Leitsatz (amtlich)
Zur Abzugsfähigkeit einer Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten und der in der Schadenrückstellung enthaltenen Schadenermittlungskosten bei der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen eines Sachversicherungsunternehmens.
Normenkette
BewG i.d.F. vor BewG 1965 § 62 Abs. 2; BewDV a.F. § 53
Tatbestand
I. Sachverhalt und Entscheidung des Finanzgerichts.
Streitig ist der Abzug einer Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten und der in der Schadenrückstellung enthaltenen Kosten der Schadenermittlung bei der Einheitswertfeststellung auf den 1. Januar 1961 für das Betriebsvermögen der Klägerin. Das FA hatte in dem Bescheid vom 25. April 1962 den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin auf ... DM festgestellt. Es hatte dabei u. a. die in der Vermögensaufstellung unter den Schulden eingesetzte Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten in Höhe von 236 416 DM nicht zum Abzug zugelassen. Die Sprungberufung führte zu einer Verböserung. Das FG ließ auch die in der Schadenrückstellung enthaltenen Kosten der Schadenermittlung in Höhe von 225 934 DM nicht zum Abzug zu. Es stellte den Einheitswert des Betriebsvermögens der Klägerin zum 1. Januar 1961 dementsprechend auf ... DM fest und erhöhte die Vermögensteuer ab 1. Januar 1961.
Das FG-Urteil beruht auf folgenden Erwägungen: Die Schadenreserve sei keine versicherungstechnische Rücklage im Sinne des § 62 Abs. 2 BewG i. d. F. vor BewG 1965 - künftig als BewG bezeichnet - und des § 53 BewDV. Sie sei vielmehr ein echter Schuldposten, der nach § 62 Abs. 1 BewG als Betriebsschuld abgezogen werden könne. Die mit der Schadenregulierung zusammenhängenden Bearbeitungs- und Ermittlungskosten könnten schon aus diesem Grunde nicht zu den versicherungstechnischen Rücklagen im Sinne der genannten Vorschriften gerechnet werden. Diese Kosten seien aber auch keine Betriebsschulden, Rückstellungen oder wirtschaftliche Lasten im Sinne des § 62 Abs. 1 BewG. Der Begriff der Schuld setze voraus, daß ihr ein Gläubiger gegenüberstehe. Das sei bei diesen Kosten nicht der Fall. Die Aufwendungen für die Schadenbearbeitung seien zwar durch den Eintritt des Schadenfalls bedingt. Sie würden jedoch nicht dem Versicherungsnehmer geschuldet, sondern entstünden außerhalb des Versicherungsvertragsverhältnisses z. B. auf Grund von Arbeitsverträgen zwischen dem Versicherer und den versicherungseigenen Angestellten. Die gleichen Überlegungen gälten auch für den Abzug dieser Kosten als wirtschaftliche Last. Der Versicherungsnehmer müßte sich auch in diesem Falle in der Stellung eines Empfängers der diese Last begründenden Aufwendungen befinden. Der Kaufpreis bei einer Veräußerung des Unternehmens im Ganzen werde im allgemeinen nach der Durchschnittsrendite bemessen. Die laufend für die Schadenbearbeitung und -ermittlung aufzuwendenden Kosten würden dann aber bereits in der Ertragssphäre berücksichtigt. Sie berührten nicht die Vermögenssphäre und hätten keinerlei Einfluß auf die Teilwerte irgendwelcher Wirtschaftsgüter des Unternehmens. Auch Rückstellungen setzten Rechtsbeziehungen zu Dritten voraus. Die menschliche Arbeitskraft und die Sachkunde des Unternehmers oder seiner Angestellten stellten im übrigen kein selbständiges bewertungsfähiges Wirtschaftsgut dar. Die noch ausstehende Schadenbearbeitung und -ermittlung sei auch kein besonderer Umstand im Sinne des § 14 Abs. 1 