Entscheidungsstichwort (Thema)
Missbräuchliche Zwischenschaltung ausländischer beschränkt steuerpflichtiger Kapitalgesellschaften durch eine Stiftung niederländischen Rechts
Leitsatz (NV)
Die Zwischenschaltung einer niederländischen Kapitalgesellschaft, die im Inland Grundbesitz vermietet und in diesem Zusammenhang eine eigenwirtschaftliche Funktion innehat, ist auch dann, wenn sie von ihrer niederländischen Gesellschafterin, einer Stiftung, fast ausschließlich mit Fremdkapital ausgestattet wird, nicht rechtsmissbräuchlich. Die Vermietungseinkünfte sind deshalb ihr und nicht gemäß § 42 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 der Gesellschafterin zuzurechnen (Abgrenzung vom Senatsurteil vom 27. August 1997 I R 8/97, BFHE 184, 329, BStBl II 1998, 163).
Normenkette
EStG § 49 Abs. 1 Nr. 6; KStG § 8 Abs. 1; AO 1977 § 42
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Stiftung niederländischen Rechts mit Sitz in den Niederlanden. Sie ist Rechtsnachfolgerin der Fonds A und der Fonds B, die auf die Klägerin im Jahre 1996 verschmolzen wurden.
Der Zweck der Klägerin ist darauf gerichtet, zugunsten der Mitglieder und der ehemaligen Mitglieder und deren Nachfolger Bezüge im Rahmen von Alters- und anderen Pensionen in Form von Geldleistungen zu gewährleisten. Zur Umsetzung des Stiftungszweckes erhält die Klägerin Beiträge von den Mitgliedern und von der X-N.V. Gleichermaßen verhielt es sich bei der Fonds A und der Fonds B.
Die Klägerin unterhält in Deutschland weder eine Betriebsstätte noch einen ständigen Vertreter. Sie wird von einem Vorstand vertreten, welcher zur Wahrnehmung bestimmter Aufgabenbereiche Direktoren bestellt, die regelmäßig Angestellte von X-Unternehmen sind. Die Direktoren sind teilweise zugleich Geschäftsführer von der Klägerin gegründeter Kapitalgesellschaften niederländischen Rechts in der Rechtsform der "besloten vennootschap" (B.V.), die in Deutschland und in den USA als Projektgesellschaften für einzelne Immobilienobjekte fungieren und zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben (Erwerb von Grundstücken sowie Errichtung von Gebäuden und deren anschließende Vermietung) von der Klägerin aus Eigenmitteln mit Darlehen ausgestattet werden bzw. zuvor von den Fonds A und B ausgestattet wurden. In Deutschland handelte es sich bei diesen Projektgesellschaften in den Streitjahren 1992 bis 1999 um die Beigeladenen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) sah in der Zwischenschaltung dieser Gesellschaften und deren gleichzeitiger Ausstattung mit Darlehensmitteln --unter Hinweis auf das Senatsurteil vom 27. August 1997 I R 8/97 (BFHE 184, 329, BStBl II 1998, 163)-- einen Gestaltungsmissbrauch gemäß § 42 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977). Ziel sei es, im wirtschaftlichen Ergebnis die beschränkte Steuerpflicht der Beigeladenen infolge der inländischen Vermietungstätigkeiten (§ 49 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes --EStG--, § 8 Abs. 1, § 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) leer laufen zu lassen, weil die aus den Darlehensverbindlichkeiten resultierenden Zinslasten bei den Beigeladenen Dauerverluste auslösten und dadurch keine inländischen Steuerlasten nach sich zögen. Das FA rechnete die von den Beigeladenen erwirtschafteten Einkünfte deswegen unmittelbar der Klägerin zu und erließ entsprechende Steuerbescheide.
Im Einzelnen liegen dem die folgenden Sachverhalte zugrunde:
1. Die Beigeladene zu 1 wurde 1988 mit einem Stammkapital von 100 000 hfl gegründet. Zur Finanzierung des Erwerbs eines Grundstücks und dessen anschließender Bebauung mit einem Geschäftsgebäude gewährte die Klägerin ihr im Jahre 1989 ein mit 7 v.H. p.a. verzinsliches Darlehen über 5,55 Mio. DM sowie ein mit 8 v.H. p.a. verzinsliches weiteres Darlehen über 34 Mio. DM mit Laufzeiten von zunächst jeweils 10 Jahren und Vereinbarung von Verlängerungsoptionen, von denen im Jahre 1999 auch Gebrauch gemacht wurde. Die Zinsen sollten halbjährlich nachträglich gezahlt werden. Die Darlehenstilgung sollte zum Nennwert in Jahresraten erfolgen. Im Falle des Zins- und Tilgungsverzuges aus wirtschaftlichen Gründen sollten die offenen Beträge die Restschuld erhöhen. Es wurde ein Kündigungsrecht mit einer Frist von drei Monaten vereinbart, wobei dieses von Seiten der Klägerin nur bei Verstößen der Beigeladenen gegen die Zahlungsverpflichtungen und sonstigen Pflichten und Auflagen des Vertrages oder bei Vermögensverfall ausgeübt werden konnte. Tatsächlich blieb die Beigeladene zu 1 hinter ihren Zahlungspflichten aus den Darlehensverträgen in den einzelnen Streitjahren zurück. Bis 1998 standen zu zahlenden Zinsen von aufgesummt 21 744 072 DM gezahlte Zinsen von 19 599 000 DM und rückständige Zinsen von 2 145 072 DM gegenüber. Ihre in dieser Zeit verfügbaren Barmittel beliefen sich auf aufgesummt 19 238 834 DM. Infolge ihrer Zinsverpflichtungen erwirtschaftete die Beigeladene zu 1 in den Streitjahren Verluste. Zwischenzeitlich --im Jahre 2000-- wurde die Immobilie zu einem Kaufpreis von 39,8 Mio. hfl veräußert.
