Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Ficht ein Arbeitgeber einen gegen ihn gerichteten Lohnsteuerhaftungsbescheid des Finanzamts mit Erfolg an, so steht ihm grundsätzlich der Erstattungsanspruch aus § 151 AO zu. Dieser Anspruch geht einem etwaigen Erstattungsanspruch des Arbeitnehmers aus § 152 Abs. 2 Ziff. 1 AO vor.
Normenkette
EStG § 38 Abs. 3; LStDV § 46; AO §§ 151, 152 Abs. 1, 2 Nr. 1
Tatbestand
B war in den Jahren 1940 bis 1957 als angestellter Geschäftsführer bei der Bfin., einer eGmbH, tätig. Auf Grund einer Lohnsteueraußenprüfung forderte das Finanzamt für die Jahre 1952 bis 1957 von der Bfin. an Lohnsteuer, Kirchensteuer und Abgabe "Notopfer Berlin" insgesamt 5.410,75 DM nach. Die Bfin. bezahlte die Steuern, focht aber den gegen sie gerichteten Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung rechtzeitig an mit dem Antrag, ihr die gezahlte Lohnsteuer, die zu Unrecht erhoben worden sei, zu erstatten.
Im Berufungsverfahren setzte das Finanzgericht die Haftungssumme herab. Es entschied, daß in Höhe von 3.947,75 DM die Lohnsteuer zu Unrecht erhoben worden sei, verfügte jedoch die Erstattung dieses Betrages an B.
Mit der Rb. wendet sich die Bfin. vor allem dagegen, daß das Finanzgericht den B als Erstattungsberechtigten betrachte und verlangt weiterhin die Erstattung an sich.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
In dem amtlich nicht veröffentlichten Urteil VI 325/61 vom 6. Juli 1962 in Sachen des B hat der Senat bereits entschieden, daß auch die jetzt noch streitige Mehrsteuer zu Unrecht erhoben worden sei. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird Bezug genommen. Die Entscheidung des Finanzgerichts, die Einspruchsentscheidung des Finanzamts und der Haftungsbescheid des Finanzamts waren deshalb aufzuheben. Das Finanzamt muß den zu erstattenden Betrag unter Berücksichtigung der Grundsätze der Entscheidung VI 325/61 und der aufgehobenen Entscheidung des Finanzgerichts anderweit berechnen.
Zu der Streitfrage, ob die Bfin. oder B dem Finanzamt gegenüber erstattungsberechtigt sei, nimmt der Senat wie folgt Stellung: Sowohl die Bfin. wie auch B verlangen vom Finanzamt die Erstattung der bezahlten Steuer an sich. Das Finanzgericht hat angenommen, der Erstattungsanspruch stehe dem B gemäß § 152 Abs. 2 Ziff. 1 AO zu, weil die Bfin. die auf Grund des Haftungsbescheids vom Finanzamt geforderte Steuer für Rechnung des B gezahlt habe. Die Bfin. hat, wie die Akten vermuten lassen, für einen Teil der an das Finanzamt gezahlten Steuer von B Ersatz erhalten, so daß insoweit die Voraussetzungen des § 152 Abs. 2 Ziff. 1 AO als erfüllt angesehen werden können. Auf der anderen Seite war der Haftungsbescheid des Finanzamts gegen die Bfin. gerichtet. Von der Möglichkeit, daß B in das gegen die Bfin. gerichtete Haftungsverfahren gemäß den Grundsätzen des Urteils des Bundesfinanzhofs IV 347/50 S vom 9. Februar 1951 (BStBl 1951 III S. 73, Slg. Bd. 55 S. 192) eintrat, haben die Beteiligten keinen Gebrauch gemacht. Soweit die Bfin., gegen die also der Haftungsbescheid allein gerichtet war, im Rechtsmittelweg die Aufhebung des Haftungsbescheids erreicht hat, sind in ihrer Person die Voraussetzungen des § 151 AO erfüllt, wonach das Finanzamt eine Steuer zu erstatten hat, die nach Aufhebung des zugrunde liegenden Steuerbescheids zu Unrecht gezahlt ist.