BewG. Die Rückstellung könne steuerlich ferner nicht als Ergänzungsposten zu den passiv abgegrenzten Prämienüberträgen oder als Wertberichtigungsposten zu irgendwelchen aktivierten Wirtschaftsgütern angesehen werden. Sie seien vielmehr steuerlich als laufender betrieblicher Aufwand des Wirtschaftsjahres zu behandeln, in dem sie tatsächlich anfallen. Sie dienten nicht unmittelbar der Wagnisdeckung, sondern der Erledigung des laufenden Versicherungsgeschäftes. Die Klägerin könne sich auch nicht auf das Urteil des BFH III 43/50 S vom 25. Oktober 1951 (BFH 56, 91, BStBl III 1952, 37) betreffend die Rückstellung für zukünftige, bereits verursachte Bergschäden berufen. Der von ihr zitierte Autor van der Velde habe in FR 1955, 296, 298 u. a. ausgeführt, es seien aus dem Aufwand solche Aufwendungen herauszunehmen, die keine Bergschäden im engeren Sinne des Wortes, sondern laufende Betriebskosten oder außerordentliche Aufwendungen darstellten. Die Kosten der Schadenbearbeitung und -ermittlung seien ebenfalls keine Sachschäden im engeren Sinne. Der Umstand, daß die Bildung der strittigen Rückstellungen in den neuen Rechnungslegungsbestimmungen nach dem VAG vorgeschrieben sei, mache diesen Posten noch nicht zu einer steuerlich abzugsfähigen Rückstellung. Es stehe nach der Auskunft der Klägerin fest, daß ebenso wie bei den Schadenbearbeitungskosten auch bei den Schadenermittlungskosten eigener Verwaltungsaufwand der Klägerin vorliege, nicht etwa rückgestellte Verpflichtungen gegenüber Dritten wie z. B. gegenüber Sachverständigen. Die Voraussetzungen für eine Verböserung nach § 243 AO a. F. seien gegeben.
II. Revisionsbegründung.
Mit der als Revision zu behandelnden Rechtsbeschwerde rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: § 53 BewDV erläutere nur die Vorschrift des § 62 Abs. 2 BewG; schränke sie aber nicht ein. Die Schadenrückstellung gehöre entgegen der Auffassung des FG zu den versicherungstechnischen Rücklagen im Sinne des § 62 Abs. 2 BewG. Auch die Rückstellung für die Kosten der Schadenbearbeitung und die in der Schadenrückstellung enthaltenen Kosten der Schadenermittlung gehörten dazu. Es könne nicht außer Betracht gelassen werden, daß diese Rückstellungen von der Versicherungsaufsichtsbehörde zwingend vorgeschrieben seien. Sie berührten auch nicht nur die Ertragssphäre der Versicherungsunternehmen, sondern deren Substanzwert. Sie seien wirtschaftliche Lasten, die nach der Rechtsprechung zu berücksichtigen seien, und zwar unabhängig davon, ob Ansprüche Dritter damit zusammenhingen. Diese Rechtsprechung sei entgegen der Auffassung des FA auch nicht überholt. Auch die vom FA erwähnten späteren BFH-Urteile bejahten die Möglichkeit des Abzugs einer wirtschaftlichen Last. Das Stichtagsprinzip habe bei der Anwendung des § 62 Abs. 2 BewG zurückzutreten. Das ergebe sich eindeutig aus dem BFH-Urteil III 125/61 S vom 8. September 1961 (BFH 74, 42, BStBl III 1962, 19). In diesem Urteil habe der BFH den bewertungsrechtlichen Abzug von Pensionsanwartschaften beim Betriebsvermögen ohne Anwendung des sogenannten Gesetzes der großen Zahl zugelassen. Er habe das in analoger Anwendung des in § 62 Abs. 2 BewG zum Ausdruck kommenden Gedankens getan. Er habe dabei ausdrücklich betont, daß § 62 Abs. 2 BewG den allgemeinen Rechtsgrundsatz des statischen Stichtagsprinzips für den besonders gearteten Fall der versicherungstechnischen Rücklagen der Versicherungsunternehmen durchbreche.
