Leitsatz (amtlich)
Nur die vom ZA im Rahmen der Zollbeschau gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 ZG entnommenen Proben können Grundlage für die dem ZA zustehende Feststellung der Beschaffenheit der Ware sein. Das Gesetz sieht nicht vor, daß auch der Zollbeteiligte Proben entnimmt und sie untersuchen läßt. Er kann allerdings Mängel der amtlichen Probenahme und -untersuchung rügen sowie die Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses bestreiten.
Normenkette
ZG 1961 § 16 Abs. 1 S. 2, Abs. 3
Tatbestand
Am 11. August 1962 ließ die Klägerin 2684 Sack Weizenkleie zum freien Verkehr abfertigen, deren Stärkegehalt sie in der Zollanmeldung mit weniger als 25 % angegeben hatte. Die Zollanmeldung enthielt außerdem die Erklärung, jeder Sack sei von gleicher Größe und Beschaffenheit. Wegen des angegebenen Stärkegehalts wies das Zollamt (ZA) die Ware vorläufig der Abschöpfungstarifstelle 23.02-A-I-b-1 zu und erhob als Abschöpfung 54 DM je 1 000 kg. Bei der Abfertigung hatten die Beamten in Gegenwart eines Vertreters der von der Klägerin beauftragten Speditionsfirma aus 20 Säcken Einzelproben entnommen und daraus eine Mischprobe hergestellt. Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) kam nach deren Untersuchung zu dem Ergebnis, daß sie einen Stärkegehalt von 29,6 %, bezogen auf den Trockengehalt, und von 26,1 %, bezogen auf einen Wassergehalt von 12 Gew %, hatte. Daraufhin wies das ZA die Ware der für einen Stärkegehalt von mehr als 25 % in Betracht kommenden Abschöpfungstarifstelle 23.02-A-I-b-2 zu, wonach der Abschöpfungssatz 392,14 DM je 1 000 kg betrug. Es forderte demgemäß durch Bescheid vom 11. September 1962 den Abschöpfungsdifferenzbetrag von 34 672,20 DM von der Klägerin nach. Der deshalb erhobenen, später als Klage zu behandelnden Berufung gab das Finanzgericht (FG) teilweise dadurch statt, daß es den Abschöpfungsgesamtbetrag auf 36 747,30 DM festsetzte. Zur Begründung führte es aus:
Von der Ware seien 2 415 Sack der Abschöpfungstarifstelle 23.02-A-I-b-2 (392,14 DM je 1 000 kg) und die Restmenge von 269 Sack der Abschöpfungstarifstelle 23.02-A-I-b-1 (55,28 DM je 1 000 kg) zuzuweisen. Diese Tarifierung ergebe sich aus den gemäß § 2 Abs. 1 des Abschöpfungserhebungsgesetzes (AbG) vom 25. Juli 1962 (BGBl I 1962, 453) anzuwendenden Zollvorschriften, nach denen die Ware in den Tarif nach der Beschaffenheit einzuordnen sei, die sie zur Zeit des Antrags auf Abfertigung zum freien Verkehr gehabt habe. Ob und in welchem Umfange die Beschaffenheit einer Ware durch die Zollstelle ermittelt werde, liege in derem pflichtgemäßen Ermessen (§ 16 Abs. 1 Satz 2 ZG). Hier habe sich die Zollstelle in nicht zu beanstandender Weise damit begnügt, die Beschaffenheit der Ware durch Stichproben zu ermitteln. Da die Zollanmeldung nicht die Angabe enthalte, daß die Ware in sich unterschiedlich beschaffen sei, werde gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG vermutet, daß ihr nicht geprüfter Teil dem geprüften entspreche. Das Zollrecht kenne keine gesetzlichen Vorschriften über die Probenahme. Außerzollrechtliche Vorschriften, wie das Gesetz über den Verkehr mit Futtermitteln vom 22. Dezember 1926 (RGBl I 1926, 525) und die Verordnung über die Probenahme von Futtermitteln vom 21. Juli 1927 (RGBl I 1927, 235) seien für das ZA nicht maßgebend gewesen. Das ZA habe also die Art der Probenahme und die Menge der Proben im Rahmen seines Beschaurechts nach sachgerechtem Ermessen bestimmen können. Es sei nicht verpflichtet gewesen, eine für die gesamte Warenmenge repräsentative Probe zu entnehmen. Die Beschränkung auf 20 Säcke könne nicht als ermessensfehlerhaft gewertet werden.