Es ist dem Finanzgericht zuzugeben, daß nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs in aller Regel derjenige, für dessen Rechnung eine Steuer gezahlt ist, auch der Erstattungsberechtigte ist (siehe Zusammenstellung der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des Bundesfinanzhofs bei Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Erstattung von Lohnsteuer" unter 3). Hat also ein Arbeitgeber im Lohnsteuer-Haftungsverfahren die nachgeforderte Lohnsteuer für einen Arbeitnehmer an das Finanzamt abgeführt und kann er die zugrunde liegende Steuerfestsetzung wegen Ablaufs der Rechtsmittelfrist nicht mehr anfechten, so steht im allgemeinen nur dem Arbeitnehmer der Erstattungsanspruch aus § 152 Abs. 2 Ziff. 1 AO zu. Anders kann es auf Grund von § 152 Abs. 1 AO nur liegen, wenn offensichtlich der Arbeitgeber die Lohnsteuer nicht "für Rechnung" des Arbeitnehmers abgeführt hat, z. B. weil er sie versehentlich doppelt entrichtet oder sie bis zur Abwicklung des Haftungsverfahrens erkennbar nur vorläufig aus seiner Tasche verauslagt hat, ohne vom Arbeitnehmer Ersatz der Steuer zu verlangen. Der Sinn dieser Rechtsprechung ist, zu vermeiden, daß die Finanzämter in die oft schwer durchschaubaren und dem Arbeitsrecht angehörenden Beziehungen und Abrechnungen zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer eindringen müssen. In solchen Fällen bleibt es dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer überlassen, die bürgerlich-rechtliche Frage, wer im Innenverhältnis zwischen ihnen die Lohnsteuer getragen hat oder tragen muß, notfalls vor den Zivilgerichten zu klären.
Hat der Arbeitgeber aber einen gegen ihn gerichteten Haftungsbescheid des Finanzamts angefochten und ganz oder teilweise dessen Aufhebung erreicht, so ist es gerechtfertigt, grundsätzlich ihm den Erstattungsanspruch aus § 151 AO zu geben, ohne zu prüfen, ob und in welchem Umfang er etwa vom Arbeitnehmer für die auf Grund des Haftungsbescheids gezahlte Steuer Ersatz erhalten hat. Dafür sprechen der erwähnte Vereinfachungszweck und die Erwägung, daß, wer auf Grund eines Titels etwas geleistet hat, die Rückgewähr des Geleisteten verlangen kann, wenn er die Aufhebung des Titels erreicht. Dazu kommt die folgende überlegung: Ein Arbeitgeber selbst wird in aller Regel einen gegen ihn gerichteten Haftungsbescheid mit einem Rechtsmittel nur angreifen, wenn und solange er vom Arbeitnehmer noch keinen Ersatz für die an das Finanzamt gezahlte Lohnsteuer erhalten hat. Denn wenn und soweit er Ersatz vom Arbeitnehmer erhalten hat, ist er befriedigt und hat an der Durchführung des Rechtsmittels und der Erstattung kein Interesse. Auf der anderen Seite wird ein Arbeitnehmer, von dem der Arbeitgeber Ersatz für die vom Finanzamt nachgeforderte Lohnsteuer erhalten hat oder verlangt, der aber die Nachforderung des Finanzamts für nicht berechtigt hält, in das gegen seinen Arbeitgeber gerichtete Haftungsverfahren eintreten und im eigenen Interesse die Aufhebung des Haftungsbescheids zu erreichen suchen. Hat er damit Erfolg, so steht ihm der Erstattungsanspruch aus § 151 AO zu.
Nach diesen Rechtsgrundsätzen steht der Bfin. der Erstattungsanspruch aus § 151 AO zu. Sie hat den Haftungsbescheid mit Erfolg angefochten. B ist in dieses Verfahren nicht eingetreten. Die Zahlung der Bfin. ist, soweit der Haftungsbescheid aufgehoben worden ist, zu Unrecht geleistet worden. Das Finanzamt hat deshalb die zu Unrecht gezahlte Steuer an die Bfin. zu erstatten, sofern nicht die Beteiligten sich damit einverstanden erklären, daß der gezahlte Betrag ganz oder teilweise an B erstattet wird. Wenn B glaubt, daß im Innenverhältnis zur Bfin. ihm der Erstattungsbetrag gebühre, muß er notfalls seinen Anspruch gegen die Bfin. vor den Zivilgerichten geltend machen.
Fundstellen
Haufe-Index 410762 |
BStBl III 1963, 226 |
BFHE 1963, 624 |
BFHE 76, 624 |