Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Materialbeistellung, wenn ein Verlag, der bei einer Druckerei Bildbände herstellen läßt, das Papier selbst auswählt, im Namen der Druckerei bestellt und für diese bezahlt.
Normenkette
UStG §§ 3, 16 Abs. 1; UStDB §§ 2-3, 12, 70 Abs. 2 Ziff. 2
Tatbestand
Die Bgin., eine Verlagsbuchhandlung, läßt bei einer Druckerei Bildbände, die von ihr verlegt werden, herstellen. Diese Bildbände werden von ihr auch in das Ausland verkauft.
Streitig ist, ob das Finanzamt die für die Ausfuhr der Bildbände gewährte Ausfuhrhändlervergütung gemäß § 76 UStDB zurückfordern durfte, weil die Bgin. bei der Beschaffung des Papiers mitgewirkt hat (§ 16 Abs. 1 UStG, § 70 Abs. 2 Ziff. 2 UStDB).
Die Beschaffung des Papiers geschieht in der Weise, daß die Bgin. dem Vertreter der Papierfabrik den Auftrag zur Lieferung des Papiers erteilt. Dabei wird als Besteller die Druckerei angegeben. Auf den Verwendungszweck des Papiers wird ausdrücklich hingewiesen. Die schriftlichen Auftragsbestätigungen sind an die Druckerei gerichtet und werden der Bgin. in Zweitschrift übersandt. Auch die Auftragsbestätigungen enthalten einen Hinweis auf den Verwendungszweck. Das Papier wird von der Papierfabrik unmittelbar an die Druckerei versandt. Von den Rechnungen der Papierfabrik, die auf die Druckerei ausgestellt werden und dieser zugehen, erhält die Bgin. eine Kopie. Sie enthalten den Vermerk, daß bei der Zahlung ein bei der Papierfabrik für die Druckerei eingerichtetes Konto angegeben werden soll, auf dem lediglich die für die Druckaufträge der Bgin. bestimmten Papierlieferungen in Rechnung gestellt werden. Die Rechnungen werden von der Bgin. bezahlt, die der Papierfabrik gegenüber mündlich die selbstschuldnerische Bürgschaft übernommen hat. Auf Grund besonderer Vereinbarungen (Abschlußvereinbarungen) wird der Bgin. für diese Papierlieferungen von der Papierfabrik ein Mengenrabatt gewährt. In den Rechnungen der Druckerei an die Bgin. wird das so bezogene Papier mit dem von der Papierfabrik berechneten Einkaufspreis zuzüglich 4,16 % Umsatzsteuer gesondert ausgewiesen.
Die Bgin. hat für die Lieferungen der Bildbände in das Ausland Ausfuhrvergütungen und Ausfuhrhändlervergütungen in Anspruch genommen. Diese wurden ihr auch gewährt. Bei einer Umsatzsteuervergütungsprüfung wurde jedoch von dem Prüfer die Auffassung vertreten, daß die Ausfuhrhändlervergütung nicht hätte in Anspruch genommen werden dürfen, weil die Bgin. an der Beschaffung des Papiers im Sinne des § 12 UStDB mitgewirkt habe. Das Finanzamt forderte daraufhin für die Vergütungszeiträume III/1955 bis I/1959 die Ausfuhrhändlervergütung wieder zurück. Der gegen den Rückforderungsbescheid eingelegte Einspruch wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Berufung hatte die Bgin. Erfolg. Das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, daß die Ausfuhrhändlervergütung zu Recht gewährt worden sei, weil weder eine Beistellung des Papiers noch eine maßgebliche Mitwirkung der Bgin. an der Herstellung der Bildbände festgestellt werden könne. Als Abnehmer des Papiers könne die Bgin. mit Rücksicht auf die bestehenden Rechtsbeziehungen, die tatsächliche Abwicklung der Geschäfte und deren buchmäßige Behandlung durch die Beteiligten nicht angesehen werden. Auch die Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft spreche für diese Auffassung. Eine Beistellung des Papiers durch die Bgin. könne nicht angenommen werden, weil keine Verpflichtung der Drukkerei bestanden habe, das Papier ausschließlich zur Herstellung der Bildbände zu verwenden und die Druckerei die gesamten von der Bgin. vereinnahmten Entgelte versteuert habe. Auch aus den Abschlußvereinbarungen ließen sich keine Schlüsse für die Lieferung des Papiers an die Bgin. und für die Beistellung an die Druckerei ziehen. Der Bgin. sei es nur darauf angekommen, ihren Einfluß auf die Bestellung einer gewissen Sorte von Papier geltend zu machen und in den Genuß der Treuerabatte zu kommen. Da sie lediglich das Papier ausgewählt, im Namen und für Rechnung der Druckerei bestellt und für die Druckerei die Rechnungen bezahlt habe, liege auch eine maßgebliche Mitwirkung an der Herstellung der Bildbände nicht vor.
