Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsausgabenabzug von Schuldzinsen bei gemischtem Kontokorrentkonto
Leitsatz (NV)
1. Die beim Betriebsausgabenabzug von Schuldzinsen bei gemischtem Kontokorrentkonto gebotene Gleichbehandlung der Überschußrechnung und des Betriebsvermögensvergleichs wird dadurch gewährleistet, daß bei beiden Gewinnermittlungsarten Schuldzinsen nur nach Maßgabe der tatsächlichen Verwendung der Kreditmittel als Betriebsausgaben abgezogen werden können.
2. Zur Ermittlung des Betrags der betrieblich veranlaßten Schuldzinsen, wenn der Steuerpflichtige eine Zinszahlenstaffelrechnung erstellt hat, den Anfangsbestand der Staffelrechnung jedoch nicht in eine Betriebs- und eine Privatschuld aufgeteilt hat.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3-4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr (1983) Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit als Arzt, die durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt wurden. Der Kläger unterhielt bei der Stadtsparkasse . . . ein Girokonto. Von dem Konto, das im Streitjahr stets einen für den Kläger negativen Saldo auswies, wurden im Streitjahr Privatausgaben in Höhe von . . . DM (53,95 v. H. der gesamten Auszahlungen) und Betriebsausgaben in Höhe von . . . DM abgebucht. Der Kläger wurde mit Schuldzinsen in Höhe von . . . DM belastet. Am 28. Juni 1983 nahm der Kläger bei der Stadtsparkasse zur Entlastung des Girokontos ein Darlehen über . . . DM auf. Dafür wurden im Streitjahr . . . DM Schuldzinsen gezahlt.
Bei seiner Gewinnermittlung zog der Kläger die Schuldzinsen als Betriebsausgaben von seinen Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr den Betriebsausgabenabzug hinsichtlich eines Anteils von 53,95 v. H. der Schuldzinsen nicht zu. Der Einspruch dagegen blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Zuvor hatte der Kläger beim FA beantragt, den Gewinn gemäß § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln. Das FA hatte dies mit Bescheid vom 30. Juli 1986 abgelehnt.
Mit der vom Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 4 Abs. 1, 3 und des § 5 Abs. 1 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
I. 1. Betriebsausgaben sind die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Schuldzinsen sind danach, wie der Große Senat mit Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) klargestellt hat, grundsätzlich dann Betriebsausgaben, wenn sie für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Maßgebend ist dabei der tatsächliche Verwendungszweck des Darlehens. Werden Darlehensmittel nur teilweise für betriebliche Aufwendungen, im übrigen aber für Kosten der Lebensführung eingesetzt, so kann die Darlehensverbindlichkeit nur anteilig in dem der Verwendung des Darlehens für betriebliche Zwecke entsprechenden Umfang bilanziert werden. Dies hat zur Folge, daß die für den Kredit entrichteten Zinsen auch nur anteilig Betriebsausgaben sind (Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
2. Die vorstehend dargestellten Rechtsgrundsätze gelten auch für Kontokorrentschulden, und zwar nach dem Beschluß des Großen Senats unabhängig davon, ob der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1, § 5 EStG oder durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt wird. Entsteht ein negativer Kontokorrentsaldo sowohl durch betrieblich als auch durch privat veranlaßte Auszahlungen, muß hiernach die zivilrechtlich einheitliche Kontokorrentschuld für Zwecke der steuerlichen Gewinnermittlung in eine Betriebs- und eine Privatschuld aufgeteilt werden. Die Kontokorrentzinsen sind Betriebsausgaben, soweit sie anteilig auf den betrieblich veranlaßten Teil der Kontokorrentschuld entfallen.
