Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält daran fest, daß die an einen Finanzanwärter gezahlten Unterhaltszuschüsse Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Sinne des § 19 EStG sind.
2. Aufwendungen, die einem Finanzanwärter im Zusammenhang mit seinem Dienstverhältnis entstehen, sind Werbungskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 EStG, und zwar auch dann, wenn sie durch die mit diesem Dienstverhältnis zusammenhängende Ausbildung und durch die abschließende Prüfung veranlaßt sind.
Normenkette
EStG 1969 § 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 9
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige) bezog im Streitjahr 1969 als Finanzanwärter beim FA A einen Unterhaltszuschuß in Höhe von 5 246,46 DM. Auf diesen wurde eine Lohnsteuer in Höhe von 324 DM einbehalten.
Beim Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1969 begehrte der Steuerpflichtige insbesondere die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen für seine Berufsausbildung in Höhe von 2 381,50 DM, von denen 1 200 DM als Sonderausgaben abzugsfähig seien. Als sonstige Sonderausgaben machte der Steuerpflichtige 502 DM geltend.
Das FA kürzte die von dem Steuerpflichtigen geltend gemachten Ausbildungskosten um den Verpflegungsmehraufwand von 650 DM und die Aufwendungen für Familienheimfahrten von 660 DM, da der Steuerpflichtige am Wohnort keinen eigenen Hausstand führe. Die Aufwendungen für die Fahrten zur Arbeitsstätte und die Beiträge zum Beamtenbund rechnete es zu den Werbungskosten, die aber den Pauschbetrag des § 9a Nr. 1 EStG nicht überstiegen. Die übrigen Aufwendungen für die Berufsausbildung erkannte das FA mit 500 DM neben den anderen Sonderausgaben an; nach Absetzung des Pauschbetrages gemäß § 10c Nr. 1 EStG verblieben Sonderausgaben in Höhe von 66 DM. Unter Berücksichtigung des Weihnachtsfreibetrages von 100 DM ergab sich ein maßgebender Arbeitslohn in Höhe von 5 080 DM. Die hierauf entfallende Lohnsteuer betrug 313 DM. Der Einspruch des Steuerpflichtigen hatte keinen Erfolg.
Auf die Klage des Steuerpflichtigen setzte das FG die Lohnsteuer auf 91 DM herab. Das FG, auf dessen in Entscheidungen der FG 1971 S. 17 veröffentlichtes Urteil wegen der Begründung im einzelnen verwiesen wird, teilte nicht die Auffassung des Steuerpflichtigen, daß er als Finanzanwärter seine Ausbildungskosten zum Teil als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 absetzen könne. Es rechnete vielmehr auch diese Kosten zu den dem Steuerpflichtigen aus dem Dienstverhältnis erwachsenen Kosten und damit zu den Werbungskosten im Sinne des § 9 EStG.
Die vom FG zugelassene Revision des FA rügt, daß das FG die Begriffe Werbungskosten und Sonderausgaben verkannt habe.
Die neue Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1969 habe den Begriffen Fortbildungskosten und Ausbildungskosten weder neue noch andere Inhalte gegeben. Das FG habe hier zwar auch Ausbildungskosten angenommen; das FA könne aber nicht der Meinung des FG folgen, daß alle Aufwendungen eines Arbeitnehmers in einem ausgeübten Beruf Werbungskosten seien. Einen Beruf könne nur jemand ausüben, dessen Berufsausbildung abgeschlossen sei; ein Finanzanwärter sei zwar lernend in seinem künftigen Beruf tätig, er übe ihn aber nicht aus. Die Fahrtaufwendungen von der Wohnung zur Arbeitsstätte seien Werbungskosten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Prüfung der Revision ergibt:
Das Urteil des FG steht mit dem geltenden Recht im Einklang, wenn es die Aufwendungen eines Finanzanwärters, soweit sie diesem durch seine berufliche Tätigkeit erwachsen sind, einheitlich zu den Werbungskosten des § 9 EStG rechnet. Diese Vorschrift führt zwar eine Reihe von Beispielen an, indem sie bestimmte Aufwendungen ausdrücklich zu den Werbungskosten zählt; maßgeblich für die rechtliche Beurteilung bleibt aber der in § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG angeführte Grundsatz, daß Werbungskosten alle "Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen" sind.
Demgemäß werden in ständiger Rechtsprechung insbesondere auch die Aufwendungen für die Fortbildung im ausgeübten Beruf zu den Werbungskosten gerechnet. Vom Abzug ausgeschlossen bleiben von jeher dagegen die Kosten für die Ausbildung für einen künftigen Beruf oder für einen anderen noch nicht ausgeübten Beruf, weil es sich dabei um Kosten der Lebensführung handelt, die nach § 12 Nr. 1 EStG bei den Einkünften nicht abgesetzt werden dürfen. Die Abgrenzung der Ausbildungskosten von den Fortbildungskosten kann zwar im einzelnen Fall erhebliche Schwierigkeiten bereiten. Der Senat hat aber wiederholt ausgesprochen, daß der Begriff der Fortbildungskosten nicht zu eng zu fassen sei.
