Leitsatz (amtlich)
1. Ob bei einer Schule der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag im Verhältnis der nach § 4 Nr. 21 UStG 1967 steuerfreien zu den anderen Leistungen aufzuteilen ist oder ob die Steuermeßbeträge nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital gesondert aufzuteilen sind, je nachdem, welchen Leistungen sie dienen, ist nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles zu entscheiden.
2. Leistungen, die sich auf die Unterbringung und Verpflegung von Schülern beziehen, dienen dem Schul- und Bildungszweck i. S. des § 4 Nr. 21 UStG 1967 im Regelfall nur mittelbar.
Normenkette
GewStG § 3 Nr. 13; UStG 1967 § 4 Nr. 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine Technikerschule, die auf den Beruf des staatlich geprüften Technikers vorbereitet, und ein Rehabilitationszentrum, dessen Aufgabe die berufliche und soziale Integration von Behinderten ist, die ihren erlernten Beruf nicht mehr ausüben können. Die zuständige Landesbehörde hat eine Bescheinigung gemäß § 4 Nr. 21 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1967 (UStG) erteilt. Etwa 30 v. H. des Gesamtumsatzes betreffen die Unterbringung, Verpflegung und medizinische Betreuung der Behinderten.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte bei der Umsatzsteuerveranlagung für das Streitjahr 1971 70,42 v. H. der Umsätze gemäß § 4 Nr. 21 UStG als steuerfrei und den Rest als steuerpflichtig. Entsprechend legte das FA der Berechnung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrages 1971 29,58 v. H. des erzielten Gewinnes der Dauerschulden des Grundbesitzes und des Einheitswertes zugrunde.
Mit dem Einspruch und der anschließenden Klage begehrte der Kläger die Aufhebung des Gewerbesteuermeßbescheids 1971. Die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung sei unabdingbarer Bestandteil der Rehabilitationsmaßnahmen. Den Schülern werde eine einheitliche Leistung angeboten, dazu sei er auch gegenüber den Kostenträgern verpflichtet. Er müsse sich auf die spezielle Behinderung jedes einzelnen einstellen und z. B. Spezialbetten und -stühle, medizinische Dienste und besondere Diätverpflegungen bereitstellen.
Im übrigen könne bei teilweiser Gewerbesteuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 13 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) nicht das Verhältnis des nach § 4 Nr. 21 UStG steuerfreien zu den steuerpflichtigen Umsätzen zugrunde gelegt werden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage
Mit der Revision rügt das FA Verletzung formellen und materiellen Rechts.
Das Gericht habe § 3 Nr. 13 GewStG falsch ausgelegt.
Das Gesetz über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 - RehabG - (BGBl I 1974, 1881) könne in diesem Zusammenhang nicht ausschlaggebend sein. Es sehe umfassende Maßnahmen für den Behinderten vor (§§ 1, 11 RehabG); von diesen Maßnahmen seien hier aber nur diejenigen zu berücksichtigen, die unmittelbar dem Schul- und Ausbildungszweck dienten. Daß die streitigen Leistungen üblich, nützlich oder gar notwendig seien, sage noch nichts über die Unmittelbarkeit aus. In diesem Sinne habe sich auch der Reichsfinanzhof (RFH) und Bundesfinanzhof (BFH) in verschiedenen Entscheidungen zu § 4 Nr. 15 Buchst. b UStG 1951 (BFH-Urteil vom 20. Dezember 1962 V 151/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1963 S. 315 - HFR 1963, 315 -) und § 4 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i. V. m. § 11 der Gemeinnützigkeitsverordnung (GemV) geäußert (z. B. RFH-Urteil vom 23. Juli 1938 VI a 92/37 RStBl 1938, 913). Bei den Behinderten handele es sich nicht um Pflegefälle, sondern um berufsunfähig gewordene Personen, die die einfachsten Verrichtungen des täglichen Lebens nicht mehr zu erlernen brauchten. Das FG habe im übrigen keine Feststellungen darüber getroffen, ob und ggf. inwieweit Behinderte tatsächlich in dieser Weise unterrichtet worden sind.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt wegen Verletzung von § 3 Nr. 13 GewStG zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Verfahrensrügen des FA greifen allerdings nicht durch. Die Entscheidung braucht insoweit nicht begründet zu werden (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlastG -).
2. Das FG hat jedoch § 3 Nr. 13 GewStG verletzt. Die festgestellten Tatsachen erlauben nicht den Schluß, daß der Betrieb des Klägers auch insofern unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dient, als die Schüler untergebracht, verpflegt und ärztlich betreut werden.
