Entscheidungsstichwort (Thema)
Allgemeines Bedürfnis nach Klärung einer Rechtsfrage allein für Rechtsschutzinteresse nicht ausreichend
Leitsatz (NV)
Wurde ein Landwirt vom Finanzamt in der Mitteilung über den Beginn seiner Buchführungspflicht zum 1. Juli 1981 auch aufgefordert, bis Ende Juli 1981 eine Eröffnungsbilanz beim Finanzamt einzureichen, so ist die Frage der Rechtswidrigkeit dieser Aufforderung nach dem zwei Jahre später ohne Zwangsmittel des Finanzamts vollzogenen Eintritt in die Buchführung zum 1. Juli 1981 und der Vorlage der Eröffnungsbilanz für den Landwirt ohne Interesse.
Das allgemeine Bedürfnis nach Klärung dieser Frage reicht für die Bejahung eines Rechtsschutzinteresses nicht aus.
Normenkette
AO 1977 § 141 Abs. 1-2; FGO § 41 Abs. 1, § 100 Abs. 1 S. 4
Verfahrensgang
Tatbestand
In der Revision ist noch streitig, ob der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in der am 9. April 1981 ergangenen Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht zum 1. Juli 1981 den Kläger und Revisionskläger (Kläger) zu Recht aufgefordert hat, die zum 1. Juli 1981 aufzustellende Eröffnungsbilanz bis Ende Juli 1981 beim FA einzureichen.
Der Kläger ist Eigentümer eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes von einer Größe von 21 ha. Der Wirtschaftswert dieses Betriebes wurde bei der Einheitsbewertung zum 1. Januar 1980 auf 76 807 DM festgestellt. Am 9. April 1981 erließ das FA eine Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht. In dieser Mitteilung wurde der Kläger verpflichtet, gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO 1977) ab 1. Juli 1981 für seinen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb Bücher zu führen, aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen Abschlüsse zu machen sowie ein Anbauverzeichnis nach § 141 Abs. 2, § 142 AO 1977 zu führen, weil der Wirtschaftswert der selbstbewirtschafteten land- und forstwirtschaftlichen Flächen mit 76 807 DM mehr als 40 000 DM betrage. Ferner wurde der Kläger aufgefordert, zum 1. Juli 1981 eine Eröffnungsbilanz aufzustellen und dem FA bis Ende Juli 1981 einzureichen und für den Fall, daß land- und forstwirtschaftliche Flächen nicht selbst bewirtschaftet würden, eine Beschreibung dieser Flächen umgehend einzureichen und die Pachtverträge vorzulegen.
Nach erfolgloser Beschwerde gegen diese Mitteilung begehrte der Kläger mit der Klage die Aufhebung der Mitteilung über den Beginn der Buchführungspflicht ab 1. Juli 1981 mit der Begründung, die Mitteilung müsse schon deshalb aufgehoben werden, weil eine Feststellung des Wirtschaftswertes der selbstbewirtschafteten Flächen im Sinne des § 141 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 vor dem 1. Juli 1981 nicht erfolgt sei und es daher an diesem für den Beginn der Buchführungspflicht unabdingbaren gesetzlichen Tatbestandsmerkmal fehle. Der vom FA herangezogene Einheitswertbescheid sei keine solche Feststellung, da in ihm nur der Wirtschaftswert und nicht der Wirtschaftswert der selbstbewirtschafteten Flächen festgestellt sei. Im übrigen werde nicht bestritten, daß die Grenze von 40 000 DM hinsichtlich der selbstbewirtschafteten Flächen überschritten sei.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es hielt die Mitteilung des FA vom 9. April 1981, in der das FA auf den Beginn der Buchführungspflicht zum 1. Juli 1981 hingewiesen hat, für rechtmäßig und bejahte daher den Beginn der Buchführungspflicht ab 1. Juli 1981. Das FG vertrat außerdem die Auffassung, daß entgegen der Meinung des Klägers auch die in der angefochtenen Mitteilung enthaltene Aufforderung des FA, die Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1981 aufzustellen und bis Ende Juli 1981 beim FA einzureichen, nicht zu beanstanden sei. Diese Aufforderung habe ihre Grundlage in der Vorschrift des § 97 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, wonach die Finanzbehörde von den Beteiligten die Vorlage von Büchern, Aufzeichnungen und anderen Urkunden zur Einsicht und Prüfung verlangen könne. Dazu gehörten auch die Bilanzen. Auch der dem Kläger zur Vorlage der Eröffnungsbilanz eingeräumte Zeitraum lasse keinen Ermessensfehlgebrauch erkennen.
