Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Ein Lohndreschereibesitzer ist mit seiner Zugmaschine nicht von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, auch wenn er sie ausschließlich zum Dreschen und Pflügen bei Landwirten verwendet.
Normenkette
KraftStG § 2/6
Tatbestand
Das Finanzamt hat den Beschwerdegegner (Bg.) mit einer Zugmaschine zur Kraftfahrzeugsteuer herangezogen, die er ausschließlich zu folgenden Zwecken verwendet:
der Beförderung seiner Dreschmaschinen und Buschhacker von Bauernhof zu Bauernhof,
dem Antrieb dieser Maschinen zwecks Arbeitsleistung (Dreschen und Buschhacken),
der Beförderung eines Motorpfluges von Feld zu Feld und dem Zuge des Pfluges auf dem Acker,
gelegentlichen Fahrten von gedroschenem Korn vom Feld zum Bauernhof oder zur Mühle.
Das Finanzgericht hat den Bg. freigestellt, indem es die Befreiungsvorschrift des Kontrollratsgesetzes (KontrRG) Nr 51 für die ausschließlich auf Bauernhöfen oder Landgütern gebrauchten Zugmaschinen ohne Güterladeraum anwendete.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.
Für die Entscheidung ist die Entwicklung der Rechtslage von Bedeutung.
Nach § 2 Ziffer 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1922 und ebenso nach dem Gesetz 1927 waren von der Steuer befreit
Kraftfahrzeuge, die ausschließlich der Beförderung (Fortbewegung) von Geräten von und zur Arbeitsstätte und dem Antrieb dieser Geräte dienen; ferner Kraftfahrzeuge, die diesen Zwecken in landwirtschaftlichen Betrieben dienen, auch dann, wenn gleichzeitig Personen oder Güter befördert werden.
Wie die Begründung zum änderungsgesetz vom 28. Februar 1935 auf S. 348 des Reichssteuerblattes (RStBl.) 1935 erwähnt, war in dem Entwurf des Gesetzes 1922 nur die Befreiungsvorschrift des Halbsatzes 1 enthalten und hat der Reichstag zugunsten der Landwirtschaft die im Halbsatz 2 enthaltene Vorschrift eingefügt.
Diese Begründung bezeichnet zugleich die Befreiung hinsichtlich der beförderten Güter als zu eng. Solle ein Schlepper z. B. Ernteerzeugnisse oder sonstige im landwirtschaftlichen Betrieb vorkommende Güter zum und vom Bahnhof befördern, so sei er steuerpflichtig. Die geltende Regelung stelle eine Behinderung der wirtschaftlichen Ausnutzung des Schleppers dar. Deshalb wurde die Befreiungsvorschrift ausgedehnt auf "Zugmaschinen ohne Laderaum, solange sie ausschließlich in landwirtschaftlichen Betrieben verwendet werden" (ß 3 Ziffer 4 des Gesetzes in der Neufassung vom 23. März 1935, Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 407).
Dazu erging folgender § 55 Absatz 1 der Durchführungsbestimmungen (DB):
Das Halten von Zugmaschinen ohne Güterladeraum ist dann von der Steuer befreit, wenn die Zugmaschinen ausschließlich in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb und seinen Nebenbetrieben verwendet werden. Als Nebenbetrieb gilt ein Betrieb, der dem land- oder forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb zu dienen bestimmt ist (ß 29 Absatz 5, § 45 Absatz 2 des Reichsbewertungsgesetzes - RBewG -).
In dem Erlaß vom 23. Mai 1938 (RStBl. S. 521) führte der frühere Reichsminister der Finanzen aus, eine Verwendung in einem land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb und seinen Nebenbetrieben liege auch dann vor, wenn die Zugmaschine Erzeugnisse und sonstige Güter des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs befördere (z. B. im Verkehr mit dem Bahnhof, dem Markt oder der Sammelstelle). Die Steuerbefreiung sei nicht an die Person des Fahrzeughalters geknüpft. Sie beruhe allein auf der ausschließlichen Verwendung der Zugmaschine im land- und forstwirtschaftlichen Betrieb.
In Ergänzung dieses Erlasses bestimmte der Reichsminister der Finanzen in dem Erlaß vom 16. Juni 1941 (RStBl. S. 426) unter Abschn. D für die Dauer des Krieges, das Finanzamt könne auch Zugmaschinen ohne Güterladeraum, die Nichtlandwirte Landwirten zu steuerbegünstigten Zwecken ohne oder gegen Entgelt zur Verfügung stellten, für die Dauer der ausschließlichen Verwendung in dem landwirtschaftlichen Betrieb von der Steuer befreien.
