Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermittlung des Grundbesitzwerts von Rohbauland für Zwecke der Schenkungsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die FÄ sind nicht berechtigt, die für die Bedarfsbewertung von Rohbauland maßgebenden Bodenrichtwerte aus den von den Gutachterausschüssen für erschließungsbeitragsfreies Bauland mitgeteilten Bodenrichtwerten abzuleiten (Abweichung von R 160 Abs. 2 Sätze 1 und 7 ErbStR 2003).
Normenkette
BewG §§ 9, 138-139, 145 Abs. 3; BauGB §§ 192, 196; AO 1977 § 125 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die beiden älteren Töchter (T 1 und T 2) der Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) übertrugen durch Vertrag vom 7. April 1997 auf diese als Miteigentümer zu je 39/100 Anteilen sowie auf die Beigeladene zu 22/100 Anteilen unentgeltlich ein in ihrem hälftigen Miteigentum stehendes, in einem Neubaugebiet im Stadtteil W der Stadt … belegenes, 3 410 qm großes Grundstück. Unmittelbar danach verkauften die Bedachten das Grundstück für 1 DM je qm an die D-GmbH, die von der Stadt vertraglich beauftragt worden war, für das Neubaugebiet die städtebauliche Planung, Bodenordnung und Erschließung durchzuführen. Den Verkäufern wurde ein übertragbarer Anspruch auf Rückübertragung eines oder mehrerer Baugrundstücke im Umfang von 70 v.H. der Einlagefläche zum Kostenpreis eingeräumt. Von diesem Anspruch machten sie später Gebrauch. Andernfalls hätte die D-GmbH an sie 89 DM je qm Bruttobaulandfläche nachentrichten müssen. Dieser Betrag war der D-GmbH von der Stadt für die Grundstücksankäufe in dem Neubaugebiet vorgegeben worden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) setzte als Wert des übertragenen Grundstücks auf den 7. April 1997 die Hälfte des vom zuständigen Gutachterausschuss für baureifes erschließungsbeitragsfreies Land in W (Wohnbauflächen, allgemeines Wohngebiet) mitgeteilten Bodenrichtwerts von 480 DM je qm abzüglich eines Abschlags von 20 v.H. an und rundete den daraus errechneten Grundstückswert von 654 720 DM auf 654 000 DM ab. Diesen Grundstückswert teilte das FA mit dem Feststellungsbescheid vom 6. August 1998, den es den Klägern in getrennten Ausfertigungen bekannt gab, entsprechend den an dem Grundstück erworbenen Anteilen auf die Kläger in Höhe von je 255 000 DM und die Beigeladene in Höhe von 144 000 DM auf. Es gab dabei T 1 und T 2 als Voreigentümerinnen des Grundstücks mit einem "Bruchteil" von je 327 000 DM an. Eine weitere betragsmäßige Aufgliederung der den Klägern und der Beigeladenen zugeordneten Grundstückswerte auf die von den Schenkerinnen übertragenen insgesamt sechs Miteigentumsanteile nahm das FA nicht vor.
Der Kläger erhob am 27. August 1998 Einspruch gegen den Feststellungsbescheid. Die Klägerin wurde erstmals in der Einspruchsbegründung vom 25. September 1998 als weitere Einspruchsführerin genannt. Das FA folgte dem Begehren der Kläger, als Grundstückswert 90 DM je qm anzusetzen, nicht und wies ihren Einspruch als unbegründet zurück.
Das Finanzgericht (FG) stellte durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1793 veröffentlichte Urteil den Grundstückswert auf 306 000 DM fest und verteilte ihn "anteilig auf die Kläger und die Beigeladene". Zur Begründung führte es aus, der im Kaufvertrag mit der D-GmbH vom 7. April 1997 für den Fall, dass ein Vertrag über den Rückkauf nicht zustande komme, vereinbarte Kaufpreis von insgesamt 90 DM je qm entspreche dem Verkehrswert. Diesen mit der Stadt abgesprochenen Preis habe die D-GmbH in einer Vielzahl von Kaufverträgen für Grundstücke in dem Neubaugebiet vereinbart. Dass es sich dabei um den Verkehrswert gehandelt habe, ergebe sich auch aus den Regelungen des Baugesetzbuches (BauGB) über das Umlegungsverfahren. Der vereinbarte Anspruch auf Rückerwerb müsse bei der Bewertung unberücksichtigt bleiben.
