Entscheidungsstichwort (Thema)
Zweikontenmodell, Zinsabzug bei gemischtem Konto
Leitsatz (NV)
- Es ist Aufgabe des Steuerpflichtigen, den betrieblichen Anlass einer Schuldaufnahme nachzuweisen. Der wirtschaftliche Zusammenhang kann nicht durch einen bloßen Willensakt des Steuerpflichtigen begründet werden; ausschlaggebend ist allein die Verwendung des Darlehensbetrages.
- Bei der erforderlichen Abgrenzung betrieblicher von privaten Aufwendungen trifft den Steuerpflichtigen eine gegenüber der Regelung in § 90 AO 1977 erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Bestimmung des betrieblichen Aufwandsanteils.
- Der Steuerpflichtige ist berechtigt, sämtliche in seinem Betrieb erzielten Einnahmen zu entnehmen und alle anfallenden Betriebsausgaben und Anschaffungskosten durch Darlehen zu finanzieren; er kann auf diese Weise die betriebliche Veranlassung der Darlehensverwendung sicherstellen. Führt der Steuerpflichtige nur ein gemischtes Konto, so hat er damit diesen Weg nicht gewählt.
- Nimmt der Steuerpflichtige ein Darlehen auf, um damit eine Kontokorrentschuld abzulösen, entscheidet die Verwendung des abgelösten Kredits darüber, ob es sich bei dem Darlehen um eine Betriebsschuld handelt und Darlehenszinsen Betriebsausgaben sind.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4; AO 1977 §§ 90, 162; FGO §§ 68, 96
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der mit seiner Ehefrau, der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zusammen veranlagte, als niedergelassener Arzt tätige Kläger und Revisionskläger (Kläger) wickelte in den Streitjahren 1991 bis 1993 den gesamten privaten und betrieblichen Zahlungsverkehr über ein Kontokorrentkonto ab. Um dessen Sollsaldo zu verringern, nahm er 1991 ein Darlehen von 200 000 DM auf. Nach einer Betriebsprüfung ermittelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die betrieblich veranlassten Schuldzinsen des Kontokorrentkontos durch Schätzung entsprechend dem Verhältnis der betrieblich und privat veranlassten Sollbeträge. Danach waren von den in den drei Streitjahren angefallenen Schuldzinsen des Kontokorrentkontos 37 v.H. in 1991, 44 v.H. in 1992 und 30 v.H. in 1993 nicht abziehbar. Von den Darlehenszinsen sah das FA jeweils 30 v.H. als privat veranlasst an. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab (die Entscheidung ist abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte ―EFG― 2002, 202). Mangels eines Nachweises der betrieblich veranlassten Zinsen mit Hilfe der Zinszahlenstaffelrechnung unter Aufteilung der betrieblichen und privaten Sollbuchungen in zwei Unterkonten, sei die Aufteilung im Wege der Schätzung vorzunehmen. Dabei komme es nur auf das Verhältnis der Sollbeträge, nicht der Habenbeträge an. Danach seien die Schätzungen des FA nicht zu beanstanden. Zwar könne der Schuldner bestimmen, dass für die Berechnung der Zinsen eines gemischt genutzten Kontos mit Schuldensaldo jede Habenbuchung zunächst dem Unterkonto gutzuschreiben sei, auf dem die privat veranlassten Sollbuchungen erfasst werden. Voraussetzung hierfür sei jedoch, dass eine Aufteilung des Kontos in Unterkonten zwecks Anwendung der Zinszahlenstaffelrechnung vorgenommen werde. Dem seien die Kläger trotz Aufforderung nach § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht nachgekommen.