Die Klägerin habe allerdings selbst der Ware 269 Proben entnehmen und durch zwei Institute untersuchen lassen mit dem Ergebnis, daß der Stärkegehalt weniger als 25 % betragen habe. Damit habe sie die Beschaffenheitsvermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG für den nicht geprüften Teil der Ware widerlegt. Aus dem Unterschied zwischen den Ergebnissen der amtlichen und der privaten Probenuntersuchung gehe aber hervor, daß die eingeführte Sendung in bezug auf den Abschöpfungstarif aus zwei verschiedenen Waren bestanden habe. Die Klägerin sei nach § 12 ZG verpflichtet gewesen, in der Zollanmeldung anzugeben, daß die Kleie teilweise mehr und teilweise weniger als 25 % Stärke enthalte, und hätte so eine volle Beschau herbeiführen können. Nachdem sie aber die Ware pflichtwidrig als Einheit angemeldet und dadurch die Vermutung des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG ausgelöst habe, könne sie sich zur Widerlegung dieser Vermutung nur auf die Beweismittel berufen, die das Ergebnis einer vollen Beschau wiedergäben. Es könne ihr nach vorschriftswidriger Anmeldung nicht zugestanden werden, in bezug auf den von ihr nicht untersuchten Teil der Sendung eine Beschaffenheitsvermutung in Anspruch zu nehmen, die bei ordnungsgemäßer Anmeldung dem ZA wegen seiner Pflicht zur vollen Beschau verwehrt gewesen wäre.
Mit der Revision greift die Klägerin das Urteil insoweit an, als es nur 269 Sack der Tarifstelle 23.02-A-I-b-1 zugewiesen hat. Sie macht gellend: Die Erfahrungen bei der Einfuhr von Weizenkleie hätten gelehrt, daß es für die Beurteilung der Ware notwendig sei, in einem für die jeweilige Gesamtsendung repräsentativen Umfang Proben zu ziehen. Im vorliegenden Falle habe sich das ZA nicht auf eine nur 20 Säcke betreffende Probenahme beschränken dürfen. Diese Probenahme habe gegenüber der von ihr aus 269 Säcken entnommenen repräsentativen Probe außer Betracht bleiben müssen. Durch die Untersuchung dieser letzteren Probe sei nachgewiesen, daß der Stärkegehalt der gesamten Ware weniger als 25 % betragen habe. Wenn schon die vom ZA aus nur 20 Säcken entnommene Stichprobe aufgrund des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG die Vermutung begründen solle, daß ihr Ergebnis auf die gesamte Sendung zutreffe, so sei es unlogisch, beim Gegenbeweis das Untersuchungsergebnis der aus 269 Säcken entnommenen Probe nur für diesen Teil der Sendung gelten zu lassen. Die Feststellung des FG, die Sendung habe aus zwei verschiedenen Warenarten bestanden, sei nicht gerechtfertigt.
Die Klägerin hat beantragt, das FG-Urteil sowie den Nachforderungsbescheid des ZA vom 11. September 1962 samt der Einspruchsentscheidung aufzuheben und die Abschöpfung auf 5 668,30 DM festzusetzen. Das Hauptzollamt (HZA) hat beantragt, das FG-Urteil aufzuheben.
