Leitsatz (amtlich)
Hat eine OHG für einen zum Betriebsvermögen gehörenden PKW eine Insassenunfallversicherung abgeschlossen und ist ein Teil der Kraftfahrzeugkosten wegen privater Nutzung als Entnahme behandelt worden, so gehört der Anspruch auf die Versicherungssumme nicht zum Betriebsvermögen, wenn er dadurch ausgelöst wird, daß die Gesellschafter auf einer Privatfahrt einen Unfall erleiden.
Normenkette
EStG 1965 §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung 1966 für die ehemalige X-OHG (OHG), ob der Anspruch auf die Versicherungssumme einer Insassenunfallversicherung eines PKW zum Betriebsvermögen gehört.
Gesellschafter der OHG waren H und S. Die OHG schaffte im Streitjahr einen PKW an, der betrieblich genutzt wurde. Sie schloß als Versicherungsnehmerin am 22. November 1966 für den PKW eine Haftpflicht-, Kasko- und Insassenunfallversicherung ab. Der gemeinsame Versicherungsschein für alle drei Versicherungsarten wurde am 1. Dezember 1966 ausgefertigt. Der OHG standen nach den allgemeinen Bedingungen für die Kraftverkehrsversicherung die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zu. Bei der Insassenunfallversicherung waren die jeweiligen Insassen des PKW mit einer Versicherungssumme von 20 000 DM versichert; bei zwei oder mehr Insassen erhöhte sich die Versicherungssumme um 50 v. H.
Am 8. Dezember 1966 - noch vor Zahlung der ersten Versicherungsprämie - verunglückten beide Gesellschafter tödlich mit dem versicherten Fahrzeug. Seit diesem Zeitpunkt wird das Unternehmen von den Klägerinnen und Revisionsklägerinnen (Klägerinnen), den Erben des H, in der Rechtsform einer KG fortgeführt. Die beigeladenen Erben der früheren Gesellschafterin S "erklärten sich durch Vergleich mit einer Abfindung in Höhe von 10 000 DM für alle Rechte an dem Unternehmen einverstanden".
Der Versicherungsbeitrag wurde am 12. Dezember 1966 bar gezahlt und am 13. Dezember 1966 im Kassenbuch als Ausgabe eingetragen. Später buchten die Klägerinnen den auf die Insassenunfallversicherung entfallenden Prämienanteil von 23,60 DM als Privatentnahme. Die Versicherungssumme hierfür in Höhe von 30 000 DM überwies die Versicherung am 6. März 1967 auf ein Firmenkonto.
In der auf den Todestag (8. Dezember 1966) der verunglückten Gesellschafter aufgestellten Bilanz wurde die genannte Versicherungsforderung nicht ausgewiesen. Die Klägerinnen aktivierten den Versicherungsanspruch jedoch in ihrer Bilanz auf den 31. Dezember 1966. Dabei wurden 20 000 DM als Einlage und 10 000 DM als Verbindlichkeit gegenüber den Erben der S, den Beigeladenen, gebucht. Im Rahmen einer auch das Streitjahr betreffenden Betriebsprüfung sah der Prüfer die Forderung als betrieblich begründet an und aktivierte sie in der Bilanz auf den 8. Dezember 1966, so daß sich ein um 30 000 DM erhöhter Bilanzgewinn ergab. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) und erließ am 3. Dezember 1970 einen entsprechenden, den ursprünglichen Bescheid ersetzenden Gewinnfeststellungsbescheid.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Zur Begründung seiner Entscheidung führte das FG im wesentlichen aus: Der Anspruch aus der Insassenunfallversicherung sei auf den 8. Dezember 1966 als betriebliche Forderung zu aktivieren gewesen, da nach dem Inhalt des für die abgeschlossenen Versicherungen gemeinsamen Versicherungsscheins und nach dem zugehörigen Antrag die OHG Versicherungsnehmerin gewesen sei und ihr die Rechte aus dem Versicherungsvertrag zugestanden hätten. Es hätte nahegelegen, wenn die Gesellschafter die Versicherung dem privaten Bereich hätten zurechnen wollen, für die Unfallversicherung eine gesonderte auf ihren, der Gesellschafter, Namen lautende Versicherungspolice ausfertigen zu lassen. Auch mangele es an Buchungen vor Eintritt des Versicherungsfalles, aus denen hervorgehe, daß die Gesellschafter - entgegen dem Vertragsinhalt - die Insassenunfallversicherung nicht dem Betriebsvermögen hätten zurechnen wollen.
