Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
An den einzelnen Bestandteilen einer einheitlichen beweglichen Sache kann Verfügungsmacht nicht übertragen werden.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 1, §§ 5, 10/1; UStDB § 2 Abs. 1; BGB § 93
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger - Stpfl. -) ist Metzgermeister. Er erwirbt von Landwirten Rinder, befördert sie in seinen Metzgereibetrieb und schlachtet sie dort. In den hier in Betracht kommenden Veranlagungszeiträumen 1956 und 1957 gab er mitunter von den geschlachteten Rindern Teile an kleinere Metzgereien (und Viehhändler), hauptsächlich an den Metzgermeister M., ab. M. nahm am Einkauf derjenigen Tiere, von denen er einen Teil (im allgemeinen abwechselnd ein Vorderviertel oder ein Hinterviertel, gelegentlich auch mehr oder weniger) erhielt, meistens teil. Er wirkte alsdann beim Aussuchen der Tiere und beim Aushandeln des Kaufpreises mit. Die in den meisten Fällen als Verkäuferin aufgetretene Güterverwaltung G. wußte, daß die Tiere in diesen Fällen nach der Schlachtung zwischen den beiden Metzgermeistern aufgeteilt wurden, und betrachtete insoweit beide als Käufer. Für Transport und Schlachtung der Tiere hatte der Stpfl. zu sorgen. Beim Schlachten half ihm des öfteren der Sohn des M. Der Verkäufer erhielt den Gesamtkaufpreis durch Scheck vom Stpfl. M. erstattete dem Stpfl. denjenigen Teil des Einkaufspreises, der auf seinen Anteil am Tier entfiel. Die Innereien wurden in demselben Verhältnis aufgeteilt wie das Fleisch. Die Berechnung des auf M. entfallenden Teils des Einkaufspreises erfolgte nach Gewicht, manchmal aber auch nach Schätzung. Die Transportkosten sowie die Fleischbeschau- und Versicherungsgebühren hatte der Stpfl. zu tragen. Als Ausgleich erhielt er die Haut des ganzen Tieres (einschließlich des dem M. zustehenden Anteils). In den Büchern der Verkäufer erschien der Stpfl. als Abnehmer. M. gab im Wareneinkaufsbuch im allgemeinen die Verkäufer als Lieferer an, in wenigen Einzelfällen aber auch den Stpfl. Gelegentlich lieferte M., der gleichzeitig Landwirt ist, Vieh aus seinem landwirtschaftlichen Betrieb an den Stpfl. und erhielt von diesem einen Teil des Fleisches zurück. Auch in diesen Fällen entrichtete der Stpfl. den Kaufpreis für das Tier in voller Höhe durch Scheck an M., während M. den Kaufpreis für das zurückerhaltene Fleisch an den Stpfl. bezahlte.
Streitig ist, ob der Stpfl. die von den kleineren Metzgereien an ihn abgeführten und von ihm besonders verbuchten Kaufpreisteile als Entgelte zu versteuern hat oder ob es sich insoweit um durchlaufende Posten im Sinne des § 5 Abs. 3 UStG handelt.
Das Finanzamt (FA) zog den Stpfl. mit den streitigen Beträgen zur Umsatzsteuer heran. Nach erfolglosem Einspruch setzte das Finanzgericht (FG) die Umsatzsteuer für 1956 und 1957 um diejenigen Beträge herab, die die anderen Metzger für die überlassung von Teilen der bei Dritten eingekauften Rinder an den Stpfl. gezahlt hatten (mit Ausnahme eines geschätzten unerheblichen Betrages betreffend den Wert der dem Stpfl. als Gegenleistung für Transport- und Schlachtleistungen überlassenen Häute). Das FG nahm an, daß der Stpfl. mit seinen Partnern eine Einkaufsgemeinschaft gebildet habe, der auch das Schlachten und Aufteilen der Tiere oblag. Es hielt eine Steuerpflicht der Metzgergemeinschaft nicht für gegeben, weil - umsatzsteuerrechtlich gesehen - jeder Metzger von vornherein die Verfügungsmacht über denjenigen Teil des Tieres erhalten habe, der ihm nach der Schlachtung zugeteilt worden sei. Infolge der Absicht, das Tier zu teilen, habe der Stpfl. nicht die Verfügungsmacht über den dem beteiligten Metzger zustehenden Teil des Tieres erlangt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des FA ist nach den Vorschriften der FGO (§ 184 Abs. 2 Ziff. 1 FGO) als Revision zu behandeln (§ 161 Abs. 2 FGO).