Die Revision bschränkt der Kläger auf die Frage, ob das FA in der Buchführungsmitteilung vom 9. April 1981 auch anordnen durfte, daß er, der Kläger, bis zum 31. Juli 1981 eine Eröffnungsbilanz vorzulegen habe. Der Kläger rügt unrichtige Anwendung der §§ 88, 97 und 141 AO 1977, sowie des § 60 Abs. 2 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV); er meint, § 97 AO 1977 sei keine Rechtsgrundlage dafür, eine bestimmte Frist für die Aufstellung von Bilanzen zu setzen. Nach § 97 AO 1977 müßten lediglich bereits aufgestellte Bilanzen als Beweismittel dem FA vorgelegt werden. Nach § 60 Abs. 2 Satz 1 EStDV sei eine Abschrift der Bilanz der Einkommensteuererklärung beizufügen. Auch diese Vorschrift beinhalte lediglich die Festlegung, wann eine Bilanz dem FA einzureichen sei. Bis zu welchen Zeitpunkt eine Bilanz aufzustellen sei, ergebe sich aus den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entspreche ein Zeitraum von 12 Monaten noch den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Aber auch nach dem Handelsgesetzbuch (HGB) brauche eine Eröffnungsbilanz nicht innerhalb eines Monats aufgestellt zu werden. Eine solch kurze Frist sei schon im Hinblick auf die Regelungen für Aktiengesellschaften unangemessen.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 30. November 1981 und die Mitteilung über die Verpflichtung zur Buchführung vom 9. April 1981 insoweit aufzuheben, als darin angeordnet werde, daß er, der Kläger, bis zum 31. Juli 1981 eine Eröffnungsbilanz vorzulegen habe. ,,Sollte die Anfechtungsklage unzulässig geworden sein", beantragt der Kläger, ,,die Entscheidung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage zu treffen".
Das FA beantragt die Zurückweisung der Revision. Es meint, daß diese mangels Beschwer und wegen des fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses nicht begründet sei. Der Kläger habe die Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1981 am 19. Mai 1983 mit der Einlegung der Revision beim FA eingereicht. Spätestens seit diesem Zeitpunkt sei der Verwaltungsakt, d.h. die Mitteilung vom 9. April 1981 hinsichtlich der Aufforderung zur Vorlage der Eröffnungsbilanz bis Ende Juli 1981 nicht mehr vollziehbar.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist hinsichtlich des Hauptantrages nicht begründet.
Die Anfechtungsklage des Klägers umfaßte zwei Streitpunkte. Seine Buchführungspflicht ab 1. Juli 1981 und die Aufforderung des FA, bis Ende Juli 1981 eine Eröffnungsbilanz aufzustellen und beim FA einzureichen. Diese Anfechtungsklage hat sich in beiden Streitpunkten dadurch erledigt, daß der Kläger nach dem klageabweisenden Urteil des FG ab 1. Juli 1981 zur Buchführung übergegangen ist und dementsprechend am 19. Mai 1983 eine Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1981 und eine Abschlußbilanz für das Wirtschaftsjahr 1981/82 beim FA eingereicht hat.