Die Kläger machen mit ihrer Revision geltend, die Entscheidung des FG widerspreche der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH). Danach seien Habenbuchungen ―Betriebseinnahmen und Privateinlagen (hier aus Lebensversicherungen)― vorrangig zur Tilgung der ins Kontokorrent eingestellten privaten Sollbuchungen bzw. zur Abdeckung des privaten Kreditteils zu verwenden; dies sei auch im Falle einer Schätzung zu beachten.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Kontokorrentkonto- und Darlehenszinsen in vollem Umfang als Betriebsausgaben anzuerkennen und die Einkommensteuer für 1991, 1992 und 1993 entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Der BFH habe für den Fall einer schätzweisen Aufteilung nicht entschieden, dass eventuelle Geldeingänge vorrangig dem privaten Unterkonto gutgeschrieben würden; dies würde die Unterteilung in ein betriebliches und ein privates Unterkonto voraussetzen, was bei einer Schätzung aber nicht möglich sei. Im Streitfall habe das Kontokorrentkonto ganz überwiegend einen Debetsaldo aufgewiesen und die privaten Aufwendungen seien nicht schwerpunktmäßig zu Zeitpunkten getätigt worden, zu denen dem Steuerpflichtigen entsprechende Guthaben zur Verfügung standen.
Am 20. Juni 2001 ist für 1991 ein geänderter Einkommensteuerbescheid ergangen.
Entscheidungsgründe
II. Das angefochtene Urteil ist betreffend Einkommensteuer 1991 aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben (§ 127 FGO); die Klage ist insoweit abzuweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Der für das Streitjahr 1991 ergangene Änderungsbescheid vom 20. Juni 2001 ist nach § 68 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Die Vorentscheidung, der der Einkommensteuerbescheid vom 10. Juli 1996 zugrunde lag, ist insoweit gegenstandslos geworden (BFH-Urteil vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43). Einer Zurückverweisung für das Streitjahr 1991 bedarf es nicht, weil die vom FG festgestellten tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs durch die Änderung des angefochtenen Bescheids unberührt geblieben sind.
Betreffend Einkommensteuer 1992 und 1993 ist die Revision unbegründet; sie ist insoweit zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Bestätigung der schätzungsweisen Ermittlung der betrieblich veranlassten Zinsaufwendungen durch das FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; das FG musste nicht berücksichtigen, dass für die Berechnung der Zinsen eines gemischt genutzten Kontos Habenbuchungen vorrangig dem privaten Unterkonto gutzuschreiben sind.
1. Zutreffend sind das FG und das FA davon ausgegangen, dass Zinsaufwendungen nur dann Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes ―EStG―) sind, wenn die Zinsen für ein Darlehen geleistet werden, das durch betriebliche Aufwendungen veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört (BFH-Urteil vom 15. März 1991 III R 121/86, BFH/NV 1991, 809). Dabei ist es Aufgabe des Steuerpflichtigen, den betrieblichen Anlass der Schuldaufnahme nachzuweisen (BFH-Beschluss vom 10. Oktober 1994 I B 80/94, BFH/NV 1995, 586); der wirtschaftliche Zusammenhang kann nicht durch einen bloßen Willensakt des Steuerpflichtigen begründet werden (BFH-Urteil vom 16. April 2002 IX R 65/98, BFH/NV 2002, 1154); ausschlaggebend ist allein die Verwendung des Darlehensbetrages. Werden Darlehensmittel nur teilweise für betriebliche Zwecke verwendet, bilden auch die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig Betriebsausgaben. Bei der erforderlichen Abgrenzung der betrieblichen Aufwendungen von privaten Aufwendungen trifft den Steuerpflichtigen eine gegenüber der Regelung in § 90 der Abgabenordnung (AO 1977) erhöhte Mitwirkungspflicht bei der Bestimmung des betrieblichen Aufwandsanteils (BFH-Urteil vom 24. Februar 2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273; BFH-Beschlüsse vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 828, und vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193).
2. Die schätzungsweise Aufteilung des für das Kontokorrentkonto angefallenen Zinsaufwands nach dem Verhältnis der betrieblichen und privaten Auszahlungen ist im Streitfall nicht zu beanstanden.
a) Geht eine Kontokorrentverbindlichkeit sowohl auf eine Mittelverwendung für betriebliche als auch für private Zwecke zurück, ist das Kontokorrentkonto grundsätzlich in zwei Unterkonten für den betrieblichen und den privaten Kredit aufzuteilen; die entrichteten Schuldzinsen sind nach der sog. Zinszahlenstaffelmethode zuzuordnen (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 828, und in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193). Hierbei kann unterstellt werden, dass eingehende Betriebseinnahmen und Privateinlagen zunächst zur Abdeckung des privaten Kreditteils verwendet werden (BFH-Urteil vom 15. November 1990 IV R 97/82, BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226; BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193 unter B. I. 3.).
