Leitsatz (amtlich)
Wird auf einem Grundstück, das Eheleuten je zur ideellen Hälfte gehört, für ein von dem Ehemann betriebenes Unternehmen ein Gebäude errichtet, so kommt es für die Frage, ob der Ehemann die ihm beim Neubau in Rechnung gestellten Umsatzsteuern als Vorsteuern abziehen kann und ob Selbstverbrauchsteuer angefallen ist, darauf an, ob die Werklieferungen der Bauhandwerker an die Ehegattengemeinschaft (§§ 1008, 740 ff. BGB) oder den Ehemann allein erbracht worden sind.
Normenkette
UStG 1967 §§ 15, 30
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger), der einen Pensionsbetrieb unterhält, erwarb im Jahre 1967 zusammen mit seiner Ehefrau ein neben seiner damaligen Pension gelegenes Grundstück je zur ideellen Hälfte und errichtete hierauf in den Jahren 1968 und 1969 ein weiteres Pensionsgebäude, das 1969 fertiggestellt und in Betrieb genommen wurde. Die mit dem Bau zusammenhängenden Aufträge wurden vom Kläger erteilt und die Rechnungen der Handwerker von ihm bezahlt. Der von der Baubehörde erteilte Bauschein ist auf den Kläger ausgestellt.
Im Zusammenhang mit dem Neubau (Herstellungskosten insgesamt 223 079,28 DM) wurden dem Kläger im Jahr 1968 Umsatzsteuern in Höhe von 5 220,87 DM und im Jahr 1969 Umsatzsteuern in Höhe von 17 527,73 DM in Rechnung gestellt. Bei einer im Frühjahr 1971 durchgeführten Betriebsprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, daß die Herstellungskosten für den Neubau wegen des hälftigen Bruchteilseigentums der Ehefrau nur zur Hälfte zu aktivieren seien und daß die Umsatzsteuern aus dem gleichen Grund nur zur Hälfte als Vorsteuern abzugsfähig seien. In Folgewirkung hiervon sei auch die im Jahr 1969 gemäß § 30 UStG 1967 angefallene Selbstverbrauchsteuer nur auf der Grundlage der hälftigen Herstellungskosten (also auf der Grundlage von 111 539,64 DM) festzusetzen.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) schloß sich der Auffassung des Prüfers an und setzte die Umsatzsteuer für 1968 (mit endgültigem Steuerbescheid gemäß § 225 AO) auf 7 230,10 DM und für das Jahr 1969 (erstmals) auf 11 955,20 DM fest. Durch die Versagung des hälftigen Vorsteuerabzugs ergab sich für 1968 gegenüber der vorläufigen Veranlagung eine Mehrsteuer von 2 610 DM. Für das Jahr 1969 ergab sich dieserhalb und wegen Festsetzung der Selbstverbrauchsteuer nach den hälftigen Herstellungskosten gegenüber dem Standpunkt des Klägers eine Mehrsteuer von 957 DM, für beide Jahre insgesamt sonach eine Abweichung um 3 567 DM.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage, mit der der Kläger die ungekürzte Anerkennung des Vorsteuerabzugs und die Festsetzung der Selbstverbrauchsteuer (für das Jahr 1969) nach den vollen Herstellungskosten begehrte, hat das FG stattgegeben. Es hat - antragsgemäß - die Umsatzsteuer für 1968 auf 4 619,65 DM und die Umsatzsteuer für 1969 auf 10 999,10 DM festgesetzt.
In dem in den EFG 1974, 179, veröffentlichten Urteil hat das FG im wesentlichen folgendes ausgeführt: Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 setze der Vorsteuerabzug voraus, daß dem Unternehmer - hier dem Kläger - von anderen Unternehmern Umsatzsteuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden seien, in Rechnung gestellt worden sei. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt, und zwar hinsichtlich der berechneten Umsatzsteuern in voller Höhe. Unternehmer des Pensionsbetriebes sei der Ehemann allein und nicht die hinsichtlich des Grundstücks unter den Eheleuten bestehende Bruchteilsgemeinschaft. Der Pensionsbetrieb sei von dem Ehemann allein unterhalten worden, insbesondere sei die Ehefrau zu keiner Zeit rechtlich oder tatsächlich als Mitunternehmerin aufgetreten. Auch den Neubau habe der Ehemann ausschließlich im eigenen Namen und auf eigene Verantwortung errichten lassen und sei auch hierbei erkennbar als Alleinunternehmer aufgetreten. Da der Neubau unstreitig für das Unternehmen des Ehemanns errichtet worden sei, seien die damit bewirkten Umsätze ausschließlich zwischen den Auftragnehmern des Klägers und dem Kläger selbst vollzogen worden. Umsätze der Auftragnehmer an die Ehefrau hätten - auch nur zur Hälfte - nicht stattgefunden. Der Kläger sei sonach berechtigt, die ihm im Zusammenhang mit dem Neubau gesondert in Rechnung gestellten Umsatzsteuern in voller Höhe - nicht nur in Höhe von 50 v. H. - als Vorsteuern anzuziehen.