In der mündlichen Verhandlung hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin noch vorgetragen: Es müsse auf die Besonderheiten der versicherungstechnischen Rücklagen geachtet werden. Die Regeln des Versicherungsgeschäfts verlangten, daß ein Versicherungsunternehmen für Schadenfälle des Geschäftsjahres diejenigen Kosten zurückstelle, die es benötige, um die Schäden in späteren Jahren zu regulieren. Würde man von der Passivierung absehen, so müßte der künftige Aufwand aus den Prämien der kommenden Jahre gedeckt werden, obwohl er in dem zurückliegenden Jahr des Schadeneintritts verursacht worden sei. Das widerspreche jedoch den Belangen der Versicherten, es gefährde zudem ernstlich die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen. § 56 Abs. 3 VAG in der Fassung des EGAktG 1965 bringe deshalb für die Bemessung der technischen Rücklagen der Höhe nach in Gestalt des besonderen Vorsichtsprinzips eigenes Recht. Er gelte als Gebot ordnungsmäßiger Buchführung auch für die Ertragsteuerbilanz und damit auch für die Anwendung des § 11 Nr. 2 KStG. Diese Vorschrift stimme wörtlich mit § 62 Abs. 2 BewG überein. § 62 Abs. 2 BewG könne deshalb schon nach seinem Wortsinn nicht anders ausgelegt werden als § 11 Nr. 2 KStG. Zudem habe das FG zu Unrecht eine Verpflichtung des Versicherungsunternehmens gegenüber dem Versicherungsnehmer zur Aufwendung der Schadenbearbeitungs- und Schadenermittlungskosten verneint. Nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung (Oberlandesgericht Kiel, Urteil vom 22. April 1933, JR 1933, 286; Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 31. Januar 1938, JR für die Privatversicherung 1938, 89) bestehe eine solche Verpflichtung. Auch von Bruck-Möller (Großkommentar zum Versicherungsvertragsgesetz, Anm. 40 zu § 1) werde eine solche Verpflichtung bejaht, deren Verletzung zur Schadenersatzpflicht führen könne.
Die Klägerin hat beantragt, den angefochtenen Bescheid so zu berichtigen, daß die Rückstellungen für Schadenermittlungs- und Schadenbearbeitungskosten in voller Höhe anerkannt werden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
III. Stellungnahme des BdF und des BAV.
Auf Grund der mündlichen Verhandlung hat der Senat beschlossen, den BdF nach § 122 FGO zum Beitritt zum Verfahren aufzufordern. Der BdF ist dem Verfahren beigetreten. Er kommt in seiner Stellungnahme zu dem Ergebnis, daß § 53 BewDV mit § 62 Abs. 2 BewG vereinbar sei. Abzugsfähig seien nach § 62 Abs. 2 BewG die dem Versicherungsgeschäft eigentümlichen Rücklagen, die sogenannten versicherungstechnischen Rücklagen, die auf der Basis des Gesetzes der großen Zahl nach versicherungsmathematischer Berechnung zur Deckung des laufenden Wagnisses erforderlich seien. Die Schadenreserve gehöre nicht zu den versicherungstechnischen Rücklagen in diesem Sinne. Denn bei ihr stehe die konkrete Verpflichtung am Stichtag bereits dem Grunde nach fest. Ihre Berechnung erfolge nicht nach versicherungsmathematischen Grundsätzen zur Deckung eines Wagnisses aus den laufenden Versicherungsverträgen, sondern sie werde, wenn die Höhe des Schadens bekannt sei, in dieser Höhe, sonst in geschätzter Höhe gebildet. Bei der Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten und interne Schadenermittlungskosten fehle es an den Voraussetzungen, die nach den geltenden, vom BFH in ständiger Rechtsprechung bestätigten steuerlichen Grundsätzen für die Abzugsfähigkeit einer Rückstellung erforderlich seien. Bewertungsrechtlich setze die Anerkennung einer Rückstellung voraus, daß hinsichtlich des Sachverhalts, für den die Rückstellung gebildet worden sei, am Stichtag eine rechtliche und wirtschaftliche Verpflichtung bestehe. Sie sei bei den internen Kosten nicht gegeben. Die Verpflichtung des Versicherungsunternehmens erschöpfe sich zwar nicht darin, die Schadensumme zu zahlen. Es träfen den Versicherer auch schon vor Eintritt des Schadenfalles gewisse Verpflichtungen gegenüber dem Versicherungsnehmer, die auf dem Wesen des Versicherungsvertrags als Dauerschuldverhältnis beruhten und ihm immanent seien. Die reine betriebsarteigene verwaltungsmäßige Handhabung des Versicherungsgeschäfts, die geschäftsinterne Behandlung, d. h. die zu den internen Kosten gehörenden Tätigkeiten der inneren Organisation des Versicherungsunternehmens, seien jedoch nicht Gegenstand der dem Versicherungsvertrag immanenten gegenseitigen Rechte und Pflichten. Sie seien nicht Teil des den noch schwebenden Vertrag kennzeichnenden besonderen Wagnisses, sondern Ausfluß der innerorganisatorischen Behandlung des Versicherungsverhältnisses. Bei den sogenannten externen Schadenermittlungskosten könne dagegen eine Rückstellung nach allgemeinen bewertungsrechtlichen Grundsätzen in Betracht kommen.
