Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerberichtigung infolge Grundstücksveräußerung - Veräußerungskosten - Klagebefugnis wegen Gewinnfeststellung einer handelsrechtlich vollbeendeten Personengesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Wird der Vorsteuerabzug aufgrund der Veräußerung eines umsatzsteuerpflichtig vermieteten Gebäudes nach § 15a Abs.1 i.V.m. Abs.4 UStG berichtigt und liegt hierin zugleich die Veräußerung des gesamten Betriebs, so mindert der Vorsteuerberichtigungsbetrag nicht den laufenden Gewinn, sondern den Veräußerungsgewinn.
Orientierungssatz
1. Veräußerungskosten sind alle Aufwendungen, die in unmittelbarer sachlicher Beziehung zum Veräußerungsgeschäft stehen. Hierunter sind zum einen Aufwendungen wie Notargebühren und Grundbuchgebühren, Maklerprovisionen und die durch den Veräußerungsvorgang selbst entstehenden Steuern (Verkehrsteuern, Umsatzsteuer; nicht aber anteilige Gewerbesteuer) zu verstehen. Es sind aber auch andere Fälle einer Minderung des Veräußerungsgewinns durch wirtschaftlich eng mit der Veräußerung zusammenhängende Vorgänge denkbar. Allerdings genügt ein nur zeitlicher Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung nicht zur Annahme eines den Veräußerungsgewinn beeinflussenden Vorgangs (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. NV: Einer handelsrechtlich vollbeendeten Personengesellschaft (hier: GmbH & Co. KG) steht das Klagerecht aus § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO nicht zu. Im Streitfall wurde die vollbeendete Gesellschaft durch die beiden einzigen natürlichen Personen, die an ihr als Gesellschafter beteiligt waren, vertreten. Auf sie war die Klagebefugnis nach Erlöschen der Klagebefugnis aus § 48 Abs. 1 Nr. 3 FGO übergegangen. Die Klage wegen Gewinnfeststellung konnte daher mit der Maßgabe als zulässig angesehen werden, daß diese beiden Personen als Kläger anzusehen waren. Das Rubrum war entsprechend zu berichtigen (vgl. BFH-Rechtsprechung). Einer Beiladung der im Handelsregister gelöschten Komplementär-GmbH bedurfte es nicht (BFH-Beschluß vom 15.1.1987 IV B 95/86).
Normenkette
EStG § 9b Abs. 2; UStG 1980 § 15a Abs. 1, 4; FGO § 48 Abs. 1 Nr. 3, § 60 Abs. 3, 1
Tatbestand
Die im Jahre 1977 gegründete Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) errichtete in den Jahren 1978 und 1979 ein Gebäude in W, in dem sie die hotelmäßige Vermietung von Ferienappartements und die Vermietung von Läden betrieb. Die ihr in diesem Zusammenhang in Rechnung gestellte Vorsteuer hatte sie nach § 15 Abs.1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) abgezogen. Mit Wirkung vom 17.November 1983 veräußerte sie das Grundstück mit aufstehendem Gebäude.
Im Jahre 1984 ging die Klägerin in Liquidation. Die persönlich haftende Gesellschafterin, eine GmbH, besteht nicht mehr und ist im Handelsregister gelöscht. Liquidatoren der Klägerin sind nunmehr die Gesellschafter A und B Anläßlich einer Außenprüfung berichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) den Vorsteuerabzug nach § 15a Abs.4 UStG in Höhe von 308 367 DM. Er berücksichtigte diesen Betrag als Veräußerungskosten im Rahmen des mit 4 819 322 DM festgestellten Veräußerungsgewinns.