Mit der Revision machen die Klägerinnen im wesentlichen geltend, die Würdigung des FG widerspreche der Lebenserfahrung. In mehr als 99 v. H. der Fälle würden Kraftfahrzeugversicherungsverträge kombiniert für "Haftpflicht - Kasko - Unfall" abgeschlossen, so daß aus der Kombination im Streitfall nichts abzuleiten sei. Aus dem Umstand, daß keine Buchungen bezüglich der Versicherungsprämie vor dem Eintritt des Versicherungsfalles vorgenommen worden seien, dürften keine den Klägerinnen nachteiligen Folgerungen gezogen werden, da die Versicherungsprämie erst nach dem Versicherungsfall fällig geworden sei.
Die Klägerinnen beantragen, den vom FG als Betriebsvermögen behandelten Anspruch aus der Insassenunfallversicherung als Privatvermögen anzusehen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob der Unfall sich auf einer Betriebs- oder auf einer Privatfahrt ereignete. Darüber hat das FG keine Feststellungen getroffen.
1. Insassenunfallversicherungen für einen zu einem Betriebsvermögen gehörenden PKW bilden regelmäßig einen Betriebsvorgang, wenn die Versicherung im Rahmen des Betriebes abgeschlossen worden ist. Anders als bei der allgemeinen Unfallversicherung (zur betrieblichen Veranlassung bei solchen Versicherungen siehe Urteil des BFH vom 5. August 1965 IV 42/65 S, BFHE 83, 417, BStBl III 1965, 650) liegt durch die Verbindung mit dem zum Betriebsvermögen gehörenden PKW ein hinreichender betrieblicher Zusammenhang vor, um diese Versicherung als Betriebsvorgang ansehen zu können (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1971 IV R 132/66, BFHE 104, 71, BStBl II 1972, 277).
Ist die Versicherung als Betriebsvorgang behandelt worden und erleidet der Versicherungsnehmer auf einer Betriebsfahrt einen Unfall, so ist die Versicherungssumme Betriebseinnahme (BFH-Urteil IV R 132/66). Nicht entschieden ist bislang die Frage, ob die Versicherungssumme auch dann Betriebseinnahme ist, wenn eine dritte Person (nicht der Versicherungsnehmer) verletzt wird, oder wenn - wie im Streitfall - der Versicherungsnehmer auf einer Privatfahrt verletzt wird (offen gelassen in den BFH-Urteilen IV R 132/66, eine PKW-Insassenunfallversicherung betreffend, und vom 14. März 1972 VIII R 26/67, BFHE 105, 136, BStBl II 1972, 536, im Falle einer als Betriebsvorgang behandelten allgemeinen Unfallversicherung).
2. a) Im Streitfall hat das FG zutreffend angenommen, daß die Gesellschafter durch den unter der Firma der OHG vorgenommenen Abschluß der kombinierten Haftpflicht-, Kasko- und Insassenunfallversicherung für den zum Betriebsvermögen gehörenden PKW hinreichend deutlich gemacht haben, daß die Versicherung ein Betriebsvorgang sein solle. Es liegen keine Umstände vor, die dieser Würdigung entgegenstehen. Die Behandlung der Versicherungsprämie als privater Aufwand kann für die Beurteilung nicht mehr herangezogen werden, weil inzwischen der Versicherungsfall eingetreten war (vgl. insoweit BFH-Urteil IV R 132/66).