Das BAV, mit dem der BdF auf Veranlassung des Senats vor seiner Stellungnahme Fühlung genommen hat, kommt in seiner gegenüber dem BdF abgegebenen Stellungnahme zu dem Ergebnis, daß § 53 BewDV nicht mit § 62 Abs. 2 BewG vereinbar sei. Die durch das AktG 1965 geschaffene gesetzliche Normierung des schon immer mit gleichem Inhalt geltenden handels- und aufsichtsrechtlichen Begriffs der versicherungstechnischen Rückstellungen erfasse auch die Schadenbearbeitungs- und Schadenermittlungskosten. Die Bildung dieser Rückstellungen sei nach vernünftiger versicherungskaufmännischer Beurteilung notwendig, um die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen sicherzustellen. Handels- und bilanzrechtlich sei es zwingend geboten, einen Bilanzposten zu bilden, der im Wege einer Periodenabgrenzung die Beitragsteile enthalten müsse, die zur Bestreitung der sachlichen und persönlichen Aufwendungen für die im Abrechnungszeitraum unerledigt gebliebenen Schadenfälle voraussichtlich noch benötigt würden. Zu diesen Aufwendungen gehörten alle Kosten, die aus der Bearbeitung dieser Geschäftsvorfälle entstünden, also auch Gehaltsaufwendungen und Gemeinkosten. Das sei ertragsteuerlich nicht zu bestreiten. Es seien keine Gründe ersichtlich, die eine abweichende Beurteilung im Bewertungsrecht verlangten.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
IV. Entscheidung des Senats.
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
1.
Rechtsgrundlage für den Abzug von versicherungstechnischen Rücklagen bei der Einheitswertfeststellung für das Betriebsvermögen der Versicherungsunternehmen ist an dem hier maßgebenden Stichtag (1. Januar 1961) § 62 Abs. 2 BewG. Nach dieser Vorschrift sind vom Rohvermögen der Versicherungsunternehmen versicherungstechnische Rücklagen abzuziehen, "soweit sie für die Leistungen aus den laufenden Versicherungsverträgen erforderlich sind". Diesen Wortlaut hat die Vorschrift erstmals im RBewG 1934 erhalten. Sie stimmt sachlich überein mit der im KStG 1934 enthaltenen Fassung des § 11 Nr. 2 KStG. Auf diese sachliche Übereinstimmung ist bereits in der amtlichen Begründung zum RBewG 1934 (RStBl 1935, 161 [175]) hingewiesen worden. Der Senat ist der Auffassung, daß wegen dieser sachlichen Übereinstimmung der beiden Vorschriften die Abzugsfähigkeit von versicherungstechnischen Rücklagen im Ertragsteuerrecht und im Bewertungsrecht nach den gleichen Grundsätzen beurteilt werden muß.