Gegen die auf dieser Grundlage geänderten Gewinnfeststellungs- und Gewerbesteuermeßbescheide für das Streitjahr 1983 erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Hiergegen richtet sich die vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassene Revision des FA, mit der Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
++/ Das FG hat die Klage zu Recht als zulässig angesehen, obwohl die Gesellschaft nach seinen Feststellungen vollbeendet war. Allerdings hat der Senat in seinem Urteil vom 26.Oktober 1989 IV R 23/89 (BFHE 159, 15, BStBl II 1990, 333) entschieden, daß einer handelsrechtlich vollbeendeten Personengesellschaft das Klagerecht aus § 48 Abs.1 Nr.3 FGO nicht zustehe. Im Streitfall wird die vollbeendete Gesellschaft jedoch durch die beiden einzigen natürlichen Personen, die an ihr als Gesellschafter beteiligt waren, vertreten. Auf sie ist die Klagebefugnis nach Erlöschen der Klagebefugnis aus § 48 Abs.1 Nr.3 FGO übergegangen. Die Klage wegen Gewinnfeststellung kann daher mit der Maßgabe als zulässig angesehen werden, daß diese beiden Personen als Kläger anzusehen sind. Das Rubrum war entsprechend zu berichtigen (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 23.Januar 1969 IV R 36/68, BFHE 95, 97, BStBl II 1969, 340). Dem steht das BFH-Urteil vom 26.März 1980 I R 87/79 (BFHE 131, 1, BStBl II 1980, 586) nicht entgegen, in dem entschieden worden war, daß der sowohl nach § 48 Abs.1 Nr.3 FGO als auch persönlich klagebefugte Gesellschafter-Geschäftsführer, der Klage im Namen der Gesellschaft erhoben hat, nicht notwendigerweise auch zugleich im eigenen Namen klagt. Der Streitfall unterscheidet sich von jenem Fall dadurch, daß hier die Gesellschafter ausschließlich persönlich klagebefugt waren.
Einer Beiladung der im Handelsregister gelöschten KomplementärGmbH bedurfte es nicht (BFH-Beschluß vom 15.Januar 1987 IV B 95/86, BFH/NV 1987, 659, 662).
Die Klage ist indes unbegründet. /++
Zu Recht hat das FA die anteilige Rückzahlung der Vorsteuern als Betriebsausgaben, die den nach § 34 Abs.2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) begünstigten Veräußerungsgewinn mindern, angesehen.
1. Nach § 9b Abs.2 EStG werden bei einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG die Mehrbeträge als Betriebseinnahmen oder Einnahmen, die Minderbeträge als Betriebsausgaben oder Werbungskosten behandelt; die Anschaffungs- oder Herstellungskosten bleiben unberührt. Die Vorschrift dient der Vereinfachung. Wenn es sie nicht gäbe, müßten nach § 9b Abs.1 EStG bei jeder Vorsteuerberichtigung die Anschaffungs- oder Herstellungskosten erhöht und die Absetzungen für Abnutzung (AfA) angepaßt werden. Dieser Arbeitsaufwand soll den Betrieben nicht zugemutet werden (amtliche Begründung zum Entwurf des § 9b Abs.2 EStG, BTDrucks V/2185, S.7).
Es ist streitig, ob bei Veräußerung eines umsatzsteuerpflichtig vermieteten Grundstücks aus dem Privatvermögen der Vorsteuerberichtigungsbetrag als Werbungskosten abgezogen werden kann (so Kurth, Finanz-Rundschau --FR-- 1984, 362; Wollny in Stuhrmann/Wollny/Quast/Grützner, Besteuerung der Bauherrengemeinschaften, Herne 1983, Teil B Rdnr.322) oder ob es sich um Veräußerungskosten handelt, die nicht im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen stehen (Niedersächsisches FG, Urteil vom 17.Juli 1985 X 445/84, Betriebs-Berater --BB-- 1986, 1139; Abschn.86 Abs.6 der Einkommensteuer-Richtlinien --EStR--; Schmider, Praxis der steuerbegünstigten Kapitalanlagen IV Köln, Tz.204; Stuhrmann, FR 1984, 171; B.Meyer, Deutsche Steuer- Zeitung --DStZ-- 1985, 195; Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, § 9b Rdnr.86). Die erste der diesem Meinungsstreit zugrunde liegenden Fragen, nämlich ob § 9b Abs.2 EStG, was die Qualifizierung der Rückzahlungsbeträge als Betriebsausgaben oder Werbungskosten anlangt, lex specialis zu § 4 Abs.4 und § 9 EStG ist, kann im Streitfall unentschieden bleiben, da bei der Veräußerung von Betriebsvermögen anfallende Kosten in jedem Fall betrieblich veranlaßt sind. Die zweite Frage jedoch, ob die Rückzahlung von Vorsteuern der vorangegangenen Vermietung oder der Veräußerung als Aufwand zuzurechnen ist, stellt sich auch im Streitfall.
