Leitsatz (amtlich)
1. Benutzt ein Reisender, der mit dem Flugzeug aus dem Ausland kommt und anmeldepflichtige Waren mit sich führt, auf einem Flughafen den grünmarkierten Ausgang und meldet er die Waren dem dort anwesenden Beamten auf dessen ausdrückliches Verlangen nicht ordnungsgemäß an, so hat er spätestens dadurch die Waren der zollamtlichen Überwachung vorenthalten oder entzogen.
2. Ein Ermessensfehler bei der Erhebung des Zollzuschlags in Höhe der Eingangsabgaben ergibt sich nicht schon daraus, daß der BdF die Flughafenzollstellen angewiesen hat, von Reisenden, die mit zollpflichtigen Waren den grünmarkierten Ausgang benutzen, im Regelfall einen Zollzuschlag in Höhe der Eingangsabgaben zu erheben.
Normenkette
ZG §§ 6, 12-13, 57; AZO § 12
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) benutzte nach der Einreise aus dem Ausland auf dem Flughafen Frankfurt/Main beim Verlassen des Zollbereichs den grünmarkierten Ausgang für Reisende mit anmeldefreien Waren und nicht den rotmarkierten Ausgang für Reisende mit anmeldepflichtigen Waren. Auf die Zweckbestimmung wurde durch Hinweistafeln aufmerksam gemacht Außerdem lagen Handzettel mit entsprechenden Informationen aus. Im Gepäck des Klägers befanden sich über die ihm zustehende Freimenge hinaus 200 Zigaretten, die er gegenüber dem Beamten am grünmarkierten Ausgang nicht angab, obwohl dieser ihn aufgefordert hatte, mitgebrachte Waren anzumelden. Der Beklagte und Revisionskläger (das Hauptzollamt – HZA –) verlangte dafür mit Abgabenbescheid vom 2. Dezember 1977 neben den Eingangsabgaben in Höhe von 24 DM auch Zollzuschlag in derselben Höhe.
Die wegen des Zollzuschlags eingelegte Beschwerde wies die Oberfinanzdirektion (OFD) als unbegründet zurück. In den Gründen führte sie folgendes aus:
Beim HZA Frankfurt (Main) werde den Reisenden die Aufforderung zur Anmeldung abgabepflichtiger Waren in der Weise bekanntgegeben, daß die beiden rot- und grünmarkierten Ausgänge zur Verfügung stünden. Demgemäß gebe der Reisende der Zollstelle durch die Wahl eines Ausgangs zu erkenne, ob er anmeldefreie oder anmeldepflichtige Waren mit sich führe. Mit dem Beschreiten des grünmarkierten Ausgangs habe der Kläger das Zollgut erstmals der zollamtlichen Überwachung entzogen. Gleichzeitig sei er nach § 57 des Zollgesetzes (ZG) Zollschuldner geworden. Damit seien auch die Voraussetzungen für die Erhebung eines Zollzuschlags nach § 57 Abs. 7 ZG gegeben gewesen.
Das HZA erhebe den Zollzuschlag in allen gleichgelagerten Fällen, in denen es wegen der allgemein großzügig gehandhabten Gepäckkontrolle infolge Nichtbeachtung von Zollvorschriften nicht zu der gebotenen Zollbehandlung gekommen sei, in derselben Höhe. Die Höhe des Zollzuschlags sei auch deshalb gerechtfertigt, weil der Kläger bei der nachfolgenden Zollkontrolle die unterlassene Anmeldung der Zigaretten nicht nachgeholt habe.
