Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Bestimmung des Begriffs Wirtschaftsgut für Zwecke der Selbstverbrauchbesteuerung sind bewertungsrechtliche Grundsätze nur heranzuziehen, wenn sie mit den einkommensteuerlichen Grundsätzen übereinstimmen.
2. Die Ingebrauchnahme einer neuen Straßen- und Platzbefestigung ist Selbstverbrauch. Der Selbstverbrauch ist im Zeitpunkt der Ingebrauchnahme verwirklicht. Eine spätere Fertigstellung schiebt die Besteuerung nicht hinaus.
Normenkette
UStG 1967 § 30 Abs. 2, 4
Tatbestand
Streitig ist, ob die Anlegung und Ingebrauchnahme einer Straßen- und Platzbefestigung der Selbstverbrauchbesteuerung gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 unterliegt.
Die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsklägerin) betreibt eine Büromöbelfabrik. Über ihr Betriebsgrundstück führt eine öffentlich zugängliche Straße, die sich nach hinten zu einem Platz weitet. Die Steuerpflichtige hatte das Straßen- und Platzgelände 1966 erworben und die Anschaffungskosten von ... DM unter der Bilanzposition Grund und Boden aktiviert. Sie ließ 1968 die schadhafte Schotterstraßendecke abtragen und eine Grobasphaltdecke legen; dabei wurden auch umfangreiche Kanalisations- und Drainagearbeiten durchgeführt. Die Aufwendungen, die die Steuerpflichtige unter der gesonderten Bilanzposition "Platzbefestigung" aktivierte, betrugen insgesamt ... DM. Die abschließende Schwarzdecke aus Asphaltfeinbeton wurde erst 1969 aufgetragen. Hierfür wurden nochmals ... DM aufgewandt.
Das FA (Beklagter, Revisionsbeklagter) sah die Platzbefestigung als selbständiges Wirtschaftsgut an und setzte im Umsatzsteuerbescheid 1968 eine Selbstverbrauchsteuer von 8 v. H. der für 1968 aktivierten Aufwendungen fest.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg. Das FG hat im wesentlichen ausgeführt: Der Straßenbelag sei einkommensteuerlich als selbständiges Wirtschaftsgut anzusehen (Urteil des BFH I 188/59 U vom 1. März 1960, BFH 70, 530, BStBl III 1960, 198). Dem sei umsatzsteuerlich zu folgen. Eine Zusammenfassung mit dem Grund und Boden sei unzulässig, weil dieser und der Straßenbelag zu unterschiedlichen Bewertungsgruppen gehörten (BFH-Beschluß Gr. S. 7/67 vom 16. Juli 1968, BFH 94, 124, BStBl II 1969, 108).
Die Steuerpflichtige rügt mit der Revision Verletzung des § 30 Abs. 2 UStG 1967. Sie macht geltend: Der Begriff des Wirtschaftsguts sei unabhängig von der einkommensteuerlichen Betrachtung nach allgemeinsteuerlichen Grundsätzen auszulegen. Hier sei insbesondere auf die Rechtsprechung zum Bewertungsrecht abzustellen, nach der Straßen- und Platzbefestigungen in der Regel dem Grundstück zuzurechnen seien (BFH-Urteile III 382/57 U vom 14. August 1958, BFH 67, 325, BStBl III 1958, 400; III 222/58 U vom 23. Februar 1962, BFH 74, 474, BStBl III 1962, 179). Der Beschluß des Großen Senats Gr. S. 7/67 vom 16. Juli 1968 (a. a. O.) stehe dem nicht entgegen. Die in dieser Entscheidung aufgegebene Einheitstheorie habe niemals im Verhältnis von Grundstück zu Betriebsvorrichtung gegolten. Im übrigen könne die Straßen- und Platzbefestigung auch dem Gebäude zugerechnet werden.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 liegt Selbstverbrauch vor, wenn ein Unternehmer körperliche Wirtschaftsgüter, die der Abnutzung unterliegen und deren Anschaffungs- oder Herstellungskosten nach einkommensteuerlichen Vorschriften im Jahr der Anschaffung oder Herstellung nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden können, im Inland der Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen zuführt. Der Senat hat in dem Urteil V R 18/71 vom 19. August 1971 (BStBl II 1972, 75) ausgeführt, daß § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 nicht die Erweiterung und Verbesserung bereits vorhandener Wirtschaftsgüter erfaßt, selbst wenn dabei aktivierungspflichtiger Aufwand anfällt. Er hat in dem gleichen Urteil dargelegt und begründet, daß der Begriff des Wirtschaftsguts nach einkommensteuerlichen Grundsätzen zu bestimmen ist. Hierauf wird verwiesen.
