Entscheidungsstichwort (Thema)
Lieferung eines Grundstücks in geräumtem Zustand bei Betriebsverlagerung
Leitsatz (NV)
1. Sog. Entschädigungen für Grundstücksübertragungen im Rahmen von Betriebsverlagerungen sind umsatzsteuerrechtlich Entgelt und nicht Schadensersatz.
2. Ob Abbruchleistungen des Unternehmers umsatzsteuerrechtlich gesondert von der Grundstückslieferung zu behandeln sind, richtet sich nach der Durchführung der Verlagerungsvereinbarungen.
3. Wird das bisherige Betriebsgrundstück an den Begünstigten der Verlagerung unbebaut (geräumt) geliefert, weil der Unternehmer vereinbarungsgemäß auch vorhandene Gebäude (gegen entsprechende Entschädigung) abgebrochen hat, sind die Abbruchleistungen nicht gesondert von der Grundstückslieferung zu behandeln. Der Umsatz mit dem Lieferungsgegenstand ,,unbebautes Grundstück" fällt in vollem Umfang unter das GrEstG (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973).
Normenkette
UStG 1973 § 4 Nr. 9 Buchst. a; GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 11 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb auf eigenem Grundstück eine . . . Er nutzte das Grundstück zu 40 v. H. unternehmerisch, im übrigen privat. Aufgrund notariell beurkundeter Verträge verkaufte der Kläger eine Teilfläche des Grundstücks zur Vermeidung der Enteignung für den Ausbau einer Bundesstraße an die Bundesrepublik Deutschland (im folgenden: Käufer).
An ,,Entschädigungszahlungen" waren (außer dem Kaufpreis für Grund und Boden und der Entschädigung für die Baulichkeiten) vereinbart:
Abbruchkosten, wenn die Gebäude vom Verkäufer abgebrochen werden: . . . DM,
gewerbliche Folgekosten (einschließlich eines Betrags von . . . DM für verlorenes Inventar): . . . DM,
Umsetzungskosten (Betrieb und Wohnung): . . . DM.
Nach § 2 des Vertrags war vereinbart, daß im Fall der Veranlagung des Klägers zur Umsatzsteuer auf Entschädigungspositionen aus dem Kaufvertrag oder aus dem Nachtragsvertrag (bei unanfechtbarer Zahlungsverpflichtung) diese Beträge vom Käufer erstattet würden.
Der Kläger räumte das Grundstück und brach die Gebäude ab. Mit der Räumung wurde der Besitz am Grundstück übergeben.
Für das Streitjahr 1979 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) auf die sog. gewerblichen Folgekosten und auf 40 v. H. der Abbruchkosten und der sog. Umsetzungskosten Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM fest.
Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger mit der Klage geltend, es handle sich insgesamt um einen nach § 4 Nr. 9 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973) steuerfreien Umsatz. Neben der Entschädigung für den Rechtsverlust gelte auch der Teil der Entschädigung, der für erlittene sonstige Nachteile gewährt werde, als Gegenleistung im Sinn des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage überwiegend statt. Es beurteilte die sog. gewerblichen Folgekosten und Umsetzungskosten als Teil der Gegenleistung im Sinn des Grunderwerbsteuerrechts für die Übereignung des Grundstücks und damit als nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 befreit.
Nicht zum Grundstück rechnete das FG eine in der Position ,,verlorenes Inventar" aufgeführte Absauganlage zum Betrag von . . . DM netto. Ferner behandelte es den Abbruch der Gebäude als eine Leistung, die der Kläger neben der Grundstücksübereignung erbracht habe. Insoweit handle es sich um einen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 steuerbaren, nicht nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 steuerfreien Umsatz (zu 40 v. H.). Der Entgeltanteil für den Abbruch sei keine Gegenleistung, die unter das GrEStG falle. Den auf das Unternehmen fallenden Teil der Abbruchentschädigung von . . . DM behandelte das FG als Netto-Entgelt, weil der Käufer sich zur Erstattung der Umsatzsteuer verpflichtet habe. Die Umsatzsteuer sei somit nicht aus dem Betrag herauszurechnen, sondern mit 13 v. H. auf den Betrag aufzuschlagen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung von § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973. Er trägt im wesentlichen vor: Durch den Kaufvertrag habe er sich zur Übergabe eines geräumten Grundstücks verpflichtet. Wie im Fall der Enteignung gelte nach dem GrEStG die Entschädigung als Gegenleistung. Die Enteignungsentschädigung bzw. enteignungsähnliche Entschädigung sei einheitlich zu verstehen. Der betroffene Bürger sei so zu entschädigen, daß neben dem Rechtsverlust auch andere Vermögensnachteile ausgeglichen würden (§ 96 des Bundesbaugesetzes - BBauG -). Bei Berechnung der Entschädigungssumme seien sämtliche Folgeschäden neben dem Substanzverlust zu berücksichtigen. Die Entschädigung als Ausgleich des Rechtsverlusts könne nicht in Entgelte für verschiedene Leistungen (Lieferungen oder sonstige Leistungen) aufgeteilt werden.
Ungeachtet dessen könne zudem hinsichtlich des Verlusts der Absauganlage kein steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz nach dem UStG vorliegen, weil die Absauganlage - entgegen der Auffassung des FG - zu keinem Zeitpunkt gemäß § 3 Abs. 1 UStG 1973 in die Verfügungsgewalt des Käufers übergegangen sein könne. Der Folgeschaden sei ihm, dem Kläger, ohne Rücksicht auf eine weitere Verwendungsmöglichkeit bezüglich dieses Gegenstandes auszugleichen gewesen.