3. Die Aufteilung der Kontokorrentschuld und der Kontokorrentzinsen erfolgt nach dem Beschluß des Großen Senats grundsätzlich nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode. Dazu ist das Kontokorrentkonto entsprechend den privaten und betrieblichen Sollbuchungen rechnerisch in zwei Unterkonten aufzuteilen. Auf dem einen Unterkonto sind die privat, auf dem anderen die betrieblich veranlaßten Sollbuchungen anzustellen. Voraussetzung für eine zutreffende Aufteilung nach der Zinszahlenstaffelmethode ist, wie sich aus dem Beschluß des Großen Senats weiter ergibt, u. a. auch, daß eine bereits bei Beginn des zu überprüfenden Zeitraums vorhandene Kontokorrentschuld anteilig dem betrieblichen und dem privaten Unterkonto zugeordnet wird. Denn nur dann können aus der Zuordnung der nun folgenden Soll- und Habenbuchungen zum betrieblichen bzw. privaten Unterkonto die Rechengrößen für die Ermittlung der jeweiligen Zinsanteile zutreffend ermittelt werden.
4. Liegt eine Zinszahlenstaffelrechnung in dem dargelegten Sinne nicht vor und sind bei einem umfangreichen Zahlungsverkehr über das Kontokorrentkonto mit zahlreichen sowohl betrieblich wie privat veranlaßten Sollbuchungen Buchführung und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen nicht so beschaffen, daß eine zu zutreffenden Ergebnissen führende Rechnung vom FA oder FG noch nachträglich ohne unzumutbaren Zeit- und Arbeitsaufwand erstellt werden kann, so ist der betrieblich veranlaßte Teil der Schuldzinsen nach dem Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 durch Schätzung nach § 162 der Abgabenordnung (AO 1977) zu ermitteln. Eine bestimmte Schätzungsmethode hat der Große Senat nicht vorgegeben. Welche Schätzungsmethode dem Ziel, die Besteuerungsgrundlagen möglichst wirklichkeitsnah zu bestimmen, am besten gerecht wird, ist grundsätzlich eine Frage der Tatsachenfeststellung, an die der BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden ist, sofern diese Feststellungen nicht auf einem Rechtsirrtum oder Verfahrensmangel beruhen. Dazu hat der Große Senat weiter ausgeführt, daß beispielsweise eine schätzungsweise Aufteilung des insgesamt angefallenen Zinsaufwands nach dem - unter Umständen überschlägig ermittelten - Verhältnis betrieblicher und privater Zahlungen nicht zu beanstanden sei, wenn das Konto in den fraglichen Besteuerungszeiträumen ganz überwiegend einen Debetsaldo aufweise und mangels abweichender Feststellungen nicht davon ausgegangen werden könne, daß die privaten Aufwendungen schwerpunktmäßig zu Zeitpunkten getätigt wurden, zu denen dem Steuerpflichtigen entsprechende Guthaben zur Verfügung standen (sog. Verhältnismethode). Andererseits hat der Große Senat ausgeführt, daß dann, wenn der Steuerpflichtige eine Zinszahlenstaffelrechnung vorlegt, die auf den unter 3. dargelegten Grundlagen beruht, die Schätzung sich an dieser Rechnung auszurichten habe.
II. Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze im Streitfall führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Zutreffend hat das FG es allerdings abgelehnt, die Kontokorrentzinsen insgesamt schon deshalb als Betriebsausgaben abzuziehen, weil sie auf dem auch dem betrieblichen Zahlungsverkehr dienenden Kontokorrentkonto angefallen sind. Nach dem Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 sind, wie dargelegt, die als Betriebsausgaben abziehbaren Kontokorrentzinsen bei Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich wie durch Überschußrechnung nach einheitlichen Grundsätzen zu ermitteln, und zwar in der Weise, daß die Schuldzinsen nach Maßgabe der tatsächlichen Verwendung der durch den Kontokorrentkredit erlangten Mittel als Betriebsausgaben abgezogen werden können. Der angefochtene Bescheid und das FG-Urteil beruhen auf diesem Grundsatz. Die gebotene Gleichbehandlung des Betriebsvermögensvergleichs und der Überschußrechnung wird nach dem Beschluß des Großen Senats dadurch gewährleistet, daß nach diesem Grundsatz auch bei der Gewinnermittlung durch Beriebsvermögensvergleich zu verfahren ist. Ein weitergehender Betriebsausgabenabzug, wie er früher für zulässig gehalten wurde (vgl. u. a. Senatsurteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725), kommt danach auch bei Überschußrechnern und somit auch im Streitfall nicht in Betracht. Der Senat braucht deshalb auch nicht auf die Einwendungen der Revision gegen die ständige Rechtsprechung des BFH (vgl. z. B. Senatsurteile vom 29. August 1985 IV R 111/83, BFH/NV 1986, 158, und IV R 238/83, BFH/NV 1987, 504 jeweils mit m. w. N.) einzugehen, nach der das Wahlrecht des Freiberuflers, den Gewinn aus selbständiger Arbeit durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG zu ermitteln, nur zu Beginn eines Gewinnermittlungszeitraums durch Aufstellung einer Eröffnungsbilanz und Einrichtung einer ordnungsmäßigen kaufmännischen Buchführung ausgeübt werden kann.
2. Gleichwohl mußte die Entscheidung des FG aufgehoben werden.
a) Aus der Zinszahlenstaffelrechnung des Klägers, auf die das FG zulässigerweise Bezug genommen hat, ergibt sich, daß der Kläger den Bestand auf dem Kontokorrentkonto unter Berücksichtigung der jeweiligen Ein- und Auszahlungen laufend fortgerechnet hat. Außerdem sind, wenn auch jeweils nur als Monats-, nicht als Tagessummen, die betrieblich und die privat veranlaßten Auszahlungen getrennt voneinander festgehalten. Mit dem jeweiligen privaten Saldo wurde alsdann ein Teil der jeweiligen Einnahmen verrechnet, der Saldo so fortlaufend weitergeführt und wurden die hieraus sich ergebenden Zinszahlen festgehalten. Aus diesen Zinszahlen wurde schließlich in Anwendung des maßgeblichen Zinssatzes der anteilige private Zinsaufwand errechnet. Diese Berechnungsweise entspricht mindestens im Grundsatz einer Zinszahlenstaffelrechnung, wie sie der Große Senat als Instrument für die Ermittlung der betrieblichen und der privaten Zinsanteile vorsieht.
b) Das FG hat die Berechnungen des Klägers gleichwohl nicht übernommen, weil der Kläger den am 1. Januar 1983 bestehenden Negativsaldo von . . . DM nicht in einen betrieblichen und einen privaten Anteil aufgeteilt hat. Dieser Fehler habe sich auf die gesamten Berechnungen des Klägers ausgewirkt.
Es trifft, wie unter I. 3. ausgeführt, zu, daß eine Zinszahlenstaffelrechnung als laufende Rechnung mit betrieblichen und privaten Unterkonten nur dann zu zutreffenden Ergebnissen führt, wenn bereits der zu Beginn des Prüfungszeitraums vorhandene Anfangssaldo richtig, d. h. ebenfalls bereits auf der Grundlage einer entsprechenden Zinszahlenstaffelrechnung ermittelt worden ist. Davon ist auch im Streitfall auszugehen, da nach den tatsächlichen Feststellungen des FG und nach den Gesamtumständen des Streitfalls davon ausgegangen werden muß, daß der Debetsaldo zum 1. Januar 1983 in zumindest nicht unerheblichem Umfange auch durch private Auszahlungen verursacht worden ist.