Soweit eine solche Trennung im Einzelfall mit einem für die Finanzbehörde oder für das FG unzumutbaren Ermittlungsaufwand verbunden ist, sind diese berechtigt und verpflichtet, den betrieblichen Zinsanteil zu schätzen. Eine solche Schätzung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der Steuerpflichtige nicht in der Lage ist, bei einem Kontokorrentkonto mit umfangreichem Zahlungsverkehr eine Zinszahlenstaffelrechnung vorzulegen. Eine bestimmte Schätzungsmethode ist hierfür nicht vorgeschrieben (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C. II. 5. h). Die Schätzung muss jedoch das Ergebnis anstreben, das sich bei Aufteilung des gemischten Kontokorrentkontos in ein betriebliches und privates Unterkonto mit vorrangiger Verrechnung eingehender Einnahmen zur Tilgung eines Schuldsaldos auf dem privaten Unterkonto ergeben würde (BFH in BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226; BFH-Urteil vom 13. Dezember 1990 IV R 93/88, BFH/NV 1992, 14). Nach dem BFH-Beschluss in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 ist eine schätzungsweise Aufteilung des Zinsaufwands nach dem Verhältnis betrieblicher und privater Auszahlungen dann rechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Konto in den fraglichen Besteuerungszeiträumen ganz überwiegend einen Debetzwischensaldo aufwies und nicht davon ausgegangen werden kann, dass die privaten Aufwendungen schwerpunktmäßig zu Zeitpunkten getätigt wurden, zu denen dem Steuerpflichtigen entsprechende Guthaben zur Verfügung standen.
b) Nachdem sich die Kläger trotz der ihnen zumutbaren gesteigerten Mitwirkungspflicht nicht in der Lage gesehen haben, eine geeignete Zinszahlenstaffelrechnung vorzulegen, war der betriebliche Zinsanteil zu schätzen. Das FG hat sich die Schätzung des FA zu Eigen gemacht. Diese ist nicht zu beanstanden. Grundlage bildet das Verhältnis der betrieblichen und privaten Auszahlungen; es ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass die privaten Aufwendungen schwerpunktmäßig zu Zeitpunkten getätigt wurden, zu denen dem Kläger entsprechende Guthaben zur Verfügung standen und die in dem Kontokorrentkonto insgesamt aufgelaufenen Debetzwischensalden daher nur in unverhältnismäßig geringem Maße durch private Vorgänge veranlasst waren.
Auch der Einwand der Kläger, eingehende Betriebseinnahmen oder Privateinlagen seien grundsätzlich zunächst als zur Abdeckung des privaten Kreditteils verwendet anzusehen, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Ausschlaggebend ist stets allein die Verwendung des die Zinspflicht auslösenden Darlehensbetrages. Zwar ist der Steuerpflichtige berechtigt, sämtliche in seinem Betrieb erzielten Einnahmen zu entnehmen und alle anfallenden Betriebsausgaben und Anschaffungskosten durch Kredit zu finanzieren; er kann damit die betriebliche Veranlassung der Darlehensverwendung sicherstellen. Der Kläger hat aber im Streitfall, indem er nur ein gemischtes Konto führte, diesen Weg gerade nicht gewählt. Dem FG war die von den Klägern begehrte Feststellung, in welchem Umfang private Schuldenteile durch laufende Geldeingänge vorrangig getilgt worden sind, daher nicht möglich (BFH-Urteil vom 6. Dezember 1990 IV R 133/88, BFH/NV 1991, 377). Entsprechendes gilt für das Streitjahr 1991. Der Große Senat ist ausdrücklich nicht der Auffassung gefolgt, eine Umschuldung privater Darlehen sei wirtschaftlich auch im Wege einer Änderung des Verwendungszwecks möglich, wenn der Betrieb nur über entnahmefähige Mittel in entsprechender Höhe verfüge und die Absicht der Umschuldung hinreichend klar, z.B. durch eine entsprechende Bilanzierung, zum Ausdruck komme (BFH in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 C. I. 1. b und C. II. 5. f). Die von den Klägern angeführte BFH-Entscheidung vom 11. Dezember 1990 VIII R 190/85 (BFHE 163, 344, BStBl II 1991, 390) besagt für den Streitfall insoweit nichts anderes, als dort das FG lediglich der Klägerin Gelegenheit geben sollte, eine Aufteilungsberechnung nachträglich zu erstellen; diese Gelegenheit aber hatten die Kläger bereits (vgl. auch BFH-Urteil in BFH/NV 1991, 809, und in BFH/NV 1991, 377).
