Entscheidungsstichwort (Thema)
Bekanntgabe des Bescheides an eine Sozietät, der der Steuerschuldner angehört; Vorsteuerberichtigung bei Veräußerung oder Eigenverbrauch
Leitsatz (NV)
1. Die Revision des Klägers ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig, wenn das FG dem klägerischen Antrag, sowie ihn das FG zutreffend ausgelegt hat, stattgegeben hat. Unerheblich ist, daß sich der Kläger vorbehalten hat, für den Fall der Revision des FA seinen früheren weitergehenden Antrag wieder aufzugreifen.
2. Ein Bescheid ist wirksam bekanntgegeben, wenn er der aus dem Steuerschuldner und seinem Bruder bestehenden Sozietät zugegangen ist und der Steuerschuldner von dem Inhalt Kenntnis nehmen konnte.
3. Die unentgeltliche Übertragung von vermietetem Wohnungseigentum kann Eigenverbrauch sein. Gemäß § 44 Abs. 4 UStDV 1980 erfolgt die Berichtigung des Vorsteuerabzugs in einem Betrag in dem Jahr, in dem die Entnahme zum Eigenverbrauch stattgefunden hat.
Normenkette
AO 1977 § 122; FGO § 115; UStG 1980 § 15a Abs. 4, 6, 7 Nr. 1; UStDV § 44 Abs. 4; EWGRL 388/77 Art. 20 Abs. 3 S. 3
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) errichtete in den Jahren 1975/76 ein Gebäude, das er später in Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten aufteilte. Seit der Fertigstellung am 1. Juli 1976 diente das Gebäude zu 21, 26 v. H. eigenen Wohnzwecken des Klägers, zu 78,84 v. H. wurde es vermietet (Steuerberatersozietät des Klägers, Arztpraxis). Mit notariellem Vertrag vom 21. August 1980 übertrug der Kläger die Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheiten unentgeltlich auf seine Ehefrau.
Der Kläger verzichtete gemäß § 9 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) auf die Umsatzsteuerbefreiung der Vermietungsumsätze. Die ihm aus Anlaß der Gebäudeerrichtung in Rechnung gestellte Umsatzsteuer zog er in den Jahren 1976 bis 1978 in Höhe von . . . DM als Vorsteuerbeträge ab. Der Beklagte, Revisionsbeklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte die Übertragung auf die Ehefrau als Änderung der Verhältnisse i. S. des § 15a UStG 1980 und berichtigte die abzogenen Steuerbeträge um . . . DM. Demgemäß setzte das FA mit Bescheid vom 13. Juni 1983 die Umsatzsteuer für das Jahr 1980, in dem der Kläger lediglich steuerfreie und steuerpflichtige Umsätze aus Vermietung getätigt hatte, auf . . . DM fest. Dabei berechnete es den Steuerabzugsbetrag gemäß § 19 Abs. 3 UStG 1980 i. d. F. vor Aufhebung durch das Steuerreformgesetz vom 25. Juli 1988 mit (58 v. H. von 1593,27 DM =) 924,09 DM. Den Vorsteuerberichtigungsbetrag gemäß § 15a UStG 1980 in Höhe von 35 184 DM bezog das FA nicht in die Bemessungsgrundlage für den Vorsteuerabzugsbetrag ein. Der an den Kläger gerichtete Bescheid wurde der ,,Sozietät A, Walter u. Anton, Stbv", bekanntgegeben.
Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage machte der Kläger geltend: Der Steuerbescheid für 1980 vom 13. Juni 1986 sei unwirksam; er sei nämlich nicht ihm, sondern - ohne daß eine Vollmacht vorgelegen habe - an die ,,Sozietät Walter und Anton A. bekanntgegeben worden, der er angehöre. - Die Übertragung der Wohnungs- und Teileigentumseinheiten auf seine Ehefrau sei eine unentgeltliche und daher nicht steuerbare Geschäftsveräußerung im ganzen; Eigenverbrauch liege nicht vor. Seine Ehefrau habe die bestehenden Mietverträge übernommen und vermiete weiterhin umsatzsteuerpflichtig. Die für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Verhältnisse hätten sich nicht geändert. Hilfsweise trug der Kläger vor, in die Berechnung des Steuerabzugsbetrages gemäß § 19 Abs. 3 UStG 1980 sei auch der Vorsteuerberichtigungsbetrag gemäß § 15a UStG einzubeziehen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Im Tatbestand seines Urteils führte das FG aus, der Kläger habe die Herabsetzung der Umsatzsteuer 1980 auf 15 446 DM beantragt. Diesem Antrag entsprach das FG, indem es bei der Berechnung des Steuerabzugsbetrages den Vorsteuerberichtigungsbetrag berücksichtigte. Es bezog sich auf sein Urteil vom 25. April 1986 V 92/86 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1986, 526).
Der Kläger und das FA haben - jeweils selbständig - Revision eingelegt.
Nach Ergehen des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Februar 1988 X R 67/82 (BFHE 152, 546, BStBl II 1988, 622) änderte das FA die Umsatzsteuerfestsetzung für 1980 durch Bescheid vom 17. Februar 1989. Es setzte unter Berücksichtigung eines Steuerabzugsbetrages (gemäß § 19 Abs. 3 UStG 1980) in Höhe von 2 379 DM die Umsatzsteuer für 1980 auf 34 398 DM fest. Auf Antrag des Klägers wurde dieser Bescheid Gegenstand des Verfahrens (§ 68 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Mit der Revision trägt der Kläger sinngemäß vor: Er habe im finanzgerichtlichen Verfahren ersatzlose Aufhebung des Umsatzsteuerbescheids für 1980 beantragt. Nachdem das FG in der Verfügung vom 7. September 1987 die Auffassung vertreten habe, die Umsatzsteuer 1980 sei - unter Einbeziehung des Vorsteuerberichtigungsbetrages in die Bemessungsgrundlage für den Steuerabzugsbetrag - auf 15 446 DM festzusetzen, habe er auf ,,Ausurteilung verzichtet" und im Schreiben vom 17. September 1987 erklärt: Die ,,anderen Klageanträge werden nicht mehr verfolgt". Dabei sei er davon ausgegangen, das FA werde keine Revision einlegen. Er habe sich deshalb für den Fall der Revision des FA vorbehalten, seine ursprünglichen Einwände gegen den Steuerbescheid wieder vorzubringen. Er wiederhole daher sein Klagevorbringen. Außerdem habe die Berichtigung nicht in einem Betrag (Steuerfestsetzung für 1980) erfolgen dürfen, sie hätte auf den restlichen Berichtigungszeitraum verteilt werden müssen. Ferner rüge er die Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil sowie den Steuerbescheid ersatzlos aufzuheben, hilfsweise, unter Aufhebung des FG-Urteils und Änderung des Umsatzsteuerbescheids für 1980 die Umsatzsteuer auf 1935,80 DM, hilfsweise auf 15 446 DM, hilfsweise auf 20 124 DM festzusetzen, hilfsweise, ,,Rechnungsstellung zuzulassen".
Das FA beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung der §§ 15a, 19 Abs. 3 UStG 1980. Es stützt sich nunmehr auf das Urteil in BFHE 152, 564, BStBl II 1988, 622.
Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage gegen den Änderungsbescheid vom 17. Februar 1989 abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unzulässig.
Der Kläger ist durch die angegriffene Entscheidung des FG nicht beschwert. Es fehlt daher am Rechtsschutzbedürfnis für die Anrufung des Revisionsgerichts.
Das FG hat in seiner Entscheidung, die im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangen ist, das Klagebegehren des Klägers dahingehend ausgelegt, er habe die Herabsetzung der Umsatzsteuer auf 15 446 DM beantragt. Das FG konnte sich dabei stützen auf die Schreiben des Klägers vom 10. und 17. September 1987. Im ersten Schreiben hat der Kläger zunächst zum Ausdruck gebracht, er sei mit einer ,,Änderung" durch Herabsetzung der Steuer auf 15 446 DM einverstanden. Im folgenden Schreiben erklärte der Kläger, die anderen Klageanträge würden nicht mehr verfolgt. Das FG gab dementsprechend den Antrag im Tatbestand wieder (§ 105 Abs. 2 FGO). Ein Antrag auf Tatbestandsberichtigung (§ 108 Abs. 1 FGO) ist vom Kläger nicht gestellt worden.