c) Nach Auffassung des Senats ist es jedoch nicht ausgeschlossen, den negativen Anfangssaldo auch im Schätzungswege (§ 162 AO 1977) auf das betriebliche und das private Unterkonto aufzuteilen. Der Große Senat hat im Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 ganz allgemein die Aufteilung des Zinsaufwands im Schätzungswege zugelassen, wenn der Steuerpflichtige bei einem Kontokorrentkonto mit umfangreichem Zahlungsverkehr keine Zinszahlenstaffelrechnung mit privatem und betrieblichem Unterkonto vorlegt. Daraus folgt nach Auffassung des Senats, daß eine Schätzung auch zulässig ist, wenn bei Vorlage einer Zinszahlenstaffelrechnung der Anfangsbestand nicht aus einer Berechnung entwickelt wurde, die bis zum ersten positiven Kontostand in die Vergangenheit zurückreicht. Gegenstand der Schätzung ist dann die Aufteilung des Anfangsbestands in einen betrieblichen und einen privaten Teil. Damit wird auch dem Grundsatz im Beschluß des Großen Senats Rechnung getragen, daß, sofern der Steuerpflichtige eine Zinszahlenstaffelrechnung vorlegt, die Schätzung sich an ihr auszurichten hat. Der Senat hat allerdings im Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 185/81 (BFHE 139, 56, BStBl II 1983, 723, 725) eine Aufteilung der Zinsen im Wege der Schätzung grundsätzlich nur bei Zinsen für vor dem 1. Januar 1974 entstandene Schulden für zulässig gehalten. An dieser Einschränkung kann nicht mehr festgehalten werden, nachdem der Große Senat ganz allgemein, also auch für nach dem 31. Dezember 1973 entstandene Schulden, entschieden hat, daß eine Schätzung der betrieblichen und der privaten Zinsanteile grundsätzlich zulässig ist.
Danach war das FG-Urteil aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht entscheidungsreif. Das FG wird nunmehr den Debetsaldo zum 1. Januar 1983 im Wege der Schätzung in einen betrieblichen und einen privaten Teil aufteilen müssen. Dazu wird es weiterer Feststellungen bedürfen. Der Senat kann von sich aus eine bestimmte Aufteilungsmethode nicht vorschreiben, da es sich insoweit um dem FG vorbehaltene Tatsachenfeststellungen handelt. Der Senat hält es allerdings nicht für ausgeschlossen, aus Vereinfachungsgründen den durchschnittlichen Anteil der privaten Auszahlungen an den Gesamtauszahlungen des Streitzeitraums auch der Ermittlung des privaten Anfangsbestands am 1. Januar 1983 zugrunde zu legen.
Auf der Grundlage eines so ermittelten Anfangsbestands des privaten Unterkontos dürfte es nicht mit unzumutbarem Zeitaufwand verbunden sein, die vom Kläger vorgelegte Zinszahlenstaffelrechnung zu überarbeiten. Dazu wird das FG auch den Kläger heranziehen können (§ 76 Abs. 1 Satz 2 und 3 FGO). Bei der Neuberechnung ist außerdem zu berücksichtigen, daß nach dem Beschluß des Großen Senats die vorrangige Verrechnung von Einzahlungen mit dem Debetsaldo auf dem privaten Unterkonto zulässig ist.
Das am 23. Juni 1983 aufgenommene Darlehen über . . . DM kann teilweise zur Tilgung des betrieblichen, teilweise zur Tilgung des privaten Teils des Kontokorrentkredits geführt haben. Soweit es unter Beachtung der Grundsätze des Beschlusses in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 zur Tilgung des betrieblichen Teils des Kontokorrentkredits gekommen ist, wurden die Darlehensmittel für einen betrieblichen Zweck verwendet mit der Folge, daß auch die Darlehenszinsen anteilig Betriebsausgaben waren.
Wegen der Höhe der beim Kläger zu berücksichtigenden Kinderfreibeträge wird das FA auf Anregung des FG nach Abschn. III Nr. 3 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen vom 24. September 1990 IV B 5 - S 2282 a - 58/90 (BStBl I 1990, 624) zu verfahren haben.
Fundstellen
Haufe-Index 417514 |
BFH/NV 1992, 12 |