Das Hessische Finanzgericht (FG) hob den Abgabenbescheid hinsichtlich des Zollzuschlags auf. In den Entscheidungsgründen seines Urteils vom 14. Februar 1979 VII 153/78 (Entscheidungen der Finanzgerichte 1979 S. 523 – EFG 1979, 523 –) führte es folgendes aus:
Der Kläger habe im Reiseverkehr 200 Zigaretten als Zollgut der zollamtlichen Überwachung entzogen. Es bestünden erhebliche Bedenken, ob der Kläger die Zigaretten der Überwachung schon dadurch entzogen habe, daß er den grünmarkierten und nicht den rotmarkierten Ausgang benutzt habe. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Benutzung bestimmter Ausgänge sei nicht vorhanden. Ob ein Verlangen, durch das Zollgut im Reiseverkehr nach § 13 Satz 1 ZG anmeldepflichtig werde, schon darin zu erblicken sei, daß vor den Ausgängen Hinweistafeln aufgestellt seien und Handzettel auslägen, sei zweifelhaft. Der Reisende führe zumindest noch keine „anmeldepflichtigen Waren” mit sich, solange nicht feststehe, daß die Vorkehrungen der Zollverwaltung dem Reisenden bewußt geworden seien. Die darin enthaltenen Äußerungen der Zollverwaltung mußten dem Reisenden nachweisbar zugegangen sein.
Im Streitfall brauche nicht geklärt zu werden, ob der Kläger die Hinweistafeln gesehen und ihre Bedeutung erkannt habe und ob er bei Vorliegen dieser Voraussetzungen nicht auch den grünmarkierten Ausgang habe benutzen können, um die mitgeführten Waren zu deklarieren. Dem Kläger sei nicht zu widerlegen, daß er den rotmarkierten Ausgang, wenn auch irrtümlich, wegen einer zwischen den beiden Ausgängen hängenden Kette für gesperrt gehalten habe. Zumindest dieser Irrtum bewirke, daß der Kläger nicht schon durch die Wahl des grünmarkierten Ausgangs die Voraussetzungen für die Erhebung des Zollzuschlags erfüllt habe.
Er habe die Zigaretten jedoch dadurch der Überwachung entzogen, daß er sie auf Verlangen des abfertigenden Beamten nicht angemeldet und für sie keine Abfertigung beantragt habe. Er habe die Zigaretten, die in seinem Gepäck weder versteckt noch verheimlicht gewesen seien, zwar mit dem Gepäck gestellt und damit der zollamtlichen Überwachung unterstellt, wobei es nicht darauf ankomme, ob er dem Beamten mitgeteilt habe, daß er Zigaretten mitgebracht habe. Für die am grünmarkierten Ausgang gestellten Zigaretten sei er aber dem Anmeldeverlangen des Zollbeamten nicht nachgekommen. Selbst wenn er auf die Aufforderung des Beamten, die mitgebrachten Waren anzumelden, geantwortet habe, erführe Zigaretten und Whisky mit sich, sei das weder für die Anmeldung noch für den Zollantrag ausreichend. Dazu habe er zumindest noch die genaue Menge des mitgeführten Zollguts angehen müssen (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 der Allgemeinen Zollordnung – AZO –). Von dieser Verpflichtung sei der Kläger nicht schon deshalb entbunden gewesen, weil der Beamte das Gepäck des Klägers habe einsehen oder ihn zur Ergänzung der Anmeldung hinsichtlich der Menge habe veranlassen können.
Der Kläger habe somit entgegen seiner Anmeldepflicht die 200 Zigaretten nicht angemeldet und dadurch den Eindruck erweckt, er führe nur die Freimenge mit sich. Dadurch habe er die Zigaretten der zollamtlichen Überwachung entzogen. In einem solchen Falle stehe es im Ermessen der Zollverwaltung, ob sie Zollzuschlag erheben und in welcher Höhe – im Streitfall zwischen 3 und 24 DM – sie ihn festsetzen wolle.
Der angefochtene Zuschlagsbescheid vom 2. Dezember 1977 lasse keine dem § 102 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechende sachgerechte Überprüfung zu, da er keine Begründung zur Ermessensausübung enthalte, so daß nicht geprüft werden könne, welche Beweggründe zur Erhebung und zur Höhe des Zuschlags geführt hätten und ob die Entscheidung möglicherweise davon beeinflußt sei, daß sich zwischen dem Kläger und dem Abfertigungsbeamten verbale Differenzen ergeben hätten.
