Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückzahlung eines Ausbildungsdarlehens nebst Zuschlag
Leitsatz (NV)
Muß der Empfänger eines Ausbildungsdarlehens dieses nebst einem Zuschlag zurückzahlen, so sind die Aufwendungen für den Zuschlag dann Ausbildungskosten und keine Werbungskosten, wenn damit nachträglich die im Zusammenhang mit der Ausbildung gewährten Vorteile abgegolten werden sollen und wenn der Zuschlag nicht weitaus überwiegend als Druckmittel zur Einhaltung der vorvertraglichen Verpflichtung zur Eingehung eines langfristigen Arbeitsverhältnisses dienen soll.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielte im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Arzt. Sein Studium hatte er mit einem Ausbildungsdarlehen des Landes Nordrhein-Westfalen finanziert. Nach § 5 Abs. 2 des Darlehensvertrages war der Kläger verpflichtet, nach Bestehen des dritten Abschnittes der ärztlichen Prüfung unverzüglich in den höheren Medizinaldienst des Landes Nordrhein-Westfalen einzutreten. Im Fall des Zuwiderhandelns war das Ausbildungsdarlehen mit einem Zuschlag von 50 v.H. zurückzuzahlen und es waren die empfangenen Beträge mit 4 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank, mindestens jedoch mit 8 v.H. zu verzinsen. Mit Schreiben vom . . . 1987 löste der Kläger einseitig den mit dem Land Nordrhein-Westfalen geschlossenen Vertrag. Das Land forderte daraufhin den gewährten Darlehensbetrag zurück und machte außerdem Zinsen sowie einen Zuschlag geltend.
In der Einkommensteuererklärung machte der Kläger diese Beträge als Werbungskosen bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte lediglich 900DM als Ausbildungskosten gemäß § 10 Abs. 1 Nr.7 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der der Kläger und Revisionskläger (Kläger) an ihrem bisherigen Begehren festhielten, als unbegründet ab und führte aus:
Das Darlehen sei dem Kläger im Hinblick auf ein zukünftiges Dienstverhältnis gewährt worden. Die Weigerung des Klägers, in den Medizinaldienst einzutreten, habe nicht zu einer vertraglichen Aufhebung des bisherigen und der Begründung eines neuen Schuldverhältnisses, das an die Stelle des alten treten solle, geführt. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Aufwendungen für die Rückzahlung des Darlehens als Werbungskosten, Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen zu qualifizieren seien. In allen Fällen richte sich der Abzugszeitpunkt nach der Vorschrift des § 11 Abs. 2 Satz 1 EStG. Dies gelte auch für die steuerliche Berücksichtigung von kreditfinanzierten Aufwendungen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Juni 1988 III R 248/83, BFHE 154, 63, BStBl II 1988, 814). Da es auf den Zeitpunkt der Verausgabung und nicht auf den der Schuldentilgung ankomme, könne die Darlehensrückzahlung im Streitjahr einkommensteuerrechtlich nicht berücksichtigt werden.
Bei dem Zuschlag und den Zinsen handele es sich um nachträgliche Ausbildungskosten, die nur beschränkt nach § 10 Abs. 1 Nr.7 EStG abzugsfähig seien. Die Darlehensvaluta sei vom Kläger für Studienzwecke benutzt worden. Der Zuschlag sei vom Kläger verwirkt worden, weil er nach Studienabschluß nicht in den Medizinaldienst eingetreten sei. Schuldgrund sei der vom Kläger eingegangene Vertrag über die Finanzierung seiner Ausbildung. Folglich handele es sich bei dem Zuschlag wie bei den streitigen Zinsen um Ausbildungskosten. Dem Kläger sei zwar zuzugeben, daß die Vertragsaufkündigung und die dadurch anfallenden Kosten dazu gedient hätten, eine wesentlich höher dotierte Position außerhalb des öffentlichen Dienstes antreten zu können. Diese Motivation rechtfertige jedoch keine andere steuerliche Beurteilung der Aufwendungen.
Der Kläger rügt mit seiner vom FG zugelassenen Revision sinngemäß eine Verletzung des § 9 EStG und trägt vor: Die Auffassung des FG, es sei keine Novation des Schuldgrundes erfolgt, lasse unberücksichtigt, daß Novationen im Bereich der Werbungskosten laufend anerkannt würden. In den BFH-Urteilen vom 28. September 1984 VI R 127/80 (BFHE 142, 255, BStBl II 1985, 87), und VI R 144/83 (BFHE 142, 258, BStBl II 1985, 89) seien klassische Ausbildungskosten als Werbungskosten anerkannt worden, weil die Veranlassung für diese Ausgaben nur durch die zu erzielenden höheren Einkünfte gegeben gewesen sei. Tatsächlich habe der Kläger aufgrund seines Stellenwechsels höhere Bezüge erhalten.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat teilweise Erfolg. Sie ist unbegründet, soweit der Kläger mit ihr eine über den vom FA bereits anerkannten Betrag von 900DM hinausgehende Berücksichtigung der Aufwendungen für die Rückzahlung des Ausbildungsdarlehens und der Zinsen geltend macht. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), soweit das FG die Berücksichtigung des Zuschlags als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit abgelehnt hat.
1. Die Vorinstanz hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß die Aufwendungen für die Rückzahlung des Ausbildungsdarlehens im Streitjahr schon deshalb nicht steuerlich berücksichtigt werden können, weil gemäß § 11 Abs. 2 EStG für die steuerliche Berücksichtigung kreditfinanzierter Aufwendungen auf den Zeitpunkt der Verausgabung abzustellen ist. Inwieweit für außergewöhnliche Belastungen i.S. der §§ 33 ff. EStG Besonderheiten gelten (vgl. dazu BFH in BFHE 154, 63, BStBl II 1988, 814), kann dahingestellt bleiben. Denn Aufwendungen für die Berufsausbildung sind in der Regel nicht außergewöhnlich, so daß ein Abzug der Aufwendungen nach § 33 EStG ausscheidet.