Bei einer Revision des Klägers hängt die Zulässigkeit des Rechtsmittels davon ab, ob es formell beschwert ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., vor § 115 Tz. 12 f., m.w.N. zur Rechtsprechung). Im Streitfall ist der Kläger formell nicht beschwert, weil er durch die Entscheidung des FG alles erlangt hat, was er beantragt hat. Daß er sich im Schreiben vom 17. September 1987 vorbehalten habe, im Falle der Revisionseinlegung durch das FA seine Einwendungen erneut vorzubringen, ist hierfür ohne Bedeutung.
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung. Das FG hat § 19 Abs. 3 Satz 6 UStG 1980 verletzt.
1. Das FG hat zu Recht angenommen, der an den Kläger gerichtete Umsatzsteuerbescheid 1980 vom 13. Juni 1983 sei wirksam bekanntgegeben worden (§ 124 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Ein Steuerbescheid wird dadurch bekanntgegeben, daß derjenige, für den er nach dem Willen der erlassenden Behörde bestimmt ist, die Möglichkeit der Kenntnisnahme erhält. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt, denn der Kläger hat von dem Inhalt des Umsatzsteuerbescheids Kenntnis nehmen können. Der Bescheid ist der aus dem Kläger und seinem Bruder bestehenden Sozietät, also einer Mehrheit von natürlichen Personen und somit auch dem Kläger, zugegangen. Der Kläger hat das Einspruchsschreiben (mit dem Briefkopf der Sozietät) persönlich unterzeichnet. Ein eventueller Bekanntgabemangel wäre in entsprechender Anwendung des an sich für Mängel der (förmlichen) Zustellung geltenden § 9 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes (VwZG) geheilt (vgl. BFH-Urteil vom 8. Dezember 1988 IV R 24/87, BFHE 155, 472, BStBl II 1989, 346, m.w.N.), da der Kläger den an ihn gerichteten Bescheid erhalten hat.
2. Das FG ist ferner zutreffend davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 15a Abs. 4 UStG 1980 gegeben sind. Nach dieser Vorschrift liegt eine Änderung der Verhältnisse auch vor, wenn das Wirtschaftsgut vor Ablauf des Berichtigungszeitraums zum Eigenverbrauch entnommen wird und dieser Umsatz für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen ist als die Verwendung im ersten Kalenderjahr.
Die Übertragung der Wohnungs- und Teileigentumseinheiten auf die Ehefrau des Klägers war Eigenverbrauch (s. dazu BFH-Urteil vom 25. Juni 1987 V R 92/78, BFHE 150, 200, BStBl II 1987, 655). Infolge der Steuerfreiheit des Eigenverbrauchs gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. a UStG 1980 ist dieser Umsatz für den Vorsteuerabzug anders zu beurteilen als die - steuerpflichtige - Verwendung im ersten Jahr. Die Berichtigung ist gemäß § 15a Abs. 6 UStG 1980 so vorzunehmen, als wäre das Wirtschaftsgut in der Zeit von der Entnahme bis zum Ablauf des maßgeblichen Berichtigungszeitraums unter entsprechend geänderten Verhältnissen weiter für das Unternehmen verwendet worden (d. h. zur Ausführung steuerfreier Umsätze). Diese Regelung betrifft die Ermittlung des Berichtigungsbetrages. § 44 Abs. 4 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1980, der sich auf die Ermächtigungsgrundlage in § 15a Abs. 7 Nr. 1 1. Halbsatz UStG 1980 stützt, bestimmt, daß die Berichtigung in einem Betrag in dem Jahr zu erfolgen hat, in dem die Entnahme zum Eigenverbrauch stattgefunden hat (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 1987 V S 4/86, BFH/NV 1987, 604, 606). Dies entspricht Art. 20 Abs. 3 Satz 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 145 S. 1).
Fundstellen