Der Kontrollrat setzte durch Artikel IV KontrRG Nr 14 vom 11. Februar 1946 den § 3 Ziffer 4 KraftStG außer Kraft und führte durch Artikel I Ziffer 2 des KontrRG Nr 51 vom 31. März 1947 (Amtsblatt des Kontrollrats S. 267) wieder eine Befreiungsvorschrift ein, deren deutscher Text lautet:
Zugmaschinen ohne Güterladeraum, die ausschließlich auf Bauernhöfen oder Landgütern gebraucht werden, sind von der Steuer befreit, ohne Rücksicht darauf, ob sie landwirtschaftlichen Genossenschaften oder Einzelpersonen gehören oder nicht.
Dazu brachte § 4 der Durchführungsverordnung der Finanzleitstelle Hamburg vom 29. Juli 1947 (Steuer- und Zollblatt - StuZBl. - S. 184) folgende Bestimmung:
Die Befreiungsbestimmung gilt für solche Zugmaschinen ohne Güterladeraum, die ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben und deren Nebenbetrieben verwendet werden. Als Nebenbetrieb gilt ein Betrieb, der dem land- und forstwirtschaftlichen Hauptbetrieb zu dienen bestimmt ist (ß 29 Absatz 5, § 45 Absatz 2 RBewG).
In dem Erlaß vom 29. Juli 1947 (StuZBl. S. 187) führt die Finanzleitstelle unter 4 a aus:
Die Befreiung ist eine rein sachliche, sie ist nicht an die Person des Kraftfahrzeughalters geknüpft. Die Befreiung gilt daher auch für die im Lohndrusch- und Lohnpflugbetrieb verwendeten Zugmaschinen, sofern sie ausschließlich im landwirtschaftlichen Betrieb verwendet werden (s. Runderlaß der Finanzleitstelle vom 3. Februar 1947 S 6100 - 34/St 4).
Der Direktor der Verwaltung für Finanzen änderte in der Verordnung zur änderung der Durchführungsbestimmungen zum KraftStG 1935 vom 16. August 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes - WiGBl. - S. 310) den Absatz 2 des § 55 DB und ließ den Wortlaut des Absatzes 1 bestehen.
II. Der Senat bejaht die Steuerpflicht auf Grund folgender Erwägungen:
Angesichts der Aufhebung des § 3 Ziffer 4 KraftStG 1935 durch das KontrRG Nr 14 bildet die Grundlage der Entscheidung die neue Befreiungsvorschrift des KontrRG Nr 51. Für die Auslegung allein ausschlaggebend ist nach dem Vorwort im Amtsblatt des Kontrollrats 1945 der Wortlaut in den drei nichtdeutschen Sprachen. Während nach der deutschen übersetzung die Zugmaschinen, die ausschließlich auf Bauernhöfen oder Landgütern gebraucht werden, von der Steuer befreit sind, "ohne Rücksicht darauf, ob sie landwirtschaftlichen Genossenschaften oder Einzelpersonen gehören oder nicht", ist in dem englischen und französischen Text von Einzelpersonen keine Rede. Es heißt im englischen Wortlaut: "This exemption applies whether such tractors are owned by agricultural cooperatives or not" und im französischen: "Cette exoneration sapplique aux tracteurs qui nappartiennent pas aux cooperatives agricoles aussi bien qua ceux qui leur appartiennent". Es sind demnach unter den angegebenen Voraussetzungen die Zugmaschinen befreit, die landwirtschaftlichen Genossenschaften gehören, und die, die ihnen nicht gehören; sie sind m. a. W. befreit ohne Rücksicht darauf, ob sie landwirtschaftlichen Genossenschaften gehören oder nicht. Der Regelfall der Anwendung der Befreiungsvorschrift ist, daß die Zugmaschine dem Besitzer (Eigentümer oder Pächter) des Bauernhofs oder Landguts gehört, auf dem sie gebraucht wird. Wenn die Befreiung nun gelten soll unabhängig davon, ob die Zugmaschine einer landwirtschaftlichen Genossenschaft gehört oder nicht, so bedeutet dies nach der Auffassung des Senats, daß es gleichgültig ist, ob die Maschine dem Bauern (Landwirt) gehört oder einer landwirtschaftlichen Genossenschaft. Die Alternative ist nicht: landwirtschaftliche Genossenschaft oder irgend jemand sonst (darunter auch ein Lohndreschereibesitzer), sondern: landwirtschaftliche Genossenschaft oder der Bauer (Landwirt). Andernfalls hätte es heißen müssen, daß die Zugmaschinen befreit sind, die den Bauernhofsbesitzern gehören, und ebenso die, die ihnen nicht gehören. Oder es hätte, da es dann nicht darauf angekommen wäre, wem die Maschinen gehören, gesagt werden müssen: gleichgültig, wem sie gehören. Die besondere Anordnung, daß auch die den Genossenschaften gehörenden Zugmaschinen befreit sind, hätte keinen Sinn, wenn auf dem Wege des "oder nicht" alle ausschließlich auf Bauernhöfen oder Landgütern gebrauchten Zugmaschinen befreit wären.