2. Die Beigeladene zu 2 wurde 1985 ebenfalls mit einem Stammkapital von 100 000 hfl gegründet. Ihr wurde zum Erwerb und zur Bebauung von zwei Grundstücken von dem Fonds B ein mit 8 v.H. p.a. verzinsliches Darlehen über 43 Mio. DM gewährt, das beginnend am 31. Dezember 1986 halbjährlich getilgt werden sollte. Die Darlehensbedingungen entsprachen weitgehend jenen, die mit der Beigeladenen zu 1 vereinbart worden waren. Auch die Beigeladene zu 2 kam ihren vertraglichen Zahlungsverpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nur teilweise nach. Bei ihr betrug der Unterschuss in den Streitjahren aufgesummt 1 983 246 DM (bei zu zahlenden Zinsen von 22 373 246 DM, gezahlten Zinsen von 20 390 000 DM und verfügbaren Barmitteln von 20 333 971 DM). Auch die Beigeladene zu 2 erwirtschaftete in den Streitjahren ausschließlich Verluste. Auch sie veräußerte ihren Grundbesitz 2000 für 47,7 Mio. hfl.
Die gegen die Steuerbescheide gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster vom 12. Mai 2003 9 K 4810/00 K ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 1212 veröffentlicht.
Seine dagegen gerichtete Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben sich nicht geäußert und keine Anträge gestellt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Die Klägerin ist eine niederländische Kapitalgesellschaft. Sie verfügt im Inland weder über eine inländische Betriebsstätte noch über einen ständigen Vertreter (vgl. § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 KStG, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG) und ist im Inland bei isolierter Betrachtung nicht beschränkt steuerpflichtig. Der beschränkten Steuerpflicht unterliegen allerdings die beiden Beigeladenen mit ihren im Inland erzielten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG, vorausgesetzt, ihnen ist die Vermietungstätigkeit in den Streitjahren steuerlich zuzurechnen. Letzteres wird vom FA verneint, von der Klägerin und vom FG jedoch zu Recht bejaht.
a) Zwar hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 184, 329, BStBl II 1998, 163 für den dort zu beurteilenden Sachverhalt das Gegenteil angenommen (vgl. auch Senatsurteile vom 20. März 2002 I R 38/00, BFHE 198, 514, BStBl II 2002, 819; vom 23. Oktober 2002 I R 39/01, BFH/NV 2003, 289, zu einer funktionslosen Holdinggesellschaft). Jener Sachverhalt ist mit demjenigen, über den im Streitfall zu befinden ist, weitgehend vergleichbar. Auch dort ging es um die in eigenständige niederländische Projekt-Kapitalgesellschaften "ausgelagerte" Vermietungstätigkeit einer niederländischen Stiftung. Wie im Streitfall verfügten die dortigen Projektgesellschaften weder über Personal, ein Postfach noch eine Telefonnummer. Ihnen wurden gleichermaßen hohe, unbesicherte Darlehen eingeräumt. Die daraus erwachsenden Zinsbelastungen ließen sich teilweise nicht aus dem sog. cash flow aufbringen. Unter diesen Umständen beurteilte der Senat die Tätigkeit der vermietenden niederländischen Kapitalgesellschaften als eigenwirtschaftlich funktionslos. Ihre Einschaltung habe nur den ausschließlich steuerlichen Zwecken gedient, im Inland durch dauernde Verluste eine Ertragsbesteuerung der Vermietungstätigkeit auszuschließen. Deswegen sei die Vermietung des inländischen Grundbesitzes gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 steuerlich der Stiftung zuzurechnen.
