Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Als Hilfsgeschäft gehört zur Unternehmertätigkeit jede Tätigkeit, die die Haupttätigkeit mit sich bringt.
Ein Arzt ist deshalb mit der Abfindung, die er für die vorzeitige Aufgabe seiner Praxisräume erhält, umsatzsteuerpflichtig.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 2/1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige ist Facharzt. Er betrieb zunächst seine Praxis in X. Dort hatte er am 16. August 1953 fünf Praxis- und Wohnräume gemietet. Der Mietvertrag war auf zehn Jahre unkündbar. Von den Räumen wurden 1/3 privat und 2/3 für die Praxis benutzt. Am 1. November 1956 wurde das Grundstück an die Firma A. verkauft. Diese nahm unmittelbar darauf Verhandlungen mit dem Steuerpflichtigen auf, um ihn zu einem Verzicht auf die Rechte aus dem Mietvertrag zu bewegen. Der Steuerpflichtige erklärte sich zu einem solchen Verzicht unter der Voraussetzung bereit, daß ihm geeignete Ersatzräume in unmittelbarer Nähe seiner bisherigen Praxis beschafft würden. Am 3. Juni 1958 konnte A. dem Steuerpflichtigen in der gleichen Straße in einem Neubau die passenden Räume anbieten. Beide Parteien einigten sich dann am 15. Oktober 1958 dahin gehend, daß der Steuerpflichtige auf seine Rechte aus dem Mietvertrag verzichtete und A. sich verpflichtete, dem Steuerpflichtigen eine Abfindung von ... DM zu zahlen, sowie Anwaltskosten in Höhe von ... DM und Maklergebühren in Höhe von ... DM zu ersetzen. Von diesen Beträgen wurden 1958 ... DM und 1959 ... DM gezahlt. Seit 1. Januar 1959 benutzt der Steuerpflichtige die neuen Praxis- und Wohnräume.
Streitig ist, ob der Steuerpflichtige mit dem auf die Praxisräume entfallenden Teil der ihm zugeflossenen Beträge umsatzsteuerpflichtig ist.
Bei der Berichtigungsveranlagung für 1958 und der erstmaligen Veranlagung für 1959 hatte das Finanzamt 1/3 der Abfindung als Einnahmeausfall und von den übrigen Beträgen 2/3 der Umsatzsteuer unterworfen. Die verbleibenden Beträge hatte es als auf den privaten Teil der Wohnung entfallend angesehen.
In der Einspruchsentscheidung hat das Finanzamt angenommen, daß in den Zahlungen eine Entschädigung für Einnahmeausfall nicht enthalten sei, sondern die gesamten Beträge eine Abfindung für die vorzeitige Aufgabe der Räume darstellten. Es hat daher jeweils 2/3 der vereinnahmten Beträge als Entgelt für den Verzicht auf Vertragserfüllung behandelt und demgemäß für 1958 ... DM und für 1959 ... DM als umsatzsteuerpflichtig angesehen.
Mit der Berufung hatte der Steuerpflichtige keinen Erfolg. Das Finanzgericht geht davon aus, daß der entgeltliche Verzicht auf Vertragserfüllung als negative Leistung umsatzsteuerbar sei, sofern er im Rahmen eines Unternehmens ausgeführt werde. Zum Unternehmen gehörten aber auch die Hilfsgeschäfte, d. h. solche Geschäfte, die mittelbar mit der Berufstätigkeit des Unternehmers verknüpft seien und im Gefolge seiner Tätigkeit vorkämen. Es komme nicht darauf an, ob der Unternehmer freiberuflich tätig oder Gewerbetreibender sei, da es im Umsatzsteuerrecht nur einen einheitlichen Begriff des Unternehmers gebe. Im übrigen wurde auf das in der Einkommensteuersache 1958/59 ergangene Urteil des Finanzgerichts, in dem 2/3 der Zahlungen als Einkommen aus freiberuflicher Tätigkeit angesehen worden waren, Bezug genommen.
