Entscheidungsstichwort (Thema)
Stellung eines Zollantrags in fremdem Namen; Feststellungen von Tatsachen durch das FG
Leitsatz (NV)
1. Ein Zollantrag ist auch dann nicht im eigenen Namen gestellt worden, wenn die Umstände des Einzelfalls unzweifelhaft den Schluß auf ein Handeln in fremdem Namen zulassen.
2. Vom FG im angefochtenen Urteil nicht ausdrücklich bezeichnete Tatsachen, die den bei den Akten befindlichen Urkunden zu entnehmen sind, können nur unter der Voraussetzung als festgestellt angesehen werden, daß das Finanzgericht auf diese Urkunde Bezug nimmt.
Normenkette
AbG § 2 Abs. 1; ZG a.F. § 10 Abs. 3 S. 2; FGO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), ein Speditionsunternehmen, beantragte vom . . . bis . . . 1965 beim Zollamt (ZA) (G) die Abfertigung von . . . Sendungen Milocorn der Tarifst. 10.07 B-41 des Zolltarifs zum freien Verkehr. Auf Seite 1 des Zollantrags und der Zollanmeldung befanden sich über der Unterschrift die Worte ... (Firmenname). Das ZA fertigte die Waren ab, ohne Abschöpfung zu erheben, und schrieb die Mengen auf einer für die Firma X (X) ausgestellten und von der Klägerin vorgelegten Einfuhrgenehmigung ab. Die Einfuhr- und Vorratsstelle für Getreide und Futtermittel (EVSt-Getr) widerrief am 16. Dezember 1966 diese Einfuhrgenehmigung, nachdem festgestellt worden war, daß die Waren, für die der (X) eine Erstattungszusage in Form abschöpfungsfreier Einfuhr gewährt worden war, anstatt in ein Drittland in einen Mitgliedsstaat ausgeführt worden waren. Mit Urteil vom 23. Januar 1979 VII R 29/74 hat der erkennende Senat entschieden, daß der Widerrufsbescheid des EVSt-Getr rechtmäßig war.
Mit Steueränderungsbescheid vom 20. Dezember 1966 forderte das ZA (N) eine Dienststelle des Beklagten und Revisionsklägers (Hauptzollamt - HZA -), Abschöpfung und Umsatzausgleichsteuer in Höhe von insgesamt . . . DM wegen der fehlenden Voraussetzungen für die gewährte Abschöpfungsfreiheit nach. Die mit Zustimmung des HZA erhobene Sprungklage hielt das FG für begründet:
Entscheidungsgründe
Die Revision - des HZA - ist nicht begründet.
Das Finanzgericht (FA) ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der angefochtene Steueränderungsbescheid rechtswidrig ist, weil die Klägerin nicht Abgabenschuldnerin geworden ist.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin nach § 2 Abs. 1 des Abschöpfungserhebungsgesetzes (AbG) i.V.m. § 36 Abs. 3 Satz 1 des Zollgesetzes (ZG) a.F. nur dann Abgabenschuldnerin geworden ist, wenn sie den Zollantrag im eigenen Namen gestellt hat und dadurch Zollbeteiligte geworden ist (§ 2 Abs. 1 AbG i.V.m. § 10 Abs. 3 Satz 2 ZG a.F.). Das trifft nach den Feststellungen des FG jedoch nicht zu. Diese Feststellungen rechtfertigen vielmehr die Entscheidung, daß die Klägerin den Zollantrag im Namen der (X) gestellt hat.
Zwar ist aufgrund dieser Feststellungen anzunehmen, daß die Klägerin den Zollantrag nicht ausdrücklich im Namen der (X) gestellt hat. Das FG ist jedoch zutreffend davon ausgegangen, daß der Zollantrag auch dann nicht im Namen der Klägerin gestellt worden ist, wenn die Umstände des Streitfalls ergeben, daß er im Namen der (X) gestellt werden sollte (§ 102 Abs. 2 der Abgabenordnung - AO i.V.m. § 164 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Nach den Feststellungen des FG trifft das zu.
Wie der erkennende Senat (Urteil vom 12. September 1978 VII R 97/75, BFHE 126, 94) bereits entschieden hat, kann in den Fällen, in denen eine Willenserklärung nicht ausdrücklich im fremden Namen abgegeben worden ist, gleichwohl angenommen werden, daß diese Rechtsfolge eingetreten ist, wenn die Umstände im Einzelfall unzweifelhaft den Schluß auf ein Handeln im fremden Namen zulassen. Nach dem Offenheitsgrundsatz (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 44. Aufl., Einführung vor § 164 Anm. 1b, § 164 Anm. 1a) muß allerdings auch nach außen erkennbar sein, daß der Erklärende im fremden Namen handeln wollte. Die Feststellungen des FG rechtfertigten die Entscheidungen, daß diese Voraussetzungen im Streitfall erfüllt sind.