Der Zweck der Neufassung bestand nach der amtlichen Begründung zum KStG 1934 (RStBl 1935, 81 [85]) darin, die Abzugsfähigkeit technischer Rücklagen besser abzugrenzen als nach den früheren Regelungen. Schon daraus ergibt sich, daß nicht alle im Versicherungswesen damals als "versicherungstechnische Rücklagen" bezeichneten Bilanzposten steuerlich abzugsfähig sein sollten. Wie im Erlaß des RdF vom 25. Juli 1936 (RStBl 1936, 825) in Abschn. IV Nr. 1 hervorgehoben wurde, umfaßte dieser Fachausdruck, der heute allgemein durch den Ausdruck "versicherungstechnische Rückstellungen" ersetzt wird, auch "echte Rücklagen (Reserven), d. s. Passivposten, die am Stichtag weder dem Grund noch der Höhe nach eine Versicherungsverpflichtung bedeuten". Es konnten also unter den versicherungstechnischen Rücklagen Posten sein, die entweder dem Grunde oder der Höhe nach steuerlich als Rücklagen anzusehen waren. Wenn es der Zweck der Neufassungen des § 62 Abs. 2 RBewG 1934 und des § 11 Nr. 2 KStG 1934 war, diese Rücklagen im steuerlichen Sinn vom Abzug auszuschließen, muß der einschränkende Satz: "soweit sie für die Leistungen aus den laufenden Versicherungsverträgen erforderlich sind" einen doppelten Sinn haben, nämlich eine Einschränkung der Abzugsfähigkeit der versicherungstechnischen Rücklagen sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach. Auch in dem RdF-Erlaß vom 25. Juli 1936 (a. a. O.) wird in Abschn. I Nr. 1 Abs. 3 hervorgehoben, daß durch die Neufassung die abzugsfähigen versicherungstechnischen Rücklagen "an sich festgelegt" werden und außerdem ihre Höhe bzw. bei der Körperschaftsteuer die Höhe der Zuführungen zu ihnen begrenzt wird.
Die Begrenzung der Abzugsfähigkeit der versicherungstechnischen Rücklagen dem Grunde nach besteht, wie bereits ausgeführt wurde, darin, daß die versicherungstechnischen Rücklagen insoweit vom Abzug ausgeschlossen werden sollten, als sie Rücklagen im steuerlichen Sinne sind. Daraus erklärt sich, daß nach den sachlich übereinstimmenden Bestimmungen des § 53 Abs. 1 BewDV und des § 24 Abs. 1 KStDV versicherungstechnische Rücklagen nur insoweit abzugsfähig sind, als sie echte Schuldposten oder Posten sind, die der Rechnungsbegrenzung dienen. Es handelt sich dabei, wie der Senat bereits in dem Urteil III 170/56 S vom 21. März 1958 (BFH 66, 605, BStBl III 1958, 234) betont hat, insoweit um eine Klarstellung. Die Bestimmungen stehen nicht im Widerspruch zu den gesetzlichen Vorschriften. Sie dienen gerade dazu, die im Gesetz enthaltene Begrenzung der Abzugsfähigkeit der versicherungstechnischen Rückstellungen dem Grunde nach näher zu umreißen. Es ist zwar richtig, daß echte Schuldposten und unter gewissen Voraussetzungen Posten der Rechnungsabgrenzung auch bei anderen Unternehmen nach § 62 Abs. 1 BewG als Betriebsschulden und die Zuführungen zu diesen Posten nach einkommensteuerlichen Vorschriften als Betriebsausgaben abzugsfähig sind. Trotzdem sind die Vorschriften des § 62 Abs. 2 BewG und des § 11 Nr. 2 KStG nicht überflüssig. Denn sie enthalten neben der Begrenzung des Abzugs der versicherungstechnischen Rücklagen dem Grunde nach auch eine Aussage über die Höhe der abzugsfähigen versicherungstechnischen Rücklagen.
