Leitsatz (amtlich)
Die Nacherhebung gemäß § 13 Abs. 3 des Hamburgischen Grunderwerbsteuergesetzes ist von der nach Ablauf der dort genannten Zweijahresfrist zu treffenden Feststellung abhängig, daß die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung im Erwerbszeitpunkt nicht vorgelegen haben. Ist bis zum Ablauf dieser Frist die beabsichtigte Eigennutzung noch nicht herbeigeführt worden, so führt dies deshalb nicht ohne weiteres zur Nacherhebung der Steuer. Gegebenenfalls kann hierin jedoch ein Indiz dafür gesehen werden, daß die Wohnung im Zeitpunkt ihres Erwerbs nicht zur Nutzung durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt war.
Normenkette
GrEStG Hamburg § 8 Nr. 4; GrEStG Hamburg § 8 Nr. 5; GrEStG Hamburg § 12 Nr. 3; GrEStG Hamburg § 13 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin kaufte durch notariell beurkundeten Vertrag vom Januar 1970 eine in Hamburg belegene Eigentumswohnung zum Kaufpreis von ...DM. Nach ihrem Vortrag hatte die Klägerin die Absicht, diese Wohnung mit ihrem Ehemann zu beziehen. Vor Bezugsfertigkeit der Wohnung vermietete sie jedoch die Wohnung auf die Dauer von nahezu fünf Jahren.
Die Notwendigkeit der Vermietung ergab sich nach dem Vortrag der Klägerin daraus, daß in ihrer Ehe Schwierigkeiten entstanden seien. Der Mieter der Wohnung hatte eine Kaution in Höhe von 5 000 DM zu stellen. In der Zeit vom 8. Januar bis zum 15. Juli 1971 wohnte die Klägerin zusammen mit dem Mieter in der Wohnung. Anschließend kehrte sie in die Wohnung ihres Ehemannes zurück.
Das beklagte Finanzamt stellte den Erwerbsvorgang durch Bescheid vom 23. Februar 1970 gemäß § 8 Nr. 5 des Hamburgischen Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zunächst von der Grunderwerbsteuer frei. Es erhob durch Bescheid vom 10. Mai 1974 die Grunderwerbsteuer in Höhe von 7 000 DM gemäß § 13 Abs. 3 GrEStG mit der Begründung nach, die Klägerin habe die Wohnung nicht fristgemäß zu dem steuerbegünstigten Zweck verwendet. Sie sei zwar in der Zeit vom 11. Januar bis 15. Juli 1971 für die genannte Wohnung gemeldet gewesen; eine Nutzung durch sie sei aber wegen des bestehenden Mietverhältnisses nicht möglich gewesen.
Die von der Klägerin nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage ist vom Finanzgericht abgewiesen worden. Das Finanzgericht hat in seinem Urteil vom 18. August 1975 I 143/74 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1976 S. 29 - EFG 1976, 29 -) die Auffassung vertreten, daß die Steuer gemäß § 13 Abs. 3 GrEStG nachzuerheben sei. Eine endgültige Steuerbefreiung komme nur in Betracht, wenn die Wohnung durch den Erwerber oder seine Angehörigen - unbeschadet einer steuerlich unschädlichen vorübergehenden Fremdnutzung - während einer Frist von zwei Jahren nach dem Tage der Bekanntgabe des Bescheides über die Freistellung von der Grunderwerbsteuer auch tatsächlich bewohnt werde.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts kann weder dem § 8 Nr. 5 noch dem § 13 Abs. 3 GrEStG entnommen werden, daß die erworbene Eigentumswohnung innerhalb der Zweijahresfrist des § 12 Nr. 3 GrEStG durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bezogen sein muß, soll die Steuerfreiheit erhalten bleiben.
§ 8 Nr. 5 GrEStG stellt den Erwerb einer grundsteuerbegünstigten Eigentumswohnung von der Grunderwerbsteuer frei, die zum Bewohnen durch den Eigentümer oder seine Angehörigen bestimmt ist. In dieser Vorschrift ist zur näheren Kennzeichnung der Eigentumswohnung, deren Erwerb von der Grunderwerbsteuer freigestellt wird, dieselbe Formulierung verwendet wie in § 12 Abs. 1 Satz 2 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) für die Kennzeichnung der eigengenutzten Eigentumswohnung. Für die letztere Vorschrift und die vergleichbaren Vorschriften des § 7 Abs. 1 Satz 1 (Familienheime) und § 9 Abs. 1 (Eigenheime) II. WoBauG vertritt das Bundesverwaltungsgericht die Auffassung, daß die gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen grundsätzlich im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit der jeweiligen Wohnung erfüllt sein müßten. Die erforderliche Zweckbestimmung zur Eigennutzung werde regelmäßig spätestens beim Eigenbezug der Wohnung vorgenommen. Nicht immer könne aber der geplante Eigenbezug bereits bei Bezugsfertigkeit verwirklicht werden. Hier reiche die Absicht aus, die Wohnung später der vorgesehenen Nutzung zuzuführen. Die Eigennutzungsabsicht und die sich aus ihr ergebende Zweckbestimmung müßten aber schon im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit vorgelegen haben (vgl. das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. März 1974 VIII C 91.73, Bundesbaublatt 1975 S. 19, unter Hinweis auf die Urteile vom 16. Dezember 1965 VIII C 82.62, BVerwGE 23, 80, und vom 14. November 1968 VIII C 65.65, BVerwGE 31, 50).
