Entscheidungsstichwort (Thema)
Gaststättenverpachtung als Betrieb gewerblicher Art einer Gemeinde
Leitsatz (NV)
Eine Gemeinde kann mit der Verpachtung einer Gaststätte einen Betrieb gewerblicher Art i. S. von § 2 Abs. 3 UStG 1967, § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG unterhalten.
Die Gaststättenverpachtung ist die entgeltliche Überlassung einer (dem Gegenstand nach eindeutig umrissenen) Einrichtung, die beim Verpächter (Gemeinde) selbst einen Betrieb gewerblicher Art darstellen würde (§ 1 Abs. 3 KStDV a. F.).
Ob die Verpachtung der ,,Einrichtung" sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft ,,wirtschaftlich heraushebt" (§ 1 Abs. 3 KStDV a. F.), richtet sich nach dem Umfang der Tätigkeit des Verpächters (nicht des Pächters!).
Gewinn- oder Umsatzgrenzen (vgl. BMF, BStBl I 1968, 182) sind keine geeigneten, allein maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung der Steuerpflicht einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nach § 2 Abs. 3 UStG 1967. Auch wenn die Grenze des nachhaltigen Jahresumsatzes nicht erreicht ist, liegt ein Betrieb gewerblicher Art jedenfalls vor, wenn die Körperschaft mit der (wirtschaftlich sich heraushebenden) Verpachtungstätigkeit zu anderen Verpachtungsunternehmern unmittelbar in Wettbewerb tritt.
Normenkette
UStG 1967 § 2 Abs. 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine Gemeinde - errichtete auf dem Gelände ihres Freibades ein Bewirtschaftungsgebäude. Dieses Gebäude enthielt im Erdgeschoß sanitäre Anlagen und Umkleidekabinen, Räume für den Bademeister und für Erste Hilfe, einen Kiosk und sonstige Anlagen für den Schwimmbadbetrieb. Das erste Obergeschoß war als Gaststätte eingerichtet, die einschließlich Inventar verpachtet wurde (Nutzfläche: 105,72 qm). Das zweite Obergeschoß enthielt eine Wohnung (92 qm), die an den Pächter der Gaststätte vermietet wurde. Die Gaststätte konnte sowohl aus dem Freibad, von dessen Benutzern, wie auch von sonstigen Besuchern direkt aufgesucht werden. Sie war unabhängig vom Saisonbeginn des Bades ganzjährig geöffnet. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurde das Gebäude zu 50 v. H. im Rahmen des Schwimmbadbetriebs genutzt, die andere Hälfte umfaßte zu 53,5 v. H. die Gaststättenräume und zu 46,5 v. H. die Wohnung des Gaststättenpächters.
Die Herstellungskosten des Gebäudes betrugen 386 421,20 DM. Außerdem fielen Anschaffungskosten für die Gaststätteneinrichtung in Höhe von 40 340,11 DM (netto) an. Dabei wurden der Klägerin 1971 42 506,76 DM bzw. 4 437,46 DM Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.
Die Jahresumsätze des Pächters der Gaststätte betrugen: 1971: 85 830 DM, 1972: 97 333 DM und 1973: 120 013 DM.
Der Pachtzins der Klägerin betrug 1971: 5 150 DM, 1972: 5 840 DM und 1973: 7 208 DM.
Hinsichtlich der Pachtumsätze verzichtete die Klägerin gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) auf die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 12 UStG 1967.
Nach einer Außenprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lediglich das Schwimmbad als Betrieb gewerblicher Art. Die Verpachtung der Gaststätte erreichte nach Auffassung des FA nicht die erforderliche Gewichtigkeitsgrenze. Zum einen lägen die Jahresumsätze aus der Pacht unter 12 000 DM jährlich, zum anderen sei eine Zusammenfassung mit dem Betrieb gewerblicher Art ,,Schwimmbad" mangels ausreichender Verflechtung nicht zulässig. Die Verpachtung der Gaststätte gehöre daher zum nichtunternehmerischen Bereich der Klägerin. Aufgrund dieser Beurteilung änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung 1971 dahingehend, daß es von den im Jahre 1971 für die Gebäudeherstellung in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträgen nur 50 v. H. zum Abzug zuließ (21 253,38 DM) und den auf die Gaststätteneinrichtung entfallenden Vorsteuerbetrag in Höhe von 4 437,46 DM strich. Andererseits unterwarf das FA die Herstellungskosten des Gebäudes nur zu 50 v. H. und die Anschaffungskosten der Gaststätte gar nicht der Selbstverbrauchsteuer. Schließlich wurden die Pachteinnahmen des Jahres 1971 nicht besteuert.