Es macht mit seiner Anschlußrevision geltend: Die Beweiskraft der erst mehrere Tage nach der Abfertigung gezogenen und von den beiden Instituten untersuchten Proben sei mehr als zweifelhaft, da die näheren Umstände der Probenahme nicht bekannt seien. Jedenfalls seien die Ergebnisse der Untersuchung dieser Proben nicht gleichzustellen mit dem aus der amtlichen Probe gewonnenen Ergebnis. Abgesehen davon habe das FG aus den Untersuchungsergebnissen rechtliche Folgerungen gezogen, die gegen die Grundsätze des § 17 ZG verstießen. Die Kleiesendung sei tariflich als eine einzige Ware zu behandeln gewesen. Die Zusammensetzung der als Massenware anzusehenden Kleie habe lediglich in den einzelnen Säcken geringe Abweichungen im Stärkegehalt aufgewiesen. Die Auffassung der Klägerin, die amtliche Probe hätte gegenüber der von ihr gezogenen repräsentativen Probe außer Betracht bleiben müssen, sei mit § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG unvereinbar.
Entscheidungsgründe
Die Revision und die Anschlußrevision führen zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.
Nach § 2 Abs. 1 AbG sind auf die Abschöpfung die für Zölle geltenden Vorschriften anzuwenden, soweit sich aus den Verordnungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nichts anderes ergibt und das AbG nicht etwas anderes bestimmt. Die Ermächtigungsvorschriften des § 9 Abs. 2 und 3 AbG sehen vor, daß der Bundesminister der Finanzen (BdF) durch Rechtsverordnung einen Abschöpfungstarif schafft und zu dessen Auslegung und Anwendung Durchführungsvorschriften erläßt, die auch technische Vorschriften für die Untersuchung von Waren umfassen. Als das ZA die Ware am 11. August 1962 abfertigte und aus ihr Proben entnahm, lag nur der Entwurf eines Abschöpfungstarifs vor (vgl. den BdF-Erlaß vom 17. Juli 1962 III B/2-Z 1804 – 77/62, BZBl 1962, 652).
Erst die am 23. August 1962 verkündete Verordnung vom 13. August 1962 (BGBl II 1962, 1033) ließ den Abschöpfungstarif rückwirkend zum 30. Juli 1962 rechtlich entstehen. Der Abschöpfungstarif enthält in Nr. 2 der Vorbemerkungen die Bestimmung, daß zu seiner Auslegung und Anwendung die Erläuterungen zum Deutschen Zolltarif (DZT) anzuwenden sind, somit auch die dazu gehörenden Technischen Vorschriften. Da jedoch die Probenahme des ZA vor der Verkündung der Verordnung stattfand, konnte für sie die Technische Vorschrift zur Zolltarifnr. 23.02 nicht maßgebend sein. Zur Zeit der Probenahme durch das ZA enthielt zwar das Zollrecht in Gestalt der Technischen. Vorschrift zur Zolltarifnr. 23.02 entgegen der Meinung des FG allgemeinverbindliche Bestimmungen über die Probenahme zur Ermittlung des Stärkegehalts von Kleie. Die Geltung dieser Bestimmungen war jedoch noch nicht auf die Abschöpfung ausgedehnt worden.
Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß das Gesetz über den Verkehr mit Futtermitteln vom 22. Dezember 1926 und die Verordnung über die Probenahme von Futtermitteln vom 21. Juli 1927 für das ZA nicht maßgebend gewesen seien und daß dieses nach seinem sachgemäß auszuübenden Ermessen die Art der Probenahme und die Probemenge bestimmen durfte. Es folgt damit den Entscheidungen des Senats VII 277/64 vom 21. März 1967 (Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 88 S. 480 – BFH 88, 480 –) und VII B 137–139/67 vom 18. Juli 1968 (BFH 93, 256, BZBl 1968, 1174). Der letztgenannten Entscheidung entspricht insbesondere auch die Auffassung des FG, das ZA sei nicht verpflichtet gewesen, eine für die gesamte Warenmenge repräsentative Probe zu entnehmen, da wegen der Vermutungsvorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG die Beschau durch Stichproben nur dazu diene, die Beschaffenheit eines Teils der Sendung zu ermitteln. Es bestehen daher keine rechtlichen Bedenken dagegen, daß das FG in der Beschränkung der Entnahme von Einzelproben auf 20 Säcke eine sachgerechte Ausübung des dem ZA für die Bestimmung der Probenmenge zustehenden Ermessens gesehen hat.