Private Schulen und andere allgemeinbildende oder berufsbildende Einrichtungen sind von der Gewerbesteuer befreit, wenn sie mit ihren Leistungen nach § 4 Nr. 21 UstG von der Umsatzsteuer befreit sind, soweit der Betrieb unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dient (§ 3 Nr. 13 GewStG). Diese Vorschrift ist für das Streitjahr 1971 erstmals anzuwenden (Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes GewStÄndG -).
Das FG ist mit den Beteiligten zu Recht davon ausgegangen, daß es sich bei den vom Kläger betriebenen Einrichtungen um einen Gewerbebetrieb i. S. des § 2 Abs. 1 GewStG handelt. Dabei ist entscheidend, daß ihr Gegenstand gleichartig ist, d. h. daß in allen Einrichtungen des Klägers beruflich geschult wird. Das gilt auch für das Rehabilitationszentrum; bereits die vom FG festgestellte Förderung durch die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) spricht dafür, daß dieses Zentrum wie die Technikerschule eine berufsbildende Einrichtung ist (vgl. Erlaß des Bundesministers der Finanzen - BdF - vom 16. Dezember 1969 IV A/4 S 7179 - 20/69, Umsatzsteuer-Rundschau 1970 S. 9 - UStR 1970, 9 -). Angesichts dessen ist es nicht entscheidend, ob und in welchem Umfang die Einrichtungen organisatorisch, wirtschaftlich und finanziell innerlich zusammenhingen (vgl. Beschluß des FG Berlin vom 17. September 1979 VI 296/79 rechtskräftig, Entscheidungen der Finanzgerichte 1980 S. 245 - EFG 1980, 245 -, mit Besprechung von Wihtol, Finanz-Rundschau 1981 S. 105).
Für die Entscheidung, ob und ggf. inwieweit die Leistungen des Klägers gemäß § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei sind, ist nicht maßgeblich, ob die Leistungen bei der Umsatzsteuerveranlagung als umsatzsteuerfreie Leistungen behandelt worden sind. Die Voraussetzungen des § 4 Nr. 21 UStG sind im Rahmen der Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags selbständig zu prüfen.
Um gemäß § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei zu sein, müssen die Leistungen der Einrichtungen des Klägers zunächst dem Schul- und Bildungszweck dienen. Das ist hier der Fall. Zweck der Technikerschule des Klägers ist nach den Feststellungen des FG die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten, die für die staatliche Prüfung zum Techniker und für die Ausübung des Technikerberufs erforderlich sein können. Auch das Rehabilitationszentrum hat den Zweck, Kenntnisse und Fähigkeiten für die Ausübung eines Berufs als Techniker zu vermitteln, und zwar unter Berücksichtigung der besonderen Situation der behinderten Schüler. Nach den Feststellungen des FG fördern oder verwirklichen die Leistungen des Klägers diesen Zweck.
Die Leistungen müssen dem Zweck aber auch unmittelbar dienen. Unmittelbar bedeutet "nicht mittelbar", d. h. ohne Zwischenstufe. Danach dient eine Leistung dem Schul- und Bildungszweck unmittelbar, wenn sie nicht eine weitere Leistung voraussetzt, damit dieser Zweck erfüllt oder gefördert wird. Die Leistung selbst muß den Zweck fördern oder verwirklichen (so zuletzt BFH-Urteil vom 4. Dezember 1980 V R 60/79, BFHE 132, 124, BStBl II 1981, 231; vgl. auch Weiß, UStR 1979, 187, 189). Dies kann nicht bereits dann bejaht werden, wenn die Leistung für die Erfüllung des Schulzwecks notwendig oder unerläßlich ist. Die Begriffe notwendig und unmittelbar meinen etwas Unterschiedliches. Eine Leistung kann notwendige Voraussetzung zur Erfüllung eines Zwecks sein, ohne daß sie ihm unmittelbar dient oder umgekehrt. So hat der BFH die Gemeinnützigkeit eines Hundesportvereins verneint, weil die mit der Ausbildung der Hunde notwendig verbundene körperliche Betätigung der Begleitpersonen nicht unmittelbar Zweck des Vereins war (Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 2/77, BFHE 127, 356, BStBl II 1979, 495). Andererseits muß eine Leistung, die dem Schulzweck unmittelbar dient, nicht unerläßlich in dem Sinne sein, daß die Verwirklichung des Zwecks vereitelt würde, wenn sie entfiele. So dienen Nebenfächer und allgemein die Einzelheiten des Unterrichtsstoffs zwar unmittelbar dem Schulzweck, sie sind aber für sich betrachtet nicht unerläßlich (vgl. dazu allgemein Padberg, UStR 1978, 201, 209).
