Entscheidungsstichwort (Thema)
Schuldzinsen als Werbungskosten - Verzugszinsen wegen verspäteter Erfüllung einer Pflichtteilsverbindlichkeit keine Werbungskosten - Erfüllung von Nachlaßverbindlichkeiten führt nicht zu Anschaffungskosten
Leitsatz (amtlich)
Verzugszinsen, die ein Erbe wegen der verspäteten Erfüllung einer Pflichtteilsverbindlichkeit an den Pflichtteilsberechtigten zu entrichten hat, sind auch dann keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, wenn der Nachlaß im wesentlichen aus einem GmbH-Anteil besteht.
Orientierungssatz
1. Schuldzinsen, zu denen auch Verzugszinsen gehören, sind nur dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist die wertende Beurteilung das die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments und die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlichen relevanten Erwerbssphäre. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang von Schuldzinsen mit einer Einkunftsart liegt vor, wenn sie für eine Schuld geleistet werden, die der Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts dient, mit dem der Steuerpflichtige Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 1 Nrn. 4 bis 7 EStG erzielt (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Belastungen eines Nachlasses mit Vermächtnisverbindlichkeiten, Pflichtteilsverbindlichkeiten und Erbersatzverbindlichkeiten führen nicht zu Anschaffungskosten des oder der Erben für die Wirtschaftsgüter des Nachlasses. Entstehung und Erfüllung dieser Verbindlichkeiten beruhen nicht auf einem entgeltlichen Rechtsgeschäft zwischen dem Erben und dem Berechtigten, sondern auf dem Erbfall selbst. Aus dem BFH-Beschluß vom 5.7.1990 GrS 4-6/89 zur vorweggenommenen Erbfolge ergibt sich nichts anderes.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihre Stieftochter, Frau S, sind Miterbinnen nach dem im Jahre 1975 verstorbenen Ehemann der Klägerin. Frau S war hinsichtlich ihres Anteils als Vorerbin eingesetzt; zum Nacherben hatte der Erblasser ihren Sohn R bestimmt. Zu dem Nachlaß gehörten u.a. Grundvermögen, eine Beteiligung von 51 v.H. an der A-GmbH (GmbH) in München und eine verzinsliche Darlehensforderung im Nennwert von 3,5 Mio DM gegen die GmbH. Über die GmbH-Anteile war durch letztwillige Verfügung des Erblassers Testamentsvollstreckung für die Dauer von 10 Jahren angeordnet. Der zunächst eingesetzte Testamentsvollstrecker wurde im Jahr 1979 wegen Veruntreuung von Geldern der GmbH abgesetzt. Anschließend übernahm die Klägerin die Geschäftsführung der GmbH. Sie bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit. Aus ihrer Beteiligung an den Gewinnen der GmbH erzielte sie Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Die Miterbin S schlug die Erbschaft aus und beanspruchte den Pflichtteil. An ihre Stelle trat als Ersatzerbe ihr Sohn R (§ 2102 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB--).
Die Klägerin war zunächst nicht in der Lage, den Pflichtteilsanspruch der Frau S zu erfüllen, da die zum Nachlaß gehörige Darlehensforderung, die sie zur Tilgung des Pflichtteilsanspruchs einziehen wollte, nach Auskunft des Testamentsvollstreckers unkündbar war. Diese Behauptung erwies sich nach dessen Abberufung in Jahre 1979 als unzutreffend. Im Jahre 1979 kam es deshalb zu einer teilweisen Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs. Frau S machte gegenüber der Klägerin wegen der verspäteten Zahlung Verzugszinsen in Höhe von 428 291 DM geltend. Die Versuche der Klägerin, von R gemäß § 2320 BGB von der Pflichtteilslast freigestellt zu werden, schlugen fehl.
In ihrer Einkommensteuererklärung 1979 machte die Klägerin die im Streitjahr an Frau S gezahlten Zinsen in Höhe von 387 420 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Bei der Veranlagung der Klägerin zur Einkommensteuer 1979 ließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) diese Aufwendungen nicht zum Abzug zu.
Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, daß die Einkommensteuer 1979 auf den Betrag festgesetzt wird, der sich nach Abzug von 387 420 DM Zinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung ergibt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin die streitigen Verzugszinsen nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abziehen kann.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs.1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) liegen Werbungskosten --über den unmittelbaren Wortlaut dieser Vorschrift hinaus-- immer dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht (BFH-Beschluß vom 4.Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C. II. 2. m.w.N.). Dementsprechend sind Schuldzinsen, zu denen auch Verzugszinsen gehören (BFH-Urteile vom 19.April 1977 VIII R 119/75, BFHE 122, 111, BStBl II 1977, 601, und vom 31.März 1987 IX R 53/83, BFH/NV 1987, 645; zur Rechtsnatur der Verzugszinsen vgl. auch das Senatsurteil vom 29.September 1981 VIII R 39/79, BFHE 134, 281, BStBl II 1982, 113), nur dann als Werbungskosten anzuerkennen, wenn sie --wie § 9 Abs.1 Satz 3 Nr.1 EStG klarstellt-- mit einer Einkunftsart in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
Maßgeblich dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments (BFH-Urteil vom 6.Februar 1987 III R 203/83, BFHE 149, 163, BStBl II 1987, 423; Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C. II. 2. b, bb), zum anderen die Zuweisung dieses maßgeblichen Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre.