Mit der Rb. des Vorstehers des Finanzamts wird hiergegen eingewandt, daß es der Bgin. nach den gesamten Umständen darum gegangen sei, den Papiereinkauf selbst für eigene Rechnung zu übernehmen. Die Bgin. habe die Liefer- und Zahlungsbedingungen mit der Papierfabrik vereinbart. Von der Druckerei habe das Papier nicht in ihre Kalkulation einbezogen werden dürfen. Die formale Papierbestellung durch die Bgin. für die Druckerei und die formale Rechnungstellung durch die Papierfabrik stünden in eindeutigem Gegensatz zu dem wirtschaftlichen Gehalt der Vorgänge. Die Feststellung des Finanzgerichts, die Druckerei sei nicht verpflichtet gewesen, das Papier ausschließlich für die Bgin. zu verwenden, stehe in Widerspruch zu den tatsächlichen Gegebenheiten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Wie der Senat immer wieder ausgesprochen hat, kommt es für die Umsatzbesteuerung nicht in erster Linie auf die bürgerlich-rechtliche Gestaltung, sondern auf den wirtschaftlichen Inhalt der zu beurteilenden Vorgänge an. In der Regel wird beides miteinander übereinstimmen. Es gibt jedoch Fälle, in denen berechtigte Zweifel bestehen, ob die äußere Form der vertraglichen Vereinbarungen mit dem übereinstimmt, was die Beteiligten wirklich gewollt haben. Um einen solchen Zweifelsfall handelt es sich auch bei dem vorliegenden Sachverhalt.
Das Finanzgericht ist bei der Entscheidung der Frage, ob eine Beistellung des Papiers durch die Bgin. an die Druckerei angenommen werden kann, zu Recht davon ausgegangen, daß in Fällen dieser Art die wirtschaftliche Bedeutung der vertraglichen Vereinbarungen zu ergründen ist. Es hat seine Auffassung, daß eine Beistellung nicht vorliege, vor allem damit begründet, daß durch die getroffenen Vereinbarungen hinsichtlich des Papiers Rechtsbeziehungen zwischen der Papierfabrik und der Druckerei entstanden und diese auch von den Beteiligten vereinbarungsgemäß durchgeführt worden seien. Diesen Ausführungen vermag der Senat insofern nicht zu folgen, als gerade in Zweifelsfällen aus dem Bestehen und der Durchführung der vertraglichen Vereinbarungen nicht ohne weiteres auf den wirtschaftlichen Inhalt dieser Vereinbarungen geschlossen werden kann. Es kommt auch bei der Frage, ob eine Beistellung durch die Bgin. an die Druckerei vorliegt, nicht so sehr auf die Vertragsbeziehungen der Bgin. zu der Papierfabrik und der Papierfabrik zu der Druckerei als auf die Verhältnisse zwischen der Bgin. und der Druckerei an.
Eine Beistellung durch den Auftraggeber ist dann anzunehmen, wenn dem Hersteller Stoffe zur Verwendung bei der Herstellung des Gegenstandes zur Verfügung gestellt werden und der Hersteller diesen Stoff auch tatsächlich dazu verwendet. Nach der einschlägigen Rechtsprechung ist in diesen Fällen der vom Auftraggeber beigestellte Stoff in den Leistungsaustausch zwischen dem Hersteller und dem Auftraggeber nicht einzubeziehen. Diese Beurteilung beruht auf der Erwägung, daß der Auftraggeber den Stoff dem Hersteller zu dem Zweck übergeben wollte, ihn bei der Herstellung zu verwenden. Der Hersteller kann daher über den Stoff nicht frei verfügen. Ob eine solche Beistellung angenommen werden kann, ist nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten unter Berücksichtigung der Verhältnisse des einzelnen Falles zu entscheiden. Wenn sich die Bgin. immer wieder darauf beruft, daß die bürgerlich-rechtliche Gestaltung grundsätzlich auch steuerlich anzuerkennen ist, so ist darauf hinzuweisen, daß die Verschaffung der Verfügungsmacht als mitentscheidendes Kriterium für eine Beistellung ein steuerrechtlicher Wirtschaftsbegriff ist, der darum allein nach steuerlichen Gesichtspunkten auszulegen ist. Einer ausdrücklichen Verpflichtung, den Stoff nur für die Herstellung des Gegenstandes zu verwenden, bedarf es nicht. Eine Beistellung kann sich zugunsten und zuungunsten der Beteiligten auswirken.