Das HZA habe ergänzend vorgetragen, sein Ermessen sei durch ministerielle Dienstanweisung (Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung – VSF – Z 2201 Abs. 6) dahin gehend gebunden gewesen, daß es im Regelfall den Zuschlag in voller Höhe zu erheben, bei leichtem Versehen von der Erhebung abzusehen und bei grobem Versehen einen niedrigeren Zuschlag (in der Regel die Hälfte des vollen Zuschlags) festzusetzen habe. Diese Handhabung zeige, daß das HZA sein Ermessen – wenn auch auf Weisung beruhend – fehlerhaft ausgeübt habe. Durch die Weisung, den Zollzuschlag im Regelfall in voller Höhe zu erheben, sei das HZA in der Ausübung des ihm nach dem Gesetz zustehenden Ermessens derartig eingeengt gewesen, daß ihm praktisch nur die Möglichkeit verblieben sei, die vom Bundesminister der Finanzen (BdF) genannte generelle Zuschlagshöhe in den Einzelfällen anzuordnen. Die Erhebung des vollen Zuschlags im „Regelfall” sei ermessensfehlerhaft, weil kein Raum verbleibe, einen ermessensfehlerfreien Zuschlag für die Fälle festzusetzen, die in ihrer Bedeutung und Tragweite über den „Regelfall”, was immer das sein möge, hinausgingen.
Auch die Beschwerdeentscheidung lasse nicht erkennen, daß die Verwaltung von ihrem Ermessen hinsichtlich der Erhebung und Höhe des Zuschlags sachgerecht Gebrauch gemacht habe. Ihr sei vielmehr zu entnehmen, daß eine genügende Abwägung nicht stattgefunden habe und das Ermessen infolgedessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden sei.
Wenn in der Entscheidung weiter ausgeführt werde, die Zuschlagshöhe sei dadurch bedingt, daß der Kläger den grünmarkierten Ausgang benutzt habe, obwohl er anmeldepflichtige Waren mit sich geführt und bei der nachfolgenden Zollkontrolle die einmal unterlassene Anmeldung nicht nachgeholt habe, sei diese Entscheidung rechtswidrig; denn es gebe, wie ausgeführt, keine gesetzliche Pflicht zur Benutzung eines bestimmten Ausgangs, so daß in der Benutzung eines anderen Ausgangs noch keine unterlassene Anmeldung zu erblicken sei. Außerdem könne es dem Kläger nach den dem Gericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen nicht widerlegt werden, daß er den rotmarkierten Ausgang für gesperrt und deswegen seine Waren dort nicht gestellt und angemeldet habe. Deswegen dürfe die Zuschlagshöhe nicht dadurch beeinflußt werden, daß der Kläger den grünen Ausgang benutzt habe.
Das HZA begründet seine Revision gegen das Urteil wie folgt:
Entgegen der Ansicht des FG sei nicht zweifelhaft, daß die Zollanmeldung im sog. Zweikanal-Abfertigungsverfahren verlangt worden sei. Das Verlangen ergebe sich zwar nicht daraus, daß vor den Durchgängen Hinweistafeln aufgestellt seien und Handzettel auslägen. Die Zollanmeldung werde aber durch die farbliche Ausgestaltung der Durchgänge und durch zweisprachige Aufforderungen innerhalb der Farbsymbole verlangt. Diese farbliche und verbale Kennzeichnung der Durchgänge sei augenfällig und unmißverständlich.
Es sei regelmäßig davon auszugehen, daß Reisende, die bei stichprobenweisen Kontrollen mit anmeldepflichtigen Waren im grünen Durchgang angetroffen würden, mit Vorsatz handelten. Nur in begründeten Ausnahmefällen (z. B. bei Fehlinformation durch das Flugpersonal, bei hohem Alter, bei Vergeßlichkeit und ähnlichem) könne vermutet werden, daß Reisende mit anmeldepflichtigen Waren versehentlich den grünen Durchgang benutzt hätten. Diesen Besonderheiten entspreche die vom BdF erlassene Anweisung, wonach der Zollzuschlag im Regelfall in voller Höhe zu erheben, bei leichtem Versehen vom Zollzuschlag abzusehen und bei grobem Versehen ein niedrigerer Zollzuschlag zu erheben sei.