2. Veräußerungskosten sind alle Aufwendungen, die in unmittelbarer sachlicher Beziehung zum Veräußerungsgeschäft stehen (BFH-Urteil vom 27.Oktober 1977 IV R 60/74, BFHE 123, 553, BStBl II 1978, 100). Hierunter sind zum einen Aufwendungen wie wie Notar- und Grundbuchgebühren, Maklerprovisionen und die durch den Veräußerungsvorgang selbst entstehenden Steuern (Verkehrsteuern, Umsatzsteuer; nicht aber anteilige Gewerbesteuer) zu verstehen. Es sind aber auch andere Fälle einer Minderung des Veräußerungsgewinns durch wirtschaftlich eng mit der Veräußerung zusammenhängende Vorgänge denkbar (BFH-Urteil vom 6.Mai 1982 IV R 56/79, BFHE 136, 209, BStBl II 1982, 691). Allerdings genügt ein nur zeitlicher Zusammenhang mit der Betriebsveräußerung nicht zur Annahme eines den Veräußerungsgewinn beeinflussenden Vorgangs (BFH-Urteil in BFHE 136, 209, BStBl II 1982, 691).
Im Streitfall steht die Rückzahlung der Vorsteuern nach § 15a Abs.1 i.V.m. Abs.4 UStG nicht lediglich in einem zeitlichen Zusammenhang mit der Veräußerung des Hauses. Sie ist vielmehr durch diese unmittelbar veranlaßt und steht zu ihr in einer sachlichen Beziehung.
a) Der gewährte Vorsteuerabzug ist nach § 15a UStG dann zu berichtigen, wenn das Wirtschaftsgut, bei dessen Anschaffung oder Herstellung Vorsteuer abgezogen worden ist, innerhalb eines bestimmten Zeitraums --bei Grundstücken innerhalb von zehn Jahren-- für steuerfreie Umsätze verwendet wird. Dabei bemißt sich der Berichtigungsbetrag anteilig nach dem Zeitraum, der auf die Verwendung für umsatzsteuerfreie Umsätze entfällt (§ 15a Abs.2 UStG). Bei einem Grundstück beträgt er mithin ein Zehntel pro Jahr der geänderten Verwendung.
Demgemäß beruht die in § 15a Abs.4 UStG durch Verweisung auf Abs.1 der Vorschrift angeordnete Vorsteuerberichtigung im Falle der Veräußerung oder Entnahme des Grundstücks nicht auf dem Gedanken, daß eine bisher in Anspruch genommene Steuervergünstigung wegen der Unmöglichkeit, weitere steuerpflichtige Umsätze zu erzielen, korrigiert werden soll. Die Vorsteuer wird vielmehr nur dann zurückgefordert, wenn es sich bei der Veräußerung oder Entnahme um einen steuerfreien Umsatz handelt (§ 15a Abs.4 UStG letzter Halbsatz). Hinsichtlich der Höhe der Rückforderung wird fingiert, daß das Wirtschaftsgut während des verbleibenden Berichtigungszeitraums zu steuerfreien Umsätzen verwendet worden ist (§ 15a Abs.6 UStG). Die zurückzuzahlenden Vorsteuerbeträge stehen also nicht mit den Umsätzen aus steuerpflichtiger Vermietung, sondern mit denen aus steuerfreier Vermietung, steuerfreier Veräußerung oder Entnahme in wirtschaftlichem Zusammenhang. Der Senat befindet sich mit seiner Auffassung in Übereinstimmung mit dem V.Senat des BFH, der entschieden hat, daß von der Vorschrift des § 15a Abs.1 i.V.m. Abs.4 UStG --vom Ausnahmefall des § 15a Abs.5 UStG abgesehen-- Änderungen der Verwendungsart in Besteuerungszeiträumen erfaßt werden, die nach dem Zeitraum der erstmaligen Verwendung liegen (BFH-Urteil vom 9.April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527).
