Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Erwerber eines Grundstücks übernommene Kreditkosten des Veräußerers als vorabentstandene Werbungs- und Anschaffungskosten
Leitsatz (NV)
1. Vorabentstandene Werbungskosten sind von den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu unterscheiden.
2. Verpflichtet sich der Erwerber eines Grundstücks gegenüber dem Veräußerer zur Erstattung von Kreditkosten, die auf einer Darlehensaufnahme durch den Veräußerer beruhen und vor der Fälligkeit des Kaufpreises entstanden sind, so zählt diese Nebenleistung des Erwerbers grundsätzlich zu dessen Anschaffungskosten (Anschluß an BFH-Urteil v. 17. 2. 1981 VIII R 95/80 BFHE 133, 37, BStBl II 1981, 466).
3. Eine solche unter nahen Angehörigen als Vorvertrag zum Kaufvertrag abgeschlossene Vereinbarung führt nicht zu Anschaffungskosten, sondern zu freiwilligen Zuwendungen i. S. von § 12 Nr. 2 EStG des Erwerbers, wenn die Vereinbarung als Vorvertrag nicht nach § 313 Satz 1 BGB notariell beurkundet und auch nicht in dem Kaufvertrag in Bezug genommen worden ist.
Normenkette
EStG §§ 7b, 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 2; BGB § 313
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) erwarben aufgrund notariell beurkundeten Kaufvertrags vom 1. Dezember 1981 von ihrer Tochter ein Einfamilienhausgrundstück, das sie von diesem Zeitpunkt an selbst nutzten. Sie übernahmen in Anrechnung auf den Kaufpreis Grundpfandrechte und mit dem Grundstück zusammenhängende Darlehensverpflichtungen samt Zinsen und Tilgungen vom Tage des Vertragsschlusses an. Außerdem traten sie in alle Verpflichtungen ein, die sich aus den übernommenen Schuldverhältnissen ergaben.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1981 machten die Kläger als vorabentstandene Werbungskosten Kredit- und Reparaturkosten geltend, die sie vor dem 1. Dezember 1981 für ihre Tochter bezahlt hatten. Die Schuldzinsen beruhten auf den von den Klägern im Kaufvertrag vom 1. Dezember 1981 übernommenen Darlehensverpflichtungen, die die Tochter für das Einfamilienhausgrundstück eingegangen war und später umgeschuldet hatte. Die Tochter konnte die Grundstücksaufwendungen nicht mehr tragen, weil sie infolge ihrer anstehenden Ehescheidung in finanzielle Schwierigkeiten geraten war.
Der Übernahme der Kreditkosten durch die Kläger liegt eine privatschriftliche Vereinbarung mit ihrer Tochter vom Februar 1981 zugrunde. Darin kamen die Vertragsparteien überein, daß die Kläger das Einfamilienhausgrundstück der Tochter nach der Scheidung ihrer Ehe gegen Übernahme der Darlehensverpflichtungen kaufen. Da die Tochter die Zins- und Tilgungsleistungen nicht mehr aufbringen konnte und der Kauf des Grundstücks durch die Kläger beabsichtigt war, verpflichteten sich die Kläger gegenüber ihrer Tochter, die Darlehensschulden einschließlich Zinsen und Tilgung im Innenverhältnis bereits jetzt zu übernehmen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte in seiner Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1981 einen Abzug der von den Klägern anstelle ihrer Tochter getragenen Kredit- und Reparaturaufwendungen als vorabentstandene Werbungskosten ab. Es handele sich dabei um freiwillige Zuwendungen der Kläger an ihre Tochter i. S. von § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit der Begründung statt, die von den Klägern für ihre Tochter übernommenen Kreditkosten seien als vorabentstandene Werbungskosten abziehbar. Sie seien ihnen als Aufwand zur Finanzierung ihrer Anschaffungskosten für das Einfamilienhausgrundstück erwachsen. Sie hätten diese Aufwendungen in Erwartung des Erwerbs des Grundstücks auf die Schulden gemacht, die sie in Anrechnung auf den Kaufpreis übernommen hätten und die damit ihre Anschaffungskosten darstellten.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung des § 9 und des § 12 Nr. 2 EStG.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil das FG Kreditkosten, die die Kläger vor dem Grundstückserwerb für ihre Tochter als Rechtsvorgängerin übernommen hatten, rechtsfehlerhaft als vorabentstandene Werbungskosten zum Abzug zugelassen hat. Die Kreditkosten sowie die von den Klägern für ihre Tochter bezahlten Reparaturkosten erhöhen auch weder ganz noch teilweise als zusätzliche Anschaffungskosten die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen i. S. von § 7b EStG. Das FA hat die strittigen Aufwendungen im Ergebnis zutreffend als freiwillige Zuwendungen nach § 12 Nr. 2 EStG beurteilt.
Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen; sie sind bei der Einkunftsart abziehbar, bei der sie erwachsen sind. Als Werbungskosten sind bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung diejenigen Aufwendungen zu beurteilen, bei denen objektiv ein wirtschaftlicher Zusammenhang mit der Vermietung und Verpachtung steht und die subjektiv zur Förderung der Nutzungsüberlassung gemacht werden. Sie können auch schon vor dem Anfall von Einnahmen als vorabentstandene Werbungskosten abgezogen werden, sofern bereits ein hinreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang i. S. von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG zwischen den Aufwendungen und angestrebten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung besteht. Die von den Klägern für ihre Tochter übernommenen Kreditkosten stellen keine vorabentstandenen Werbungskosten im Sinn der vorstehenden Grundsätze dar.
a) Entgegen der Auffassung des FG sind die strittigen Kreditkosten nicht als vorabentstandener Aufwand der Kläger zur Finanzierung der Anschaffungskosten für das Einfamilienhausgrundstück zu beurteilen, das sie von ihrer Tochter erwarben. Die Kreditkosten beruhten nicht auf Darlehen, die etwa die Kläger aufgenommen hätten, um an ihre Tochter den Kaufpreis für den Erwerb des Grundstücks aufgrund des Kaufvertrags vom 1. Dezember 1981 zu bezahlen. Vielmehr waren die Kreditkosten die Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, das die Tochter für das Einfamilienhausgrundstück aufgenommen und später umgeschuldet hatte. Bürgerlich-rechtlicher und wirtschaftlicher Schuldner der Kreditkosten, deren Abzug als Werbungskosten die Kläger begehren, war im Zeitpunkt der Entstehung dieses Aufwands noch die Tochter. Die Kläger verpflichteten sich am 20. Februar 1981 lediglich im Innenverhältnis gegenüber ihrer Tochter, sie hiervon bereits freizuhalten.
b) Die strittigen Aufwendungen lassen sich - entgegen der Auffassung des FG - auch nicht deswegen als vorabentstandene Werbungskosten beurteilen, weil die Kläger sie ihrer Tochter in Erwartung des Erwerbs des Einfamilienhausgrundstücks abgenommen hatten. Aufgrund dieser Erwägung könnten die Aufwendungen allenfalls den Anschaffungskosten der Kläger für das Einfamilienhausgrundstück mit der Folge zuzuordnen sein, daß die erhöhten Absetzungen der Kläger nach § 7b EStG heraufzusetzen sein könnten.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat wiederholt entschieden, daß vorabentstandene Werbungskosten von den Anschaffungskosten oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts zu unterscheiden sind (Urteil vom 7. Oktober 1986 IX R 93/82, BFHE 148, 495, BStBl II 1987, 330). Verpflichtet sich der Erwerber eines Grundstücks gegenüber dem Veräußerer zur Erstattung von Kreditkosten, die auf einer Darlehensaufnahme durch den Veräußerer beruhen und vor der Fälligkeit des Kaufpreises entstanden sind, so zählt diese Nebenleistung des Erwerbers zu dessen Anschaffungskosten (BFH-Urteil vom 17. Februar 1981 VIII R 95/80, BFHE 133, 37, BStBl II 1981, 466).