Mit der Revision macht das FA geltend, der Feststellungsbescheid sei entgegen der Ansicht der Kläger nicht deshalb nichtig, weil darin nur die Grundstückswerte der von den Klägern und der Beigeladenen letztlich erworbenen Miteigentumsanteile festgestellt worden seien, nicht aber die Beträge der der Besteuerung zugrunde zu legenden Werte der von T 1 und T 2 übertragenen insgesamt sechs Miteigentumsanteile. Insofern genüge die Angabe, dass T 1 und T 2 je zur Hälfte Voreigentümerinnen des Grundstücks gewesen seien. Das FG habe zudem zu Unrecht angenommen, dass die Kläger einen niedrigeren gemeinen Wert des Grundstücks nachgewiesen hätten. Der der D-GmbH von der Stadt vorgegebene Kaufpreis von 90 DM je qm sei nicht im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zustande gekommen und könne daher nicht als gemeiner Wert herangezogen werden. Zutreffend sei hingegen die im Feststellungsbescheid vorgenommene Ableitung des für das Grundstück maßgebenden Bodenrichtwerts aus dem vom Gutachterausschuss mitgeteilten Bodenrichtwert für baureifes erschließungsbeitragsfreies Land von 480 DM je qm.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger und die Beigeladene beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Das Verfahren der Klägerin wird nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 73 Abs. 1 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zu gesonderter Verhandlung und Entscheidung abgetrennt, da die Klägerin nicht innerhalb der in § 355 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO 1977) bestimmten Frist von einem Monat nach Bekanntgabe gegen den Feststellungsbescheid Einspruch eingelegt hat und daher für die Entscheidung über ihre Klage eine eigenständige Würdigung der Sach- und Rechtslage erforderlich ist.
III. Die Revision ist hinsichtlich der Klage des Klägers begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
1. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Kläger einen gemeinen Wert des Grundstücks zum Zeitpunkt der Schenkung von 90 DM je qm gemäß § 145 Abs. 3 Satz 3 des Bewertungsgesetzes (BewG) nachgewiesen habe. Der Kaufpreis von insgesamt 90 DM je qm Bruttobaulandfläche, der für den Fall vereinbart war, dass es nicht zum Abschluss von Rückkaufverträgen kommt, kann nicht als Nachweis des gemeinen Werts des Grundstücks i.S. des § 12 Abs. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2, Abs. 3 und 4 und § 145 Abs. 3 Satz 3 BewG herangezogen werden.
a) Der Wert unbebauter Grundstücke bestimmt sich nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG nach ihrer Fläche und den um 20 v.H. ermäßigten Bodenrichtwerten. Bei den Bodenrichtwerten handelt es sich nach § 196 Abs. 1 Satz 1 BauGB um durchschnittliche Lagewerte für den Boden, die die Gutachterausschüsse (§ 192 BauGB) aufgrund der Kaufpreissammlung (§ 193 Abs. 3, § 195 BauGB) für jedes Gemeindegebiet unter Berücksichtigung des unterschiedlichen Entwicklungszustands zu ermitteln haben. Weist der Steuerpflichtige nach, dass der gemeine Wert des unbebauten Grundstücks niedriger ist als der nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG anzusetzende Wert, ist der gemeine Wert festzustellen (§ 145 Abs. 3 Satz 3 BewG).
