Entscheidungsstichwort (Thema)
Gesonderte Feststellung von Ehegatteneinkünften
Leitsatz (NV)
Die von Ehegatten gemeinschaftlich bezogenen Einkünfte sind auch dann gesondert festzustellen, wenn ein Ehegatte nach Ablauf des Jahres des Bezugs der Einkünfte verstorben ist.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2a
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Alleinerbin ihres am . . . 1975 verstorbenen Ehemannes, mit dem sie im Güterstand der allgemeinen Gütergemeinschaft lebte. Beide waren Inhaber einer Brauerei in X. Zu dieser gehörte eine Gaststätte, die auf dem den Eheleuten gehörenden Grundstück in X, . . . Straße . . ., betrieben wurde. Die Gaststätte war bis Anfang September 1974 verpachtet. Durch notariellen Vertrag vom 15. November 1974 übertrugen die Eheleute das Gaststättengrundstück ,,mit allen Rechten und Bestandteilen, insbesondere den aufstehenden Gebäulichkeiten, jedoch ohne Inventar" auf ihren Neffen A. Als Gegenleistung für die Überlassung verpflichtete sich der Erwerber, an die Veräußerer auf deren Lebensdauer eine Leibrente von monatlich 600 DM zu zahlen.
Entsprechend den Steuererklärungen behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) in dem ur
sprünglichen Einkommensteuerbescheid 1974 und dem ursprünglichen Gewerbesteuermeßbescheid 1974 die Grundstücksüberlassung als unentgeltliche Teilbetriebsübertragung i. S. des § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Nach einer Betriebsprüfung änderte das FA seine Auffassung. In den geänderten Steuerbescheiden wurde die Grundstücksübertragung an A als Entnahme angesehen.
Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage im wesentlichen statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt sinngemäß, das FG-Urteil hinsichtlich der Einkommensteuer aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache an das FG, soweit sie die Einkommensteuer 1974 betrifft.
1. Nach § 180 Abs. 1 Nr. 2a der Abgabenordnung - AO 1977 - (früher § 215 Abs. 2 Nr. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) werden die einkommensteuerpflichtigen Einkünfte gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt und die Einkünfte einkommensteuerrechtlich diesen Personen zuzurechnen sind. Die in einer Gütergemeinschaft lebenden Eheleute sind beide an den Einkünften beteiligt, soweit diese Einkünfte durch den Einsatz des Gesamtguts erzielt werden; insoweit ist eine gesonderte Feststellung durchzuführen (vgl. z. B. Gutachten des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Februar 1959 VI D 1/58 S, BFHE 69, 5, BStBl III 1959, 263; Beschluß des BFH vom 23. Juni 1971 I B 16/71, BFHE 103, 24, BStBl 1971, 730). Bei den der Höhe nach streitigen Einkünften der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns handelt es sich nach den Feststellungen der Vorentscheidung um gemeinschaftlich bezogene Einkünfte der Eheleute. Im Streitfall sind diese Einkünfte deshalb gesondert festzustellen.
Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß die gesonderte Feststellung im vorliegenden Fall deshalb entbehrlich ist, weil der Ehemann der Klägerin im Jahr 1975 verstorben ist. Für die Frage, ob die Einkünfte gesondert festzustellen sind, kommt es allein auf die Verhältnisse im Streitjahr 1974 an. Da die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann die gewerblichen Einkünfte im Jahr 1974 gemeinschaftlich erzielt haben, ist eine gesonderte Feststellung geboten; der Tod des Ehemanns im Jahr 1975 hat darauf keinen Einfluß.
Die Notwendigkeit der gesonderten Feststellung der gemeinsamen Einkünfte der Klägerin und des verstorbenen Ehemanns kann auch nicht mit der Begründung verneint werden, es handle sich um einen Fall von geringer Bedeutung (§ 180 Abs. 3 AO 1977, früher § 215 Abs. 4 Satz 2 AO).
Die verfahrensmäßige Trennung zwischen der Veranlagung zur Einkommensteuer einerseits und der gesonderten Feststellung gemeinsamer Einkünfte andererseits gehört zur Grundordnung des Verfahrensrechts; ein Verstoß hiergegen stellt einen wesentlichen, auch ohne Rüge im Revisionsverfahren zu prüfenden Verfahrensmangel dar (BFH-Urteil vom 3. Februar 1976 VIII R 29/71, BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396).
2. Die Sache ist mangels Entscheidungsreife an das FG zurückzuverweisen, das unter Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) das Ergebnis des vom FA noch durchzuführenden Verfahrens der gesonderten Feststellung der Einkünfte der Klägerin und ihres verstorbenen Ehemanns für das Streitjahr abzuwarten und seiner Entscheidung in der Einkommensteuersache zugrunde zu legen hat (Urteil in BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396).
Fundstellen
Haufe-Index 414312 |
BFH/NV 1986, 505 |