Abweichend von den Ausführungen des FG muß als maßgebender Umstand, dem das erkennbare Handeln in fremden Namen entnommen werden kann, jedoch die Vorlage der Einfuhrgenehmigung der (X) angesehen werden, auf der das ZA die Mengen der eingeführten Waren bei deren Abfertigung unter Freistellung von der Abschöpfung aufgrund des gestellten Zollantrags abgeschrieben hat. Zwar hätte im Streitfall auch auf Antrag der Klägerin in eigenem Namen - allerdings unter Festsetzung einer Abschöpfung - abgefertigt werden können. Der ,,Antrag" auf Freistellung von Abschöpfung ist nicht Bestandteil des Zollantrags. Gleichwohl war die Vorlage der Einfuhrgenehmigung geeignet, zweifelsfrei den Willen zum Ausdruck zu bringen, daß der Zollantrag im Namen der (X) gestellt werden sollte.
Die im Streitfall vorgelegte Genehmigung war im Marktordnungsrecht vorgesehen. Sie war eine Form der Erstattung, durch die der Genehmigungsempfänger das Recht erwarb, Getreide bestimmter Art und Menge abschöpfungsfrei einzuführen. Durch die Erteilung der Genehmigung wird in der Person des Genehmigungsempfängers das Recht auf Abschöpfungsfreiheit begründet. Aufgrund dieser Genehmigung wurde deshalb auch das vom Genehmigungsempfänger eingeführte Getreide nach § 2 Abs. 1 AbG i.V.m. § 36 ZG a.F. ohne Abschöpfungserhebung abgefertigt (vgl. Beschluß des erkennenden Senats vom 29. August 1972 VII B 113/71, BFHE 107, 83).
Da den Feststellungen des FG zu entnehmen ist, daß die von der Klägerin vorgelegte Genehmigung der abschöpfungsfreien Einfuhr der (X) erteilt worden war, konnte die Klägerin mit ihrem Antrag auf Abfertigung der eingeführten Waren unter Freistellung von der Abschöpfung nur Erfolg haben, wenn die Klägerin den Zollantrag im Namen der (X) stellte. Zweifel daran, daß sie gleichwohl den Antrag nicht im Namen der (X) stellen wollte, erscheinen nicht begründet. In diesem Zusammenhang ist vielmehr zu berücksichtigten, daß der der Klägerin erteilte Auftrag, die Abfertigung im Namen der (X) zu beantragen, und die dazu erteilte Vollmacht dafür sprechen, daß die Klägerin den Zollantrag tatsächlich auch im Namen der (X) stellen wollte.
Das ZA konnte dieses auch schon daraus entnehmen, daß die Klägerin eine der (X) erteilte Genehmigung zur abschöpfungsfreien Einfuhr vorlegte. Auf diesen Umstand mußte das ZA vor allem bei der Abschreibung der abzufertigenden Mengen auf der Genehmigung aufmerksam werden. Zweifel daran, daß das ZA gleichwohl den Willen der Klägerin nicht erkennen konnte, den Zollantrag im Namen der (X) zu stellen, erscheinen ebenfalls nicht begründet. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, daß die Klägerin ständig beim ZA auftrat und die Zollanträge stets im Namen der Auftraggeber stellte. Dieser Umstand spricht zumindest dafür, daß das ZA deshalb keine Veranlassung gesehen hatte, die Vorlage der für die (X) ausgestellten Einfuhrgenehmigung durch die Klägerin zu beanstanden, weil es auch im Streitfall davon ausgegangen ist, die Klägerin wolle den Zollantrag im Namen der (X) stellen. Im übrigen ist auch zu berücksichtigen, daß die Zollstelle durch ihr Vorgehen bei der Abfertigung, insbesondere durch die Freistellung von Abschöpfung, auch gezeigt hat, daß sie dem Willen der Klägerin, nicht in eigenem Namen, sondern in fremdem Namen zu handeln, Rechnung tragen wollte. Die Zollstelle hat diesen Willen nicht erkannt. Daran muß sich das HZA festhalten lassen.
Für die Entscheidung über die Revision ist ohne Bedeutung, ob die Klägerin, wie das HZA einwendet, Aufschubanmeldungen und keine Anrechnungsanträge abgegeben hat. Insoweit beruft das HZA sich entgegen seiner Auffassung auf Tatsachen, die vom FG nicht festgestellt worden sind und die deshalb bei der Entscheidung über die Revision nicht berücksichtigt werden können (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Tatsachen sind entgegen der Auffassung des HZA nicht schon deshalb als festgestellt anzusehen, weil sie sich, wie das HZA ausführt, aus den bei den Akten befindlichen Zollurkunden ergäben. Zu den vom FG festgestellten Tatsachen gehören nicht alle aus den Akten zu entnehmenden Tatsachen. Derartige Tatsachen können nur unter der Voraussetzung als festgestellt angesehen werden, daß das FG auf die Urkunden, aus denen sie sich ergeben, Bezug nimmt (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 118 Anm. 7). Daran fehlt es im Streitfall schon deshalb, weil das Urteil des FG keinen genauen Hinweis auf die für den Streitfall maßgebenden Zollurkunden enthält.
Fundstellen
Haufe-Index 413872 |
BFH/NV 1985, 59 |