Nach § 9 Abs. 2 BewG wird der gemeine Wert durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der einzelnen Wirtschaftsgüter bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Das ist bei Grundstücken regelmäßig der Verkehrswert (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. Februar 1990 III R 173/86, BFHE 159, 505, BStBl II 1990, 497; vom 12. Dezember 1991 IV R 53/90, BFHE 166, 495, BStBl II 1992, 462, und vom 10. November 2004 II R 69/01, BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259). Dieser Wert kann u.a. durch einen im gewöhnlichen Geschäftsverkehr zeitnah zum maßgeblichen Besteuerungszeitpunkt (Zeitpunkt der Entstehung der Steuer: § 9 ErbStG) erzielten Kaufpreis für das zu bewertende Grundstück nachgewiesen werden (BFH-Urteile vom 2. Juli 2004 II R 55/01, BFHE 205, 492, BStBl II 2004, 703, und in BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259).
Als gewöhnlicher Geschäftsverkehr ist der Handel nach den wirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage zu verstehen, bei dem die Vertragspartner ohne Zwang und nicht aus Not, sondern in Wahrung ihrer eigenen Interessen handeln (BFH-Urteile vom 14. Februar 1969 III 88/65, BFHE 95, 334, BStBl II 1969, 395; vom 7. Dezember 1979 III R 45/77, BFHE 129, 394, BStBl II 1980, 234; vom 28. November 1980 III R 86/78, BFHE 132, 482, BStBl II 1981, 353, und vom 5. März 1986 II R 232/82, BFHE 146, 460, BStBl II 1986, 591).
b) Diese Voraussetzungen eines gewöhnlichen Geschäftsverkehrs sind hinsichtlich des vereinbarten Kaufpreises von 90 DM je qm nicht erfüllt. Dieser Preis war der D-GmbH von der Stadt vorgegeben worden und nicht das Ergebnis von Angebot und Nachfrage. Ein (endgültiger) Grundstücksverkauf zu diesem Preis war nur für den Fall vereinbart, dass es nicht zum Abschluss von Rückkaufverträgen kommt. Sinn und Zweck des zwischen der Stadt und der D-GmbH geschlossenen Vertrages waren die städtebauliche Planung, Bodenordnung und Erschließung des Baugebiets durch die D-GmbH, nicht aber ein endgültiger Grundstückserwerb durch diese. Dass in dem Neubaugebiet gelegene Grundstücke zeitnah zum Bewertungsstichtag für 90 DM je qm unter Verzicht auf die Rückerwerbsansprüche endgültig an die D-GmbH oder zu diesem Preis an fremde Dritte veräußert worden seien, hat das FG nicht festgestellt und bringt auch der Kläger selbst nicht vor.
Entgegen der Auffassung des FG kann aus den Vorschriften des BauGB über die Umlegung (§§ 45 bis 79) nicht abgeleitet werden, dass es sich bei dem Preis von 90 DM je qm um den Verkehrswert handele. Diese Vorschriften sind nicht einschlägig, weil die Stadt keine Umlegung, die einen Umlegungsbeschluss (§ 47 BauGB) und einen Umlegungsplan (§ 66 BauGB) voraussetzt, durchgeführt, sondern mit der D-GmbH einen städtebaulichen Vertrag i.S. des § 11 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 1 BauGB abgeschlossen hat. Gegenstand eines solchen Vertrages kann insbesondere die Vorbereitung oder Durchführung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten sein; dazu gehören auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen sowie die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen.
Die Vorentscheidung war daher aufzuheben.
2. Die Sache ist nicht spruchreif.
a) Der Klage ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht wegen Nichtigkeit des Feststellungsbescheids stattzugeben.
aa) Ein Verwaltungsakt ist nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 125 Abs. 1 AO 1977). Dies ist nur ausnahmsweise der Fall; in der Regel ist ein rechtswidriger Verwaltungsakt lediglich anfechtbar. Ein besonders schwerwiegender Fehler liegt nur vor, wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzt sind, dass von niemandem erwartet werden kann, den ergangenen Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen. Ob es sich so verhält, muss anhand der jeweils maßgebenden Rechtsvorschriften beurteilt werden (BFH-Urteile vom 20. Dezember 2000 I R 50/00, BFHE 194, 1, BStBl II 2001, 381, und vom 7. Februar 2002 VI R 80/00, BFHE 197, 554, BStBl II 2002, 438, je m.w.N.).