Hinsichtlich des Umfangs der Selbstverbrauchsteuer sei ausschlaggebend, daß der Kläger den Neubau in seiner Eigenschaft als Unternehmer des Pensionsbetriebs im Jahr 1969 in vollem Umfang der Verwendung und Nutzung als Anlagevermögen zugeführt habe. Dabei sei es ohne Bedeutung, daß die Ehefrau wegen ihres hälftigen Grundstücksanteils nach bürgerlichem Recht (§§ 946 ff. BGB) auch zur Hälfte das Eigentum an dem Gebäudeneubau erlangt habe. Denn § 30 UStG 1967 stelle unter Außerachtlassung zivilrechtlicher Gesichtspunkte ausschließlich darauf ab, ob körperliche Wirtschaftsgüter dem Anlagevermögen zugeführt worden seien. Diese Frage sei hier aus den schon im Zusammenhang mit dem vollen Vorsteuerabzug angeführten Gründen zu bejahen. Der Berechnung der Selbstverbrauchsteuer seien demnach die Herstellungskosten nicht nur zur Hälfte, sondern in voller Höhe (insgesamt 223 079 DM) zugrunde zu legen. Die in der Klage gestellten Anträge auf entsprechende Festsetzung der Umsatzsteuer für 1968 und 1969 erwiesen sich somit als berechtigt.
Mit der Revision rügt das FA unrichtige Anwendung des geltenden Rechts hinsichtlich der Vorschriften des § 15 Abs. 1 Nr. 1 und des § 30 UStG 1967.
Da der Kläger und seine Ehefrau wegen der Verfügungsberechtigung und der Nutzung des Neubaus keine Vereinbarungen getroffen hätten und da die Eheleute nach bürgerlichem Recht je zur Hälfte Miteigentümer des Neubaus geworden seien, seien auch die Bauleistungen selbst den Eheleuten jeweils zur Hälfte zugewachsen. Der Kläger habe bei den Bauaufträgen zwar im eigenen Namen, aber nur zur Hälfte auf eigene Rechnung gehandelt. Soweit der Neubau für Rechnung der Ehefrau errichtet worden sei, sei das Gebäude dem Kläger von seiner Ehefrau durch stillschweigende Übereinkunft für die Zwecke des Unternehmens überlassen worden. Hinzu komme, was die Vorinstanz verkannt habe, daß der Neubau nach der Rechtsprechung des BFH (Hinweis auf das Urteil vom 19. Mai 1971 I R 18/70, BFHE 102, 396, BStBl II 1971, 643) nur insoweit zum Betriebsvermögen des Klägers gehöre, als er Eigentümer desselben geworden sei, also wiederum nur zur Hälfte. Der Kläger habe mithin das Gebäude auch nur zur Hälfte seinem Unternehmen zugeführt. Daraus folge zwangsläufig, daß die durch den Bau angefallenen Umsatzsteuern von ihm nur zur Hälfte als Vorsteuern abgezogen werden könnten und daß die Selbstverbrauchsteuer nur für den Miteigentumsanteil, also auf der Grundlage der hälftigen Herstellungskosten berechnet werden dürfe.
Das FA beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage gegen die Steuerbescheide vom 23. Mai 1972 in Form der Einspruchsentscheidungen vom 5. Dezember 1972 abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 kann der zum Vorsteuerabzug berechtigte Unternehmer die ihm von anderen Unternehmern gesondert in Rechnung gestellte Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen abziehen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden sind. Der Vorsteuerabzug kann demnach u. a. nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Unternehmer selbst die von dem vorunternehmer getätigte Lieferung (oder sonstige Leistung) empfangen hat (vgl. Hartmann-Metzenmacher, Umsatzsteuergesetz - Mehrwertsteuer -, Kommentar, 6. Auflage, Anm. 31 zu § 15).