Im vorliegenden Fall übernahmen die Kläger laut notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 1. Dezember 1981 als Gegenleistung für den Erwerb des Grundstücks die mit diesem zusammenhängenden Verbindlichkeiten und alle sich aus den zugrundeliegenden Schuldverhältnissen ergebenden Verpflichtungen. Vorab hatten die Kläger ihre Tochter bereits aufgrund der Vereinbarung vom 20. Februar 1981 von vor dem 1. Dezember 1981 angefallenen Kreditkosten freigestellt.
Dennoch sind die strittigen Aufwendungen der Kläger nicht als Anschaffungskosten, sondern als freiwillige Zuwendungen i. S. von § 12 Nr. 2 EStG zu beurteilen, weil sie einkommensteuerrechtlich nicht als Teil der Gegenleistung der Kläger für den Erwerb des Einfamilienhausgrundstücks von ihrer Tochter anerkannt werden können. Leistungen unter nahen Angehörigen können nur dann einkommensteuerrechtlich berücksichtigt werden, wenn sie u. a. im voraus rechtswirksam vereinbart worden sind (BFH-Urteile vom 10. August 1988 IX R 220/84, BFHE 154, 503, BStBl II 1989, 137; vom 31. Oktober 1989 IX R 216/84, BFHE 159, 319). Der Vereinbarung der Kläger mit ihrer Tochter vom 20. Februar 1981 fehlt als Rechtsgrundlage für Vorleistungen der Kläger zum Erwerb des Einfamilienhausgrundstücks die zu ihrer Rechtswirksamkeit bürgerlich-rechtlich erforderliche Form. Als Vorvertrag zum Kaufvertrag vom 1. Dezember 1981 hätte sie gemäß § 313 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) notariell beurkundet werden müssen.
Auf die Rechtswirksamkeit der Vereinbarung vom 20. Februar 1981 kann nicht deswegen verzichtet werden, weil die Kläger die strittigen Aufwendungen tatsächlich erbrachten und anschließend noch im selben Veranlagungszeitraum das Einfamilienhausgrundstück - wie in der Vereinbarung vom 20. Februar 1981 vorgesehen - erwarben. Der Senat brauchte nicht auf die Rechtsprechung einzugehen, nach der eine schuldrechtliche Rückbeziehung allenfalls dann einkommensteuerrechtlich anerkannt werden kann, wenn sie nur von kurzer Zeit ist und technische Bedeutung hat (BFH-Urteile vom 23. Januar 1986 IV R 335/84, BFHE 146, 236, BStBl II 1986, 623; vom 21. Mai 1987 IV R 80/85, BFHE 150, 342, BStBl II 1987, 710). Denn die Vertragsparteien haben in dem Kaufvertrag vom 1. Dezember 1981 keine Rückbeziehung vereinbart. Die Kläger übernahmen darin Zinsen und Tilgung erst vom Tage des Vertragsschlusses am 1. Dezember 1981 an. Die Vertragsparteien nahmen in dem Kaufvertrag vom 1. Dezember 1981 auch nicht auf die voraufgegangene Vereinbarung vom 20. Februar 1981 Bezug. Schließlich hatte auch eine etwaige Heilung des Formmangels der Vereinbarung vom 20. Februar 1981 durch die Auflassung und Eintragung im Grundbuch nach dem klaren Wortlaut des § 313 Satz 2 BGB (,,wird . . . gültig") keine Rückwirkung.
2. Da das FG bei seiner Entscheidung von anderen rechtlichen Erwägungen ausgegangen war, war das angefochtene Urteil aufzuheben.
Die Sache ist spruchreif. Die Klage war nach den vorstehenden Ausführungen abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 63026 |
BFH/NV 1991, 236 |