Einen wirtschaftlichen Zusammenhang von Schuldzinsen mit einer Einkunftsart hat die Rechtsprechung insbesondere dann bejaht, wenn sie für eine Schuld geleistet werden, die der Finanzierung von Anschaffungskosten oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts dient, mit dem der Steuerpflichtige Einkünfte i.S. des § 2 Abs.1 Nrn.4 bis 7 EStG erzielt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 21.Juli 1981 VIII R 154/76, BFHE 134, 113, 116, BStBl II 1982, 37, und vom 26.November 1985 IX R 64/82, BFHE 145, 211, BStBl II 1986, 161). Im Streitfall standen die Verzugszinsen, wie das FG zutreffend entschieden hat, nicht in wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Anschaffung des zum Nachlaß gehörenden Grund- und Kapitalvermögens. Belastungen eines Nachlasses mit Vermächtnis-, Pflichtteils- und Erbersatzverbindlichkeiten führen nicht zu Anschaffungskosten des oder der Erben für die Wirtschaftsgüter des Nachlasses. Entstehung und Erfüllung dieser Verbindlichkeiten beruhen nicht auf einem entgeltlichen Rechtsgeschäft zwischen dem Erben und dem Berechtigten, sondern auf dem Erbfall selbst (vgl. zum Pflichtteilsanspruch § 2317 BGB). Bei der Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs kommt es nicht zur Übertragung eines Vermögenswerts durch den Berechtigten auf den Erben. Infolgedessen entsteht aus diesem Vorgang weder ein Veräußerungsgewinn beim Pflichtteilsberechtigten, noch hat der Erbe hieraus Anschaffungskosten für das ererbte Vermögen (BFH-Urteile vom 2.April 1987 IV R 92/85, BFHE 149, 567, BStBl II 1987, 621, und vom 17.Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, BStBl II 1992, 392).
Aus dem Beschluß des BFH vom 5.Juli 1990 GrS 4-6/89 (BFHE 161, 317, BStBl II 1990, 847) zur vorweggenommenen Erbfolge ergibt sich nichts anderes. In diesem Beschluß hat der BFH die Übertragung von Vermögensgegenständen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge als entgeltliches Geschäft beurteilt, wenn im Rahmen dieses Vorgangs vom Übernehmer des Vermögens Gleichstellungsgelder gezahlt werden. Die Erfüllung von Pflichtteilsansprüchen kann jedoch der Zahlung von Abfindungen im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge nicht gleichgestellt werden, weil im letzteren Fall der Erwerb des Vermögensgegenstandes und die Zahlung der Abfindung auf einem entgeltlichen Rechtsgeschäft der Beteiligten beruhen (ebenso: BFHE 149, 567, 569, BStBl II 1987, 621; Groh, Der Betrieb --DB-- 1992, 444, 446).
Im Streitfall wurden die Verzugszinsen für die verspätete Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs der Frau S gezahlt. Die Zinsen stehen deshalb in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dieser Nachlaßschuld. Mit dem FG und der bisherigen Rechtsprechung des BFH (vgl. z.B. Urteile vom 26.März 1981 IV R 130/77, BFHE 133, 271, BStBl II 1981, 614; vom 17.April 1985 I R 101/81, BFHE 143, 563, BStBl II 1985, 510) geht der Senat davon aus, daß der Erbfall grundsätzlich dem privaten Bereich des Erben zuzuordnen ist und daß deshalb auch die Erbfallschulden nicht der einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre, sondern dem Bereich der privaten Lebensführung angehören.
Dementsprechend hat der Große Senat des BFH in seinem Beschluß vom 5.Juli 1990 GrS 2/89 (BFHE 161, 332, BStBl II 1990, 837 unter C. II. 1. c) ausgeführt, daß Miterben, die ein Sachvermächtnis aus dem Betriebsvermögen erfüllen, gesamthänderisch eine Entnahme tätigen. Aufwendungen, die aus der verspäteten Erfüllung einer Erbfallschuld entstehen (Verzugszinsen), sind deshalb den nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung zuzurechnen.
Der Senat braucht im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden, ob der Veranlassungszusammenhang der Schuldzinsen mit dem privaten Vorgang des Erbens durchbrochen ist, wenn der Erbe mit dem Berechtigten die Umwandlung der Pflichtteilsverbindlichkeit in eine Darlehensschuld vereinbart (Novation) oder wenn der Erbe zur Ablösung des Pflichtteilsanspruchs einen Fremdkredit aufnimmt (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 24.Januar 1989 IX R 111/84, BFHE 156, 131, BStBl II 1989, 706, und vom 22.Januar 1991 VIII R 310/84, BFH/NV 1991, 594, betreffend Zinsen im Zusammenhang mit einer Zugewinnausgleichsschuld; Urteile in BFHE 149, 567, BStBl II 1987, 621, und vom 28.April 1989 III R 4/87, BFHE 156, 497, BStBl II 1989, 618, betreffend Zinsen für ein Darlehen zur Ablösung eines Pflichtteilsanspruchs). Im Streitfall ist nach den tatsächlichen Feststellungen des FG davon auszugehen, daß es nicht zu einer solchen Vereinbarung zwischen der Klägerin und Frau S gekommen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 64319 |
BFH/NV 1993, 18 |
BStBl II 1993, 275 |
BFHE 169, 511 |
BFHE 1993, 511 |
BB 1993, 985 |
BB 1993, 985-986 (LT) |
DB 1993, 565-566 (LT) |
DStR 1993, 354 (KT) |
DStZ 1993, 219 (KT) |
StE 1993, 114 (K) |