Die Steuerpflichtige möchte demgegenüber die Abgrenzung nach bewertungsrechtlichen Gesichtspunkten vornehmen. Dazu ist zu bemerken: Grundsätzlich ist der Begriff des Wirtschaftsguts im Einkommensteuerrecht und Bewertungsrecht nach gleichen Grundsätzen auszulegen (BFH-Urteil III R 119/67 vom 7. August 1970, BFH 100, 122, BStBl II 1970, 842). Dies gilt allerdings nicht ausnahmslos. Bewertungsrechtlich sind Grund und Boden und aufstehendes Gebäude, abgesehen von dem Gebäude auf fremdem Grund und Boden, ein Wirtschaftsgut (§ 70 BewG 1965 in Verbindung mit § 68 Abs. 1 Nr. 1 BewG 1965). Einkommensteuerrechtlich sind sie hingegen, um die das Bewertungsrecht nicht interessierende Frage der Abschreibung sachgemäß zu regeln, als voneinander unabhängige Wirtschaftsgüter anzusehen (BFH-Beschluß Gr. S. 7/67 vom 16. Juli 1968, a. a. O.). Ein weiterer Unterschied ergibt sich, wie noch darzulegen ist, bei den sogenannten Außenanlagen. Nicht entschieden zu werden braucht die Frage, ob einkommensteuerrechtlich Ladeneinbauten u. ä. gesonderte Wirtschaftsgüter sind; hieraus könnte sich ein weiterer Unterschied zum Bewertungsrecht ergeben. Demgegenüber besteht Übereinstimmung hinsichtlich der Betriebsvorrichtungen, die auch bewertungsrechtlich nicht in das Grundvermögen einbezogen werden (§ 68 Abs. 2 Nr. 2 BewG 1965).
Soweit Unterschiede bestehen, ist für Zwecke der Selbstverbrauchbesteuerung auf das Einkommensteuerrecht abzustellen. § 30 UStG 1967 verweist mehrfach auf Begriffe und Vorschriften des Einkommensteuerrechts (vgl. insbesondere schon BFH-Urteil V R 49/70 vom 1. Oktober 1970, BFH 100, 272, BStBl II 1971, 34). Die Maßgeblichkeit des Bewertungsrechts würde zu Unstimmigkeiten führen und den Anwendungsbereich des § 30 UStG 1967 stark einengen; Investitionen in unbewegliches Vermögen könnten, abgesehen von der Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden, nicht besteuert werden, weil sie als Erweiterung des Wirtschaftsguts Grund und Boden anzusehen wären.