Auch der Umstand, auf den die Klägerinnen mit der Revision hinweisen, daß Insassenunfallversicherungen für PKW ganz überwiegend in Kombination mit Haftpflicht- und Kaskoversicherung abgeschlossen werden, läßt die den Ausführungen des FG zugrunde liegende Erwägung nicht als unzutreffend erscheinen, die Zusammenfassung der Unfallversicherung mit den betrieblich veranlaßten Haftpflicht- und Kaskoversicherungen in einem Vertrag weise auf die gewillkürte Einbeziehung auch der Unfallversicherung in den betrieblichen Bereich hin.
b) Die Vorentscheidung war aber aufzuheben, weil das FG keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob der den Anspruch auf die Versicherungssumme auslösende Unfall sich auf einer Betriebs- oder auf einer Privatfahrt ereignete.
Nach der Lebenserfahrung benützen Steuerpflichtige einen zum Betriebsvermögen gehörenden PKW auch privat. Über den Umfang des Privatanteils der PKW-Kosten kommt es oft zur Auseinandersetzung zwischen den Steuerpflichtigen und den FÄ. Zu diesen Kosten gehören auch die Versicherungsprämien für die Fahrzeuge einschließlich der Prämien für eine Insassenunfallversicherung, falls diese - wie im Streitfall - als betrieblicher Vorgang zu behandeln bzw. als solcher behandelt worden ist.
Kommt ein zu einem Betriebsvermögen gehörender PKW auf einer Privatfahrt zu Schaden, so sind die dadurch entstehenden Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abzugsfähig; eintretende Vermögenseinbußen dürfen den Gewinn nicht mindern (BFH-Urteil vom 28. Februar 1964 VI 180/63 S, BFHE 79, 602, BStBl III 1964, 453). Eine Aufteilung der auf einer Privatfahrt eingetretenen Unfallschäden im Verhältnis der betrieblichen und privaten Nutzungsanteile findet nicht statt, da Einfluß auf den Gewinn nur solche Vorgänge haben, die durch den Betrieb veranlaßt sind (BFH-Urteile vom 12. April 1956 IV 611/54 U, BFHE 62, 474, BStBl III 1956, 176; vom 17. Oktober 1973 VI R 395/70, BFHE 111, 59 [62], BStBl II 1974, 185).
Diese Grundsätze sind entsprechend heranzuziehen, wenn der Steuerpflichtige einen Unfall erleidet. Die Versicherungsansprüche aus der bezüglich des Fahrzeugs abgeschlossenen Insassenunfallversicherung gehören zum Betriebsvermögen, wenn der Versicherungsvertrag ein Betriebsvorgang ist und der Unfall sich auf einer Betriebsfahrt ereignet. Hat sich der Unfall bei einer Privatfahrt zugetragen, gehören die Versicherungsansprüche nicht zum Betriebsvermögen, auch wenn der Versicherungsvertrag als Betriebsvorgang behandelt worden ist (vgl. auch FG München, Urteil vom 30. September 1975 VII 47/71, EFG 1976, 118). Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall (vgl. Tz. 32 des das Streitjahr betreffenden Betriebsprüfungsberichts) - ein bestimmter Anteil der Kosten für die Unterhaltung des Fahrzeugs wegen privater Nutzung nicht als Betriebsausgabe, sondern als Entnahme behandelt worden ist.
Das FG wird bei seiner erneuten Entscheidung zu beachten haben, daß die Behandlung des Anspruchs aus der Insassenunfallversicherung - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - keine andere sein kann als die des Anspruchs aus der Kaskoversicherung und des durch den Unfall eingetretenen Wertverlustes des PKW.
Fundstellen
Haufe-Index 72672 |
BStBl II 1978, 212 |
BFHE 1978, 185 |
NJW 1978, 968 |