Diese Auffassung stimmt auch mit der Auslegung der Befreiungsvorschrift des KraftStG 1935 überein, die, wie anzunehmen ist, der Kontrollrat hinsichtlich der von Lohndruschunternehmern gehaltenen Zugmaschinen nicht hat erweitern wollen, nachdem er zuvor die Befreiung ganz aufgehoben hatte. Wie nämlich die unter I angeführte Begründung zum änderungsgesetz 1935 erkennen läßt, bezweckte die damalige Ausdehnung der Befreiung, die Beförderung landwirtschaftlicher Güter durch den Landwirt zum und vom Bahnhof u. dgl. in die Befreiung einzubeziehen. Wenn geltend gemacht wird, der frühere Reichsminister der Finanzen habe die frühere Befreiung auf die zum Lohndrusch verwendeten Zugmaschinen für anwendbar erachtet, so erscheint dies zweifelhaft. Der Reichsminister der Finanzen hat zwar in dem Erlaß vom 23. Mai 1938 (RStBl. S. 521) ausgesprochen, die Steuerbefreiung sei nicht an die Person des Fahrzeughalters geknüpft; in dem Erlaß vom 16. Juni 1941 (RStBl.) S. 426) hat er aber nur - für die Dauer des Krieges - die Finanzämter ermächtigt, die von Nichtlandwirten den Landwirten zur Verfügung gestellten Zugmaschinen unter näher bezeichneten Voraussetzungen von der Steuer zu befreien. Diese Maßnahme ist infolge der Aufhebung der Befreiungsvorschrift durch das KontrRG Nr 14 gegenstandslos geworden. Auch die Umschreibung der früheren Befreiungsvorschrift im § 55 Absatz 1 DB 1935 ist, ohne daß allerdings die Zugmaschinen der Genossenschaften erwähnt werden, in der änderungsverordnung des Direktors der Verwaltung für Finanzen beibehalten worden.
Die von anderer Seite vorgebrachte Erwägung, der Lohndruschunternehmer betreibe ein Gewerbe und die Verwendung der Zugmaschinen durch ihn diene also auch gewerblichen Zwecken, wird man für die Ablehnung der Befreiungsvorschrift nicht heranziehen können. Auch die Genossenschaften betreiben ein Gewerbe. Außerdem erscheint eine gewerbsmäßige Verwendung der Zugmaschine mit ihrer ausschließlichen Verwendung in einem fremden landwirtschaftlichen Betrieb bzw. auf einem fremden Bauernhof vereinbar.
Das Finanzgericht führt noch aus, nur seine Auffassung entspreche der wirtschaftlichen und sozialen Gerechtigkeit; andernfalls würde der Großgrundbesitzer von der Steuer befreit sein, der Bauer aber, der sich Zugmaschinen, Dreschkästen usw. nicht leisten könne, infolge der Abwälzung mit der Steuer belastet werden. Dieser Hinweis könnte dem Gesetzgeber beachtlich erscheinen, kann aber die Entscheidung auf Grund der gegenwärtigen Gesetzeslage nicht beeinflussen.
Nach allem vermag der Senat der insbesondere auf das Wort "Einzelpersonen" gestützten gegenteiligen Auffassung des Finanzgerichts und der gleichen Auffassung der Finanzleitstelle (vgl. oben unter I) nicht zu folgen. Der Steuerbescheid des Finanzamts war deshalb wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 407198 |
BStBl III 1951, 62 |
BFHE 1952, 162 |
BFHE 55, 162 |