Passivposten, auch passive Rechnungsabgrenzungsposten, sind im allgemeinen nur in der Höhe zulässig, in der nach dem Inhalt des Schuldverhältnisses Leistungen zu erbringen sind. Dagegen ist es für ihre Bemessung unerheblich, welche Kosten der Schuldner aufzuwenden hat, um diese Leistungen erbringen zu können. Diese schon immer geltenden Grundsätze, die z. B. auch in § 156 Abs. 2 AktG 1965 (Ansatz der Verbindlichkeiten mit ihrem Rückzahlungsbetrag) zum Ausdruck kommen, hat der BFH in zwei Urteilen aus neuerer Zeit bei der Frage der Bemessung von passiven Rechnungsabgrenzungsposten besonders hervorgehoben. Der I. Senat hat in dem Urteil I 208/63 vom 31. Mai 1967 (BFH 89, 191, BStBl III 1967, 607) zur Frage der Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens für Kreditgebühren bei Teilzahlungsbanken ausgeführt: "Die Höhe des passiven Rechnungsabgrenzungspostens bemißt sich somit nach dem Verhältnis der noch ausstehenden Gegenleistung zur gesamten Gegenleistung. Dagegen kommt es nicht darauf an, wann beim Empfänger der Einnahmen die Kosten anfallen, die durch die ihm obliegende, noch zu bewirkende Gegenleistung verursacht sind und die durch die Einnahmen gedeckt werden sollen." Der IV. Senat hat in dem Urteil IV 285/65 vom 17. August 1967 (BFH 90, 322, BStBl II 1968, 80) bei der Frage der Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens für Gebühren bei einem Ehevermittlungsinstitut ausgeführt: "Entgegen der Ansicht des FG sind aber nicht die Unkosten abzugrenzen, die in künftigen Jahren noch anfallen und aus der vereinnahmten Vergütung zu bestreiten sind. Gegenstand der Abgrenzung ist vielmehr ... die gesamte Vergütung."
Wenn § 62 Abs. 2 BewG und § 11 Nr. 2 KStG versicherungstechnische Rücklagen der Höhe nach insoweit zulassen, als sie zur Erfüllung der Leistungen aus den am Stichtag laufenden Versicherungsverträgen erforderlich sind, so bedeutet das nach Auffassung des Senats eine Ausnahme von diesen sonst allgemein geltenden Grundsätzen. Sie erlaubt es den Versicherungsunternehmen mit Rücksicht auf die Besonderheiten des Versicherungsgeschäfts, das in der Übernahme von Wagnissen besteht, die versicherungstechnischen Rücklagen nicht nur nach der Höhe der zu erbringenden Leistungen zu bemessen, sondern in die Bemessung auch die Kosten einzubeziehen, die zur Erfüllung der Leistungen aus den am Stichtag laufenden Versicherungsverträgen erforderlich sind. Die beiden Vorschriften haben einen ähnlichen Wortlaut wie der durch das EGAktG 1965 eingefügte § 56 Abs. 3 VAG, nach dem versicherungstechnische Rückstellungen über das sonst für Rückstellungen nach § 152 Abs. 7 und § 156 Abs. 4 AktG 1965 zulässige Maß hinaus gebildet werden dürfen, soweit sie "nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig (sind), um die dauernde Erfüllbarkeit der Verpflichtungen aus den Versicherungen sicherzustellen". Ob zwischen diesen Vorschriften eine völlige Übereinstimmung besteht, kann dahingestellt bleiben. Der Senat tritt der im Schrifttum von Döllerer (BB 1969, 501 [507]) und von Grass (Steuer und Wirtschaft 1969 Sp. 606 [626]) vertretenen Auffassung bei, daß keine Bindung des Steuerrechts an diese neue handelsrechtliche Vorschrift besteht. Das folgt schon daraus, daß die Maßgeblichkeit für die Steuerbilanz dort ihre Grenze findet, wo das Steuerrecht eine eigene Rechtsnorm enthält.
2.