Zur Frage der Begründung des Ermessens werde vom FG verkannt, daß im Streitfall überhaupt kein schriftlicher Verwaltungsakt ergangen sei. Vielmehr sei der Kläger bei seiner Einreise in das Zollgebiet zunächst mündlich aufgefordert worden, den Zollzuschlag zu entrichten. Gleichzeitig sei er vom Abfertigungsbeamten ausführlich über die Gründe, die zur Festsetzung des Zollzuschlags geführt hätten, unterrichtet worden. Bei der schriftlichen Zollzuschlagsverfügung handele es sich somit nicht um einen eigenständigen schriftlichen Bescheid, sondern lediglich um die schriftliche Bestätigung des mündlichen Bescheids vom selben Tag.
Der im Revisionsverfahren beigetretene BdF führt folgendes aus:
Die Bedenken des FG, ob der Kläger die Zigaretten schon durch die Benutzung des grünmarkierten Ausgangs der zollamtlichen Überwachung entzogen habe, seien nicht begründet. Die Flughafenzollstelle verlange – in der in der Revisionsbegründung näher dargelegten Weise – durch Allgemeinverfügung (§ 118 Satz 2 der Abgabenordnung – AO 1977 –) die Anmeldung insbesondere solcher Waren, die nicht als Reisebedarf abgabenfrei seien. Wer solche Waren mit sich führe, habe sie mündlich anzumelden (§ 13 ZG, § 18 Abs. 2 Nr. 1 AZO). Er genüge seiner Anmeldepflicht, wenn er den roten Durchgang benutze und dort die Waren im einzelnen anmelde. Er verletze die Anmeldepflicht, wenn er mit Waren, die nicht abgabenfrei seien, den grünen Durchgang benutze und damit durch schlüssiges Handeln zum Ausdruck bringe, er führe nur abgabenfreien Reisebedarf mit. Im Streitfall sei daher, entgegen dem angefochtenen Urteil, davon auszugehen, daß der Kläger die nicht abgabenfreien Zigaretten schon dadurch der zollamtlichen Überwachung entzogen habe, daß er mit diesen Waren den grünen Durchgang gewählt habe.
Da der Staat im Reiseverkehr weitgehend auf Förmlichkeiten und Zollkontrollen verzichte, sei es angebracht, wenigstens eine „abgabenrechtliche Sanktion” vorzusehen, um den Verzicht auf Kontrolle auszugleichen. Als Zollzuschlag solle im Regelfall innerhalb der durch das Gesetz gezogenen Grenzen (Mindest- und Höchstbetrag) der Abgabenbetrag erhoben werden, da sich die in Betracht kommenden Einzelfälle in objektiver Hinsicht im wesentlichen nur durch den unterschiedlichen Betrag an Eingangsabgaben für die der zollamtlichen Überwachung vorenthaltenen oder entzogenen Waren unterschieden. Allerdings könnten – dies sei Sinn der Ermessensvorschrift – besondere, auf der Hand liegende subjektive Gründe eine Korrektur zugunsten des Betroffenen oder auch einen Verzicht auf den Zuschlag erforderlich machen. Dieser zweite Maßstab könne jedoch, schon weil der Gesetzgeber die Abfertigung insbesondere im Reiseverkehr beschleunigen, aber nicht aufhalten wolle, nur ein verhältnismäßig grober sein. Lägen besondere Gründe nicht vor, so könne, wie die Revisionsbegründung zutreffend betone, gerade bei der Einreise im Flugverkehr über Zollstellen mit Zweikanalsystem von einem bewußten Verstoß ausgegangen werden.