3. Die Schätzung der nicht abziehbaren Darlehenszinsen mit 30 v.H. ist im Streitfall gleichfalls nicht zu beanstanden.
a) Nimmt der Steuerpflichtige ein Darlehen auf, um damit eine Kontokorrentschuld abzulösen, entscheidet die Verwendung des abgelösten Kredits darüber, ob es sich bei dem Darlehen um eine Betriebsschuld handelt und Darlehenszinsen Betriebsausgaben sind (BFH in BFHE 162, 557, BStBl II 1991, 226, und in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 824). Fließen die Darlehensmittel etwa einem gemischten Kontokorrentkonto zu, von welchem zuvor wegen fehlender Barmittel mit schulderhöhender Wirkung aus privaten Gründen Beträge abgebucht wurden, so findet keine Ersetzung von Eigen- durch Fremdkapital statt, sondern es werden Entnahmen durch Darlehensmittel finanziert (BFH in BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193 unter B. I. 6.); soweit es zur Tilgung des betrieblichen Teils des Kontokorrentkredits kommt, werden die Darlehensmittel für einen betrieblichen Zweck verwendet und sind die Darlehenszinsen anteilig Betriebsausgaben (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1990 IV R 87/88, BFH/NV 1992, 12).
b) Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG und nach den Gesamtumständen des Streitfalls muss davon ausgegangen werden, dass der Debetsaldo in zumindest nicht unerheblichem Umfange auch durch private Auszahlungen verursacht worden ist. Eine Aufstellung, inwieweit der Saldo auf betriebliche oder private Zahlungsvorgänge zurückzuführen ist, liegt aber nicht vor. Die notwendige Aufteilung des Debetsaldos im Zeitpunkt des Darlehenszuflusses ist daher im Schätzungswege (§ 162 AO 1977) vorzunehmen. Der IV. Senat hat es in einem vergleichbaren Fall nicht für ausgeschlossen gehalten, aus Vereinfachungsgründen bei der Ermittlung des privaten Anteils an dem Anfangssaldo eines gemischten Kontos den durchschnittlichen Anteil der privaten Auszahlungen an den Gesamtauszahlungen des Streitzeitraums zugrunde zu legen (BFH in BFH/NV 1992, 12). Dem schließt sich der erkennende Senat für die hier erforderliche Aufteilung an, da Anhaltspunkte für eine anderweitige Aufteilung weder ersichtlich noch vorgetragen sind. Die Schätzung liegt mit 30 v.H. gemessen an den Verhältnissen in den Streitjahren, insbesondere den des Auszahlungsjahres 1991, am vergleichsweise untersten Rand; einer Zurückverweisung zur genaueren (schätzungsweisen) Ermittlung bedarf es nicht, weil einer Erhöhung der Einkommensteuerschuld das Verbot der Schlechterstellung (dazu Gräber, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., 2002, § 96 Rz. 5, m.w.N.) entgegensteht.
Fundstellen
Haufe-Index 1169393 |
BFH/NV 2004, 1277 |
HFR 2004, 1181 |