Leitsatz (amtlich)
1. Nimmt ein Unternehmer Beträge für Leistungen, die nicht er, sondern ein Dritter erbracht hat, zur Weiterleitung an, so handelt es sich bei diesem Unternehmer nicht um vereinnahmte Entgelte i. S. des § 5 Abs. 1 UStG 1951, weil insoweit ein Leistungsaustausch zwischen ihm und dem Zahlenden nicht vorliegt. In einem solchen Falle ist für die Prüfung der Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 UStG 1951 kein Raum.
2. Vereinnahmt der den Betrieb nicht fortführende Erbe eines Unternehmers Entgelte für Leistungen des Erblassers, tritt er als dessen Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtsstellung als Steuerschuldner gemäß § 9 UStG 1951 ein.
Normenkette
UStG 1951 § 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1, 3, § 9
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger) ist Rechtsanwalt. Nach dem Tode des Rechtsanwalts Dr. S im Mai 1960 wurde er von der zuständigen Landesjustizverwaltung gemäß § 55 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) als Abwickler eingesetzt. Er führte die Praxis des S. weiter, und zwar nach außen - entsprechend seiner Stellung als Abwickler - im eigenen Namen, im Innenverhältnis jedoch auf Grund des Vertrags vom Oktober 1960, den er mit der Witwe des S geschlossen hatte, vom 1. Juni bis 31. Dezember 1960 gegen eine monatliche Vergütung für deren Rechnung (§ 1). Vom 1. Januar 1961 ab sollte der Steuerpflichtige die Praxis auf eigene Rechnung führen (§ 5). Ergänzend wurde u. a. vereinbart, daß die bis zum 31. Dezember 1960 abgerechneten, aber bis zu diesem Tage noch nicht eingegangenen sowie die bis zum 31. Dezember 1960 erarbeiteten Honorare der Frau S zustehen. Bei gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren, die am 31. Dezember 1960 noch nicht abgeschlossen waren, sollten die Gebühren zwischen dem Steuerpflichtigen und der Witwe S im Verhältnis der vor bzw. nach dem 31. Dezember 1960 geleisteten Arbeit aufgeteilt werden (§ 6). Auf Grund dieser Vereinbarung überwies der Steuerpflichtige in dem hier in Betracht kommenden Jahr 1962 insgesamt 104 539,87 DM an Frau S, mit denen diese zur Umsatzsteuer herangezogen wurde. Der genannte Betrag setzt sich zusammen aus Honorareingängen von 94 975,17 DM, die vor dem 1. Januar 1961 im Namen des Rechtsanwalts Dr. S oder nach dem 31. Dezember 1960 vom Steuerpflichtigen unter Verwendung eigener Rechnungsvordrucke angefordert worden sind mit dem Hinweis, daß es sich noch um Gebührenforderungen für die frühere Tätigkeit des Rechtsanwalts Dr. S handele. Die restlichen 9 564,70 DM (104 539,87 ./. 94 975,17 DM) hat der Steuerpflichtige nach seinen Angaben ebenfalls für Frau S eingenommen und dazu vorgetragen, aus den im eigenen Namen erteilten Rechnungen sei nicht eindeutig hervorgegangen, daß die Beträge Frau S zugestanden hätten. Die diesen Entgelten zugrunde liegenden Leistungen habe jedoch ausschließlich S erbracht.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) rechnete die 9 564 DM (gekürzt um 5 v. H. nach § 79 UStDB 1934) dem erklärten Umsatz hinzu, weil es sich nicht um durchlaufende Posten i. S. des § 5 Abs. 3 UStG 1951, sondern um nicht abzugsfähige Ausgaben handele.
