Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsrecht Sonstiges Verfahrensrecht/Abgabenordnung Bewertung Bewertung/Vermögen-/Erbschaft-/Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob ein Betriebsgrundstück gegeben ist und zu welchem gewerblichen Betrieb es in diesem Falle gehört, ist in dem Verfahren über die Einheitsbewertung des Betriebsgrundstücks auszutragen.
Ein Grundstück, das Ehegatten gemeinschaftlich gehört und zu mehr als der Hälfte seines Werts dem gewerblichen Betrieb des Ehemannes dient, ist, wenn das Vermögen der Ehegatten zusammenzurechnen ist (ß 75 Abs. 1 in Verbindung mit § 24 Ziff. 1 BewG), Betriebsgrundstück und dem gewerblichen Betrieb des Ehemannes zuzurechnen.
§ 24 Ziff. 1 BewG verstößt nicht gegen das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland und ist daher rechtsgültig.
Normenkette
GG Art. 3, 6/1; AO § 216 Abs. 1 Nr. 1; BewG § 24 Ziff. 1, § 26/1, § 57 Abs. 2, § 99/2
Tatbestand
Die beschwerdeführenden Eheleute haben im Jahre 1939 das Grundstück ... käuflich erworben. Das Grundstück - ein gemischtgenutztes Grundstück - dient teils Wohnzwecken, teils gewerblichen Zwecken (Bäckerei und Kolonialwarenhandlung). In dem Bescheid vom 18. Dezember 1939 über die steuerliche Zurechnung des Grundstücks an die beschwerdeführenden Eheleute zum 1. Januar 1940 wurde festgestellt, daß das Grundstück zum gewerblichen Betrieb "Bäckerei und Kolonialwarenhandlung" gehört. Der Bescheid ist unanfechtbar geworden. Auch bei der Feststellung des Einheitswerts des gewerblichen Betriebs wurde das Grundstück mit seinem Einheitswert angesetzt.
Am 18. März 1955 machten die Beschwerdeführer (Bf.) erstmals geltend, daß die Zurechnung des Grundstücks zum gewerblichen Betrieb fehlerhaft gewesen sei. Das Grundstück sei seinerzeit von ihnen zu je 1/2 Anteil erworben worden, habe aber immer nur (und zwar nur zu einem Teil) dem gewerblichen Betrieb des Ehemannes - Bäckerei und Kolonialwarenhandlung - gedient; das Grundstück rechne daher zum Grundvermögen. Demgemäß beantragten die Bf., für die Zwecke des Lastenausgleichs durch Fortschreibungsbescheid von Amts wegen zum 21. Juni 1948 festzustellen, daß ihr Grundstück kein Betriebsgrundstück sei und zu keinem gewerblichen Betrieb gehöre.
Das Finanzamt lehnte die änderung des Feststellungsbescheids ab. Die Sprungberufung hatte keinen Erfolg. Die Entscheidung der Vorinstanz beruht auf folgenden Erwägungen: In § 49 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) sei zwar bestimmt, daß bei Beteiligung mehrerer an einem Grundstück das ganze Grundstück stets zum Grundvermögen rechne ohne Rücksicht darauf, in welchem Umfang es einem gewerblichen Betrieb der Beteiligten diene. Diese Bestimmung behandle aber nur den Regelfall. Dagegen seien Ehegatten, wenn sie unbeschränkt steuerpflichtig seien und nicht dauernd getrennt lebten (- das treffe bei den Bf. zu -), steuerlich als eine Einheit anzusehen. Das ergebe sich aus § 24 Ziff. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG). Trotz der Vorschrift des § 49 BewDV müsse deshalb das Grundstück, da es zu mehr als der Hälfte seines Werts dem gewerblichen Betrieb des Ehemannes diene, als Betriebsgrundstück gelten und dem gewerblichen Betrieb des Ehemannes zugerechnet werden.
