Leitsatz (amtlich)
Vermietet oder verpachtet der Nießbraucher das ihm zur Nutzung überlassene Wirtschaftsgut an eine Personengesellschaft, an der er selbst als Gesellschafter beteiligt ist, werden ihm die Erträge des Nießbrauchsrechts als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugerechnet.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2, § 21
Tatbestand
Die Revisionsklägerin ist Kommanditistin einer KG. Ihre mit 50 000 DM bewertete Sacheinlage bestand aus der Einzelfirma ihres am 13. Oktober 1962 verstorbenen Ehemannes, dessen Erben die Revisionsklägerin zu 1/2 und ihre vier damals noch minderjährigen Kinder zu je 1/8 sind. Die Revisionsklägerin ist zugleich Testamentsvollstreckerin und an den Miterbenanteilen ihrer Kinder nießbrauchsberechtigt. Zum Betriebsvermögen der Einzelfirma gehörte ein Grundstück, das im Eigentum des Erblassers stand und nunmehr von der Erbengemeinschaft an die KG verpachtet ist. Diese behandelte den von ihr zu zahlenden Pachtzins in Höhe von jährlich 18 000 DM als Betriebsausgabe, führte jedoch den Miteigentumsanteil der Revisionsklägerin an dem Grundstück in einer Zusatzbilanz als notwendiges Betriebsvermögen und rechnete die Hälfte des Pachtzinses (gekürzt um die anteiligen Unkosten) ihrem Gewinn wieder hinzu; die Hinzurechnung erhöhte allein den Gewinnanteil der Revisionsklägerin. Während die Revisionsklägerin die andere Hälfte der Mieteinnahmen (gekürzt um die anteiligen Aufwendungen) aufgrund ihres Nießbrauchsrechts als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ansah, sah der Revisionsbeklagte (das FA) sie als (ebenfalls) Einkünfte der Revisionsklägerin aus Gewerbebetrieb an. Demgemäß stellte das FA (unter Berücksichtigung einer entsprechenden Gewerbesteuerrückstellung) mit Bescheiden vom 12. Juni 1967 den Gewinn der KG für die Veranlagungszeiträume 1964 und 1965 einheitlich und den Anteil der Revisionsklägerin gesondert fest.
Die Einsprüche und die Klagen der KG und der Revisionsklägerin blieben ohne Erfolg. Gegen die Entscheidung des FG richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Revisionsklägerin mit dem Antrag, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung die Gewinne nach Maßgabe der abgegebenen Erklärungen einheitlich und gesondert festzustellen. Zur Begründung läßt sie vortragen:
Die von der KG zu entrichtende Pacht fließe der Revisionsklägerin zwar zur Hälfte aufgrund eines testamentarisch verfügten Nießbrauchsrechts zu. Die Verpachtung des Grundstücks habe sie jedoch nicht in ihrer Eigenschaft als Nießbraucherin, sondern als Testamentsvollstreckerin vorgenommen. Sie habe auch nicht - wie das FG annehme - die ihrem Nießbrauchsrecht unterliegenden Rechte an den Miterbenanteilen an die KG übertragen. Schließlich habe sie auch als Nießbraucherin nicht über das Grundstück - wie überhaupt über einzelne zum Nachlaß gehörende Gegenstände - verfügen können. Es müsse daher bei den in den Urteilen des BFH VI 79/55 U vom 15. November 1957 (BFH 66, 262, BStBl III 1958, 103) und VI 5/61 vom 21. Juli 1961 (StRK, Reichsabgabenordnung, § 215, Rechtsspruch 36) herausgestellten, vom FG beiseite geschobenen Grundsätzen verbleiben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Revisionsklägerin sei zwar zunächst als Testamentsvollstreckerin zur Verfügung über einzelne zum Nachlaß gehörende Gegenstände berechtigt gewesen (§ 2205 BGB). Nachdem sie jedoch der testamentarischen Anordnung des Erblassers gemäß (§ 2203 BGB) sich - als der Mutter der Miterben, ihrer Kinder - den Nießbrauch an den Miterbenanteilen bestellt habe, sei ihr Verfügungsrecht als Testamentsvollstreckerin eingeschränkt gewesen und sie nunmehr als Nießbraucherin zum Besitz an den Miterbenanteilen berechtigt gewesen. Aufgrund dieses Besitzrechts habe sie das Grundstück verpachten können und verpachtet.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Hinterläßt - wie im Streitfalle - der Erblasser mehrere Erben, so wird der Nachlaß gemeinschaftliches Vermögen der Erben; bis zur Auseinandersetzung gelten die Vorschriften der §§ 2033 bis 2041 BGB (§ 2032 BGB). Nach diesen Vorschriften kann kein Miterbe über seinen Anteil an den einzelnen Nachlaßgegenständen verfügen; die Verfügung über einen Nachlaßgegenstand steht den Erben nur gemeinschaftlich zu.
