Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsätze aus heilberuflicher Tätigkeit
Leitsatz (NV)
Eine staatlich anerkannte Altenpflegerin, die für ihre Berufsausübung keiner staatlichen Erlaubnis bedarf und keiner Überwachung durch das Gesundheitsamt unterliegt, übt einen Beruf aus, der keinem der in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 genannten Heil- und Heilhilfsberufe ähnlich ist.
Normenkette
UStG 1980 § 4 Nr. 14 S. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist staatlich anerkannte Altenpflegerin. Sie erhielt die Anerkennung nach zweijähriger Ausbildung (Lehrgangsjahr, Prüfung, Berufspraktikum) mit Wirkung vom 1. April 1984. Im Streitzeitraum (1988, erste Hälfte des Jahres 1989) betreute sie selbständig alte, pflegebedürftige Menschen in deren Wohnungen. Die Umsätze aus dieser Tätigkeit behandelte sie in ihrer Umsatzsteuererklärung 1988 als steuerfrei nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1980). Sie meinte, es handle sich um Umsätze "aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit" im Sinne dieser Vorschrift.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) unterwarf demgegenüber die Umsätze im Umsatzsteuerbescheid 1988 und -- insoweit nach Schätzung der Besteuerungsgrundlagen -- in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen I und II/1989 der Besteuerung.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es führte zur Begründung u. a. aus: Nach Tätigkeit und Ausbildung sei der Beruf der Klägerin den in § 4 Nr. 14 UStG 1980 genannten Heilberufen, insbesondere dem des Arztes und des Krankengymnasten, ähnlich. Daß -- anders als bei diesen Katalogberufen -- die Ausübung des Berufs einer Altenpflegerin keine staatliche Erlaubnis voraussetze, sei unerheblich. Heilpraktiker und Krankengymnasten bedürften wegen der möglicherweise erheblichen schädlichen Auswirkungen ihrer Tätigkeit einer gesundheitspolizeilichen Überwachung. Wenn der Gesetzgeber eine vergleichbare Gefahr für den Bereich der Altenpflege nicht für gegeben halte, könne es auf die Erlaubnis nicht ankommen, zumal im Streitfall eine gewisse Überwachung dadurch stattfinde, daß die Klägerin dem Gesundheitsamt jährlich einen Bericht vorlegen müsse. Das Abstellen auf eine staatliche Erlaubnis benachteilige neu entstandene Berufe, die zunächst erlaubnisfrei ausgeübt werden dürften. Im übrigen sei nicht ausgeschlossen, daß der Beruf der Altenpflegerin künftig ebenfalls staatlicher Erlaubnis und strengerer Aufsicht unterworfen werde.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 4 Nr. 14 UStG 1980.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
Nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 sind u. a. die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i. S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei. Der Auffassung des FG, als staatlich anerkannte Altenpflegerin habe die Klägerin eine den in § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG 1980 genannten Berufen ähnliche heilberufliche Tätigkeit ausgeübt, vermag der Senat nicht zu folgen.
a) Ein Beruf ist dann einem Katalogberuf ähnlich, wenn er in wesentlichen Punkten mit ihm verglichen werden kann; das ist der Fall, wenn das typische Bild des Katalogberufs mit seinen wesentlichen Merkmalen dem Gesamtbild des zu beurteilenden Berufs vergleichbar ist. Dazu gehört sowohl die Vergleichbarkeit der jeweils ausgeübten Tätigkeit nach den sie charakterisierenden Merkmalen als auch die Vergleichbarkeit der Ausbildung und der Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufs knüpft (ständige Rechtsprechung; vgl. zuletzt Senatsurteil vom 26. August 1993 V R 45/89, BFHE 172, 223, BStBl II 1993, 887, unter II. 1., m. w. N.).
b) Der Beruf der Klägerin war im Streitzeitraum (1988, erstes Halbjahr 1989), auf den es für die Beurteilung ankommt (vgl. Senatsurteil vom 1. September 1988 V R 195/83, Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, UStG 1967/1973, § 4 Nr. 14 Rechtsspruch 17, BFH/NV 1989, 201), hinsichtlich der Bedingungen für die Berufsausübung mit den Katalogberufen nicht vergleichbar.
Die Ausübung der in § 4 Nr. 14 UStG 1980 genannten Heil- und Heilhilfsberufe bedarf einer Erlaubnis und unterliegt der Überwachung durch das Gesundheitsamt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621, unter II. 2.; vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BFHE 161, 196, BStBl II 1990, 804, unter II. 2. b; BFH-Beschluß vom 1. September 1992 V B 69/92, BFH/NV 1993, 334). Dieses die bezeichneten Berufe prägende Merkmal weist der Beruf des staatlich geprüften Altenpflegers nicht auf.