Der Einspruch der Klägerin gegen den geänderten Umsatzsteuerbescheid 1971 hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage beantragte die Klägerin zunächst, die Umsatzsteuer um 25 690,84 DM herabzusetzen. Diesen Antrag schränkte sie dahingehend ein, daß die Umsatzsteuer 1971 um 9 493,21 DM auf . . . DM herabgesetzt werde.
Hinsichtlich des zuletzt genannten Antrags hatte die Klage Erfolg.
Das FG vertrat im wesentlichen folgende Auffassung: Die Verpachtung der Gaststätte im Bewirtschaftungsgebäude sei ein Betrieb gewerblicher Art i. S. von § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG 1967 i. V. m. § 1 Abs. 1 Ziff. 6 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 2. Halbsatz KStG a. F. stehe einem Betrieb gewerblicher Art die Verpachtung eines solchen Betriebes gleich. Damit komme es entgegen der Auffassung des FA auch bei der Prüfung der Frage, ob die Verpachtung der Gaststätte einen Betrieb gewerblicher Art darstelle, auch hinsichtlich des Merkmals des Heraushebens aus der wirtschaftlichen Tätigkeit der Körperschaft (§ 1 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung - KStDV - a. F.) nicht auf die Höhe der Pachteinnahmen, sondern auf die Umsätze des Pächters an. Das ergebe sich auch aus dem Grund der gesetzlichen Regelung des § 1 Abs. 1 Ziff. 6 2. Halbsatz KStG a. F., wonach Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art dem in eigener Regie geführten Betrieb gewerblicher Art gleichgestellt worden sei. Mit dieser Vorschrift habe verhindert werden sollen, daß Körperschaften des öffentlichen Rechts die Körperschaftsteuerpflicht dadurch umgingen, daß sie Einrichtungen nicht selbst betrieben, sondern verpachteten.
Im Hinblick auf die Umsätze des Pächters bestehe kein Zweifel daran, daß ein anzuerkennender Betrieb gewerblicher Art verpachtet worden sei.
Die beantragte Steuerfestsetzung ergab sich danach wie folgt: Die mit 11 v. H. zu versteuernden Umsätze (die Klägerin unterlag mit ihren übrigen, anerkannten Betrieben gewerblicher Art der Regelbesteuerung) erhöhte das FG um die Pachtentgelte des Jahres 1971 in Höhe von 5 150 DM.
Den Vorsteuerabzug 1971 ermittelte das FG wie folgt: Es behandelte das gesamte Gebäude (einschließlich Wohnung) als dem Unternehmen der Klägerin zugeordnet mit der Begründung, nach dem Pachtvertrag könne die Wohnung nur im Zusammenhang und für die Dauer des Pachtverhältnisses an den Pächter vermietet werden. Im Hinblick darauf, daß die Wohnung an den Pächter für dessen private Wohnzwecke vermietet wurde und daher eine Option zur Steuerpflicht für diese Mietumsätze bei der Klägerin nicht in Betracht kam, ließ das FG die mit diesem Gebäudeteil in Zusammenhang stehenden Vorsteuerbeträge (23,25 v. H. nach Maßgabe der Flächen) nicht zum Abzug zu. Abziehbar waren danach 76,75 v. H. (32 623,93 DM) an Stelle von bisher 50 v. H. (21 253,38 DM).
Ferner ließ das FG die bei Anschaffung der Gaststätteneinrichtung durch die Klägerin in Rechnung gestellte Umsatzsteuer in Höhe von 4 437,46 DM zum Vorsteuerabzug zu. Andererseits unterlagen der Selbstverbrauchsteuer die Herstellungkosten des Gebäudes gemäß § 30 Abs. 2, 3 Satz 2 UStG 1967 zu 76,75 v. H. mit dem Steuersatz von 4 v. H. (Mehrsteuer 4 134,70 DM). Auch die Gaststätteneinrichtung unterlag mit 4 v. H. auf 40 340 DM der Selbstverbrauchsteuer in Höhe von 1 613,60 DM.