Das FG hat auch die Zinsen für das Ausbildungsdarlehen zu Recht den Ausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr.7 EStG zugeordnet. Die Zinsen stehen in einem derart engen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem für Ausbildungszwecke verwendeten Darlehen, daß es gerechtfertigt ist, die Aufwendungen für die Zinsen ebenfalls als nachträgliche Ausbildungskosten zu werten.
Soweit der Kläger sich auf eine Novation des Schuldgrundes für die Rückzahlung des Darlehens und der vereinbarten Verzinsung beruft, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine Novation kann nur dann steuerrechtliche Auswirkungen haben, wenn sie tatsächlich vereinbart ist. Daran mangelt es im Streitfall. Der Kläger hat auch in der Revision nicht dargelegt, wodurch eine Novation eingetreten sein soll. Der Umstand, daß die Fälligkeit des Rückzahlungs- und Zinsanspruchs zu dem konkreten Zeitpunkt nur deshalb eingetreten ist, weil der Kläger sich vom Vertrag gelöst hat, bewirkte nicht eine Novation des Schuldgrundes, sondern führte zu den Folgen, die bereits im Vertrag für den Fall seiner Nichterfüllung durch den Kläger vorgesehen waren.
2. Die Revision ist begründet, soweit das FG die Aufwendungen für den Zuschlag als Ausbildungskosten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr.7 EStG gewertet und einen Werbungskostenabzug abgelehnt hat.
a) Der Senat hat nach Ergehen der im Streitfall angefochtenen Entscheidung mit Urteil vom 28. Februar 1992 VI R 97/89 (BFHE 168, 67, BStBl II 1992, 834) entschieden, daß die Aufwendungen für einen Zuschlag, den der Empfänger eines Ausbildungsdarlehens neben der Rückzahlung des Darlehens zu entrichten hat, dann Ausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr.7 EStG) und keine Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) sind, wenn damit nachträglich die im Zusammenhang mit der Ausbildung gewährten Vorteile abgegolten werden sollen und wenn der Zuschlag nicht weitaus überwiegend als Druckmittel zur Einhaltung der vorvertraglichen Verpflichtung zur Eingehung eines langfristigen Arbeitsverhältnisses dienen soll. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf dieses Urteil zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
b) Die Vorentscheidung ist von anderen rechtlichen Voraussetzungen ausgegangen und deshalb insoweit aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Die tatsächlichen Feststellungen des FG ermöglichen keine abschließende Entscheidung darüber, ob die Aufwendungen für den Zuschlag den Ausbildungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr.7 EStG) oder den Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zuzuordnen sind. Das FG wird im zweiten Rechtsgang Feststellungen darüber nachholen müssen, welchen Zweck die Vertragspartner mit der Vereinbarung des Zuschlags verfolgt haben.
aa) Sollte die weitere Sachverhaltsaufklärung ergeben, daß mit dem Zuschlag nachträglich solche Vorteile abgegolten werden sollten, die dem Kläger zwar im Zusammenhang mit dem Vertrag über das Ausbildungsdarlehen, aber über das Darlehen hinaus gewährt worden sind, so wären die Aufwendungen für den Zuschlag den Ausbildungskosten zuzuordnen. Dies wäre z.B. der Fall, wenn der Kläger seinen Studienplatz für Medizin nicht selbständig, sondern nur aufgrund des mit dem Land Nordrhein-Westfalen abgeschlossenen Vertrages im Rahmen eines diesem evtl. zustehenden Kontingents an Studienplätzen erhalten hätte.
bb) Sollte sich hingegen ein Zusammenhang zwischen dem Zuschlag und solchen Leistungen, die dem Kläger während seiner Ausbildung zusätzlich zu dem Darlehen gewährt worden sind, nicht feststellen lassen, so käme als vorrangiger Zweck des Zuschlags nur in Betracht, auf den Kläger Druck zur Einhaltung der in dem Ausbildungsvertrag eingegangenen vertraglichen Verpflichtung auszuüben, mindestens acht Jahre lang entgeltlich im höheren Medizinaldienst des Landes Nordrhein-Westfalen als vollbeschäftigter Arzt tätig zu sein. Bei einem derartigen Sachverhalt wäre die Anerkennung als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gerechtfertigt. Auf das Urteil in BFHE 168, 67, BStBl II 1992, 834 wird insoweit Bezug genommen.
Der Umstand, daß die Verpflichtung des Klägers, in der Zukunft für das Land Nordrhein-Westfalen tätig zu sein, in einem Vertrag über ein Ausbildungsdarlehen begründet worden ist, führt nicht automatisch zu einer Zuordnung der Aufwendungen für den Zuschlag zu den Ausbildungskosten. Denn dadurch ändert sich nichts daran, daß es sich bei der Vereinbarung über die zukünftige Berufstätigkeit des Klägers um einen Vorvertrag zum Abschluß eines Dienstvertrages handelt. Der durch den Vorvertrag bereits konkretisierte Dienstvertrag hätte im Falle seines Abschlusses und seiner Durchführung beim Kläger zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geführt. Der wirtschaftliche Zusammenhang des verwirkten Zuschlags mit den bereits im Streitjahr erzielten oder ggf. zukünftig zu erzielenden Einnahmen wäre - sollte der Zuschlag vorrangig als Druckmittel für die Einhaltung des Vorvertrages vereinbart worden sein - als enger zu bewerten als derjenige mit der Ausbildung.
Fundstellen