Im vorliegenden Fall kann es in der Tat zweifelhaft sein, ob die von dem Steuerpflichtigen für seine berufliche Bildung aufgewendeten Beträge noch zu den Ausbildungskosten gehören oder bereits zu den Fortbildungskosten rechnen. Mit dem FG ist aber auch der erkennende Senat der Auffassung, daß die Aufwendungen zu den Fortbildungskosten zu rechnen sind, und zwar deswegen, weil der Steuerpflichtige sich in einem seinem Beruf entsprechenden Dienstverhältnis befand, aus dem er lohnsteuerpflichtige Unterhaltszuschüsse bezog. Daß die im Streitjahr bezogenen Unterhaltszuschüsse der Lohnsteuer unterliegen, hat der Steuerpflichtige auch nicht bestritten. Der Senat verweist in dieser Frage auf seine Entscheidung VI R 112/70 vom 10. Dezember 1971 (BStBl II 1972, 251) in der er unter Hinweis auf das Urteil des BFH IV 276/52 U vom 1. Juli 1954 (BFH 60, 36, BStBl III 1955, 14) daran festgehalten hat, daß Unterhaltszuschüsse eines Referendars Arbeitslohn im Sinne von § 19 EStG sind.
Hinsichtlich der Werbungskosten der Referendare hat der Senat bereits in dem Urteil VI 162/59 U vom 4. August 1961 (BFH 74, 9, BStBl III 1962, 5) anerkannt, daß Aufwendungen für Fahrten zur Arbeitsstätte und für übliche Fachliteratur Werbungskosten seien, während er die Examenskosten zu den Ausbildungskosten rechnete. Diesen Vorbehalt hat der Senat in dem Urteil VI 72/65 vom 25. November 1966 (BFH 88, 162, BStBl III 1967, 340) aufgegeben, weil infolge des Wandels der Verhältnisse Referendare ihre Ausbildung bereits mit dem ersten Staatsexamen abgeschlossen haben und ihre Aufwendungen für die weitere Ausbildung Fortbildungs- und damit Werbungskosten sind.
Finanzanwärter haben ihre berufliche Ausbildung zwar noch nicht abgeschlossen. Mit dem FG hält der Senat es aber für entscheidend, daß sie bereits in einem dem gewählten Beruf entsprechenden öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen, mit dem Aufwendungen zusammenhängen können. Bereits in dem oben angeführten Urteil VI 72/65 hat der Senat dargelegt, daß es, wenn man den Unterhaltszuschuß als Arbeitslohn betrachte, angebracht erscheine, auch alle Kosten, die einer Erhöhung der Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis dienten, als Werbungskosten zu behandeln. Das gilt auch für das Dienstverhältnis eines Finanzanwärters der in aller Regel nach Abschluß seiner Ausbildungstätigkeit im Dienst der Finanzverwaltung verbleibt. Von den gleichen Erwägungen ist der Senat in dem Urteil VI R 301/68 vom 17. Dezember 1971 (BStBl II 1972, 259) ausgegangen, in dem er bei einem Lehramtsanwärter mit Rücksicht darauf, daß dieser im Beamtenverhältnis (Beamter auf Probe) stand, die Aufwendungen für das zweite Lehrerexamen als Fortbildungskosten und damit als Werbungskosten anerkannt hat. Bei einem Lehrer, der die erste Lehrerprüfung abgelegt hat und der in ein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis getreten ist, ist es, wenn die dafür gewährten Bezüge als steuerpflichtiger Arbeitslohn zu beurteilen sind, nur folgerichtig, daß dann auch die Berufsausübung bejaht wird, mag auch nach den beamtenrechtlichen Ausbildungsvorschriften die volle Berufsausbildung erst mit der Ablegung eines zweiten Staatsexamen abgeschlossen sein.
Im Gegensatz zu dem Referendar und dem Lehramtsanwärter hat der Finanzanwärter zwar nicht bereits ein Studium beendet und ein entsprechendes Examen abgelegt. Auch hier aber erscheint es dem Senat wesentlich, daß der Finanzanwärter in einem Dienstverhältnis steht, aus dem ihm steuerpflichtige Einnahmen zufließen, und in dem er, wenngleich noch in Ausbildung stehend, doch bereits die berufliche Tätigkeit selbst ausübt. Wie in jenen Fällen sind daher auch hier Berufsfortbildungskosten anzuerkennen. Die geltend gemachten Ausgaben sind daher voll den Werbungskosten zuzurechnen.
Fundstellen
Haufe-Index 413115 |
BStBl II 1972, 261 |
BFHE 1972, 203 |