bb) Diese Voraussetzungen der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts sind im Streitfall nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Feststellungsbescheid nicht deshalb wegen Unbestimmtheit nichtig, weil das FA nicht, wie an sich erforderlich (BFH-Urteile vom 18. August 2004 II R 22/04, BFHE 207, 48, BStBl II 2005, 19, und vom 24. Mai 2005 II R 57/03, BFH/NV 2005, 1982), Grundstückswerte für die einzelnen auf die Kläger und die Beigeladene übertragenen Miteigentumsanteile jeweils unter Abrundung nach § 139 BewG festgestellt hat.
Der Bescheid ist nämlich dahin gehend auszulegen, dass der Grundstückswert dieser Anteile jeweils die Hälfte der festgestellten Grundstückswerte der von den Klägern und der Beigeladenen jeweils im Ergebnis erworbenen Miteigentumsanteile an dem Grundstück betragen soll. Eine solche Auslegung des Bescheids ist zulässig und geboten (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 22. November 1995 II R 26/92, BFHE 179, 177, BStBl II 1996, 162). Ein Verwaltungsakt ist nur dann nicht inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 119 Abs. 1 AO 1977), wenn auch nicht durch Auslegung geklärt werden kann, wie er zu verstehen ist. Entscheidend ist dabei, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen --seinem "objektiven Verständnishorizont"-- den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben (vgl. § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches) verstehen konnte. Zur Auslegung ist auch das Revisionsgericht befugt, wenn die tatsächlichen Feststellungen des FG ausreichen (BFH-Urteil vom 27. November 1996 X R 20/95, BFHE 183, 348, BStBl II 1997, 791, m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen war der Inhalt des Feststellungsbescheids für die Adressaten aufgrund des ihnen bekannten Umstands, dass sie von den beiden Schenkerinnen jeweils die Hälfte der Miteigentumsanteile, deren Grundstückswerte in dem Bescheid festgestellt worden waren, erhalten hatten und dass dafür Grundstückswerte festzustellen waren, eindeutig erkennbar. Die Kläger haben den Inhalt des Bescheids ersichtlich auch richtig erkannt und daher fehlende Bestimmtheit und daraus folgende Nichtigkeit des Bescheids erst geltend gemacht, nachdem der Berichterstatter im Revisionsverfahren auf die Erforderlichkeit einer gesonderten Wertfeststellung für jeden der übertragenen Miteigentumsanteile hingewiesen hatte.
Die unzutreffende Anwendung der Rundungsregelung ist kein besonders schwerwiegender, zur Nichtigkeit führender Fehler.
b) Ob der angefochtene Feststellungsbescheid abgesehen von der fehlerhaften Rundung Bestand haben kann, kann derzeit nicht entschieden werden. Die Finanzämter (FÄ) sind entgegen R 160 Abs. 2 Sätze 1 und 7 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2003 nicht berechtigt, den für die Bewertung nach § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG maßgebenden Bodenrichtwert für Rohbauland aus dem vom Gutachterausschuss für erschließungsbeitragsfreie vergleichbare Baulandflächen ermittelten und mitgeteilten Bodenrichtwert abzuleiten.