Die hinsichtlich der Verpflichtung zur Vorlage der Eröffnungsbilanz bis Ende Juli 1981 mit der Revision aufrechterhaltene Anfechtungsklage auf Aufhebung dieses Teiles des Verwaltungsaktes ist damit mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden. Da einerseits das FA aus der Nichterfüllung der dem Kläger auferlegten Verpflichtung keine Folgerungen irgendwelcher Art gezogen hat und andererseits der Kläger jetzt seine Buchführungspflicht ab 1. Juli 1981 anerkennt und die Eröffnungsbilanz vorgelegt hat, können sich aus dem trotzdem noch angefochtenen Verwaltungsakt keine Nachteile mehr für den Kläger ergeben, gleichgültig, ob die Aufforderung zur Vorlage der Eröffnungsbilanz bis Ende Juli 1981 rechtmäßig oder rechtswidrig war. Damit entfällt das Rechtsschutzinteresse für seine Aufhebung.
Die Revision ist daher hinsichtlich des Hauptantrages als unbegründet zurückzuweisen, weil die Anfechtungsklage unzulässig geworden ist.
2. Der Hilfsantrag des Klägers, ,,die Entscheidung im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage zu treffen, wenn die Anfechtungsklage unzulässig geworden sein sollte", ist unzulässig.
Hat sich die Anfechtungsklage erledigt, z.B. - wie im Streitfall - dadurch, daß die Klage auf Aufhebung eines Verwaltungsakts gegenstandslos geworden ist, weil der Kläger die in dem Verwaltungsakt ausgesprochene Verpflichtung nachträglich erfüllt hat, so kann das Gericht gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf Antrag aussprechen, daß der Verwaltungsakt insgesamt oder in einzelnen Punkten rechtswidrig war, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat (sog. Fortsetzungsfeststellungsklage). Der Übergang zu einem solchen Feststellungsbegehren nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO ist auch noch im Revisionsverfahren zulässig (vgl. BFH-Urteil vom 23. März 1976 VII R 106/73, BFHE 118, 503, BStBl II 1976, 459).
Nach der Rechtsprechung ist ein derartiges berechtigtes Interesse zu bejahen, wenn es durch die Sachlage aus rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Sicht für den Kläger gerechtfertigt erscheint (vgl. BFH-Urteile vom 4. April 1978 VII K 4/77, BFHE 125, 24, BStBl II 1978, 407, und vom 26. März 1981 VII R 14/78, BFHE 133, 322, BStBl II 1981, 586). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Für den Kläger persönlich ist die Frage der Rechtswidrigkeit der Aufforderung des FA an ihn, bis Ende Juli 1981 die Eröffnungsbilanz vorzulegen, nach dem vollzogenen Eintritt in die Buchführung ab 1. Juli 1981 und der Vorlage der Eröffnungsbilanz unerheblich und ohne Interesse. Nachteile irgendwelcher Art sind daraus dem Kläger im Streitfall nicht erwachsen. Das allgemeine Bedürfnis nach Klärung dieser Frage reicht für die Bejahung eines Rechtsschutzinteresses des Klägers nicht aus. Der Klägervertreter übersieht dabei, daß das finanzgerichtliche Verfahren nicht dazu bestimmt ist, Rechtsgutachten zu allgemein interessierenden Fragen zu erstatten (vgl. BFH-Urteil vom 20. Juli 1977 VII R 42/76, BFHE 123, 75, BStBl II 1977, 767).
Der Kläger hat im Streitfall die sog. Fortsetzungsfeststellungsklage nur hilfsweise erhoben, wenn die Anfechtungsklage unzulässig sein sollte, und ohne ausdrückliche Änderung des auf Aufhebung des angefochtenen Verwaltungsakts gerichteten Hauptantrages. Nach dem Urteil des I. Senats vom 25. Juni 1975 I R 78/73 (BFHE 117, 4, BStBl II 1976, 42) kann ein Feststellungsantrag nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO nicht hilfsweise gestellt werden, wenn der Hauptantrag auf Sachentscheidung gerichtet ist.
Ob die hilfsweise beantragte Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers, die nur unter der Bedingung der Unzulässigkeit des Hauptantrages erhoben wurde, auch unter diesem Gesichtspunkt unzulässig ist, kann hier dahinstehen, weil nach Auffassung des Senats aus den oben dargelegten Gründen schon das Rechtsschutzinteresse (§ 41 Abs. 1 FGO) an einer derartigen Feststellungsklage zu verneinen und diese daher unzulässig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 414117 |
BFH/NV 1986, 196 |