b) Das FG ist von dieser Entscheidung ausgegangen. Es ist aber aufgrund der tatsächlichen Unterschiede des Streitfalles zu einem abweichenden Ergebnis gelangt. Diese Unterschiede erkennt das FG zum einen in dem wirtschaftlichen Hintergrund für die Auslagerung, die ausländischen Immobilienengagements der Klägerin organisatorisch zu verselbständigen, nicht zuletzt aufgrund der unterschiedlichen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen gesetzlichen Regelungen der jeweiligen Staaten und zudem, um haftungsrechtlichen Risiken zu begegnen. Dieses Strukturkonzept habe die Klägerin durchgängig bezogen auf ihre Auslandsengagements im Immobilienbereich verwirklicht, nicht nur bezogen auf die Beigeladenen. Zum anderen lasse sich diesen eine eigenwirtschaftliche Funktion nicht absprechen. Zwar habe sich eine Darlehenstilgung und eine Erwirtschaftung der Zinsen während der Darlehenslaufzeit aufgrund der getroffenen Vereinbarungen von vornherein nicht vollständig erreichen lassen. Die Verhältnisse seien jedoch nicht so gestaltet worden, dass von vornherein und auf Dauer die Zinsen nicht zu erwirtschaften gewesen wären, ein Ausgleich sei spätestens mit den Grundstücksveräußerungen ermöglicht worden. Unabhängig davon habe die Klägerin eine angemessene Rendite erwarten können. Das hingegebene Kapital sei durch den Wert der Immobilien gesichert gewesen, dessen Steigerung zu erwarten gewesen sei. Über einen späteren Veräußerungserlös hätte sich jedenfalls ein positives Ergebnis verwirklichen lassen. Überdies sei die Errichtung der jeweiligen Gebäude von den Beigeladenen, die über eine eigene Geschäftsführung verfügt hätten, in eigener Regie verwirklicht worden. Auch daran erweise sich ihre funktionale Eigenwirtschaftlichkeit.
Der Senat hat keine Veranlassung, diese tatsächliche Einschätzung der Vorinstanz in Frage zu stellen. Sie wird von den ihn bindenden (vgl. § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) tatrichterlichen Feststellungen getragen, verstößt nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und ist nicht in verfahrensrechtlich zu beanstandender Weise zustande gekommen. Die aufgezeigten Unterschiede zu jenem Sachverhalt, der dem Urteil in BFHE 184, 329, BStBl II 1998, 163 zugrunde lag, erweisen sich in entscheidungserheblicher Weise als tragfähig, um die Sachverhalte voneinander abweichend zu beurteilen. Das betrifft den Aspekt der generellen strukturellen Ausgliederung in eigenständige Projektgesellschaften innerhalb des P-Konzerns und des Konzernaufbaus ebenso wie den Umstand, dass die Beigeladenen bereits in der Errichtungsphase der vermieteten Gebäude und nicht erst ab Beginn der Vermietung eingeschaltet und tätig gewesen sind. Die Vermietungstätigkeit wurde von ihnen "aktiv" betrieben; sie haben dadurch eine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet und sind nicht funktionslos. In Anbetracht dessen tritt der Umstand, dass die Beigeladenen abgesehen von ihrer Geschäftsführung über kein Personal und auch über keine Büroräume verfügten, zurück. Entscheidend ist, dass sie über ihre Geschäftsführung in der Lage waren, die Vermietungsgeschäfte auszuüben.
Dass die Darlehen nach Lage der Dinge nicht ohne weiteres aus dem cash flow der Beigeladenen erwirtschaftet werden konnten, erzwingt jedenfalls unter den Umständen des Streitfalles kein anderes Ergebnis. Insbesondere lässt sich gegen die wertungsmäßige Einbeziehung der Veräußerungsgewinne schon deswegen nichts einwenden, weil solche nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG jedenfalls seit dem 1. Januar 1994 der beschränkten inländischen Steuerpflicht unterfallen. Entsprechende Veräußerungsgewinne unterstellt, konnte insoweit von diesem Zeitpunkt an über die "Auslagerung" der Immobiliengeschäfte kein steuerlicher Vorteil erreicht werden. Die Auslagerung erwies sich unter derartigen Umständen vielmehr als nachteilig, da von der Klägerin unmittelbar erzielte Veräußerungsgewinne in den Niederlanden nicht steuerpflichtig gewesen wären.
2. Ob auf Seiten der Beigeladenen verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) zugunsten der Klägerin vorliegen, weil die getroffenen Darlehensvereinbarungen nicht dem entsprechen, was unter fremden Dritten vereinbart worden wäre, kann im Streitfall dahinstehen. Solchen Fragen müsste im Rahmen der --im Streitfall noch offenen-- Besteuerungsverfahren gegenüber den Beigeladenen nachgegangen werden. Ebenso kann unentschieden bleiben, ob die Klägerin im Falle der steuerlichen Zurechnung der Vermietungstätigkeiten der Beigeladenen einer Pensionskasse gleichzustellen und infolgedessen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 KStG mit ihren inländischen Einkünften steuerbefreit wäre (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 14. Juli 2004 I R 94/02, BFHE 206, 350).
Fundstellen
Haufe-Index 1341763 |
BFH/NV 2005, 1016 |
DStRE 2005, 580 |
HFR 2005, 771 |