Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Steht dem Bürgen, der die Grunderwerbsteuer an Stelle des Steuerschuldners gezahlt hat, der Erstattungsanspruch aus § 17 GrEStG zu?
Normenkette
AO § 150 Abs. 1 S. 2; GrEStG § 17
Tatbestand
Ein Grundstückserwerber wurde zur Grunderwerbsteuer herangezogen. Für den Steuerbetrag übernahm die Beschwerdeführerin (Bfin.) Bürgschaft. Die Bfin. wurde aus der Bürgschaft in Anspruch genommen und entrichtete die Steuer.
Auf Grund des Vorbringens, daß der Erwerbsvorgang rückgängig gemacht worden sei, beantragte der Konkursverwalter über das Vermögen des inzwischen in Konkurs geratenen Erwerbers gemäß § 17 Abs. 1 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Erstattung der Steuer an die Bfin. Daraufhin beantragte die Bfin. gleichfalls die Erstattung. Das Finanzamt erkannte die Erstattungspflicht grundsätzlich an, rechnete aber gegenüber dem Konkursverwalter andere Steuerschulden des Erwerbers (insbesondere Einkommensteuer) gegen den Herauszahlungsanspruch auf und erklärte der Bfin., daß der zu erstattende Betrag durch Aufrechnung verbraucht sei.
Gegen den die Herauszahlung ablehnenden Bescheid erhob die Bfin. erfolglos Einspruch, gegen die Einspruchsentscheidung erfolglos Berufung.
Entscheidungsgründe
Auch die Rechtsbeschwerde (Rb.) kann keinen Erfolg haben.
Das Finanzgericht macht sich die einhellige Auffassung in der Rechtsprechung (vgl. z. B. Urteile des Reichsfinanzhofs II A 176/30 vom 20. Mai 1930, Slg. Bd. 26 S. 344, und III A 55/29 vom 4. Dezember 1930, Steuer und Wirtschaft 1931 Nr. 169, Juristische Wochenschrift 1931 S. 674) und im Schrifttum (Kommentare zur Reichsabgabenordnung, Riewald § 150 Anm. 4, Kühn § 150 Anm. 3a, Hübschmann-Hepp-Spitaler § 150 Randbem. 5) zu eigen, daß allgemein dem Dritten, der eine Steuer an Stelle des Steuerschuldners oder des Haftenden entrichtet hat, kein Anspruch auf Erstattung im Sinne der Reichsabgabenordnung zusteht.
I. Die Prüfung der Zuständigkeit des Bundesfinanzhofs ergibt folgendes: § 120 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung bestimmt, daß der Anspruch der Steuerverwaltung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts zu verfolgen ist, wenn sich jemand durch Vertrag verpflichtet hat, eine Steuerschuld eines anderen zu bezahlen oder dafür einzustehen. Diese Folgerung aus der bürgerlich-rechtlichen Natur des Vertragsverhältnisses (hier: Bürgschaftsverhältnis) führt zu der weiteren Folgerung, daß dann auch der Bürge etwaige auf dem Bürgschaftsverhältnis beruhende vermeintliche Ansprüche gegen die Steuerverwaltung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts verfolgen muß. Es sind also für beide Seiten die Zivilgerichte zuständig. Der Senat tritt mithin insoweit dem Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 925/31 vom 16. Juni 1932, Steuer und Wirtschaft 1932 Nr. 1125, bei.
Vorliegend hat aber die Bfin. nicht diesen bürgerlich-rechtlichen Anspruch, sondern den durch das öffentliche Recht (ß 17 Abs. 1 GrEStG, § 150 ff. der Reichsabgabenordnung, vgl. auch § 242 Satz 2 der Reichsabgabenordnung) gewährten Erstattungsanspruch verfolgt. Deshalb war das Berufungsverfahren nach der Reichsabgabenordnung gegeben und in letzter Instanz der Bundesfinanzhof zuständig, so daß eine Abgabe an das Zivilgericht aus § 81 des Gesetzes über das Bundesverwaltungsgericht vom 23. September 1952 (Bundesgesetzblatt - BGBl - I S. 625) nicht in Frage kam.
II. In sachlicher Hinsicht folgt der Senat ebenso wie das Finanzgericht der oben erwähnten einhelligen Auffassung, daß dem Dritten, der eine Steuer an Stelle des Steuerschuldners oder des Haftenden entrichtet hat, nicht der etwaige Erstattungsanspruch nach der Reichsabgabenordnung zusteht.
Die hiergegen erhobenen Einwendungen der Bfin. greifen nicht durch.
Der Bfin. würde der Erstattungsanspruch zustehen, wenn der an sich Berechtigte den Anspruch an sie abgetreten hätte. Die Bfin. bemängelt zwar nicht die Feststellung des Finanzgerichts, daß eine der Vorschrift des § 159 Satz 1 der Reichsabgabenordnung entsprechende Abtretung (mit der Anzeige des Gläubigers an die Finanzbehörde) seitens des ursprünglichen Steuerschuldners nicht erfolgt ist, vertritt aber die Auffassung, daß die Abtretung aus der Begründung des Bürgschaftsverhältnisses herzuleiten ist. Soweit die Bfin. hiermit meint, die Begründung des Bürgschaftsverhältnisses schließe die Abtretung eines etwaigen künftigen Herauszahlungsanspruch von selbst (ipso jure) in sich, so findet diese Auffassung nirgends eine Stütze. Soweit dagegen die Bfin. der Ansicht ist, die auf die übernahme der Bürgschaft gerichteten Vereinbarungen zwischen dem Steuerschuldner und dem Bürgen enthielten auch ohne diesbezügliche Abrede die stillschweigende vorweggenommene Abtretung eines etwaigen Herauszahlungsanspruchs, so legt die Bfin. den Beteiligten Gedanken unter, die diese bei dem bloßen Tatbestand der Bürgschaftsübernahme nicht gehabt haben können.
