allem aber dem Gewicht nach, überwiegen. Insbesondere hat der Kläger ein unternehmerisches Risiko getragen. Hierin ist ein wesentliches Merkmal für das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit zu sehen. Wie sich aus den Honorarabrechnungen des Klägers ergibt, bestand der wesentliche Anteil seiner Bezüge in den nach Fertigstellung der einzelnen Bauvorhaben gezahlten Anteilen in Höhe von 22 v.H. des Reingewinns. Da der Reingewinn --im Gegensatz zu dem im übrigen vergleichbaren Fall, der dem BFH-Urteil vom 22.Januar 1988 III R 43-44/85 (BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497) zugrunde lag-- nicht pauschal errechnet wurde, konnte der Kläger auf seine Höhe Einfluß nehmen. Denn er konnte im Wege der Einwirkung auf die Bauhandwerker und Lieferanten dazu beitragen, daß die Kosten, insbesondere die der Finanzierung und der Gewährleistung, gering blieben. Für ein Unternehmerrisiko spricht auch der Umstand, daß die Bezüge des Klägers unmittelbar von der Ertragslage der Firma X abhingen. Ferner hatte es der Kläger in der Hand, durch die Verringerung der von ihm selbst zu tragenden Kosten, insbesondere PKW-, Reise- und Telefonkosten, seine Einkünfte positiv zu beeinflussen.
Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Tatsache, daß die Vertragsparteien selbst von einer selbständigen Tätigkeit des Klägers ausgegangen sind, daß er keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhielt und daß bei Ausfall seiner Tätigkeit auf seine Kosten eine Ersatzkraft eingestellt werden konnte. Demgegenüber schmälert es nicht das Gewicht der für die Selbständigkeit des Klägers sprechenden Merkmale, daß er die einzelnen Bauvorhaben von der Firma X zugewiesen erhielt. Der Kläger konnte jedenfalls durch die Qualität seiner Arbeit dazu beitragen, daß ihm weitere Bauvorhaben zugewiesen wurden, und verhindern, daß ihm nach Tz.7 des Bauleiter-Adjutanten-Vertrags Bauleitungen entzogen wurden. Er konnte ferner die Häufigkeit der Zuweisungen durch zügige Abwicklung beeinflussen. Von vergleichsweise geringem Gewicht ist auch die Tatsache, daß der Kläger in den Streitjahren ausschließlich für die Firma X tätig war (BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497) und daß seine Arbeit durch die Richtlinien des Leitplanes geregelt war. Letzterem steht gegenüber, daß der Kläger nicht an feste Arbeitszeiten gebunden war, auch wenn er auf die Verhältnisse der Bauherren und Bauhandwerker Rücksicht nehmen mußte (BFH-Urteil vom 14.Dezember 1978 I R 121/76, BFHE 126, 311, 316, BStBl II 1979, 188, 190).
2. Der Kläger war in den Streitjahren freiberuflich i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG tätig.
a) Die Berufstätigkeit eines Architekten kann nur derjenige ausüben, der selbst Architekt ist (vgl. BFH-Urteil vom 31.Juli 1980 I R 66/78, BFHE 132, 22, 121, BStBl II 1981, 121). Zwar bestimmt das EStG im einzelnen nicht, wer als Architekt anzusehen ist. Zur Auslegung dieses Begriffes können aber die Architektengesetze der Länder herangezogen werden (BFH-Urteil vom 17.November 1981 VIII R 121/80, BFHE 135, 421, BStBl II 1982, 492). Das FG hat die Auffassung vertreten, daß der Kläger in den Streitjahren den Beruf eines Architekten ausgeübt hat. Dabei hat es der Tatsache, daß der Kläger nicht in die Architektenliste eingetragen und mithin nach § 2 Abs.1 ArchG/SH nicht berechtigt war, die Berufsbezeichnung "Architekt" zu führen, geringe Bedeutung beigemessen. Es hielt vielmehr für wesentlich, daß er sich hätte eintragen lassen können. Demgegenüber weist das FA darauf hin, daß nach der Entscheidung des I.Senats des BFH in BFHE 132, 16, 18, BStBl II 1981, 118, 120 die Berechtigung zur Führung des der Berufsbezeichnung "Ingenieur" nicht durch den Nachweis ersetzt werden kann, daß ihm die Erlaubnis erteilt worden wäre, wenn er den Antrag gestellt hätte. Der VIII.Senat des BFH hat die entsprechende Frage im Zusammenhang mit der Feststellung der Architekteneigenschaft offengelassen (BFHE 135, 421, BStBl II 1982, 492).