aa) Wie sich aus dem in § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG verwendeten Ausdruck "bestimmt sich" ergibt, sind die für die Bewertung unbebauter Grundstücke nach dieser Vorschrift maßgebenden, um 20 v.H. zu ermäßigenden Bodenrichtwerte, die die Gutachterausschüsse nach § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG auf den 1. Januar 1996 ermittelt und den FÄ mitgeteilt haben, für die Beteiligten im Steuerrechtsverhältnis verbindlich und einer gerichtlichen Überprüfung regelmäßig nicht zugänglich. Die Übertragung der Ermittlung der Bodenrichtwerte auf eine außerhalb der Steuerverwaltung eingerichtete, mit dieser allerdings durch die in § 192 Abs. 3 Satz 2 BauGB vorgeschriebene Mitwirkung eines Bediensteten der zuständigen Finanzbehörde mit Erfahrung in der steuerlichen Bewertung von Grundstücken als Gutachter bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte personell verbundene Stelle beruht darauf, dass den Gutachterausschüssen aufgrund ihrer besonderen Sachkunde und Erfahrung (§ 192 Abs. 3 Satz 1 BauGB) und ihrer größeren Ortsnähe sowie der in hohem Maße von Beurteilungs- und Ermessenserwägungen abhängigen Wertfindung eine vorgreifliche Kompetenz bei der Feststellung von Bodenrichtwerten für die Bedarfsbewertung zukommt. Der Gesetzgeber beabsichtigt mit dieser Regelung eine Typisierung (§ 138 Abs. 3 Satz 1 BewG) und Vereinfachung der Bedarfsbewertung (BFH-Urteil vom 11. Mai 2005 II R 21/02, BFHE 210, 48, BStBl II 2005, 686).
Soweit R 161 ErbStR 2003 "Ableitungen" des Bodenrichtwerts für die Fälle zulassen, in denen die vom Gutachterausschuss erstellte Richtwertkarte typische Merkmale des Bodenrichtwertgrundstücks bezeichnet oder entsprechend dem beitrags- und abgabenrechtlichen Zustand (erschließungsbeitragspflichtig und erschließungsbeitragsfrei) unterschiedliche Bodenrichtwerte nennt, entspricht dies insoweit der Intention des Gesetzgebers, als das FA in diesen Fällen nicht selbst einen "eigenen" Bodenrichtwert ermittelt, sondern lediglich eine vom Gutachterausschuss vorgegebene Differenzierung beachtet (BFH-Urteil vom 18. August 2005 II R 62/03, BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5). So ist es etwa zulässig und geboten, den Bodenwert des zu bewertenden Grundstücks entsprechend der zulässigen Geschossflächenzahl anzupassen, wenn diese nicht der vom Gutachterausschuss für das Bodenrichtwertgrundstück angegebenen entspricht.
bb) Über die bloße Beachtung der vom Gutachterausschuss vorgegebenen Differenzierungen hinaus dürfen die Finanzämter keine "eigenen" Bodenrichtwerte aus den von den Gutachterausschüssen mitgeteilten Bodenrichtwerten ableiten. Bei einer solchen Ableitung würde es sich um eine Schätzung handeln, die mit der gesetzlichen Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Gutachterausschüssen und den FÄ sowie mit der vom Gesetzgeber beabsichtigten Typisierung und Vereinfachung der Bedarfsbewertung nicht vereinbar wäre. Ein solcher abgeleiteter Bodenrichtwert wäre nicht der vom Gutachterausschuss nach dem BauGB ermittelte Bodenrichtwert i.S. des § 145 Abs. 3 Satz 2 BewG, nach dem sich der Wert unbebauter Grundstücke "bestimmt" (§ 145 Abs. 3 Satz 1 BewG). Mit dem Urteil in BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5 hat der BFH bereits entschieden, dass eine Richtwertkarte, die für Grundstücke in einer Richtwertzone nur eine Preisspanne nennt, für Zwecke der steuerlichen Bewertung des Grundbesitzes ungeeignet ist und nicht den Anforderungen des § 145 Abs. 3 BewG entspricht.
