Entscheidungsstichwort (Thema)
Zinsaufwendungen bei negativem Kapitalkonto betrieblich veranlaßt?
Leitsatz (NV)
1. Zinsaufwendungen sind Betriebsausgaben, wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt war und deshalb zum Betriebsvermögen gehört.
2. Die Zugehörigkeit einer Darlehensverbindlichkeit zum Betriebsvermögen richtet sich danach, ob mit den Darlehensmitteln betrieblich veranlaßte Aufwendungen getätigt wurden. Der für die Zuordnung einer Schuld zum Betriebsvermögen maßgebende Verwendungszweck der Kreditmittel wird nicht dadurch beeinflußt, daß das Kapitalkonto negativ ist.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Sie wurden für die Streitjahre 1977 bis 1979 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger betreibt seit . . . eine . . . Seinen Gewinn ermittelt er gemäß § 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch Vermögensvergleich (Bilanzstichtag: letzter Tag des Monats Februar). In den Streitjahren erzielte er Gewinne zwischen rd. . . . DM und rd. . . . DM. Das in den Bilanzen ausgewiesene Kapitalkonto war an den Bilanzstichtagen stets negativ.
In seinen Gewinn- und Verlustrechnungen für die im Streit befindlichen Wirtschaftsjahre wies der Kläger Kreditkosten aus.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte nach einer Betriebsprüfung die geltend gemachten Kreditkosten bis auf einen jährlichen Betrag von 3 000 DM nicht als Betriebsausgaben an. Der durch ,,Überentnahmen" entstandene Kreditbedarf müsse als privat veranlaßt beurteilt werden. Die hieraus erwachsenen Kreditkosten, die im Streitfall zutreffend in der vom Prüfer angenommenen Höhe geschätzt worden seien, könnten demgemäß nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts - FG - (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 549) hat das FA die streitigen Kreditkosten zu Recht nicht als Betriebsausgaben anerkannt. Betriebsausgaben seien Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt seien. Dazu gehörten auch Zinsen und sonstige Kreditkosten, wenn die Verbindlichkeiten, für die sie zu zahlen seien, betrieblich veranlaßt seien. Im Streitfall sei zwar nicht festgestellt, auf welche der in den jeweiligen Bilanzen ausgewiesenen Verbindlichkeiten die strittigen Kreditkosten entfielen und für welche Zwecke diese Verbindlichkeiten aufgenommen worden seien. Einer solchen Feststellung bedürfe es hier jedoch nicht. Denn für den Abzug der strittigen Kreditkosten komme es nicht auf den Charakter der diesen Kosten im einzelnen zuzuordnenden Verbindlichkeiten an. Der Kläger habe Privatentnahmen (§ 4 Abs. 1 Satz 2 EStG) in einer Höhe vorgenommen, die den jeweiligen Gewinn der Wirtschaftsjahre überstiegen habe. Ein durch derartige Entnahmen verursachter Kapitalbedarf des Betriebs sei privat und nicht betrieblich veranlaßt. Die hierfür entstandenen Kreditkosten könnten deshalb nicht als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
Mit der - vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen - Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Frage, in welchem Umfang die von den Klägern geltend gemachten Zinsaufwendungen als Betriebsausgaben abgezogen werden können, läßt sich noch nicht abschließend beurteilen, da es hierzu noch einer weiteren Sachaufklärung durch das FG bedarf.
1. Zinsaufwendungen sind Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlaßt ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Die Zugehörigkeit einer Verbindlichkeit zum Betriebsvermögen richtet sich danach, ob mit den Darlehensmitteln betrieblich veranlaßte Aufwendungen getätigt wurden. Werden Darlehensmittel dagegen nur teilweise für betriebliche Zwecke, teilweise aber für außerbetriebliche Zwecke verwendet, so darf die Darlehensverbindlichkeit nur in dem der Verwendung des Darlehens für betriebliche Zwecke entsprechenden Umfang als Betriebsvermögen behandelt werden (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817).
Aus dem Umstand, daß für die Zuordnung von Schulden und Schuldzinsen ausschließlich der tatsächliche Verwendungszweck eines Kredits maßgebend ist, ergibt sich weiter, daß es unbeachtlich ist, ob der Steuerpflichtige mit Darlehen finanzierte Aufwendungen durch eigene Mittel hätte bestreiten können oder ob der Betrieb über aktives Betriebsvermögen oder stille Reserven verfügt, die zur Deckung von Betriebsschulden herangezogen werden können (BFH-Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817; Urteil vom 23. Juni 1983 IV R 192/80, BFHE 139, 50, BStBl II 1983, 725; Beschluß vom 23. Juli 1986 I B 25/86, BFHE 147, 416, BStBl II 1987, 328). Demgemäß ist die betriebliche Veranlassung von Schuldzinsen unabhängig davon zu beurteilen, ob das Kapitalkonto des Steuerpflichtigen positiv oder negativ ist. Der für die Zuordnung einer Schuld zum Betriebsvermögen maßgebende Verwendungszweck der Kreditmittel wird demnach nicht dadurch beeinflußt, daß das Kapitalkonto des Betriebsinhabers negativ ist.
2. Im Streitfall hat das FG den Abzug eines großen Teils der vom Kläger aufgewendeten Zinsen als Betriebsausgaben mit der Begründung versagt, die Kreditaufnahme sei erforderlich gewesen, weil der Kläger durch überhöhte Privatentnahmen eine betriebliche Überschuldung herbeigeführt habe. Diese Auffassung ist - wie sich aus den obigen Ausführungen ergibt - unzutreffend. Maßgebend für die Zuordnung der Verbindlichkeiten - und der hierdurch bedingten Einstufung der Zinsen - ist vielmehr allein die tatsächliche Verwendung der Darlehensbeträge. Hierzu wird das FG noch Feststellungen treffen müssen und danach entscheiden, in welchem Umfang die Kreditaufnahmen zu betrieblich oder außerbetrieblich veranlaßten Verbindlichkeiten geführt haben.
3. Dem FG wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen (§ 143 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG entscheidet auch über den Antrag, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären (vgl. BFH-Beschl. vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56).
Fundstellen
Haufe-Index 417696 |
BFH/NV 1991, 809 |