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Nach § 5 Abs. 3 UStG gehören zum Entgelt nicht die Beträge, die der Unternehmer im Namen und für Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten). Erforderlich ist, daß der Betrag des durchlaufenden Postens zahlenmäßig genau feststeht. Dies traf im Streitfalle zwar für die Vereinnahmung, nicht aber für die Verausgabung des von dem beteiligten Metzger gezahlten Betrages zu. Der Verkäufer konnte bei der Entgegennahme des vom Stpfl. über den ganzen Kaufpreis ausgestellten Schecks sofort nach Abschluß des Kaufvertrages nicht erkennen, welcher Teil des Kaufpreises auf den Stpfl. und welcher auf dessen Partner entfiel. Denn der vom beteiligten Metzger zu entrichtende Kaufpreisteil wurde erst nach der Schlachtung des Tieres durch Abwiegen bzw. Schätzung ermittelt.
Durchlaufende Posten liegen nur vor, wenn zwischen dem Zahlungsverpflichteten (beteiligter Metzger) und dem Zahlungsberechtigten (Verkäufer) unmittelbare Rechtsbeziehungen bestehen. Diese müssen sich auf Inhalt und Umfang des Rechtsgeschäfts erstrecken. Die Verkäufer mögen im Streitfalle zwar gewußt haben, daß der miterschienene zweite Metzger einen Teil des Tieres erhalten sollte. Der Stpfl. behauptet aber selbst nicht, daß den Verkäufern jeweils die Größe dieses Teils bekanntgegeben worden sei.
Selbst wenn der Verkäufer im Einzelfall über den auf den beteiligten Metzger entfallenden Tierteil und Kaufpreisteil unterrichtet gewesen wäre, könnte ein durchlaufender Posten nicht angenommen werden. Die Konstruktion des FG, nach der jeder der beteiligten Käufer die Verfügungsmacht an dem ihm zustehenden Tierteil erhalten habe, ist nicht haltbar. Die Verschaffung der Verfügungsmacht fällt in der Regel mit der übertragung des Eigentums im Sinne des BGB zusammen. Eigentum kann aber grundsätzlich nur an ganzen Sachen, nicht an Sachteilen, übertragen werden (vgl. § 93 BGB und Enneccerus-Kipp-Wolff, Lehrbuch des bürgerlichen Rechts, 3. Bd. § 51 IV 3). An einem bestimmten Teil einer einheitlichen beweglichen Sache (z. B. eines Rindes) kann man weder Eigentum noch Verfügungsmacht erwerben.
Folgt man der Annahme des FG, daß der Stpfl. und der jeweils beteiligte Metzger - nach außen hin erkennbar - gemeinsam den Ankauf des Rindes getätigt haben, so hätten die Partner eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts gebildet und an dem gekauften Tier Miteigentum zur gesamten Hand (§§ 718, 719 BGB) erworben. Mit der Aufteilung des Tieres nach seiner Schlachtung hätte die Gesellschaft steuerbare und steuerpflichtige Lieferungen an ihre Gesellschafter bewirkt. Eine solche Annahme würde sich im Ergebnis für den Stpfl. ungünstig auswirken; denn es würde zwar die Umsatzsteuerpflicht nicht ihn treffen, die jeweils aufgetretenen Gesellschaften hätten aber außer dem auf den zweiten Gesellschafter auch den auf den Stpfl. entfallenden Kaufpreisteil, insgesamt also erheblich mehr, zu versteuern. Es würde dies letztlich auf eine Verböserung hinauslaufen, die nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht zulässig ist. Es hat auch keiner der Beteiligten einen dahin gehenden Antrag gestellt.
Der Senat geht davon aus, daß der Stpfl. bei den streitigen Viehkäufen in eigenem Namen für eine von ihm und dem jeweils beteiligten Metzger gebildete sogenannte Innengesellschaft aufgetreten ist. Hierfür sprechen wichtige Anzeichen (insbesondere die Bezahlung des gesamten Kaufpreises durch den Stpfl.; die Anführung des Stpfl. als Abnehmer in den Aufzeichnungen der Verkäufer; die gelegentliche Abwesenheit des M. beim Einkauf der Tiere, von denen M. einen Teil abbekam; die Entrichtung des vollen Kaufpreises seitens des Stpfl. bei seinen Viehkäufen aus der Landwirtschaft des M. und die Bezahlung des Kaufpreises für das zurückerhaltene Fleisch dieser Tiere durch M.). Dann aber hat der Stpfl. die an die anderen Metzger gegen Zahlung des anteiligen Kaufpreises bewirkten Lieferungen von Teilen der geschlachteten Tiere der Umsatzsteuer zu unterwerfen.
Unter Aufhebung der Vorentscheidung war daher die Berufung (jetzt Klage) des Stpfl. gegen die Einspruchsentscheidung des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412021 |
BStBl III 1966, 263 |
BFHE 1966, 145 |
BFHE 85, 145 |
StRK, UStG:3/1 R 71 |