a) Ist - wie zwischen den Beteiligten unstreitig - durch letztwillige Verfügung des Erblassers eine Testamentsvollstreckung angeordnet worden, so hat der Testamentsvollstrecker - hier die Revisionsklägerin - die letztwilligen Verfügungen des Erblassers zur Ausführung zu bringen (§ 2203 BGB). Er hat - grundsätzlich - bis zur Auseinandersetzung den Nachlaß zu verwalten (§ 2205 BGB). Die Revisionsklägerin konnte danach in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin das zum Nachlaß gehörende Grundstück an die KG verpachten. Daß es als Folge der Verpachtung in Höhe des Miterbenanteils der Revisionsklägerin der KG als notwendiges Betriebsvermögen zuzurechnen war, folgt aus der Stellung der Revisionsklägerin als Kommanditistin der KG (§ 15 Nr. 2 EStG, § 11 Nr. 5 StAnpG).
b) Die Revisionsklägerin konnte indes das Grundstück hier auch noch in anderer Eigenschaft als in der der Testamentsvollstreckerin verpachten, nämlich aufgrund des ihr an den Miterbenanteilen ihrer Kinder zustehenden Nießbrauchsrechts, das sie in Erfüllung ihrer Pflichten als Testamentsvollstreckerin sich selbst alsbald zu bestellen hatte und bestellt hat. Dabei kann die Frage nach der zutreffenden Bestellung des Nießbrauchsrechts an den Miterbenanteilen (durch einen Pfleger der damals noch minderjährigen Kinder) dahinstehen (§ 5 Abs. 3 StAnpG); dasselbe gilt im Hinblick auf § 181 BGB (Verbot von In-sich-Geschäften). Das tatsächliche Handeln der Revisionsklägerin entspricht insoweit der letztwilligen Verfügung des Erblassers und verstößt auch nicht gegen das Gebot ordnungsmäßiger Verwaltung des Nachlasses.
c) Gegenstand des Nießbrauchs kann auch ein Recht sein (§ 1068 Abs. 1 BGB), sofern es unmittelbar oder mittelbar Nutzungen gewähren kann; das gilt auch für den Nießbrauch am Erbteil (Urteil des RG IV 126/36 vom 30. Oktober 1936, Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Bd. 153 S. 29). Das Nießbrauchsrecht verleiht keine weitergehenden Rechte als die Nutzung des Rechts, an dem es bestellt ist. Ist dieses Recht - wie im Streitfalle - jedoch das Recht des Erben am ungeteilten Nachlaß (§ 1089 BGB), so kann aus dem Nießbrauchsrecht gleichwohl ein Recht auf Verwaltung und damit auf Verpachtung der einzelnen Nachlaßgegenstände abgeleitet werden (§§ 1066, 744 BGB; Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 1089 Anm. 4a).
Der Umstand, daß der Nießbraucher die Nutzungen kraft eigenen Rechts unmittelbar aus der ihm zur Nutzung überlassenen Einkommensquelle erwirbt (BFH-Urteile VI 79/55 U und VI 5/61, a. a. O.), kennzeichnet die Erträge im Falle der Vermietung oder Verpachtung eines Grundstücks als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Überläßt er jedoch das Grundstück einer Personengesellschaft, an der er selbst als Gesellschafter beteiligt ist, sind sie ihm gemäß § 15 Nr. 2 EStG als gewerbliche Einkünfte zuzurechnen (BFH-Urteil IV 389/62 vom 14. Juli 1966, BFH 86, 729, BStBl III 1966, 641, für den Fall der Anmietung des der Gesellschaft überlassenen Wirtschaftsguts durch den Gesellschafter).
Danach waren der Revisionsklägerin als Kommanditistin der KG die aus der Nutzung der Miterbenanteile ihrer Kinder zufließenden Teile des Pachtzinses als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zuzurechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 412990 |
BStBl II 1972, 174 |
BFHE 1972, 465 |