Gegen die Entscheidung des Finanzgerichts wird in der Rechtsbeschwerde (Rb.) vor allem folgendes vorgebracht: § 24 BewG behandle die Zurechnung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit bei der Vermögenszusammenrechnung. Im Streitfall handle es sich weder um mehrere Wirtschaftsgüter noch um eine Zusammenrechnung dieser Güter, sondern um eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens, wovon den Bf. je eine ideelle Hälfte gehöre. über die Zusammenrechnung des Vermögens sei hier nicht zu entscheiden, so daß von einer Durchbrechung der Regel des § 49 BewDV durch die §§ 24 und 75 BewG keine Rede sein könne. Durchbrochen werde lediglich der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland (GG). Hinsichtlich des Lastenausgleichs seien beide Bf. als zusammen veranlagte Ehegatten nicht unerheblich im Nachteil gegenüber getrennt veranlagten Ehegatten. Bei der Bewertung ihres Grundstücks dürften sie nicht anders behandelt werden als dauernd getrennt lebende Ehegatten. Den Begriff der wirtschaftlichen Einheit bestimme § 2 BewG. Das Merkmal des Eigentums in dieser Vorschrift sei bewußt für die Bewertung des Betriebsvermögens nach § 54 BewG übernommen worden. Ob die Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 BewG - Verwendung des Grundstücks zu mehr als der Hälfte seines Werts für gewerbliche Zwecke - erfüllt seien, sei den Bf. zweifelhaft, habe aber nur nebensächliche Bedeutung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
I. - Zur Feststellung eines Einheitswerts für einen Betrieb, ein Grundstück, ein Betriebsgrundstück oder eine Gewerbeberechtigung gehört auch die Entscheidung darüber, wie weit die betreffende wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) reicht (z. B. welche Wirtschaftsgüter als zu einem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb, einem Gewerbebetrieb usw. gehörig anzusehen sind). Die Entscheidung hierüber ist grundsätzlich im Bescheid über die Feststellung des Einheitswerts für die betreffende wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) zu treffen. Eine Besonderheit besteht für gewerbliche Betriebe hinsichtlich der Betriebsgrundstücke und der Gewerbeberechtigungen. Bei Betriebsgrundstücken ist bereits im Feststellungsbescheid betreffend das Grundstück eine Feststellung darüber zu treffen, ob es sich um ein Betriebsgrundstück handelt; außerdem ist noch der Betrieb festzustellen, zu dem das Betriebsgrundstück gehört (ß 216 Abs. 1 Ziff. 1 der Reichsabgabenordnung - AO -). Diese Entscheidung ist für den in Betracht kommenden gewerblichen Betrieb ein vorweggenommener Teil der Entscheidung über den Umfang dieses Betriebs (vgl. auch Riewald, Kommentar zur Reichsabgabenordnung, Anm. 1 zu § 216 AO). Demgemäß muß auch im vorliegenden Fall die Streitfrage, ob das Grundstück der Bf. ein Betriebsgrundstück ist und zu welchem gewerblichen Betrieb es in diesem Falle gehört, im Verfahren über die Einheitsbewertung des Betriebsgrundstücks ausgetragen werden.
II. - Im vorliegenden Falle gehören die Wirtschaftsgüter, die von den Vorinstanzen zu einem gewerblichen Betrieb zusammengefaßt worden sind, verschiedenen Personen (das Grundstück den beschwerdeführenden Eheleuten und die übrigen Wirtschaftsgüter des Betriebs dem beschwerdeführenden Ehemann). Nach § 2 Abs. 2 BewG kommen mehrere Wirtschaftsgüter als wirtschaftliche Einheit nur insoweit in Betracht, als sie demselben Eigentümer gehören; danach wäre eine Zusammenfassung des Grundstücks mit dem gewerblichen Betrieb des Ehemanns an sich nicht möglich. Gegenüber der grundsätzlichen Regelung des § 2 Abs. 2 BewG enthält jedoch § 24 Ziff. 1 BewG für die Einheitsbewertung eine Ausnahme. Nach dieser Vorschrift wird die Zurechnung mehrerer Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Wirtschaftsgüter zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten gehören, wenn das Vermögen der Ehegatten zusammenzurechnen ist (ß 75 Abs. 1 BewG). Die Zusammenrechnung des Vermögens von Ehegatten ist an die Voraussetzung geknüpft, daß die Ehegatten nach den Vorschriften des Vermögensteuergesetzes - VStG - (ß 11 Abs. 1) zusammen zur Vermögensteuer zu veranlagen sind. Das ist der Fall, wenn beide Ehegatten unbeschränkt steuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben. Dieser Tatbestand liegt, wie die Akten ausweisen und die Vorinstanz auch festgestellt hat, hier vor, so daß im Streitfall für den Umfang der wirtschaftlichen Einheit des gewerblichen Betriebs (nicht des Betriebsgrundstücks) die Ausnahmevorschrift des § 24 Ziff. 1 BewG Platz greift.
Die Ausnahmevorschrift des § 24 Ziff. 1 BewG gilt, wie ihre Aufnahme in den Zweiten Teil des Bewertungsgesetzes und hier in den "Ersten Abschnitt: Einheitsbewertung" sowie in den Unterabschnitt "B. Wertermittlung §§ 24 bis 66" zeigt, nur für den Bereich der Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens und des Betriebsvermögens. Für diesen Bereich muß sie jedoch, zumal sie ihren Platz an der Spitze der Vorschriften über die Wertermittlung gefunden hat, uneingeschränkt gelten. Der Gesetzgeber brauchte nicht an den Stellen des Gesetzes, die von der Abgrenzung der land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, der Grundstücke und der gewerblichen Betriebe handeln, die Vorschrift des § 24 Ziff. 1 BewG immer zu wiederholen. Demgemäß schließt auch § 54 Abs. 1 BewG, wonach ein gewerblicher Betrieb die Wirtschaftsgüter umfaßt, die dem Betriebsinhaber gehören, die Anwendung des § 24 Ziff. 1 BewG über den Umfang der wirtschaftlichen Einheit im Fall der Zusammenrechnung des Vermögens von Ehegatten nicht aus. Ebensowenig wird durch § 49 BewDV die Anwendung der genannten Vorschrift ausgeschlossen.