b) Auch im Streitfall kann die Frage, ob der Kläger den Beruf eines Architekten ausgeübt hat, offenbleiben, weil die Tätigkeit des Klägers in den Streitjahren jedenfalls der eines Architekten ähnlich war.
Ein Beruf ist einem der Katalogberufe i.S. des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann (BFH-Urteil vom 25.April 1978 VIII R 149/74, BFHE 125, 369, BStBl II 1978, 565). Dazu gehört die Vergleichbarkeit
(1) der Ausbildung und
(2) der beruflichen Tätigkeit.
(1) Die Ausbildung zum Architekten wird nach den Architektengesetzen der Länder gewöhnlich zumindest an einer höheren Fachschule erworben. Die Ausbildung zum Techniker genügt demnach nicht, um die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als der eines Architekten ähnlich zu qualifizieren (BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497). Allerdings können die Fachkenntnisse auch außerhalb einer höheren Fachschule durch Kurse und Selbststudium erlangt sein. Darüber hinaus kann der Steuerpflichtige den erforderlichen Nachweis der theoretischen Kenntnisse --entsprechend den Regelungen in den Architektengesetzen der Länder (vgl. § 3 Abs.2 ArchG/SH-- anhand eigener praktischer Arbeiten führen. Dazu gehört einmal, daß seine Arbeiten einen der Architektentätigkeit vergleichbaren Schwierigkeitsgrad aufweisen, und zum anderen, daß er in einem für den Architekten wesentlichen oder typischen Bereich tätig geworden ist. Als Schwerpunkt der Architektentätigkeit hat die Rechtsprechung die gestalterische, technische und wirtschaftliche Planung von Bauwerken angesehen (BFH-Urteil vom 16.Januar 1975 IV R 75/74, BFHE 115, 42, BStBl II 1975, 558). Sie hat demgemäß verlangt, daß in diesem Bereich auch der Schwerpunkt einer zum Nachweis der entsprechenden Vorbildung geeigneten praktischen Tätigkeit liegen muß (BFHE 135, 421, BStBl II 1982, 492).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Das FG hat festgestellt, daß der Kläger während seiner neuneinhalbjährigen Tätigkeit für die beiden Architekturbüros in A und B mit der gutachterlichen technischen und wirtschaftlichen Planung von Bauwerken befaßt war. Es hat aufgrund der Äußerungen des Sachverständigen ferner festgestellt, daß die Arbeiten aus dieser Zeit ausgereicht hätten, um den Kläger als sog. Autodidakten in die Architektenliste einzutragen. Da der von der Rechtsprechung des BFH zugelassene Nachweis einer qualifizierten theoretischen Ausbildung anhand eigener praktischer Arbeiten an der "Autodidaktenregelung" der Architektengesetze der Länder orientiert ist, genügen diese Feststellungen, um die theoretischen Kenntnisse des Klägers als nachgewiesen anzusehen. Der Senat ist mangels Verfahrensrügen an sie gebunden (§ 118 Abs.2 FGO).
Unerheblich ist, ob --wie das FA im erstinstanzlichen Verfahren geltend gemacht hat-- die Eintragung in die Architektenliste daran gescheitert wäre, daß der Kläger ab Mitte 1974 ausschließlich als Bauleiter tätig war und mithin nicht volle zehn Jahre das ganze Spektrum der Architektentätigkeit abgedeckt hat, oder ob --wie der Sachverständige bekundet hat-- die für die Eintragung in die Architektenliste erforderliche zehnjährige praktische Tätigkeit auch dann die erforderliche fachliche Breite aufwies, wenn der Kläger zunächst mehr planerisch und im letzten halben Jahr mehr bauleitend tätig war. Denn der von der Rechtsprechung für die Beurteilung einer architektenähnlichen Tätigkeit zugelassene Nachweis der theoretischen Kenntnisse anhand eigener Arbeiten gewinnt gerade in den Fällen Bedeutung, in denen die für die Zulassung als Architekt vorgeschriebene zeitliche Mindestdauer der beruflichen Betätigung noch nicht erreicht ist (BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497).