Nach den zu 1. erörterten Grundsätzen besteht kein Zweifel, und es ist auch unter den Beteiligten unbestritten, daß die Schadenrückstellung dem Grunde nach als echter Schuldposten abzugsfähig ist. Denn sie enthält die Verpflichtung des Versicherungsunternehmens, den Versicherungsnehmern die durch den Eintritt des Versicherungsfalls verursachten Schäden zu ersetzen (vgl. § 1 Abs. 1 VVG). Diese Verpflichtung war am Stichtag bereits entstanden und noch nicht erloschen. Streit besteht jedoch darüber, ob in diese Rückstellung auch die sogenannten Schadenermittlungskosten einzubeziehen sind. Nach den Rechnungslegungsvorschriften des BAV für die Schaden- und Unfallversicherung gehören diese Aufwendungen zur Schadenrückstellung. Aufwendungen für Schadenermittlung sind, wie dort ausgeführt wird, "die speziell durch den einzelnen Schadenfall veranlaßten Ausgaben, die aufgewendet werden, um die Versicherungsleistungen dem Grunde und der Höhe nach festzustellen". Dazu gehören nach Jenson (Kommentar zu den Rechnungslegungsvorschriften der Versicherungsunternehmen für die Geschäftsjahre ab 1955 S. 129 Ziff. 2) a) für alle Versicherungszweige einschließlich der gesamten Haftpflichtversicherung: Die Gehalts-, Reise- und Gemeinkostenanteile für das Schadenpersonal im Innen- und Außendienst, ferner Aufwendungen für freie Regulierer und sonstige Personen, die zur Schadenermittlung herangezogen werden, b) für alle Versicherungszweige außer der gesamten Haftpflichtversicherung: Die im einzelnen Schadenfall erwachsenden Kosten für Gutachten aller Art, Auskünfte und Hilfe von Behörden, Materialunterlagen (Lichtbilder usw.). Es stecken in diesen Aufwendungen also nicht nur sogenannte interne Kosten, d. h. solche Kosten, die innerbetrieblich durch die Schadenermittlung entstehen, sondern auch sogenannte externe Kosten, d. h. solche Kosten, die durch die Inanspruchnahme und Mithilfe Dritter bei der Schadenermittlung entstehen. Die Klägerin hat nach ihren eigenen Angaben in den vom FG gestrichenen Teil der Schadenrückstellung nur interne Schadenermittlungskosten eingestellt, nämlich für das eigene Schadenpersonal im Innen- und Außendienst Gehaltskostenanteile in Höhe von 193 514 DM und Reiseund Gemeinkostenanteile in Höhe von 32 420 DM. Es ist zu vermuten, daß die Klägerin die externen Schadenermittlungskosten in die Berechnung der einzelnen Schadenleistungen einbezogen hat. Das kann aber letztlich dahingestellt bleiben, weil diese Kosten nach Auffassung des Senats auf jeden Fall in die Bemessung der Schadenrückstellung einzubeziehen sind.
Der Senat hat jedoch Bedenken dagegen, alle von der Klägerin in die Schadenrückstellung einbezogenen internen Schadenermittlungskosten steuerlich anzuerkennen. Nach seiner Auffassung sind nicht alle diese Kosten "zur Erfüllung der Leistungen" aus den laufenden Versicherungsverträgen "erforderlich". Auch die Rechnungslegungsvorschriften des BAV wollen in die Schadenrückstellung nur solche Aufwendungen einbeziehen, die "speziell für den einzelnen Schadenfall veranlaßt" sind. Diese Voraussetzung hält der Senat nur bei den unmittelbaren Schadenermittlungskosten für gegeben. Die Frage, welche Aufwendungen unmittelbare Schadenermittlungskosten sind, ist, wie der Senat meint, nach ähnlichen Grundsätzen zu beurteilen, wie sie für die Unterscheidung zwischen Einzelkosten und Gemeinkosten im Herstellungsbereich entwickelt worden sind. Wie der I. Senat in dem Urteil I 210/63 vom 31. Juli 1967 (BFH 90, 128, BStBl II 1968, 22) dargelegt hat, werden im Herstellungsbereich unter Einzelkosten die Kosten verstanden, deren Maßeinheit (Zeit, Menge) für das einzelne Erzeugnis direkt beurteilt werden kann; Gemeinkosten sind die Kosten, deren Maßeinheit nur indirekt, auf Grund einer Annahme, beurteilt werden kann. Diese Unterscheidung erscheint dem Senat auch für die hier vorzunehmende Abgrenzung der unmittelbaren von den nur mittelbaren Schadenermittlungskosten als geeignet, wenn dabei nicht auf das einzelne Erzeugnis, sondern auf den einzelnen Schadenfall abgestellt wird. Er trägt keine Bedenken, danach die von der Klägerin in die Schadenrückstellung eingestellten anteiligen Personalkosten insoweit zu den unmittelbaren Schadenermittlungskosten zu rechnen, als sie die Gehälter und Reisekosten der Angestellten der Schadenabteilung betreffen, soweit diese Angestellten tatsächlich mit der Schadenermittlung beschäftigt sind (vgl. hierzu die Ausführungen im BFH-Urteil I 219/63, a. a. O., über die Fertigungslöhne als Einzelkosten). Dagegen werden die übrigen anteiligen Gemeinkosten, insbesondere die sachlichen Kosten in der Regel nicht als unmittelbare Schadenermittlungskosten angesehen werden können.