Für die Anwendung des § 8 Nr. 5 (und auch der Nr. 4) GrEStG kann im Grundsatz nichts anderes gelten. Abzustellen ist jedoch nicht auf die Zweckbestimmung im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit, sondern auf die jeweilige Zweckbestimmung im Zeitpunkt des Erwerbes (vgl. auch das Urteil des Senats vom 23. Juli 1975 II R 117/74, BFHE 117, 52, BStBl II 1976, 28). Das Urteil des Senats vom 10. Oktober 1962 II 48/61 U (BFHE 76, 45, BStBl III 1963, 17) entspricht demgegenüber nicht der neueren Rechtsprechung des Senats. An ihm wird nicht mehr festgehalten.
Im Wohnungsbaurecht führt die Nichtverwirklichung bzw. die Aufgabe des jeweiligen begünstigten Zwecks allerdings wegen des § 83 Abs. 5 (vgl. auch den Rechtsgrundsatz des § 7 Abs. 2) II. WoBauG zum Wegfall der Anerkennung der Wohnung als steuerbegünstigt, und zwar ggf. mit Rückwirkung, wenn die Wohnung nicht oder nicht mehr den Vorschriften des § 82 II. WoBauG u. a. über die zulässige Benutzung entspricht. Eine vergleichbare Vorschrift fehlt im Hamburgischen Grunderwerbsteuergesetz. Aus § 13 Abs. 3 GrEStG kann nicht - wie etwa aus § 4 Abs. 2 Satz 2 GrEStG 1940 - entnommen werden, daß die Zweckbestimmung "Eigennutzung" innerhalb der Zweijahresfrist erreicht sein müsse und innerhalb dieser Frist auch nicht wieder aufgegeben sein dürfe. Dies hätte vorausgesetzt, daß in § 13 Abs. 3 GrEStG zum Ausdruck gebracht worden wäre, bei Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks fände eine Nacherhebung statt.
Eine Nachversteuerungsvorschrift enthielt z. B. das frühere bayerische Recht und das noch geltende schleswig-holsteinische Recht (vgl. hierzu die Senatsurteile vom 1. August 1967 II 156/63, BFHE 89, 540, BStBl III 1967, 706, und II 108/65, BFHE 89, 548, BStBl III 1967, 711; vom 20. Juni 1968 II R 15/68, BFHE 93, 340, BStBl II 1968, 783, und vom 29. Oktober 1975 II R 97/75, BFHE 117, 300, BStBl II 1976, 165). In § 13 Abs. 3 GrEStG wird demgegenüber lediglich angeordnet, daß u. a. ein Erwerbsvorgang im Sinne des § 8 Nr. 5 der Steuer unterliegt, wenn nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 12 Nr. 3 GrEStG, die mit der Bekanntgabe des Freistellungsbescheides beginnt, festgestellt wird, daß die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht gegeben sind. Mit den Voraussetzungen für die Steuerbefreiung können nach Sachlage nur die in § 8 Nr. 5 GrEStG genannten gemeint sein. Dies kann nur bedeuten, daß es für die Nachprüfung auch weiterhin auf die Verhältnisse im Zeitpunkt des Erwerbs ankommt, die nach § 8 Nr. 5 GrEStG für die Steuerbefreiung maßgebend sind.
Wollte man gleichwohl fordern, daß die Wohnung bis zum Ablauf der Zweijahresfrist bezogen sein müsse, damit die Steuerbefreiung erhalten bleibe, so träten im Einzelfall Rechtsfolgen ein, die mit dem Sinn und Zweck des § 8 Nr. 5 GrEStG nicht mehr vereinbar wären. Ist z. B. eine Eigentumswohnung bei Ablauf der Zweijahresfrist noch nicht fertiggestellt, so wäre es widersinnig, von den Erwerbern, die die Eigentumswohnung beziehen wollen, nur deshalb Grunderwerbsteuer zu fordern, weil sie mangels rechtzeitiger Fertigstellung der Wohnanlage nicht einziehen können.
Wird eine Eigentumswohnung, deren Größe die Grenzen des § 39 Abs. 1 Buchst. d II. WoBauG, aber nicht die Grenzen für eigengenutzte Eigentumswohnungen überschreitet, vorübergehend vermietet, weil sie durch den Eigentümer erst nach Ablauf von etwa drei Jahren bezogen werden kann und auch bezogen wird (z. B. im Falle des Eigenbezuges nach der Pensionierung), so wäre es unverständlich, daß in diesem Fall zwar die Anerkennung der Wohnung als steuerbegünstigt nicht widerrufen würde, gleichwohl aber die Grunderwerbsteuerfreiheit verlorengehen sollte.