Das HZA und der BdF beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er führt folgendes aus:
Der angefochtene Bescheid habe nach § 121 Abs. 1 AO 1977 die Gründe für die Festsetzung und Höhe des Zollzuschlags enthalten müssen. Eine Ausnahme davon komme nicht in Betracht. Dem Kläger sei nicht bekannt gewesen, daß und aus welchen Gründen gegen ihn ein Zollzuschlag in Höhe der Höchstgrenze festgesetzt werde. Allein darauf komme es jedoch an.
Das HZA habe eine Begründung offenbar nicht für erforderlich gehalten, weil die Höhe des Zollzuschlags durch die Anweisung des BdF bindend vorgeschrieben gewesen sei. Aufgrund des gesetzlich vorgesehenen Ermessens müsse der entscheidenden Behörde die Möglichkeit belassen werden, innerhalb des durch Gesetz vorgesehenen Rahmens eine Entscheidung zu treffen.
Es solle nicht übersehen werden, daß der Zuschlag Strafcharakter habe. Deshalb sei zu verlangen, daß sich die Praxis nicht allzuweit von der gesetzlichen Grundlage entferne. Das aber habe der BdF getan, wie aus seiner Stellungnahme entnommen werden müsse. Mit seiner Anweisung werde den Zollstellen grundsätzlich und bindend vorgeschrieben, den vollen Zuschlag zu erheben, der damit festgeschrieben werde. Es könne keinem Zweifel unterliegen, daß diese Weisung den Ermessensspielraum in unzulässiger Weise einenge.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Die Zollstelle war befugt, den Zollzuschlag zu erheben.
Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß für die Zigaretten, die Gegenstand des Rechtsstreits sind, nach § 57 Abs. 1 ZG eine Abgabenschuld in der von der Zollstelle bestimmten Höhe entstanden und der Kläger nach § 57 Abs. 2 ZG Abgabenschuldner geworden ist.
1. Die Feststellungen des FG rechtfertigen die Schlußfolgerung daß der Kläger die streitbefangenen Zigaretten im Reiseverkehr im Zusammenhang mit der Zollbehandlung erstmals der zollamtlichen Überwachung vorenthalten oder entzogen hat (§ 57 Abs. 1 und 7 ZG) Nach den Ausführungen des FG ist davon auszugehen, daß der Kläger die Zigaretten gestellt hat, daß er also insoweit seine Pflichten nicht verletzt hat. Das FG ist aber mit Recht davon ausgegangen, daß der Kläger die Zigaretten der zollamtlichen Überwachung dadurch vorenthalten oder entzogen hat, daß er seine Anmeldepflichten nach den §§ 12, 13 ZG nicht erfüllt hat.
Ob der Kläger, wie das HZA und der BdF meinen, am rotmarkierten Ausgang eine Zollanmeldung nach § 12 ZG hätte abgeben müssen und die Zigaretten schon durch das Unterlassen dieser Anmeldung der zollamtlichen Überwachung vorenthalten oder entzogen hat, hängt zunächst davon ab, daß die Anmeldung am rotmarkierten Ausgang von ihm verlangt worden ist (§ 13 ZG). Die Feststellungen des FG reichen jedoch nicht aus, um das beurteilen zu können. Insbesondere vermag der Senat das Verlangen zur Anmeldung nicht den Ausführungen des FG über die Hinweise zu entnehmen, mit denen die Reisenden auf dem Flughafen über die Benutzung der unterschiedlich markierten Ausgange informiert werden sollten, weil die Ausführungen des FG keine Angaben darüber enthalten, ob zu erkennen war, daß die Hinweise von einer stelle stammten, die befugt war, die Anmeldung nach § 13 ZG zu verlangen, und ob die Reisenden durch die Hinweise genügend deutlich zur Anmeldung i. S. des § 12 ZG aufgefordert worden waren.
Bei dieser Sachlage kommt es nicht darauf an, ob überhaupt verlangt werden konnte, daß die Anmeldung am rotmarkierten Ausgang abzugeben war und ob dazu, wie der BdF meint, eine Allgemeinverfügung i. S. des § 118 Satz 2 AO 1977 geeignet war.