Das FG hat nach Anforderung des Praxisübernahmevertrages und sämtlicher Rechnungsdurchschriften, die den streitigen Betrag von 9 564 DM betreffen, sowie nach Anhörung des Steuerpflichtigen in der mündlichen Verhandlung der Klage stattgegeben und dazu inhaltlich ausgeführt: Der Steuerpflichtige habe die 9 564 DM nicht als Entgelt für eigene, sondern für fremde unternehmerische Leistungen angenommen. Wenn aber ein anderer Unternehmer die Leistung erbracht habe, für die das Entgelt gezahlt werde, sei der Tatbestand des § 1 Nr. 1 UStG 1951 nur in der Person des anderen erfüllt, der nach § 9 UStG 1951 Steuerschuldner bleibe. Diese rechtliche Folgerung ergebe sich auch aus § 10 Satz 1 UStDB 1951. Bei dem gegebenen Sachverhalt komme es daher nicht darauf an, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 UStG 1951 vorlägen, da diese Vorschrift nicht zur Bestimmung des Steuergegenstandes herangezogen werden dürfe. Neben den im fremden Namen und für fremde Rechnung vereinnahmten und verausgabten Beträgen gebe es noch andere Zahlungseingänge, die nicht zum Umsatz des Empfängers der Zahlungen gehörten, weil sie nicht die Gegenleistung für eine von ihm erbrachte Leistung darstellten.
Mit der (wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen) Revision rügt das FA die Verletzung des § 5 Abs. 3 UStG 1951 und einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten. Es begehrt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen und trägt dazu im wesentlichen vor: Die Ansicht der Vorinstanz, neben den im eigenen Namen vereinnahmten Entgelten und den durchlaufenden Posten i. S. des § 5 Abs. 3 UStG 1951 gebe es noch andere Zahlungseingänge, die nicht dem Umsatz des Empfängers zuzurechnen seien, finde im Gesetz keine Stütze. Grundsätzlich werde ein Leistungsempfänger das Entgelt nur dem Leistenden aushändigen, einem Dritten aber nur dann, wenn dieser sich zum Empfang der Zahlung als berechtigt ausweise und damit die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 UStG 1951 erfülle. Der Steuerpflichtige habe den streitigen Betrag von 9 564,70 DM nicht im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt, weil die in Betracht kommenden Rechnungen des Steuerpflichtigen nicht den Hinweis enthalten hätten, daß ein Teil des angeforderten Honorars für die Witwe des S bestimmt sei. Die Feststellung des FG, die Mandanten hätten auf Grund der Liquidationen erkannt, mit den vom Steuerpflichtigen in Rechnung gestellten Honoraren seien auch Ansprüche des S geltend gemacht worden, werde durch den Akteninhalt nicht gedeckt. Wenn der Steuerpflichtige den Auftraggebern den Tod des S und die Praxisübernahme angezeigt habe, könne dies von den Mandanten dahingehend verstanden worden sein, daß die Rechnungen in Erfüllung der vom Steuerpflichtigen erbrachten Leistungen beglichen werden sollten. Dies ergebe sich auch aus § 16 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGebO), der die Fälligkeit von Vergütungen eines Rechtsanwalts regele.
Der Steuerpflichtige hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision des FA kostenpflichtig zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision kann keinen Erfolg haben.
Nach § 1 Nr. 1 UStG 1951 unterliegen der Umsatzsteuer die sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Voraussetzung für die Annahme eines steuerbaren Umsatzes ist demzufolge u. a. das Vorliegen eines Leistungsaustausches. Es muß also einer Leistung eine Gegenleistung gegenüberstehen und zwischen beiden ein unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Dies bedeutet, daß zwischen der Leistung des Unternehmers und dem von ihm vereinnahmten Geldbetrag als der Gegenleistung eine unmittelbare wirtschaftliche Verbindung, eine innere Verknüpfung, feststellbar sein muß. Diese Voraussetzungen sind, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, im Streitfall nicht gegeben.
Nach den Feststellungen der Vorinstanz, die auf dem übereinstimmenden Vorbringen der Verfahrensbeteiligten beruhen, entfallen die vom Steuerpflichtigen eingezogenen und an Frau S weitergeleiteten Honorare von 9 564,70 DM auf Leistungen, die von Rechtsanwalt Dr. S erbracht worden sind, so daß zwischen dem Steuerpflichtigen und den Mandanten insoweit ein Leistungsaustausch nicht stattgefunden hat. Ohne Rechtsverstoß ist das FG bei dieser Sachlage zu dem Ergebnis gekommen, die Zahlungen der Mandanten in Höhe des streitigen Betrags seien keine Gegenleistungen für vom Steuerpflichtigen erbrachte Leistungen und ihm demzufolge bei der Bemessung des Umsatzes nach § 5 Abs. 1 UStG 1951 nicht zuzurechnen.