In der Rb. wird geltend gemacht, daß die Abfindung nur dann steuerbar sei, wenn sie der Steuerpflichtige als Entgelt für eine sonstige Leistung im Rahmen seines Unternehmens empfangen habe. Er habe sie jedoch aus den gleichen Erwägungen, die in der Einkommensteuersache für die Abgrenzung der beruflichen Tätigkeit als Arzt von der außerberuflichen Sphäre vorgetragen worden seien, nicht im Rahmen seines Unternehmers erzielt. In der Einkommensteuersache wurde von dem Steuerpflichtigen insbesondere darauf hingewiesen, daß nur die Beschaffung der Ersatzräume in irgendeiner Beziehung zu seiner Berufstätigkeit als Arzt gestanden habe. Durch die Bereitstellung der Ersatzräume habe die berufliche Sphäre der Verhandlungen ihr Ende gefunden. Die später getroffene Vereinbarung über die Abfindung stehe mit der Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen in keinem irgendwie gearteten Zusammenhang. Es handle sich dabei um ein völlig außerhalb der ärztlichen Sphäre liegendes Geldgeschäft. Ein Hilfsgeschäft führe nur dann zur Steuerpflicht, wenn es zur Berufstätigkeit des Steuerpflichtigen als Arzt gehöre. Das entscheidende Kriterium sei, ob es sich um eine Tätigkeit gehandelt habe, bei der das geistige Vermögen und die persönliche Arbeitskraft des Steuerpflichtigen eingesetzt worden seien. Völlig verfehlt sei die vom Finanzgericht angewandte wirtschaftliche Betrachtungsweise, um die beiden ganz verschieden gelagerten Vereinbarungsteile zu einer angeblichen Einheit "zusammenzukonstruieren". Bei der anzuwendenden typischen Betrachtungsweise hätte das Finanzgericht die Geldentschädigung nicht der Berufstätigkeit zurechnen können. Sie habe mit dem Arztberuf nichts zu tun. Unzulässig erscheine auch die schematische Anwendung des Unkostenverteilungsschlüssels auf die Abfindung.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet. Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der entgeltliche Verzicht auf ein Recht aus einem Vertrag eine Leistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts darstellt. Gemäß § 1 Ziff. 1 UStG ist eine solche Leistung jedoch nur dann steuerbar, wenn sie von einem Unternehmer im Rahmen seines Unternehmens ausgeführt wird. Das Unternehmen umfaßt nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Dazu gehören nicht nur die Leistungen, deren Vornahme in erster Linie bezweckt wird, sondern jede Tätigkeit, die die Haupttätigkeit mit sich bringt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs V A 1030/29 vom 30. Januar 1931, Slg. Bd. 28 S. 100). Es ist deshalb im Einzelfall zu prüfen, ob die Leistung in den Kreis des Eigenlebens (Privatlebens) oder in den Kreis der Unternehmertätigkeit fällt. In dem vorliegenden Fall bildet die Ausübung der ärztlichen Praxis den eigentlichen Gegenstand des Unternehmens. Mit dieser Tätigkeit stand der Verzicht auf das Mietrecht insofern in unmittelbarem Zusammenhang, als die Praxis in den gemieteten Räumen betrieben wurde, für deren Aufgabe der Steuerpflichtige eine Abfindung erhalten hat. Um diesen Verzicht auf das Mietrecht ging es aber von Anfang an und nicht erst seit der Besprechung vom 25. September 1958, in der der Steuerpflichtige seinem Prozeßbevollmächtigten die Weisung gab, den Verzicht auf die weitere Ausübung des Mietrechts von der Zahlung von ... DM zuzüglich Kosten abhängig zu machen. Für diesen Verzicht erhielt der Steuerpflichtige die genannten Beträge. Maßgebend für die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung ist aber, ob der Verzicht zu der beruflichen Tätigkeit zu rechnen ist. Darauf, daß die Abfindung nach der Beschaffung der Ersatzräume vereinbart wurde, kommt es nicht an. Es ist deshalb auch nicht richtig, von einem außerhalb der ärztlichen Sphäre liegenden Geldgeschäft zu sprechen. Diese Beurteilung ergibt sich aus dem gegebenen Sachverhalt. Die Einholung einer gutachtlichen Stellungnahme der ärztekammer war daher nicht erforderlich. Mit dem privaten Bereich hatte der Verzicht auf das Mietrecht insoweit nichts zu tun, als er sich auf die Praxisräume bezog. Entscheidend ist nicht, daß der Steuerpflichtige nach Bereitstellung der neuen Räume eine Abfindung zugesprochen bekam, sondern daß diese Abfindung für die Aufgabe der früheren Praxisräume gezahlt wurde. Der Fall ist nicht anders zu beurteilen, als wenn ein Arzt einen Gebrauchsgegenstand seiner Praxis oder einen überwiegend beruflich benutzten PKW verkauft. Auch in diesen Fällen gehört der Verkauf des Gebrauchsgegenstands oder der Verkauf des PKW nicht zur Berufstätigkeit des Arztes. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Tätigkeit, bei der das geistige Vermögen und die persönliche Arbeitskraft eingesetzt werden. Trotzdem sind diese Verkäufe als Hilfsgeschäfte der beruflichen Tätigkeit und damit der Unternehmertätigkeit zuzurechnen. Die Rechtslage kann nicht anders sein, wenn der Arzt im Wege des Verzichts auf das Mietrecht seine Praxisräume aufgibt und dafür einen Abfindungsbetrag erhält. Mit dieser Beurteilung stimmt es überein, wenn der IV. Senat in der Einkommensteuersache 1958/59 in seinem Urteil IV 365/62 U vom 8. Oktober 1964 (BStBl 1965 III S. 12) die Abfindungsbeträge den Einnahmen des Steuerpflichtigen aus freiberuflicher Tätigkeit zugerechnet hat.
Soweit der Steuerpflichtige im Rechtsbeschwerdeverfahren gegen die Aufteilung der Abfindungssumme Einwendungen erhebt, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, mit dem er in diesem Verfahren nicht mehr gehört werden kann.
Fundstellen
Haufe-Index 411409 |
BStBl III 1965, 34 |
BFHE 1965, 100 |
BFHE 81, 100 |