Die Vorinstanz hält diesen Sachverhalt in der Person des Klägers für gegeben, weil dieser die mit dem Neubau zusammenhängenden Aufträge allein erteilt habe, die an ihn gerichteten Rechnungen der Handwerker von ihm bezahlt worden seien und der Bauschein auf ihn ausgestellt worden sei. Diese Umstände sind jedoch nicht ausreichend, um die Schlußfolgerung zu rechtfertigen, daß die von den Bauhandwerkern getätigten Werklieferungen (§ 3 Abs. 4 UStG 1967) nur an den Kläger erbracht und daher von ihm allein empfangen worden seien. Denn die Frage, wem diese Werklieferungen erbracht worden sind, kann nicht allein danach beantwortet werden, welcher der beiden Eheleute mit der Baubehörde und den Handwerkern verhandelt hat und infolgedessen im Bauschein oder auf Rechnungen als Adressat angegeben ist. Da sich das Grundstück im Miteigentum der Eheleute zu je 50 v. H. befand, bestand zwischen diesen eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (§§ 741 ff. BGB), bei der die Verwaltung des gemeinschaftlichen Gegenstandes den Teilhabern - also den Eheleuten - gemeinschaftlich zusteht. Da die mit der Errichtung des Neubaus zusammenhängenden Entscheidungen zur Verwaltung des Gemeinschaftsgrundstücks gehören (vgl. Ermann, Handkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 5. Aufl., § 744 Anm. 1), waren diese Entscheidungen von den Eheleuten gemeinsam zu treffen, wenn zwischen den Ehegatten keine von der gesetzlichen Regelung abweichenden Abmachungen getroffen worden waren (vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 29. Aufl., Anm. 1 zu § 744). In diesem Fall, den die Vorinstanz offenbar als gegeben angenommen hat, wäre der Neubau von beiden Eheleuten gemeinsam in Auftrag gegeben worden und wären daher die Werklieferungen der Bauhandwerker an die Ehegattengemeinschaft, nicht aber dem Ehemann allein erbracht worden, so daß dieser als Unternehmer des Hotelbetriebs weder Vorsteuer abziehen könnte noch insoweit Selbstverbrauchsteuer zur Hebung kommen würde.
Der erkennende Senat ist jedoch nicht in der Lage, den Streitfall in diesem Sinn zu entscheiden, weil nach der Lebenserfahrung nicht davon ausgegangen werden kann, daß es im Zusammenhang mit einer so weitreichenden Maßnahme, wie sie die Errichtung des Neubaus auf dem Gemeinschaftsgrundstück darstellte, zu keinerlei Abmachungen zwischen den Eheleuten gekommen ist. Das Nichtvorliegen "förmlicher" Abreden zwischen den Eheleuten, wie es in der Vorentscheidung festgestellt ist, schließt nicht aus, daß die Eheleute in anderer Weise eindeutig Vereinbarungen in bezug auf die Errichtung des Hotelneubaus und dessen Nutzung für den Betrieb des Ehemannes getroffen hatten. Die Vorentscheidung enthält hierzu wegen ihres anderweitigen Ausgangspunktes in der Beurteilung des Streitfalles keine Feststellungen. Da der BFH solche Feststellungen im Revisionsverfahren nicht treffen kann, ist die Vorentscheidung aufzuheben und die nicht spruchreife Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen, damit diese die fehlenden Ermittlungen nachholt und dann erneut entscheidet (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Sollten die weiteren Ermittlungen des FG zu der Erkenntnis führen, daß der Kläger wegen Fehlens eindeutiger Abmachungen zwischen den Eheleuten nicht als der wirtschaftliche Eigentümer des Miteigentumsanteils der Ehefrau anzusehen ist, so wären die Werklieferungen der Bauhandwerker an die Ehegattengemeinschaft erbracht worden, so daß - wie bereits ausgeführt wurde - der Kläger seinerseits keine Vorsteuern abziehen kann und bei ihm auch keine Selbstverbrauchsteuer anzusetzen ist. Diese Rechtsfolge tritt auch dann ein, wenn der Ehemann bei der Errichtung des Neubaus als Bevollmächtigter (§§ 164 ff. BGB) der Ehefrau - und damit der Gemeinschaft - tätig gewesen ist oder wenn die Ehefrau mit dem Bauvorhaben und der Nutzung des Baues im Betrieb des Ehemannes lediglich einverstanden war, ohne dem Ehemann eine Stellung einzuräumen, die nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 1. Oktober 1970 V R 49/70 (BFHE 100, 272 [275], BStBl II 1971, 34) dem wirtschaftlichen Eigentum gleichzusetzen wäre (vgl. auch Urteil des BFH I R 18/70). Denn auch in diesen Fällen wären die Werklieferungen der Handwerker nicht gegenüber dem Ehemann als Unternehmer, sondern gegenüber der Ehegattengemeinschaft getätigt worden. Ob und inwieweit die Gemeinschaft zum Abzug von Vorsteuern berechtigt und bei dieser Selbstverbrauchsteuer angefallen ist, ist in diesem Verfahren nicht zu entscheiden.
Fundstellen
Haufe-Index 71331 |
BStBl II 1975, 396 |
BFHE 1975, 512 |