Da es sich bei den genannten Fällen keineswegs um seltene Ausnahmefälle handelt, muß § 13 Abs. 3 GrEStG so ausgelegt werden, daß diese Fälle nicht zu einer Grunderwerbsteuerpflicht führen. Dies kann nur bedeuten, daß vom Wortlaut ausgegangen wird, der lediglich eine Nachprüfung der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung zuläßt, ohne zusätzliche Tatbestandsmerkmale für die endgültige Steuerbefreiung festzulegen. Der erkennende Senat hält es nicht für gerechtfertigt, dem § 13 Abs. 3 GrEStG eine die Steuerpflichtigen benachteiligende Auslegung zu geben, die sich weder aus dem Wortlaut noch aus den Materialien des Gesetzes ergibt. Zwar ist § 13 Abs. 3 GrEStG gegenüber dem vorher geltenden § 7 Abs. 2 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung beim Aufbau der Freien und Hansestadt Hamburg i. d. F. vom 27. März 1962 (Gesetz- und Verordnungsblatt 1962 S. 81 - GVBl 1962, 81 -), der eine Nacherhebung der Steuer nur vorsah, wenn das Zustehen der Grundsteuervergünstigung nicht nachgewiesen wurde, geändert worden. Die Begründung zu § 13 GrEStG (Mitteilungen des Senats an die Bürgerschaft Nr. 203 vom 21. Dezember 1965) enthält jedoch keine Andeutung, daß damit eine grundlegende Änderung der Nacherhebung der Steuer herbeigeführt werden sollte, wie dies das beklagte Finanzamt im Ergebnis annimmt.
Der Senat hat schließlich noch erwogen, ob nicht aus § 13 Abs. 3 GrEStG entnommen werden könnte, daß die Steuer immer dann nachzuerheben sei, wenn die Zweckbestimmung bis zum Ablauf der Zweijahresfrist aufgegeben worden ist. Aber auch für diese Auslegung enthält die Vorschrift keine ausreichenden Anhaltspunkte, zumal der Beginn und damit auch der Ablauf der Zweijahresfrist allein von einer Maßnahme des Finanzamts (Erlaß des Freistellungsbescheides) abhängt.
Der erkennende Senat ist sich allerdings darüber im klaren, daß gewisse Unebenheiten in der Behandlung der Eigentumswohnungen nicht gänzlich verhindert werden können. Bei kleineren Eigentumswohnungen wird es für die Grunderwerbsteuerbefreiung ausreichen, daß die Bestimmung zur Eigennutzung im Erwerbszeitpunkt gegeben ist. Bei Eigentumswohnungen jedoch, die die für andere Wohnungen vorgeschriebene Größe überschreiten, muß damit gerechnet werden, daß bei dauernder Fremdvermietung der Wohnung die Anerkennung als steuerbegünstigt entweder überhaupt nicht ausgesprochen oder mit Rückwirkung widerrufen wird, wodurch auch die Grunderwerbsteuerbefreiung verlorengehen dürfte. Gleiches dürfte für Familienheime und Eigenheime gelten, deren Anerkennung als steuerbegünstigt bei dauernder Fremdvermietung mit Rückwirkung widerrufen wird. Daraus resultiert im Ergebnis eine günstigere Rechtslage bei der Grunderwerbsteuer für kleinere Eigentumswohnungen bis zu einer Größe von 108 qm. Indessen ist dies eine Folge der unterschiedlichen grundsteuerlichen Behandlung der Eigentumswohnungen bis zur Größe von 108 qm und der Wohnungen über die Größe von 108 qm bis zur Größe von 144 qm (vgl. § 39 Abs. 1 Buchst. c und d, § 82 Abs. 1 II. WoBauG).
Dient nach allem § 13 Abs. 3 GrEStG der abschließenden Überprüfung der Steuerfreiheit, so kommt es für die Überprüfung der Zweckbestimmung darauf an, ob entsprechend den Erkenntnissen nach Ablauf der Zweijahresfrist angenommen werden kann, daß die Wohnung zur Eigennutzung erworben worden ist. In manchen Fällen wird aus der Fremdvermietung auf das Fehlen der Eigennutzungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbes geschlossen werden können.
Da das Finanzgericht von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war sein Urteil aufzuheben. Der erkennende Senat kann nicht selbst über die entscheidungserheblichen Rechtsfragen entscheiden, da das Finanzgericht keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob die Klägerin beim Erwerb der Wohnung die Absicht hatte, die Wohnung selbst zu bewohnen.
Körperschaftsteuer
Fundstellen
Haufe-Index 72974 |
BStBl II 1979, 83 |
BFHE 1979, 235 |
DNotZ 1980, 399 |