Leitsatz (amtlich)
Die Ablehnung eines Investitionszulagenantrags wegen inhaltlicher Mängel des Antrags verstößt gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn das FA bereits eine sachliche Prüfung des Antrags vorgenommen hat.
Normenkette
InvZulG 1969 § 3 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in B eine Hotelpension.
Mit Antrag vom 30. März 1970 beantragte sie die Gewährung einer Investitionszulage für das Jahr 1969. Auf S. 1 des Antrages ist angegeben, daß die Investitionszulage für Wirtschaftsgüter und Baumaßnahmen im Zusammenhang mit der Errichtung einer Betriebsstätte beantragt werde. Im übrigen enthält der Antrag weder Angaben zum Investitionsvorhaben selbst noch zu den Investionskosten.
Mit Schreiben vom 29. Oktober 1971 reichte die Klägerin die Bescheinigung des Bundesamtes für gewerbliche Wirtschaft, Frankfurt (Main), vom 21. Oktober 1971 nach, aus der sich ergibt, daß das Investitionsvorhaben mit einer Gesamtinvestition von 459 732 DM als förderungswürdige Investition i. S. des Investitionszulagengesetzes – InvZulG – 1969 (BGBl I 1969, 1211, BStBl I 1969, 477) anerkannt wurde. Mit einem weiteren Schreiben vom 22. November 1971 legte die Klägerin dem FA eine nach Anschaffungszeitpunkten und Anschaffungskosten aufgegliederte Aufstellung der im Jahre 1969 angeschafften Wirtschaftsgüter in Höhe von 526 783 DM vor. Nachdem das FA zur Ermittlung der für die Investitionszulage maßgebenden Bemessungsgrundlage mehrmals bei der Klägerin rückgefragt hatte, entwarf der zuständige Sachbearbeiter des FA einen Festsetzungsbescheid über 16 150 DM. Dem Verfügungsentwurf ist ein Aktenvermerk beigefügt, der die Berechnung einer Investitionszulage von 16 150 DM enthält. Dieser Vermerk war ebenso wie der Verfügungsentwurf zunächst vom Sachgebietsleiter abgezeichnet worden; später ist jedoch sowohl der Aktenvermerk insgesamt als auch das Namenszeichen gestrichen und mit dem vom Sachgebietsleiter geschriebenen und unterzeichneten Vermerk versehen worden: „Antrag verspätet eingereicht.”
Mit Bescheid vom 2. März 1973 lehnte das FA den Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage ab.
Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Auch die Klage blieb erfolglos.
Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin. Sie macht geltend, das FG habe zu Unrecht die Gewährung von Nachsicht versagt. Der Klägerin sei im übrigen ein Investitionszulagenbescheid des FA über 14 415,43 DM zugestellt worden. An diesen Bescheid sei das FA gebunden. Der zuständige Sachbearbeiter habe die Investitionszulage in dieser Höhe bewilligen wollen. Möglicherweise habe auch der Sachgebietsleiter die entsprechende Verfügung mitunterschrieben. Die entsprechende Verfügung und der Bescheid über 14 415,43 DM seien zwar nicht mehr in den Akten enthalten. Dies könne jedoch der Klägerin nicht zum Nachteil gereichen.
Die Klägerin ist schließlich der Auffassung, der Antrag vom 30. März 1970 enthalte die erforderlichen Angaben. Aus ihm ergäbe sich eindeutig das Investitionsvorhaben, für das die Investitionszulage beantragt werde. Dies genüge. Etwaige weitere, für die Festsetzung der Investitionszulage noch erforderliche Angaben könnten nachgereicht werden.
Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Das FA (Beklagter und Revisionsbeklagter) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision wird die Vorentscheidung aufgehoben.
Entgegen der Auffassung des FG konnte das FA den Investitionszulagenantrag der Klägerin vom 30. März 1970 nicht unter Hinweis auf die Unvollständigkeit dieses Antrags ablehnen.
a) Nach der Entscheidung des Senats vom 16. Juli 1976 III R 158/73 (BFHE 119, 543, BStBl II 1976, 757) wird das Verfahren zur Festsetzung der beantragten Investitionszulage nur dann eingeleitet, wenn der innerhalb der Frist des § 3 Abs. 3 Satz 3 InvZulG 1969 beim FA eingegangene Antrag das Investitionsvorhaben, für das Investitionszulage begehrt wird, nach Art und Ort bezeichnet und zusätzlich die Summe der Investitionskosten aufführt. Diese Voraussetzungen erfüllt der Antrag der Klägerin vom 30. März 1970 nicht. Insbesondere ist aus dem Antrag nicht ersichtlich, welche Summe die Klägerin im Jahre 1969 für das Investitionsvorhaben aufgewendet hat. Das FA kann sich jedoch auf diese Mängel des Antrags nicht berufen, ohne zugleich gegen den Grundsatz von Treu und Glauben zu verstoßen.
b) Das FA hat den Antrag der Klägerin vom 30. März 1970 nicht etwa bereits bei der ersten Bearbeitung unter Hinweis auf die aufgezeigten Mängel abgelehnt, sondern vielmehr bei der Klägerin mit Schreiben vom 5. November 1971 die Ergänzung des Antrags angeregt und dabei darauf hingewiesen, daß über den Antrag nicht entschieden werden könne, bevor die nachzureichenden Unterlagen und Nachweise vorlägen. Dieses Schreiben konnte nur dahingehend verstanden werden, daß die im Antrag enthaltenen Angaben nach Ansicht des FA zur wirksamen Geltendmachung des Anspruchs dem Grunde nach ausreichten und die noch erforderlichen ergänzenden Angaben lediglich für die Festsetzung des Investitionszulagebetrages von Bedeutung waren. Das FA ist nach Vorliegen des Schreibens der Klägerin vom 22. November 1971 in die sachliche Prüfung des Investitionszulagenantrags eingetreten, die schließlich zu dem Aktenvermerk vom Mai 1972 und dem Verfügungsentwurf über die Gewährung einer Investitionszulage führte. Damit wurde ein Vertrauenstatbestand geschaffen, den sich das FA entgegenhalten lassen muß Nachdem es in eine eingehende Sachbehandlung eingetreten war, konnte es den Antrag der Klägerin nicht mehr unter Hinweis auf die aufgezeigten Mängel ablehnen, ohne sich in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten zu setzen, auf das die Klägerin vertrauen konnte und auch vertraut hat. Aus dem gleichen Grund ist es unerheblich, ob die Klägerin die nachgereichten Angaben früher hätte machen können.
Da die Revision der Klägerin bereits aus den vorstehend angeführten Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung führt, läßt der Senat offen, ob der Auffassung der Klägerin gefolgt werden kann, daß die Revision deshalb begründet sei, weil das FA ihrer Ansicht nach einen rechtswirksamen Investitionszulagebescheid über 14 415,43 DM erlassen habe.
Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung war daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob die weiteren Voraussetzungen für die Gewährung der von der Klägerin beantragten Investitionszulage für das Jahr 1969 gegeben sind. Das FG hat dazu – von seiner Rechtsauffassung ausgehend zutreffend – keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, auf die sich eine solche Entscheidung stützen könnte. Die Sache wird deshalb nach § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Fundstellen
BFHE 1977, 273 |
NJW 1977, 728 |