Leitsatz (amtlich)
Bei Steuerpflichtigen, die die erste Lehrerprüfung abgelegt haben und sich als Beamte auf Probe auf die zweite Lehrerprüfung vorbereiten, können die Aufwendungen hierfür Fortbildungskosten sein.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1; LStDV § 20 Abs. 2 Sätze 1-3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) hat am 4. März 1963 ihre erste Lehrerprüfung abgelegt. Im Streitjahr 1966 war sie an einer öffentlichen Schule als Beamtin auf Probe tätig und hat Dienstbezüge entsprechend den Vorschriften des Landesbesoldungsgesetzes erhalten. Am 2. März 1967 hat sie ihre zweite Lehrerprüfung bestanden und ist anschließend zur Beamtin auf Lebenszeit ernannt worden.
Das FA lehnte beim Lohnsteuer-Jahresausgleich 1966 ihren Antrag, unter anderem Ausgaben für das zweite Lehrerexamen als Werbungskosten anzuerkennen, ab und wies auch den Einspruch zurück.
Das FG beurteilte die als Aufwendungen für das zweite Lehrerexamen geltend gemachten Ausgaben als Fortbildungsaufwendungen und damit als Werbungskosten und setzte den zu versteuernden Arbeitslohn entsprechend niedriger fest. Es verwies auf die Entscheidung des Senats VI 72/65 vom 25. November 1966 (BFH 88, 162, BStBl III 1967, 340) in der - unter Aufgabe der bisherigen abweichenden Rechtsprechung - Aufwendungen eines Rechtsreferendars für die Vorbereitung auf das zweite juristische Staatsexamen als Fortbildungsaufwendungen beurteilt und den Werbungskosten zugerechnet werden. Wegen der Einzelheiten wird auf die in EFG 1969, 173 veröffentlichte Vorentscheidung Bezug genommen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 EStG.
Es trägt vor, die Ausbildung zum Lehrer ende erst mit Ablegung der zweiten Staatsprüfung. Die schulpraktische Ausbildung sei Teil der Gesamtausbildung und stelle nicht die selbständige Ausübung der Amtstätigkeit des Lehrers dar. Es könne zwar im Einzelfall vorkommen, daß ein Lehramtsanwärter nach Ablegung der ersten Staatsprüfung eine Lehrtätigkeit, etwa an Privatschulen, aufnehme. Das sei nach den zur Zeit bestehenden Verhältnissen jedoch nicht als üblich anzusehen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Das FA stellt nicht in Frage, daß die Bezüge, die die Steuerpflichtige als Beamtin auf Probe für ihre Tätigkeit als Lehrerin erhalten hat, Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen. Zutreffend weist das FG darauf hin, daß der Senat in seinem Urteil VI 72/65 vom 25. November 1966 (a. a. O.) auch die Unterhaltszuschüsse der Gerichtsreferendare als Arbeitslohn beurteilt hat.
Der Senat folgt dem FG auch hinsichtlich der Beurteilung der Aufwendungen für das zweite Lehrerexamen als Fortbildungskosten, für die der Werbungskostenabzug (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 EStG) geltend gemacht werden kann. Der Begriff der Fortbildungskosten, der gegenüber dem Begriff der Ausbildungskosten nicht zu eng gefaßt werden darf, setzt voraus, daß sich der Steuerpflichtige in dem bereits ausgeübten Beruf weiterbildet. Wenn ein Lehrer, der die erste Lehrerprüfung abgelegt hat, in ein Diestverhältnis tritt und wenn die dafür gewährten Bezüge als steuerpflichtiger Arbeitslohn beurteilt werden, dann muß auch anerkannt werden, daß der Lehrer bereits einen Beruf ausübt. Die Verhältnisse liegen nicht anders als bei den Gerichtsreferendaren, bei denen ebenfalls die Kosten für das zweite juristische Examen steuerlich als Fortbildungskosten und damit als Werbungskosten anerkannt werden (vgl. die Entscheidung VI 72/65, a. a. O., und die neuerlichen Urteile des Senats VI R 253/68 vom 10. Dezember 1971, BStBl II 1972, 247 und VI R 112/70 vom 10. Dezember 1971, BStBl II 1972, 251).
Es mag sein, daß vom Standpunkt der Schulbehörde aus die volle Ausbildung zum Lehrer erst mit Ablegung der zweiten Lehrerprüfung beendet ist (wie auch der Jurist seine volljuristische Ausbildung erst mit Absolvierung des zweiten Staatsexamens vollendet). Dies ändert indessen nichts daran, daß der Lehrer bereits nach Abschluß des Studiums an der Pädagogischen Hochschule im steuerlichen Sinne ein Arbeitsverhältnis eingeht. Der Senat hält es deshalb für unbeachtlich, ob Lehrer, die lediglich das erste Staatsexamen abgelegt haben, etwa außerhalb des Schuldienstes eine Verwendung finden können und sich deshalb nicht gezwungen zu fühlen brauchen, stets auch das zweite Examen abzulegen. Ebensowenig hält es der Senat für entscheidend, ob Lehrer, die lediglich die erste Prüfung abgelegt haben, nicht in demselben Umfang wie Lehrer nach Ablegung der zweiten Lehrerprüfung in den praktischen Schuldienst eingespannt sind, sondern noch eine gewisse Zeit für persönliche Erweiterung ihrer Kenntnisse zur Verfügung behalten. Bei Gerichtsreferendaren ist dies noch in erheblich größerem Umfange der Fall. In beiden Fällen dürfen indessen die beamtenrechtlichen Beurteilungen, die auch nach der Eingehung eines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses noch von "Ausbildung" sprechen, nicht ohne weiteres auf die steuerliche Betrachtung übertragen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 425925 |
BStBl II 1972, 259 |
BFHE 1972, 216 |