Der Grundgedanke des § 24 Ziff. 1 BewG besteht darin, daß bei einer wirtschaftlichen Einheit, an der nur Ehegatten beteiligt sind, die privatrechtlichen Beziehungen des einzelnen Ehegatten zu den verschiedenen Teilen dieser wirtschaftlichen Einheit außer Betracht bleiben sollen. Es wird deshalb, wenn die Voraussetzungen der Zusammenrechnung des Vermögens von Ehegatten gegeben sind, bei der Einheitsbewertung die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit ohne Rücksicht darauf getroffen, wer von den beiden Ehegatten Eigentümer der einzelnen wirtschaftlich zusammengehörigen Wirtschaftsgüter ist. Ein Grundstück der Ehefrau z. B., das ganz oder zu mehr als der Hälfte seines Werts (ß 57 Abs. 2 BewG) dem gewerblichen Betrieb des Ehemannes dient, rechnet ebenso zum gewerblichen Betrieb, wie wenn es dem Ehemann selbst gehörte. Wenn nun schon der Inhaber eines gewerblichen Betriebs die Zurechnung eines Grundstücks seiner Ehefrau zu seinem gewerblichen Betrieb hinnehmen muß, ist kein innerer Grund dafür ersichtlich, weshalb nicht das gleiche Grundstück - nur mit dem einen Unterschied, daß es nicht der Ehefrau allein, sondern den Ehegatten gemeinschaftlich gehört - von der Einbeziehung in den gewerblichen Betrieb des Ehemannes ausgeschlossen sein soll. Im Streitfall dient das Grundstück der Bf. - das haben die Vorinstanzen einwandfrei festgestellt - zu mehr als der Hälfte seines Werts dem gewerblichen Betrieb des Ehemannes, so daß seine Einbeziehung in den gewerblichen Betrieb geboten ist.
III. - Zum Einwand der Bf., § 24 Ziff. 1 BewG verstoße gegen Art. 3 GG, wird auf das Urteil des Senats III 125/57 S vom 28. Februar 1958 (Bundessteuerblatt - BStBl - 1958 III S. 191, Slg. Bd. 66 S. 497) hingewiesen. Ob und inwieweit sich § 24 Ziff. 1 BewG für Ehegatten, die zusammen zur Vermögensteuer zu veranlagen sind, bei deren Veranlagung zu einzelnen Steuern günstig oder nachteilig auswirkt, kann aus den §§ 24 bis 66 BewG über die Einheitsbewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens, des Grundvermögens und des Betriebsvermögens nicht ersehen werden. Es kann jedoch festgestellt werden, daß bei der Feststellung der Einheitswerte selbst (Wertermittlung) § 24 Ziff. 1 BewG für die betreffenden Ehegatten zu keinen Nachteilen führt. Bei der Feststellung der Einheitswerte für land- und forstwirtschaftliche Betriebe ergeben sich eher Vorteile:
Gehören z. B. bei einem landwirtschaftlichen Betrieb die Hofstelle dem einen Ehegatten, die Grundstücksflächen dagegen zum Teil dem einen, zum Teil dem anderen Ehegatten, so wirkt sich die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit unter Umständen - insbesondere im Hinblick auf die Mindestbewertung (ß 33 BewG) - für die Beteiligten günstig aus.
Gehören bei einem landwirtschaftlichen Betrieb die Hofstelle und die Grundstücksflächen dem einen Ehegatten, die Betriebsmittel (z. B. Maschinen, Vieh) teils dem einen, teils dem anderen Ehegatten, so wirkt sich die Zusammenfassung zu einer wirtschaftlichen Einheit für die Beteiligten günstig aus. Beim Fehlen des § 24 Ziff. 1 BewG müßten die Betriebsmittel des "anderen Ehegatten" mit dem gemeinen Wert statt mit dem - regelmäßig niedrigeren - Ertragswert angesetzt werden (ß 67 Abs. 1 Ziff. 8 BewG).
Die Vorschrift des § 24 Ziff. 1 BewG läßt demnach keinen Verstoß gegen das GG erkennen. Sie ist daher rechtsgültig.
Fundstellen
Haufe-Index 409210 |
BStBl III 1959, 2 |
BFHE 1959, 1 |
BFHE 68, 1 |