Weiterhin macht die Bfin. geltend, durch den Bürgschaftsübernahmevertrag mit dem Fiskus sei sie zu diesem in eine unmittelbare Rechtsbeziehung getreten und habe den Steuerbetrag auf Grund ihrer vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Fiskus gezahlt; deshalb müsse auch der Erstattungsanspruch ihr zustehen. Hierzu ist auf die oben erwähnte Rechtsprechung Bezug zu nehmen. Dort ist darauf hingewiesen, daß hinsichtlich der Person des Erstattungsgläubigers eine gesetzliche Regelung nicht getroffen ist, und ausgeführt, daß der Finanzbehörde eine Prüfung der privatrechtlichen Beziehungen zwischen dem Steuerschuldner und dem Bürgen, der durch die Zahlung des Steuerbetrages z. B. eine eigene Schuld an den Steuerschuldner getilgt haben kann, nicht zugemutet werden könne. Wenn hiergegen geltend gemacht wird, die Entscheidung über die Anspruchsberechtigung dürfe nicht auf rein praktische, die fiskalischen Interessen in den Vordergrund hebende Erwägungen abgestellt werden, so ist der Senat der Auffassung, es sei nicht Aufgabe der Steuergerichte, über die privatrechtlichen Beziehungen der Beteiligten untereinander zu entscheiden.
Das Finanzgericht hat bereits zutreffend ausgeführt, daß § 774 Abs. 1 Satz 1 BGB einen übergang des Erstattungsanspruchs von dem Steuerschuldner auf die Bfin. nicht hat begründen können. Nach dieser Vorschrift geht, soweit der Bürge den Gläubiger befriedigt, die Forderung des Gläubigers gegen den Hauptschuldner auf den Bürgen über. Der Erstattungsanspruch stand aber umgekehrt dem Hauptschuldner gegen den Gläubiger zu. Auch auf § 401 Abs. 1 BGB beruft sich die Bfin. zu Unrecht; denn diese Bestimmung behandelt nur den übergang der zugunsten des Gläubigers bestehenden Sicherungen im Falle der Abtretung.
Angesichts dieser Regelung können auch die Ausführungen der Bfin., sie habe mit der Aufhebung des ursprünglichen Vertrages den Regreßanspruch aus § 774 BGB verloren, zu keinem anderen Ergebnis führen. Dabei steht sogar noch dahin, ob dieser Verlust überhaupt eingetreten ist; denn es wird auch der den ursprünglichen Vertrag betreffende Steuerbescheid durch die Aufhebung des Vertrages nicht berührt. Der Auffassung der Bfin., § 774 BGB müsse erweitert dahin ausgelegt werden, daß der Erstattungsanspruch an Stelle des Steueranspruchs auf den Bürgen übergehe, vermag der Senat nicht zu folgen.
Den Umstand, daß § 17 Abs. 1 GrEStG mit Rücksicht auf die Rückgängigmachung des ursprünglichen Erwerbsvorgangs einen (den Steuerbescheid nicht berührenden) besonderen Erstattungsanspruch gewährt, werten die Beteiligten verschieden. Das Finanzamt weist darauf hin, die nachträgliche Entstehung des Erstattungsanspruchs sei weder auf das Tätigwerden der Bfin. als Bürgin noch auf ihr sonstiges Verhalten zurückzuführen, der Erstattungsanspruch habe sich vielmehr lediglich daraus ergeben, daß der Steuerschuldner mit den Vertragsbeteiligten die Aufhebung des ursprünglichen Vertrages vereinbart habe, und folgert daraus, der Erstattungsanspruch könne nur dem Steuerschuldner zustehen. Demgegenüber will die Bfin. den Erstattungsanspruch für ihre Person unmittelbar aus § 17 GrEStG herleiten. Dazu ist zu sagen, daß die für die Anspruchsberechtigung des Steuerschuldners (Haftenden, Abtretungsempfängers) allgemein bestehenden Gründe auch für den Sonderfall des § 17 Abs. 1 GrEStG gelten.
Das Finanzgericht hat bereits mit Recht darauf hingewiesen, daß die Bfin., sofern ihr ein Erstattungsanspruch nicht zusteht, auch nicht mit dem Einwand der Unzulässigkeit der Aufrechnung gehört werden kann.
Allgemein trug die Bfin. in der mündlichen Verhandlung noch vor, sie stütze ihre Rb. nicht so sehr auf juristische Gründe als auf das Gefühl erlittenen Unrechts, das sie dadurch empfindet, daß der von ihr gezahlte Betrag nicht auch ihr wieder zugute kommt und daß sie, die für die Grunderwerbsteuer Bürgschaft geleistet habe, letzten Endes die Steuerschuld des Hauptschuldners getilgt habe. Dazu sei bemerkt, daß die gesetzlichen Vorschriften, die für den Streitfall maßgebend sind, nicht beiseite geschoben werden können.
Hiernach erwies sich die Rb. als unbegründet.
Fundstellen
Haufe-Index 408367 |
BStBl III 1956, 46 |
BFHE 1956, 122 |
BFHE 62, 122 |
StRK, GrEStG:17 R 6 |