Das FA rügt mit der Revision Verletzung von § 2 Abs. 3 UStG 1967 i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. Zur Begründung trägt es im wesentlichen wie bisher vor: Bei Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts greife die Besteuerung nach dem KStG, und damit auch nach dem UStG, nur ein, wenn der Umfang der Verpachtung und nicht der des verpachteten Betriebs gewichtig genug sei. Darauf habe der Bundesfinanzhof (BFH) abgestellt (Urteile vom 24. Oktober 1961 I 105/60 U, BFHE 73, 785, BStBl III 1961, 552, und vom 12. Juli 1967 I 267/63, BFHE 89, 416, BStBl II 1967, 679). Die BFH-Urteile vom 13. März 1974 I R 7/71 (BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391) und vom 20. November 1969 I R 204/67 (BFHE 97, 372, BStBl II 1970, 151), auf die sich das FG bezogen habe, seien nicht einschlägig.
Die Gewichtigkeitsgrenzen von 2 000 DM durchschnittlichen Jahresgewinns bzw. 12 000 DM durchschnittlichen Jahresumsatzes nach dem Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 30. Januar 1968 (BStBl I 1968, 182) habe die Klägerin mit der Verpachtung der Gaststätte nicht erreicht. Damit bleibe dieser Verpachtungsbetrieb in ihrem nichtsteuerbaren Bereich.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Die Entscheidung des FG, den Vorsteuerabzug aus den Baurechnungen für die Gaststätte anteilig zuzulassen, trifft im Ergebnis zu.
Nach § 2 Abs. 3 UStG 1967 sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art (§ 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG a. F.) gewerblich oder beruflich (also unternehmerisch) tätig.
Nach § 1 Abs. 1 Ziff. 6 KStG a. F. sind unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig: Betriebe gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts; einem solchen Betrieb steht die Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art gleich.
Letztere Voraussetzung erfüllte die Klägerin auch mit der Verpachtung der Gaststätte mit Inventar, einer Einrichtung, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen dient (§ 1 Abs. 1 KStDV).
Nach § 1 Abs. 2 KStDV ist ,,die Einrichtung" als Betrieb gewerblicher Art nur dann steuerpflichtig, wenn sie sich innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft ,,wirtschaftlich heraushebt". Diese wirtschaftliche Selbständigkeit kann (so die Durchführungsverordnung) in einer besonderen Leitung, in einem geschlossenen Geschäftskreis, in der Buchführung oder in einem ähnlichen auf eine Einheit hindeutenden Merkmal bestehen.
Nach § 1 Abs. 3 KStDV ist als Verpachtung eines Betriebs gewerblicher Art jede entgeltliche Überlassung von Einrichtungen . . . anzusehen, die beim Verpächter einen Betrieb gewerblicher Art darstellen würden.
Auch diese Voraussetzungen nach der KStDV erfüllt die Verpachtung der Gaststätte. Letztere ist dem Gegenstand nach eindeutig als Einrichtung umrissen, die bei der Klägerin (als Verpächter) einen Betrieb gewerblicher Art darstellen würde.
Soweit sich das FA auf das BMF-Schreiben in BStBl I 1968, 182 zur Anwendung des § 2 Abs. 3 UStG 1967 - Anerkennung einer Tätigkeit ,,von einigem Gewicht" - beruft, und damit die Zugehörigkeit der Gaststättenverpachtung als Betrieb gewerblicher Art zum Unternehmen der Klägerin verneint, folgt der Senat dem nicht. Es handelt sich um die Anknüpfung an einen nachhaltig bzw. durchschnittlich erzielbaren Jahresgewinn einer Einrichtung von mindestens 2 000 DM oder, falls dieser nicht erreicht wird, an einen nachhaltig bzw. durchschnittlich erreichten Jahresumsatz in Höhe von 12 000 DM als Mindestgrenze für die Gewichtigkeit.