Nach § 2 Abs. 1 AbG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG stand dem ZA die Entscheidung zu, ob und in welchem Umfange die Menge und die Beschaffenheit der abzufertigenden Ware ermittelt werden. Diese Ermittlung bezeichnet § 16 Abs. 1 Satz 2 ZG als „Zollbeschau” und damit als eine Amtshandlung, bei der der Zollbeteiligte gemäß § 16 Abs. 2 bis 4 ZG mitwirkungspflichtig ist. Zur Zollbeschau gehört insbesondere die Entnahme von Proben durch das ZA (vgl. § 16 Abs. 3 ZG). Nur die vom ZA im Rahmen der Zollbeschau gemäß § 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 3 ZG entnommenen Proben können Grundlage für die dem ZA zustehende Feststellung der Beschaffenheit der Ware sein. Das Gesetz sieht nicht vor, daß auch der Zollbeteiligte Proben entnimmt und sie untersuchen läßt. Er kann allerdings Mängel der amtlichen Probenahme und -untersuchung rügen sowie die Richtigkeit des Untersuchungsergebnisses bestreiten.
Die Klägerin will von dieser Möglichkeit Gebrauch machen. Denn sie macht im Einklang mit dem HZA geltend, die Ware sei einheitlich beschaffen. Ihr kommt es darauf an, mit Hilfe der privat entnommenen und untersuchten Proben nachzuweisen, daß das ZA zuwenig Proben entnommen habe, um ein zutreffendes Bild vom durchschnittlichen Stärkegehalt der gesamten Ware zu erlangen. Der Klägerin ist jedoch entgegenzuhalten, daß das ZA die Zahl der zu entnehmenden Proben nach sachgerechtem Ermessen bestimmen konnte und daß der anwesende Vertreter der von ihr beauftragten Speditionsfirma von der Möglichkeit, Einwände gegen die Zahl der Proben zu erheben, keinen Gebrauch gemacht hat. Die Klägerin kann somit nicht mehr mit dem Einwand gehört werden, die Probenzahl sei zu gering gewesen. Da das Gesetz vorsieht, daß die Beschaffenheit der Ware durch amtlich gezogene Proben ermittelt wird, kann das Ergebnis der Untersuchung dieser Proben nicht ohne weiteres mit dem Ergebnis der Untersuchung privat gezogener Proben widerlegt werden. Das Vorbringen der Klägerin hätte allerdings das FG veranlassen müssen zu prüfen, ob das Ergebnis der Untersuchung der amtlichen Proben richtig ist. Da nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ZG vermutet wird, daß der durch das ZA nicht geprüfte Teil der Ware dem geprüften entspricht, kann sich die Entscheidung darüber, ob das amtliche Untersuchungsergebnis richtig ist oder nicht, rechtlich nur auf die gesamte Ware beziehen.
Das FG ist somit von einer unzutreffenden Rechtsauffassung ausgegangen. Seine Entscheidung beruht auch auf dem Verfahrensfehler, daß das amtliche Untersuchungsergebnis nicht nachgeprüft wurde. Deshalb muß sein Urteil aufgehoben und die nicht spruchreife Sache gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zurückverwiesen werden. Das FG wird sich nunmehr insbesondere mit dem bereits in seinem Urteil erwähnten Vortrag des HZA auseinandersetzen müssen, eines der beiden von der Klägerin beanspruchten Institute habe auch einen von der ZPLA zur Verfügung gestellten Teil der amtlichen Probe untersucht und sei dabei im wesentlichen zum selben Ergebnis gekommen wie die ZPLA.
Fundstellen
Haufe-Index 514786 |
BFHE 1972, 536 |