3.
Nach den Rechnungslegungsvorschriften des BAV ist neben der Schadenrückstellung auch eine Rückstellung für Schadenbearbeitungskosten zu bilden. Zu den Schadenbearbeitungskosten gehören nach Jenson (a. a. O. S. 130) die anteiligen persönlichen und sachlichen Kosten für Prüfung des Versicherungsverhältnisses (Beginn des Versicherungsschutzes, Prämienzahlung, Vertragsunterbrechung u. ä.) und daraus entstehende Deckungsprozesse, registraturmäßige Behandlung der Schadenakten (Anlage, Ablage, Archiv), Kartei und Listenführung, Statistik, Verkehr mit anderen Ressorts (Kasse, Buchhaltung, Verwaltung), Abrechnung mit Rück- und Mitversicherern, Bearbeitung von Regressen und Ausgleichsansprüchen gegen Dritte bzw. deren Versicherer, Bearbeitung von Teilungsabkommen mit anderen Versicherern, Verwaltung von Renten. Es handelt sich bei diesen Aufwendungen durchweg um innerbetriebliche Kosten, die durch den Versicherungsbetrieb als solchen entstehen. Denn ein Versicherungsbetrieb ohne Schadenfälle ist praktisch nicht denkbar. Ihre Abzugsfähigkeit scheitert nach Auffassung des Senats schon daran, daß sie nicht der "Erfüllung" der Leistungen aus den laufenden Versicherungsverträgen im Sinne des § 62 Abs. 2 BewG dienen. Sie dienen vielmehr dazu, unberechtigte Ansprüche abzuwehren und die Verpflichtung des Unternehmens durch Inanspruchnahme Dritter (Regreßpflichtige, Rück- und Mitversicherer) möglichst gering zu halten. Es braucht nicht geprüft zu werden, ob sie als echte Schuldposten, Rechnungsabgrenzungsposten, als wirtschaftliche Last oder als Wertberichtigungsposten, zu den Prämienüberträgen oder anderen Aktivposten zu qualifizieren sind. Denn § 62 Abs. 2 BewG hat als Lex spezialis für den Abzug der versicherungstechnischen Rücklagen den Vorrang vor der allgemeinen Vorschrift des § 62 Abs. 1 BewG. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob sie im Sinne des § 56 Abs. 3 VAG zur Sicherstellung der dauernden Erfüllbarkeit der Verpflichtung aus den Versicherungen notwendig sind. Denn selbst wenn das zu bejahen wäre, würde, wie bereits ausgeführt wurde, für die Entscheidung nach § 62 Abs. 2 BewG oder nach § 11 Nr. 2 KStG keine Bindung bestehen.
4.
Da die Vorentscheidung hinsichtlich des Abzugs der Schadenermittlungskosten von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif, weil noch nicht feststeht, in welchem Umfang die Schadenermittlungskosten in die Schadenrückstellung einbezogen werden können. Die Sache wird deshalb an das FG zurückverwiesen. Dieses wird noch festzustellen haben, ob und inwieweit die von der Klägerin in die Schadenrückstellung eingestellten Schadenermittlungskosten unmittelbare Kosten im Sinne der Ausführungen oben zu 2. sind.
Fundstellen
Haufe-Index 68900 |
BStBl II 1970, 236 |
BFHE 1970, 50 |