cc) Der in R 160 Abs. 2 Sätze 1 und 7 ErbStR 2003 vorgesehene Ansatz von Rohbauland (§ 4 Abs. 3 der Wertermittlungsverordnung --WertV--) mit regelmäßig 75 v.H. des Bodenrichtwerts erschließungsbeitragsfreier vergleichbarer Baulandflächen --bzw. 50 v.H., wenn es die für öffentliche Zwecke benötigten Flächen des Planungsgebiets umfasst-- ist mit dem Wortlaut und dem Typisierungs- und Vereinfachungszweck der gesetzlichen Regelungen nicht vereinbar (vgl. Wolf, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1997, 349, 351 f.; a.A. Halaczinsky in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, § 145 Anm. 18; Knobel in Viskorf/ Glier/Hübner/Knobel/Schuck, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, 2. Aufl., § 145 ErbStG Rdnr. 24 f.; Christoffel in Gürsching/Stenger, Bewertungsrecht, § 145 BewG Anm. 82). Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, dass der Bodenwert von Bruttorohbauland 50 v.H. und von Nettorohbauland 75 v.H. des Bodenrichtwerts erschließungsbeitragsfreier vergleichbarer Baulandflächen beträgt. Das sieht auch die Finanzverwaltung so, wie sich aus der Verwendung des Wortes "regelmäßig" ergibt. Das FA und im Rechtsstreit das FG müssten nach der Verwaltungsvorschrift jeweils aufgrund der im Einzelfall für die Wertfindung maßgebenden Umstände prüfen, ob der in R 160 Abs. 2 Sätze 1 und 7 ErbStR 2003 für die Bestimmung des Grundbesitzwerts von Rohbauland für den Regelfall vorgesehene pauschale Ansatz sachgerecht oder eine Abweichung davon geboten ist. Eine solche Einzelfallprüfung ist mit Wortlaut und Sinn und Zweck des § 145 Abs. 3 BewG nicht vereinbar. Der Grundstückswert würde sich in einem solchen Fall nicht nach den vom Gutachterausschuss ermittelten und mitgeteilten Bodenrichtwerten bestimmen, sondern nach der eigenen, vom FG nach allgemeinen Grundsätzen zu überprüfenden Einschätzung des FA. Die Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls stünde zudem in Widerspruch zu dem in § 145 Abs. 3 Satz 1 BewG vorgesehenen pauschalen Abzug von 20 v.H. vom Bodenrichtwert.
3. Wegen der bislang ungeklärten Rechtslage ist dem FA in einem zweiten Rechtszug Gelegenheit zu geben, beim Gutachterausschuss auf die Ermittlung und Mitteilung eines für die Bedarfsbewertung des Grundstücks geeigneten Bodenrichtwerts auf den 1. Januar 1996 nach den zu diesem Zeitpunkt bestehenden Wertverhältnissen und den tatsächlichen Verhältnissen zum Besteuerungszeitpunkt (§ 138 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 BewG) hinzuwirken (vgl. BFH-Urteil in BFHE 210, 368, BStBl II 2006, 5). Sollte das FA trotz des Bestehens einer entsprechenden Verpflichtung des Gutachterausschusses (§ 145 Abs. 3 Satz 2 BewG, § 193 Abs. 3, § 196 Abs. 2 und 3 Satz 1 BauGB) innerhalb angemessener Frist damit keinen Erfolg haben, fehlt die Grundlage für die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts der auf den Kläger übertragenen Miteigentumsanteile. Da das FG jedoch nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO nicht über das Klagebegehren hinausgehen darf, ist in diesem Fall entsprechend dem im Klageverfahren gestellten Antrag als Grundbesitzwert der dem Kläger von T 1 und T 2 übertragenen Miteigentumsanteile jeweils 39/200 von 360 900 DM = 70 375 DM festzustellen. Die an sich gebotene Abrundung der Grundbesitzwerte gemäß § 139 BewG nach unten scheidet nach § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO aus.
Der Kläger hat im zweiten Rechtsgang nochmals Gelegenheit zu einem ordnungsgemäßen Nachweis eines niedrigeren gemeinen Werts der ihm übertragenen Miteigentumsanteile (vgl. BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259).
Fundstellen
Haufe-Index 1545282 |
BFH/NV 2006, 1757 |
BStBl II 2006, 793 |
BFHE 2006, 207 |
BFHE 213, 207 |
BB 2006, 1725 |
DB 2006, 1879 |
DStRE 2006, 1078 |
DStZ 2006, 572 |
HFR 2006, 859 |