Auch die Entschädigung für Abbruch der Baulichkeiten gehöre zur einheitlichen Entschädigung, weil es dem Käufer auf den Erwerb eines geräumten Grundstücks angekommen sei. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe im sog. Gärtnerei-Urteil vom 8. Februar 1971 III ZR 65/70 (Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1971, 1176) ausgeführt, Entschädigungen für den Substanzverlust und für sonstige Vermögensnachteile (z. B. Erwerbsverluste) bildeten eine einheitliche Entschädigung. Daraus folge, daß es sich auch steuerrechtlich um einen einheitlichen Vorgang handle, der insgesamt unter das GrEStG falle.
Das FA hält die Revision für unbegründet. Zu der Abbruchentschädigung trägt das FA vor, sie betreffe nicht Kosten des Grundstückserwerbs, sondern bereits Vorbereitungskosten beim beabsichtigten Straßenbau. Es gehe nicht allein um den Grundstückskauf, sondern auch um den Auftrag der Straßenbaubehörde an den Kläger, auf dem zukünftigen Straßengrundstück befindliche Bauten abzubrechen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur beantragten Umsatzsteuerfestsetzung 1979. Zum Entgelt für den nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 steuerfreien Grundstücksumsatz gehören - entgegen der Ansicht des FG - auch die ,,Entschädigungen" für das sog. verlorene Inventar (Absauganlage) und für die Abbruchkosten.
Nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 sind steuerfrei die Umsätze, die unter das GrEStG fallen, also Umsätze im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973, soweit sie auf Erwerbsvorgängen im Sinn des § 1 GrEStG 1940 bzw. 1983 beruhen.
Ob bei Betriebsverlagerungen wie im vorliegenden Fall der bisherige Grundstückseigentümer neben der Grundstückslieferung an den Grundstückserwerber und Betreiber der Verlagerung noch andere Umsätze (mit anderem Leistungsgegenstand) ausführt, richtet sich grundsätzlich nach den Vereinbarungen zwischen den Verlagerungsbeteiligten.
Die Abbruchleistungen des Klägers können - entgegen dem angefochtenen Urteil - umsatzsteuerrechtlich nicht getrennt von der Grundstückslieferung behandelt werden.
Gegenstand der Grundstückslieferung des Klägers war das Grundstück in unbebautem Zustand, also nach Abbruch der bisher vorhandenen Gebäude durch den Kläger.
Zum Zustand des zu liefernden Grundstücks hatten die Beteiligten die Vereinbarung getroffen, daß der Kläger, falls er die anderen Gebäude abbräche, im Umfang der Abbruchkosten (zusätzlich) entschädigt werden sollte. Der Kläger hat diese Klausel durch Abbruch der Gebäude und Übergabe des Grundstücks in geräumtem Zustand erfüllt.
Abbruchleistungen sind bei vereinbarter Lieferung eines Grundstücks im unbebauten Zustand ebensowenig gesondert zu erfassen wie Bauleistungen im Fall der Verpflichtung zur Verschaffung eines bebauten Grundstücks (vgl. insoweit Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Oktober 1986 V B 44/86, BFHE 148, 80, BStBl II 1987, 145).
Der Umsatz mit dem hier maßgeblichen Lieferungsgegenstand fällt in vollem Umfang unter das GrEStG. Die Steuerpflicht eines Erwerbsvorgangs im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940/1983 erfaßt das jeweilige Grundstück in dem Zustand, in dem es von den Beteiligten zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wird - z. B. bebaut oder unbebaut - (vgl. BFH-Urteil vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898, mit Nachweisen). Auch grunderwerbsteuerrechtlich gehört die sog. Abbruchentschädigung als eine der ,,vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen" zur Gegenleistung für den Grundstückserwerb im Sinn von § 11 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1940 bzw. § 9 Abs 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Gegenleistung, von deren Wert die Grunderwerbsteuer berechnet wird, sind diese sonstigen Leistungen, weil sie vom Käufer als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks in geräumtem Zustand gewährt wurden (vgl.. BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898). Die umsatzsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage entspricht dem, weil nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1973 Entgelt für die Lieferung des Grundstücks alles ist, was der Empfänger der Grundstückslieferung aufgewendet hat, um das Grundstück in geräumtem Zustand zu erhalten.
Daß sog. ,,Entschädigungen" für Grundstücksübertragung im Rahmen von Betriebsverlagerungen umsatzsteuerrechtlich Entgelt für steuerbare Leistungen und nicht Schadensersatz sind, hat der BFH bereits mehrfach entschieden (vgl. Urteile vom 10. Februar 1972 V R 119/68, BFHE 105, 75, BStBl II 1972, 403, und vom 27. Juli 1988 X R 52/81, BFHE 155, 187, BStBl II 1989, 65).
Der Senat kann auch hinsichtlich des ,,verlorenen Inventars" durcherkennen.
Zum Entgelt für die nach § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1973 steuerfreie Grundstückslieferung gehört (als Berechnungsposten) auch der Betrag von . . . DM unter Position ,,verlorenes Inventar", also die Entschädigung für die Absauganlage. Soweit das FG in den Entscheidungsgründen hierzu ausführte, der Kläger habe mit der Übergabe des Grundstücks dem Käufer ,,die Verfügungsmacht über die Anlage verschafft und damit die Anlage im Sinn von § 3 Abs. 1 UStG" 1973 mitgeliefert, widerspricht diese rechtliche Folgerung den Feststellungen des FG, nach denen das Grundstück in geräumtem Zustand Gegenstand der Lieferung war. Wie der Kläger mit der Revision zutreffend vorträgt, war die Übergabe des ,,verlorenen Inventars" weder vereinbart noch wurde sie durchgeführt.
Fundstellen