(2) Der Kläger hat im Gegensatz zur Auffassung der Revision nicht nur in den Jahren 1964 bis 1973, sondern auch in den Streitjahren eine Tätigkeit ausgeübt, die der eines Architekten ähnelt.
Allerdings wird in der Rechtsprechung des BFH gefordert, daß die architektenähnliche Tätigkeit ihren Schwerpunkt in dem Bereich hat, in dem auch der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Architekten liegt, nämlich in der gestalterischen, technischen und wirtschaftlichen Planung von Bauwerken (BFHE 135, 421, BStBl II 1982, 492; BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497). Dementsprechend wird auch für eine Ähnlichkeit mit dem anderen technischen Katalogberuf, dem des Ingenieurs, verlangt, daß die Tätigkeit selbst bei Anlegung eines strengen Maßstabes besonders anspruchsvoll ist und eine gewisse fachliche Breite aufweist. Bei der Betrachtung der Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen muß diese anspruchsvolle Tätigkeit überwiegen (BFH-Urteile vom 31.Juli 1980 I R 66/78, BFHE 132, 22, BStBl II 1981, 121; vom 21.Februar 1986 III R 183, 184/82, BFH/NV 1986, 603, 604; vom 20.April 1989 V R 130/84, nicht veröffentlicht --NV--).
Allerdings sind diese strengen Anforderungen an die Tätigkeit des Steuerpflichtigen stets unter dem Gesichtspunkt gestellt worden, daß die Tätigkeit wegen des Fehlens einer schulmäßigen Ausbildung dazu dienen sollte, die für die Ausübung des Katalogberufs erforderlichen theoretischen Kenntnisse nachzuweisen (vgl. außer den bereits genannten Entscheidungen auch die Senatsurteile vom 4.August 1983 IV R 6/80, BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677; vom 10.November 1988 IV R 63/86, BFHE 155, 109, BStBl II 1989, 198). Ist die Tätigkeit wegen Fehlens der fachlichen Breite zum Nachweis der theoretischen Kenntnisse ungeeignet, stellt sich regelmäßig nicht mehr die Frage, ob sie ansonsten mit der des Katalogberufs verglichen werden kann. Die Frage wird allerdings dann entscheidungserheblich, wenn --wie im Streitfall-- der Steuerpflichtige zwar durch seine praktische Tätigkeit in früheren Jahren seine theoretischen Kenntnisse nachgewiesen hat, wenn er aber in den Streitjahren nur in einem Teilbereich des Katalogberufs --hier dem der Bauleitung-- tätig geworden ist.
Der III.Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497 in Übereinstimmung mit der oben wiedergegebenen Rechtsprechung entschieden, daß die reine Bauleitertätigkeit zum Nachweis der theoretischen Kenntnisse eines Architekten ungeeignet ist. Er hat aber offengelassen, ob eine solche Tätigkeit der eines Architekten ähnlich ist. Der erkennende Senat bejaht diese Frage. Nach § 2 Abs.1 ArchG/SH gehört zu den Berufsaufgaben des Architekten neben der Planung auch die Bauleitung. Das Leistungsbild des Architekten spiegelt sich auch in der Vergütungsvorschrift des § 15 Abs.1 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) wider. Die Nrn.6 bis 9 der Vorschrift befassen sich mit den Tätigkeiten, die der Kläger als Bauleiter(-Adjutant) ausgeführt hat (Vergabe, Objektüberwachung, Objektbetreuung einschließlich der Überwachung der Mängelbeseitigung). Allein die Objektüberwachung (§ 15 Abs.1 Nr.8 HOAI) wird mit einem Anteil von 31 v.H. an der Gesamtleistung relativ hoch bewertet. Alle in § 15 HOAI genannten Aufgaben werden auch als Einzelleistung vergeben (vgl. § 19 HOAI). Sie stehen, wie das FG aufgrund des Sachverständigengutachtens festgestellt hat, in der Vorstellung der Berufsangehörigen gleichrangig nebeneinander. Hieraus läßt sich nach Auffassung des Senats eine Ähnlichkeit der Bauleitertätigkeit mit der Tätigkeit des Architekten herleiten, auch wenn der im Bereich der Planung liegende Schwerpunkt der Architektentätigkeit nicht abgedeckt wird.