Steuerschuldner i. S. des § 9 UStG 1951 hinsichtlich der nach dem Tode des Rechtsanwalts Dr. S eingegangenen Honorare ist die Witwe S. Diese ist zwar als Alleinerbin nicht Unternehmer nach § 2 Abs. 1 UStG geworden, weil die Unternehmereigenschaft nicht im Erbgang übergeht. Sie ist jedoch als Gesamtrechtsnachfolgerin ihres Ehemannes Dr. S in die Rechtsstellung des Erblassers als Steuerschuldner eingetreten und muß - wie es auch tatsächlich geschehen ist - die nachträglich eingegangenen Entgelte für die umsatzsteuerbaren Leistungen des S der Umsatzsteuer unterwerfen (Urteil des BFH V 149/55 vom 15. November 1955, DStR 1956, 547, und Wauer in DStR 1953, 304). Daraus folgt, daß bei dem gegebenen klaren Sachverhalt nicht ein zweiter Unternehmer, hier der Steuerpflichtige, mit Beträgen zur Umsatzsteuer herangezogen werden kann, denen keine eigenen Leistungen zugrunde liegen.
Die vom FA gerügte Verletzung des § 5 Abs. 3 UStG 1951 liegt bei der oben dargestellten Rechtslage nicht vor. Frei von Rechtsirrtum hat das FG in dieser Beziehung ausgeführt, durch die Entgegennahme und Weiterleitung von Mandantenzahlungen seien die Leistungen des verstorbenen Rechtsanwalts Dr. S nicht zu Leistungen des Steuerpflichtigen geworden, so daß es wirtschaftlich gesehen gar nicht darauf ankomme, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 UStG 1951 gegeben seien.
Entgegen der Meinung des FA ist die Vorinstanz mit Recht davon ausgegangen, daß nicht alle Zahlungseingänge (Einnahmen) dem steuerbaren Umsatz eines Unternehmers zuzurechnen sind. Denn es müssen alle Einnahmen ausgeschieden werden, die kein Leistungsentgelt darstellen, das sind z. B. durchlaufende Posten, Schadensersatzleistungen, Spielgewinne, Bezüge aus Schenkungen usw.
Aus § 16 BRAGebO kann nicht - wie das FA meint - hergeleitet werden, die Rechnungsbeträge von 9 564,70 DM seien als Entgelte für vom Steuerpflichtigen erbrachte Leistungen anzusehen, weil Rechtsanwalt Dr. S die Mandate nicht zu Ende geführt und daher noch keinen Honoraranspruch gehabt habe. Die Gebühren eines Rechtsanwalts entstehen, sobald er die erste den Gebührentatbestand auslösende Tätigkeit entwickelt. Sie werden fällig, wenn der Auftrag erledigt oder die Angelegenheit beendet ist. Die Beendigung der Angelegenheit kann z. B. durch das Unmöglichwerden der weiteren Tätigkeit des Rechtsanwalts durch dessen Tod eintreten (Gerold-Schmidt, Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, 4. Aufl., Anm. 1 und 5 zu § 16). Beim Ableben des Rechtsanwalts Dr. S waren die streitigen Honoraransprüche bereits zu dessen Gunsten entstanden und sie wurden zu diesem Zeitpunkt fällig. Im übrigen hat die Fälligkeit eines Honoraranspruchs keine Bedeutung für die Frage, wer die Leistung erbracht hat.
Die Rüge des Verstoßes gegen den Inhalt der Akten, mit der ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, greift nicht durch. Es ist bei der gegebenen Rechtslage nicht entscheidend, welche rechtliche Bedeutung der Anzeige vom Tod des Dr. S und der Praxisübernahme durch den Steuerpflichtigen zukommt, weil mit den in Betracht kommenden Rechnungen unstreitig auch Honorare für Leistungen des Rechtsanwalts Dr. S geltend gemacht worden sind, die zu dessen Gunsten entstanden sind und seiner Witwe als Alleinerbin zustanden.
Die Revision war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 69318 |
BStBl II 1971, 121 |
BFHE 1971, 481 |