Ist die umsatzsteuerfreie Veräußerung oder Entnahme ein Vorfall des laufenden Geschäftsverkehrs, wird der Vorsteuerberichtigungsbetrag nach § 15a Abs.6 UStG auf die restlichen Jahre des Berichtigungszeitraums verteilt. Es handelt sich insoweit um Betriebsausgaben, die von den laufenden Einkünften abzuziehen sind. Führt die steuerfreie Veräußerung dagegen wie im Streitfall zur Veräußerung des gesamten Betriebs, kommt eine Verteilung des Vorsteuerberichtigungsbetrags auf mehrere Jahre nicht in Betracht. Dies allein zwingt noch nicht dazu, die Vorsteuerrückzahlung den Veräußerungskosten zuzurechnen. Die Vorsteuerrückzahlung muß jedoch deshalb den Veräußerungsgewinn mindern, weil vom Zeitpunkt der Veräußerung an Umsätze des laufenden Geschäftsverkehrs nicht mehr in Betracht kommen.
b) Nichts anderes ergibt sich, wenn man --wie das FG-- darauf abstellt, daß die Vorsteuerrückzahlung prinzipiell (§ 9b Abs.1 EStG) zu nachträglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten führt und daß der in § 9b Abs.2 EStG vorgesehene sofortige Betriebsausgabenabzug lediglich der Vereinfachung dient. Auch eine Erhöhung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten würde sich mindernd auf den Veräußerungsgewinn auswirken. Eine Minderung des laufenden Gewinns in Form nachgeholter AfA wäre nur dann gerechtfertigt, wenn nachträgliche Anschaffungs- oder Herstellungskosten in wirtschaftlichem Zusammenhang mit den bisher erzielten Einkünften stünden. Das ist hier --wie dargelegt-- nicht der Fall.
In einem Fall wie dem Streitfall könnte höchstens derjenige Teil der Vorsteuerrückzahlung, der auf die Zeit vor dem steuerfreien Verkauf entfällt, den laufenden Einkünften zugeordnet werden. In § 15a Abs.2 und § 6 UStG hat der Gesetzgeber jedoch eine andere Wertung vorgenommen, indem er bestimmt hat, daß eine Änderung der umsatzsteuerlichen Verhältnisse in einem Jahr sich schädlich auf den gesamten nach § 15a Abs.2 UStG auf dieses Jahr entfallenden Vorsteuerbetrag auswirkt.
c) Ein anderes Ergebnis läßt sich nicht aus dem BFH-Urteil in BFHE 136, 209, BStBl II 1982, 691 herleiten. Dort hatte der Senat entschieden, daß Aufwendungen, die anläßlich der Betriebsveräußerung als Abfindung den Arbeitnehmern oder einem Pächter gezahlt werden, den laufenden Gewinn mindern. Zum einen lehnt sich diese Entscheidung an eine Rechtsprechung zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung an (BFH-Urteil vom 25.Juli 1972 VIII R 56/68, BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880), die vom BFH inzwischen aufgegeben worden ist (BFH-Urteile vom 23.Januar 1990 IX R 8/85, BFHE 159, 488, BStBl II 1990, 464, mit weiteren Nachweisen, und vom 20.Februar 1990 IX R 13/87, BFHE 160, 440, BStBl II 1990, 775). Zum anderen hängen die Abfindungen, über die im Senatsurteil in BFHE 136, 209, BStBl II 1982, 691 entschieden wurde, mit Schuldverhältnissen zusammen, die der Erzielung der laufenden Einkünfte gedient haben, wohingegen die Vorsteuerberichtigung ihren Rechtsgrund ausschließlich darin hat, daß steuerfreie Umsätze erzielt wurden. Mit den bisher erzielten steuerpflichtigen Umsätzen hat sie nichts zu tun.
Schließlich beruft sich das FG zu Unrecht auf das BFH-Urteil vom 29.Juni 1982 VIII R 6/79 (BFHE 136, 238, BStBl II 1982, 755). In diesem Urteil hat der BFH entschieden, daß eine Vorsteuererstattung den laufenden Einnahmen aus steuerpflichtiger Vermietung und Verpachtung zuzurechnen ist. Dieses Ergebnis folgt jedoch daraus, daß der Vorsteuerabzug --anders als die Vorsteuerberichtigung-- seine Rechtfertigung in der Erzielung steuerpflichtiger Umsätze findet.
Fundstellen
Haufe-Index 64200 |
BStBl II 1992, 1038 |
BFHE 168, 419 |
BFHE 1993, 419 |
BB 1993, 120 |
BB 1993, 120-121 (LT) |
DB 1992, 2171-2173 (LT) |
HFR 1992, 693 (LT) |