Angesichts dessen mag die Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und ärztlicher Betreuung an Schüler den Schulzweck fördern oder ihn gar erst ermöglichen, im Regelfall dient sie ihm aber nicht unmittelbar. Das ist normalerweise nur hinsichtlich der Leistungen der Fall, die Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln, welche für die Prüfung bzw. die Berufstätigkeit, auf die die Schule vorbereitet, wesentlich oder förderlich sind.
Im Streitfall kann dies ausnahmsweise anders sein. Die Art und der Grad der Behinderung der in den Einrichtungen des Klägers untergebrachten Schüler kann zur Folge haben, daß die Berufsausbildung oder Umschulung das Erlernen einfachster Bewegungen und Verrichtungen des täglichen Lebens sowie von Verhaltensweisen in einer Gemeinschaft miteinschließt und die Unterrichtung sich über den ganzen Tag erstreckt. Soweit dies der Fall ist, kann die Unterbringung und Verpflegung selbst dem Unterrichtszweck dienen. Das wäre z. B. bei der Verpflegung auch dann der Fall, wenn zwar nicht die Nahrungsaufnahme aber die Bewegungen oder das Verhalten dabei Gegenstand der Unterrichtung sind. Nicht maßgeblich ist, ob der Gesundheitszustand des Schülers eine bestimmte Nahrung, z. B. Diät, erfordert. Entsprechendes gilt für die ärztliche Betreuung. Soweit sie z. B. in Anleitung und Unterrichtung besteht, die auf das Ausbildungsziel ausgerichtet ist, kann sie ihm unmittelbar dienen; soweit sie sich allgemein auf die Erhaltung der Gesundheit der Schüler beschränkt, wird sie ihm nur mittelbar dienen. Wenn das FG ausführt, zur Schulung der Behinderten gehöre die Anpassung an die Umwelt und deshalb müßten auch einfachste Verrichtungen gelehrt werden, so ist das eine Ansicht, die nicht in jedem Fall auf die Berufsausbildung Behinderter zutreffen muß. Das FG hat im Streitfall keine Feststellungen darüber getroffen, worin die Unterrichtsleistungen im einzelnen bestanden.
Auf die Feststellung dieser Umstände kann auch nicht deshalb verzichtet werden, weil die Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und ärztliche Betreuung als unselbständige Nebenleistung zu der Unterrichtsleistung des Klägers gesehen werden kann und deshalb wie diese nach § 4 Nr. 21 UStG steuerfrei ist. Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung setzt voraus, daß sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Dezember 1980 V B 24/80, BFHE 132, 147, BStBl II 1981, 197, mit weiteren Nachweisen). Die Unterkunfts- und Verpflegungsleistungen sind schon deshalb keine Nebenleistungen, weil sie im Streitfall nicht nebensächlich sind. Hinsichtlich der ärztlichen Betreuung ist dies nicht festgestellt. Ob durch sie ferner die Unterrichtsleistung ergänzt wird und ob sie bei der Unterrichtung Behinderter üblicherweise vorkommt, wird das FG ebenfalls festzustellen haben, falls es die ärztliche Betreuung nicht als Hauptleistung ansieht.
§ 3 Nr 13 GewStG fordert nicht, daß alle Leistungen der Privatschulen gemaß § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei sind. Ob zumindest alle die Leistungen, die dem Schul- und Bildungszweck dienen, nach § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei sein müssen (so Urteil des FG Hamburg vom 12. September 1975 II 129/74 rechtskräftig, EFG 1976, 147), kann hier offenbleiben, denn insoweit ist die Umsatzsteuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 21 UStG zu bejahen. Wenn die Schule darüber hinaus weitere Leistungen erbringt, die nicht nach § 4 Nr. 21 UStG umsatzsteuerfrei sind, hindert das eine teilweise Gewerbesteuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 13 GewStG nicht (vgl. Müthling/Fock/Neumann, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 3 Anm. 16, und Abschn. 34 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1978). Das FG wird ggf. zu entscheiden haben, ob es - wie das FA - den Gewerbesteuermeßbetrag im Verhältnis der nach § 4 Nr. 21 UStG steuerfreien zu den anderen Leistungen aufteilt oder aber schätzungsweise Gewerbeertrag und Gewerbekapital für den Teil des Gewerbebetriebes gesondert ermittelt, der nicht unmittelbar dem Schul- und Bildungszweck dient. Welche Aufteilungsmethode im Streitfall den Vorzug verdient, ist eine Tatfrage, die das FG zu beantworten hat. So wird die zuletzt genannte Schätzungsmethode nur dann richtig sein, wenn Kapital und Ertrag der Betätigung, die sich auf Unterbringung und Verpflegung (evtl. auch ärztliche Betreuung) erstreckt, einfach und ohne besondere Ermittlungen zugeordnet werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 413601 |
BStBl II 1981, 746 |
BFHE 1981, 557 |