Wenn der Kläger nicht wirksam verpflichtet worden sein sollte die Anmeldung nach § 12 ZG am rotmarkierten Ausgang abzugeben so hat er die Zigaretten der zollamtlichen Überwachung spätestens dadurch vorenthalten oder entzogen, daß er dem Verlangen zur Anmeldung der Zigaretten durch den abfertigenden Beamten am grünmarkierten Ausgang entsprechend den Ausführungen des FG nicht nachgekommen ist. Wie das FG zutreffend ausgeführt hat, reichten zur Anmeldung nach § 12 ZG nicht die Angaben des Klägers aus, er führe Zigaretten und Whisky mit sich. Um das Zollgut mit den für die Zollanmeldung maßgebenden Merkmalen und Umständen i. S. des § 12 ZG anzumelden, hätte der Kläger zumindest noch Angaben über die Zahl der Zigaretten machen müssen.
2. Die Festsetzung des Zollzuschlags ist nicht deshalb rechtswidrig weil – wie das FG meint – der Bescheid des HZA keine Ausführungen enthalte, denen die Gründe für die Erhebung und Bemessung des Zuschlags entnommen werden könnten. Da die Erhebung und Bemessung des Zuschlags Ermessensentscheidungen sind, muß den Verwaltungsentscheidungen zwar entnommen werden können, welche Erwägungen im Einzelfall dafür maßgebend waren. Denn der Staatsbürger, in dessen Rechte eingegriffen wird, hat einen Anspruch darauf, die Gründe dafür zu erfahren, damit er sich sachgemäß verteidigen kann (vgl. Urteil des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 16 Januar 1957 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32, 44; Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 3. Februar 1981 VII R 86/78, BFHE 133, 1, BStBl II 1981, 493). Dazu reicht es aber aus, daß sich die Erwägungen für die Ermessensentscheidungen aus der Rechtsbehelfsentscheidung der OFD ergeben. Für eine Ermessensentscheidung ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 10. August 1976 VII R 111/74, BFHE 120, 13, 16, BStBl II 1977, 104). Demnach kommt es für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im gerichtlichen Verfahren darauf an, welche Erwägungen für die Ermessensentscheidung in diesem Zeitpunkt von der Verwaltung als maßgebend angesehen worden sind. Die letzte Verwaltungsentscheidung ist im Streitfall die Beschwerdeentscheidung der OFD. Diese Entscheidung enthält aber Ausführungen über die Erwägungen, die für die Erhebung und Bemessung des Zollzuschlags als maßgebend angesehen worden sind. Aus den Ausführungen der OFD ergibt sich, daß der Zollzuschlag festgesetzt worden ist, weil es wegen der allgemein großzügig gehandhabten Gepäckkontrolle infolge Nichtbeachtung von Zollvorschriften und der Benutzung des grünmarkierten Ausgangs nicht zu der gebotenen Zollbehandlung gekommen ist. Diese Ausführungen lassen erkennen, daß für die Erhebung und Bemessung des Zollzuschlags die Verhinderung der Zollbehandlung durch Ausnutzung der großzügigen Verhaltensweise der Zollstelle bei der Gepäckkontrolle maßgebend waren.
Auch unter Beachtung der Regelung in § 121 Abs. 1 AO 1977 reicht es aus, daß der Beschwerdeentscheidung der OFD die Gründe für die Erhebung und Bemessung des Zollzuschlags entnommen werden können, da der Verwaltungsakt durch die Beschwerdeentscheidung die maßgebliche Gestalt erhalten hat (vgl. § 44 Abs. 2 FGO). Soweit aus § 121 Abs. 1 AO 1977 zu entnehmen ist, daß der Verwaltungsakt des HZA schriftliche Gründe enthalten mußte, reicht es also aus, daß dieses Erfordernis durch die Beschwerdeentscheidung erfüllt worden ist.