Das FA weist zwar zutreffend darauf hin, daß die Auffassung des FG, diese ,,Gewichtigkeit" sei nach dem Umfang der Tätigkeit des Pächters und nicht des Verpächters zu beurteilen, der Rechtsprechung des BFH zum KStG widerspricht (vgl. BFH in BFHE 73, 785, BStBl III 1961, 552; BFHE 89, 416, BStBl II 1967, 679, und zuletzt Urteil vom 2. März 1983 I R 100/79, BFHE 138, 66, BStBl II 1983, 386, am Ende). Die Verwaltung teilt diese Auffassung (Abschn. 5 Abs. 5 Satz 8 der Körperschaftsteuer-Richtlinien - KStR - 1985). Für die Umsatzsteuer unternehmerischer Verpachtungstätigkeit von Körperschaften des öffentlichen Rechts gilt nichts anderes.
Die Klägerin hat die vorbezeichneten Gewinn- bzw. Umsatzgrenzen bei der Gaststättenverpachtung in den Streitjahren nicht erreicht. Dies ist indessen nicht entscheidend. Wie der Senat bereits im Urteil vom 11. Januar 1979 V R 26/74 (BFHE 127, 83, BStBl II 1979, 746) entschieden hat, sind derartige starre Gewinn- oder Umsatzgrenzen bei der Umsatzsteuer keine geeigneten, allein maßgeblichen Kriterien zur Bestimmung der Steuerpflicht der Körperschaft des öffentlichen Rechts. Hinzu kommt insbesondere, daß § 1 Abs. 3 KStDV eine Sonderregelung (im Verhältnis zu § 1 Abs. 2 KStDV) trifft, die auf die Besonderheiten der ,,Verpachtungsbetriebe" Rücksicht nimmt und auf die verpachteten ,,Einrichtungen, Anlagen oder Rechte" abstellt, also auf die verpachteten Gegenstände. Der erzielte Ertrag bzw. die Umsatzhöhe treten als Abgrenzungsmerkmale schon der Sache nach zurück.
Im übrigen wird nach der zwischenzeitlich von der Finanzverwaltung selbst vertretenen Auffassung (seit dem KStR 1981, Abschn. 5 Abs. 5 Sätze 6 ff.) ein Betrieb gewerblicher Art dann angenommen, wenn der nachhaltige Jahresumsatz im Einzelfall zwar nicht erreicht wird, die juristische Person des öffentlichen Rechts aber mit ihrer Tätigkeit zu anderen Unternehmen unmittelbar in Wettbewerb tritt.
Das ist bei der Gaststättenverpachtung der Klägerin der Fall; sie hebt sich schon nach ihrem Gegenstand innerhalb der Gesamtbetätigung der Gemeinde (Klägerin) wirtschaftlich heraus. Mit dieser gegenüber der übrigen Tätigkeit der Gemeinde deutlich abgrenzbaren und abgegrenzten wirtschaftlichen Betätigung tritt die Gemeinde mit privaten Verpachtungsunternehmen auch in unmittelbaren Wettbewerb.
Der ,,Gaststätten-Verpachtungsbetrieb" der Klägerin ist daher als Betrieb gewerblicher Art den übrigen anerkannten Betrieben gewerblicher Art der Klägerin (mit nicht unbeträchtlichen Umsätzen) zuzuordnen und bildet mit diesen deren Unternehmen. Die Vorsteuerbeträge in Zusammenhang mit der Errichtung der Gaststätte hat das FG ohne Rechtsverstoß ermittelt (wobei es umsatzsteuerrechtlich keine Rolle spielt, ob man Gaststätte und Pächterwohnung einheitlich oder gesondert betrachtet, vgl. BFH-Urteil vom 18. Dezember 1986 V R 176/75, BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350). Das gilt gleichermaßen für den Ansatz der Selbstverbrauchsteuer.
Soweit die Umsatzsteuer aus der Verpachtung zu hoch ermittelt wurde, weil sie aus dem Pachtentgelt 1971 hätte herausgerechnet werden müssen, ergeben sich daraus keine Folgen für die Entscheidung, weil nur das FA, nicht aber die Klägerin, Revision eingelegt hat.
Fundstellen