Die Rechtsprechung ist allerdings dem Hinweis der Angehörigen verschiedener Technikerberufe, ihre Tätigkeit auf einem technischen Teilgebiet sei der eines Architekten oder Ingenieurs ähnlich, weil auch Architekten und Ingenieure im Zuge fortschreitender Spezialisierung nur in diesen Teilbereichen tätig seien, mit der Begründung entgegengetreten, es sei sachgerecht, bei der Beurteilung der Berufstätigkeit eines Steuerpflichtigen auch auf seine Ausbildung abzustellen. Wer über ein gründliches und umfassendes theoretisches Wissen in seinem Beruf verfüge, vermöge auch relativ einfach erscheinende Probleme in einem größeren Zusammenhang zu sehen und damit sicherer zu beurteilen, als jemand, der dies nur aufgrund einer vorwiegend praktischen Ausbildung sowie seiner praktischen Erfahrung tue (BFHE 152, 345, BStBl II 1988, 497). Hieran ist festzuhalten. Der Einwand greift jedoch nicht durch gegenüber einem Steuerpflichtigen, der die notwendigen theoretischen Kenntnisse durch seine Arbeiten in früheren Jahren nachgewiesen, und sich lediglich später --ebenso wie manche Angehörigen des entsprechenden Katalogberufs-- auf einen Teilbereich spezialisiert hat.
Das gefundene Ergebnis steht nicht in Widerspruch zu der Rechtsprechung des BFH, derzufolge ein Beruf dem Berufsbild des beratenden Betriebswirts nur dann ähnlich ist, wenn --abgesehen von der notwendigen Vorbildung-- die Beratungstätigkeit die erforderliche fachliche Breite aufweist. Das wird dann bejaht, wenn sich die Beratung wenigstens auf einen betrieblichen Hauptbereich der Betriebswirtschaft bezieht (BFH-Urteile vom 13.April 1988 I R 300/83, BFHE 153, 222, BStBl II 1988, 666, m.w.N.; vom 18.August 1988 V R 73/83, BFHE 154, 327, BStBl II 1989, 212). Anders als bei den technischen Berufen hat das Fehlen der fachlichen Breite der Tätigkeit auch bei akademisch ausgebildeten Steuerpflichtigen dazu geführt, daß sie als Gewerbetreibende angesehen wurden (BFH-Urteil vom 2.September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24, "Finanzanalyst").
Das Berufsbild des beratenden Betriebswirts unterscheidet sich jedoch von dem der Ingenieure und Architekten dadurch, daß es gesetzlich nicht geregelt ist (vgl. BFHE 153, 222, BStBl II 1988, 666). Die Rechtsprechung des BFH war demnach gezwungen, eigene Abgrenzungskriterien aufzustellen, die auf die anderen Katalogberufe und die ihnen ähnlichen Tätigkeiten nicht ohne weiteres übertragbar sind. Hinzu kommt, daß gerade bei Betriebswirten in dem Umfang, in dem sich die fachliche Beratung des Auftraggebers verengt, häufig eine kaufmännische Vermittlungstätigkeit --etwa in Form der "Beratung" aufgrund von Marktkenntnissen-- in den Vordergrund tritt.
Fundstellen
Haufe-Index 62660 |
BFH/NV 1990, 3 |
BStBl II 1990, 64 |
BFHE 158, 413 |
BFHE 1990, 413 |
BB 1990, 55-55 (L1) |
DB 1990, 159 (S) |
DStR 1990, 115 (K) |
HFR 1990, 180 (LT) |
StE 1990, 30 (K) |