Der Beruf des Altenpflegers ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. Gesetzentwürfe zu einer bundeseinheitlichen Regelung der Ausbildung zum Altenpfleger sind nicht weiter verfolgt worden, nachdem dagegen in einer öffentlichen Anhörung grundsätzliche Bedenken wegen mangelnder Gesetzgebungskompetenz des Bundes im sozialpflegerischen Bereich geäußert worden waren (vgl. Woche im Bundestag -- WiB --, Heft 15/1990, S. 17). Für die Klägerin galten im Streitzeitraum Verwaltungsvorschriften des Landes Nordrhein-Westfalen, nämlich der Runderlaß des Arbeits- und Sozialministers vom 15. Juni 1969 (MinBl NW 1969, 1136) und -- ab 1. Juli 1988 -- der Runderlaß des Ministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 10. Mai 1988 (MinBl NW 1988, 794). Beide Erlasse regeln die Ausbildung, Prüfung und staatliche Anerkennung von Altenpflegerinnen und Altenpflegern, sehen aber weder eine staatliche Erlaubnis für die Berufsausübung noch eine Überwachung durch das Gesundheitsamt vor. Dementsprechend übte die Klägerin ihren Beruf ohne eine derartige -- nicht vorgesehene -- Erlaubnis aus. Sie unterlag demzufolge auch keiner den Katalogberufen vergleichbaren Überwachung durch die Gesundheitsbehörde (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621, unter II. 2. b bb), sondern hatte ihr lediglich einmal im Jahr einen Bericht vorzulegen.
c) Soweit das FG diese Unterschiede als nicht entscheidungserheblich angesehen hat, vermag dem der Senat nicht zu folgen.
Ein "ähnlicher Beruf" muß in wesentlichen Punkten einem der im Gesetz genannten Berufe entsprechen. Dazu gehören die Regelungen der Berufserlaubnis und -aufsicht, die dem Zweck dienen, die Qualität einer medizinischen Behandlung zu gewährleisten (vgl. Senatsurteil in BFHE 161, 196, BStBl II 1990, 804, unter II. 2. c). Wenn für die Frage der Ähnlichkeit auf die Abhängigkeit der Berufsausübung von einer staatlichen Erlaubnis abgestellt wird, so ist dies verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Bundesverfassungsgericht -- BVerfG --, Beschluß vom 29. August 1988 1 BvR 695/88, BStBl II 1988, 975).
Soweit das FG ferner auf eine Benachteiligung neu entstandener Berufe und darauf hingewiesen hat, es sei nicht ausgeschlossen, daß der Beruf der Altenpflegerin künftig ebenfalls staatlicher Erlaubnis und strengerer Aufsicht unterworfen werde, recht fertigt dies keine andere Entscheidung. Die gesetzliche Regelung hat zur Folge, daß neue Heilberufe bzw. Heilhilfsberufe erst in den Genuß der Umsatzsteuerbefreiung kommen, wenn der Gesetzgeber sie entweder in den Katalog des § 4 Nr. 14 UStG 1980 aufnimmt oder ihnen durch eine Berufsregelung die Ähnlichkeit mit den Katalogberufen gibt. Die Gerichte sind an diese gesetzliche Regelung gebunden und nicht befugt, die Steuerbefreiung auf andere Steuerpflichtige zu erstrecken, wenn die Ähnlichkeit der Berufe verneint werden muß (vgl. Senatsurteil in BFHE 161, 196, BStBl II 1990, 804, unter II. 2. c).
d) Der Senat braucht mithin nicht zu entscheiden, ob der Auffassung des FG zu folgen ist, der Beruf der Klägerin sei nach Ausbildung und Tätigkeit den Katalogberufen ähnlich. Soweit das FG eine solche Ähnlichkeit zum Arztberuf angenommen hat, ist lediglich klarstellend darauf hinzuweisen, daß Berufe von so unterschiedlicher Ausbildungshöhe und -dauer wie der der staatlich geprüften Altenpflegerin einerseits und der des Arztes andererseits regelmäßig nicht mehr miteinander vergleichbar sind (vgl. BFH-Urteil vom 25. November 1971 V R 92/71, BFHE 104, 16, BStBl II 1972, 126).
Fundstellen