2. Zu Recht haben danach FA und FG die Straßen- und Platzbefestigung der Steuerpflichtigen als selbständiges Wirtschaftsgut angesehen. Straßen-, Wege- und Platzbefestigungen gehören bewertungsrechtlich ebenso wie Umzäunungen zu den Außenanlagen (§ 89 BewG 1965), die im Einheitswert des Grundvermögens zu erfassen sind (§§ 78, 83 BewG 1965). Der III. Senat des BFH hat sie ausnahmsweise als Betriebsvorrichtungen behandelt und sie unter diesem Gesichtspunkt aus dem Grundvermögen ausgeschieden (vgl. Urteil III 222/58 U vom 23. Februar 1962, a. a. O.). Im vorliegenden Fall braucht nicht entschieden zu werden, ob die Straßen- und Platzbefestigung eine Betriebsvorrichtung ist; dagegen spricht, daß die Befestigung nicht nur den Zwecken des Betriebs, sondern auch dem öffentlichen Verkehr dient. Selbst wenn sie eine Außenanlage im Sinne des Bewertungsrechts sein sollte, wäre sie doch nach dem hier maßgebenden Einkommensteuerrecht ein selbständiges Wirtschaftsgut. Die neue Platzanlage kann nicht dem Grund und Boden zugerechnet werden, weil sie einkommensteuerlich einer anderen Bewertungsgruppe angehört (vgl. BFH-Beschluß Gr. S. 7/67 vom 16. Juli 1968, a. a. O.). Der vorstehende Beschluß des Großen Senats hat insoweit ein allgemeines Abgrenzungsmerkmal aufgezeigt, das im Verhältnis zwischen Grund und Boden und sämtlichen abnutzbaren Gegenständen gilt, die mit dem Grund und Boden untrennbar verbunden werden. Eine Zuordnung zu den Fabrikgebäuden scheitert schon daran, daß Straße und Platz öffentlich zugänglich sind und sonach nicht nur dem Zugang zu den Gebäuden dienen. Es liegt auch keine bloße Verbesserung des alten Straßenbelags, sondern, wie das FG ausdrücklich festgestellt hat, die Herstellung einer neuen Straßen- und Platzanlage vor. Die neue Anlage ist im Gegensatz zur alten Befestigung ordnungsgemäß drainiert. Dementsprechend hat die Steuerpflichtige die Neubefestigung bilanzmäßig als selbständiges Wirtschaftsgut behandelt.
Der Senat befindet sich hiermit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des I. Senats des BFH, der einkommensteuerlich in der Ersetzung einer unbrauchbar gewordenen Straßen- und Hofdecke durch einen dauerhafteren Belag die Beseitigung eines alten und die Herstellung eines neuen Wirtschaftsguts gesehen hat (Urteil I 181/59 U vom 1. März 1960, a. a. O.).
3. Nicht zu beanstanden ist, daß das FA die Steuerpflichtige schon für 1968 der Selbstverbrauchbesteuerung unterworfen hat, obwohl die Straßen- und Platzbefestigung erst 1969 nach Auftragung der Asphaltfeinbetondecke endgültig fertiggestellt war. Der Zeitpunkt der Zuführung eines Wirtschaftsguts zur Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen kann, wie der vorliegende Fall zeigt, schon vor der Fertigstellung des Wirtschaftsguts liegen (anderer Auffassung der Erlaß des BdF vom 30. Januar 1968 unter B 2 Abs. 4, BStBl I 1968, 310, USt-Kartei S. 7471, Karte 1). Straße und Platz waren 1968 nach Auftragung der Grobasphaltdecke benutzbar und wurden ab diesem Zeitpunkt genutzt. Für den vergleichbaren Fall der abschnittsweisen Ingebrauchnahme eines Anlageguts entsprechend dem Baufortschritt nimmt der BdF zutreffend an, daß bereits die Nutzung der fertiggestellten Teile Selbstverbrauch ist (BdF-Erlaß vom 30. Januar 1968 unter B 4 Abs. 2, BStBl I 1968, 310, USt-Kartei S 7475, Karte 1; anderer Auffassung Meyer-Sievers, BB 1971, 392); § 30 UStG 1967 ist insoweit unabhängig von einkommensteuerlich bedeutsamen Zeitpunkten (Herstellungszeitpunkt, Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit usw.). Der Selbstverbrauch ist mit der Zuführung des Wirtschaftsguts zur Verwendung oder Nutzung als Anlagevermögen verwirklicht, also mit Beginn der Verwendung oder Nutzung des Wirtschaftsguts für einen betrieblichen Dauerzweck.
Zu Recht hat das FA nur die 1968 angefallenen Herstellungskosten als Bemessungsgrundlage angesetzt. Bemessungsgrundlage ist nach § 30 Abs. 4 Satz 1 UStG 1967 der Wert, der im Zeitpunkt des Selbstverbrauchs nach den einkommensteuerlichen Vorschriften bei der Berechnung der AfA anzusetzen ist. Das sind hier die bis zur Auftragung der Grobasphaltdecke angefallenen Herstellungskosten (§ 7 des EStG).
Fundstellen
Haufe-Index 412981 |
BStBl II 1972, 76 |
BFHE 1972, 286 |