Im vorliegenden Fall hat die Bgin. das Papier ausgewählt, bestellt und bezahlt. Sie hat dadurch das getan, was sonst der Käufer tut. Daran ändert sich nichts dadurch, daß unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen der Papierfabrik und der Druckerei bestehen und das Papier von der Papierfabrik unmittelbar an die Druckerei versandt wird. Die wirtschaftliche Stellung der Bgin. als Käuferin wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Bgin. nur eine Zweitschrift der Rechnung erhält. Wesentlicher ist, daß die Bgin. das Papier einkauft und bezahlt. Dieser Tätigkeit liegt ein erhebliches eigenes wirtschaftliches Interesse der Bgin. zugrunde, das in der Abschlußvereinbarung darin zum Ausdruck kommt, daß von der Abnahme des Kunstdruckpapiers und den Aufträgen der Bgin. gesprochen wird. Die Druckerei hat praktisch mit dem Einkauf des Papiers nichts zu tun. Ein wirtschaftliches Interesse der Druckerei an der Papierbeschaffung ist nicht erkennbar. Es ist in diesem Zusammenhang beachtenswert, daß das Papier von der Druckerei zu dem von der Papierfabrik berechneten Einkaufspreis in Rechnung gestellt wird. Die Abwicklung des Papiereinkaufs entspricht der rechtlichen Gestaltung, nach der die Bgin. den Einkauf im Namen der Druckerei tätigt. Letztlich sind die Gefahrtragung, die Mängelhaftung und auch die Übernahme der selbstschuldnerischen Bürgschaft nur eine Folge dieser vertraglichen Regelung. Mengenrabatte hätten zwar zwischen der Bgin. und der Papierfabrik auch dann vereinbart werden können, wenn die Druckerei selbst eingekauft hätte. Es handelt sich dabei jedoch um einen Rabatt, der im allgemeinen dem Abnehmer gewährt zu werden pflegt. Die vom Finanzgericht angegebenen Gründe, daß es der Bgin. nur darauf ankomme, ihren Einfluß auf die Bestellung einer gewissen Sorte von Papier geltend zu machen und in den Genuß des Treuerabattes zu kommen, werden deshalb den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht gerecht und reichen nicht aus, die wirtschaftliche Stellung der Bgin. als Käuferin zu erschüttern. Es steht dieser Beurteilung auch nicht entgegen, daß es, wie das Finanzgericht ausgeführt hat, für die Regel den Gepflogenheiten der Drukkereibranche entspricht, das erforderliche Papier selbst zu beschaffen.
Fraglicher erscheint nach dem Inhalt der Akten, ob die Druckerei über das Papier, das die Bgin. für die Herstellung der Bildbände beschafft hat, anderweit verfügen durfte. Das Finanzgericht hat dazu festgestellt, daß eine Vereinbarung über die Verwendung des Papiers nicht getroffen worden sei und die Druckerei das Papier nach eigenem Gutdünken habe verwenden können. Hierzu hatte die Bgin. im Berufungsverfahren verschiedene und auch sich widersprechende Angaben gemacht. Wie nach den Akten angenommen werden muß, beruhen die Feststellungen des Finanzgerichts auf dem Schriftsatz der Bgin. vom 14. Februar 1961. Dieser Schriftsatz, dessen Abschrift sich noch bei den Akten des Finanzgerichts befindet, ist jedoch dem Finanzamt nicht zugegangen. Dieses hatte deshalb keine Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Einer gerichtlichen Entscheidung dürfen aber nur Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde gelegt werden, zu denen sich die Beteiligten haben äußern können. Dem Finanzamt konnte dieser Mangel nicht bekannt sein. Es hat ihn insofern gerügt, als es die Feststellung des Finanzgerichts, die Druckerei sei nicht verpflichtet, das Papier ausschließlich für die Bgin. zu verwenden, als Behauptung bezeichnet hat.
Das Urteil des Finanzgerichts war hiernach wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs aufzuheben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen. Das Finanzgericht wird dabei die vorstehenden Rechtsausführungen zu beachten und die für die Entscheidung noch erforderlichen tatsächlichen Feststellungen zu treffen haben. Für die Frage der Beistellung wird insbesondere festzustellen sein, wie die Druckerei das ihr von der Papierfabrik zugegangene Papier buchmäßig und tatsächlich behandelt hat. Auf die Verwendung der Abfälle kann es dabei nicht ankommen. Es wird außerdem zu prüfen sein, welches wirtschaftliche Interesse die Druckerei unter den gegebenen Umständen an der Papierbeschaffung gehabt hat und wie sie bei anderen Aufträgen verfahren ist.
Dem Finanzgericht ist darin zuzustimmen, daß es sich bei der Beschaffung des Papiers durch die Bgin. nicht um eine maßgebliche Mitwirkung an der Herstellung der Bildbände gehandelt hat. Die Bgin. hat, wie das Finanzgericht ausführt, das Papier lediglich ausgewählt, es beim Vertreter der Papierfabrik im Namen und für Rechnung der Druckerei bestellt und die von der Papierfabrik an die Druckerei erteilten Rechnungen für diese bezahlt. Diese Vorgänge sind geeignet, die Bgin. wirtschaftlich als Käuferin erscheinen zu lassen und dadurch den Ausgangspunkt für die Annahme einer Beistellung des Papiers von der Bgin. an die Druckerei zu bilden. An der Herstellung der Bildbände hat sich die Bgin. dadurch nicht beteiligt.
Fundstellen
BStBl III 1964, 395 |
BFHE 1964, 450 |