3. Entgegen der Auffassung des FG ist die Erhebung und Bemessung des Zollzuschlags auch nicht ermessensfehlerhaft. Ermessensentscheidungen sind im gerichtlichen Verfahren nur daraufhin zu überprüfen, ob die Grenzen des Ermessens überschritten worden sind oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (§ 102 FGO).
a) Es entspricht dem Zweck der Ermächtigung, den Zollzuschlag, wie sich aus den Ausführungen der OFD ergibt, dafür zu erheben, daß der Kläger die Maßnahmen der Zollstelle zur beschleunigten Abfertigung des Reiseverkehrs dazu genutzt hat, eine Zollbehandlung zu verhindern, indem er seine Pflichten zur Anmeldung der Zigaretten nicht erfüllt hat.
b) Die Festsetzung des Zollzuschlags ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil ihr eine generelle Weisung des BdF zugrunde liegt. Die Ausübung eines Verwaltungsermessens darf grundsätzlich durch Richtlinien und allgemeine Weisungen gebunden werden, sofern die der Bindung zugrunde liegenden Erwägungen der Zielsetzung der vom Gesetz eingeräumten Ermächtigung entsprechen und eine Abweichung aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall möglich bleibt (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 4. November 1977 VI B 30.77, Buchholz, Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, § 39 LBG Baden-Württemberg, 237.0 Nr. 1). Die Möglichkeit zur Abweichung wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die Richtlinie oder Weisung eine Bindung für den „Regelfall” vorsieht. Dadurch wird der gebundenen Behörde nicht die Möglichkeit genommen, aufgrund von Besonderheiten im Einzelfall ihr Ermessen anders auszuüben.
c) Die Bemessung des Zollzuschlags ist auch nicht deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie auf der Erwägung beruht, im „Regelfall” den höchstzulässigen Zuschlag zu erheben. Die Ausführungen der OFD lassen erkennen, daß der Regelfall angenommen wird, wenn der Reisende die großzügige Handhabung der Gepäckkontrolle zur Beschleunigung der Abfertigung durch Verletzung von Zollvorschriften dazu nutzt, eine Zollbehandlung zu verhindern. In den Ausführungen der OFD kommt weiter zum Ausdruck, daß dabei das Maß des Verschuldens berücksichtigt werden kann. Es ist nicht erkennbar, daß bei Beachtung dieser Gesichtspunkte die Ausübung des Ermessens unter Verletzung der dafür vorgesehenen gesetzlichen Grenzen etwa zu einem unverhältnismäßig hohen Zuschlag oder zu einem Ergebnis geführt hat, das mit dem Zweck der Ermächtigung nicht vereinbar ist. Die aufgezeigten Voraussetzungen für den Regelfall bieten vielmehr eine hinreichende Gewähr dafür, daß der Zweck der Ermächtigung auch bei der Bemessung des Zollzuschlags gewahrt bleibt. Die Berücksichtigung des Verschuldens erscheint dazu geeignet, den Besonderheiten im Einzelfall Rechnung zu tragen und in den Fällen einen niedrigeren Zollzuschlag festzusetzen oder gar vom Zollzuschlag abzusehen, in denen die Verletzung der Zollvorschrift mit der Folge des Unterbleibens einer Zollbehandlung lediglich auf einem Versehen beruht.
4. Der Zollzuschlag ist nicht eine Strafe oder Buße, für die der Finanzrechtsweg nicht gegeben wäre. Er ist vielmehr – dem Verspätungszuschlag vergleichbar – ein Mittel, das im Gesetz erkennbar dazu vorgesehen ist, den Reisenden zur Erfüllung seiner Pflichten im Zusammenhang mit der Zollbehandlung anzuhalten, auch wenn das Fehlverhalten aufgrund von § 80 ZG nicht als Straftat oder Zollordnungswidrigkeit verfolgt werden kann. Er ist zwar – wie der Verspätungszuschlag – eine Ungehorsamsfolge. Nicht alle Ungehorsamsfolgen gehören aber zu den Strafen und Geldbußen. Der Zollzuschlag unterscheidet sich schon deshalb von einer Strafe oder Geldbuße, weil seine Erhebung nicht von einem Verschulden abhängig ist.
Fundstellen
Haufe-Index 510525 |
BFHE 1982, 95 |
NJW 1982, 2280 |